LWF Wissen 86
Die Buche in den Bayerischen Naturwaldreservaten

Zusammenfassung: Im Buchenland Bayern spielt die Buche auch in vielen Naturwaldreservaten eine führende Rolle. Doch neben der Buche verändern sich die Anteile der Mischbaumarten. So verloren Eiche, Fichte und sonstige Mischbaumarten in zahlreichen Naturwaldreservaten an Flächenanteilen, konnten aber auch in mehreren Reservaten ihre Flächenanteile erhöhen. Nach über 40 Jahren Prozessschutz haben die Vorräte der Buchenreservaten in den meisten Reservaten dabei stark zugenommen und vereinzelt die Marke von 1000 Vfm/ha auf den Repräsentationsflächen überschritten. Mit ein Grund sind auch die enormen Baumhöhen, die die Bäume in den Reservaten erreichen können. Sommerstürme waren für die bislang auffälligsten Veränderungen der Strukturen in den Buchenreservaten ursächlich.

Bayern wäre ohne den menschlichen Einfluss heute wahrscheinlich überwiegend mit Buchenwäldern be­deckt. Die Bundeswaldinventur von 2012 ermittelte ei­nen ideellen Flächenanteil der Buche von rund 14 % an der Gesamtwaldfläche Bayerns. Damit ist die Buche mit Abstand der häufigste Laubbaum in den bayeri­schen Wäldern (Polley et al. 2016). Dementsprechend stark ist sie auch in den bayerischen Naturwaldreser­vaten (NWR) vertreten, da ein wichtiges Auswahlkrite­rium für deren Ausweisung darin bestand, möglichst alle in Bayern vorkommenden natürlichen Waldgesell­schaften und ihre Standorte zu repräsentieren.

Fast überall mit von der Partie

Mit Ausnahme von einigen Moor­-, Bruch-­, Au-­, ehemali­gen Mittel-­ und Kiefernwäldern kommt die Buche von den Tieflagen wie dem NWR Pfahlloch der Stadt Alze­nau auf 180 m ü. NN bis in die Hochlagen des Bayeri­schen Waldes wie dem NWR Grübel auf 1.200 m ü. NN und der bayerischen Alpen mit den beiden Reservaten Wettersteinwald und Totengraben bis in Höhen von 1.600 m ü. NN vor.
Die Dominanz der Buche spiegelt sich auch in den Da­ten der Betriebsinventuren der bayerischen Staatswäl­der wider. Im Zuge dieser periodischen Waldaufnah­men werden NWR im Staatswald, die größer als 20 ha sind, miterfasst und dieselben waldwachstumskund­lichen Daten wie in den umliegenden Wirtschafts­wäldern erhoben. Dabei ist das Aufnahmeraster der permanenten Probekreise mit 100 m (bzw. 200 m bei großen NWR über 80 ha) sogar noch enger als in den bewirtschafteten Wäldern. Mit Hilfe der erhobenen Daten können Aussagen über die einzelnen Reserva­te und deren Entwicklung getroffen werden. Die Aus­wertungen zeigen, dass die Buchenanteile in einigen Reservaten der Rhön, der Fränkischen Alb und des Neuburger Waldes besonders hoch (39 – 95 %) sind. Bei der Mehrzahl der Reservate bewegt sich der Mi­schungsanteil der Buche im Bereich von 20 bis 60 % der lebenden Grundfläche und in 58 Naturwaldreser­vaten mit Inventurraster weist die Buche einen Anteil von mehr als 50 % am Holzvorrat auf.
Gegenüber den Mischbaumarten kann die Buche ten­denziell im Grundflächenzuwachs zwischen der Erst-­ und den Wiederholungsaufnahmen zulegen (Tab. 1, Abb. 1). Es zeichnet sich ab, dass sich die Mischbaum­arten mit Ausnahme der Fichte in den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten durchaus behaupten konn­ten. Ein Vergleich von buchendominierten Reservaten mit höheren Anteilen von Mischbaumarten (Eiche, Fichte, sonstige Mischbaumarten) zeigt, dass die Eiche auf den Flächen im Schnitt ihre Grundflächen erhalten kann. Auch die relativen Anteile zur Grundfläche der Buche ändern sich bei vier NWR nur geringfügig, zwei nehmen deutlich ab, eines deutlich zu. Die Fichte hat dagegen merklich an Grundfläche verloren. Das zeigt sich auch beim Vergleich der relativen Grundflächen. In vier NWR gab es eine signifikante Abnahme der Fichte zu Gunsten der Buche, bei vier ein Verharren und lediglich bei einem NWR (Hüttenhänge) konnte eine ansteigende Tendenz festgestellt werden. Hierbei muss aber betont werden, dass die Abnahme der Fich­tenvorräte größtenteils nicht auf starke Konkurrenz sei­tens der Buche, sondern meist auf Borkenkäferbefall zurückzuführen ist.

Die übrigen Mischbaumarten (dabei erreichen insbe­sondere Bergahorn, Esche, Hainbuche, Spitzahorn, Ulmen und Winterlinde sowie die Europäische Lärche und die Gemeine Kiefer höhere Anteile), konnten da­gegen durchaus Grundfläche hinzugewinnen.

Entwicklung von Mischbaumwarten und Buche im Vergleich von 1. zu 2. Inventur

Abb.1: Entwicklung der Grundfläche pro Hektar der Mischbaumarten (oben) und der Buche (unten) in den mischbaumartenreichen Buchenwäldern (Tabelle 1) (mit Eiche – links, mit Fichte – Mitte, sonstige mit Mischbaumarten – rechts) (© LWF)

Tabelle zeigt Änderungen im Vorhandensein von Buche und Mischbaumarten i

Tabelle 1: Veränderung der Grundflächen von Mischbaumarten in Buchen-NWR mit höheren Beimischungen von Eiche, Fichte und sonstigen Mischbaumarten im Vergleich der ersten und aktuell letzten vorliegenden Betriebsinventur (© LWF)

Bayernkarte mit regionalen Festermeterdaten zur Buche

Abb. 2: Anteil der Buche (grüne Kreise) an der lebenden Bestockung Bayerischer NWR in Staatswäldern auf der Grundlage der Betriebsinventur. Alle weiteren NWR sind farbig nach Besitzarten hinterlegt. (© LWF)

Dynamik in Buchen-Naturwaldreservaten

Viele wichtige Erkenntnisse über die Dynamik der Wälder ohne forstliche Nutzung wurden in den vergan­genen 40 Jahren aus den rund einen Hektar großen, oft schon in den 1970er Jahren angelegten Repräsen­tationsflächen gewonnen. Auf diesen i. d. R. einen Hek­tar großen Flächen werden alle lebenden Bäume mit einem BHD über 7 cm sowie seit den 1990er Jahren meist auch das liegende und stehende Totholz erfasst.

Auf den meisten Repräsentationsflächen konnte die Bu­che ihre Vorräte in den vergangenen mehr als 40 Jahren weiter aufbauen (Abb. 3). Allerdings sind auf einigen Flächen auch bereits Vorratsabnahmen festzustellen.
Die höchsten Holzvorräte weist die Repräsentations­fläche im NWR Knittelschlag bei Kelheim auf (Abb. 3). Dort befanden sich zur jüngsten Aufnahme im Jahr 2021 1044 Vfm/ha bei einer Grundfläche von 47,3 m2/ha. Dieser Vorrat wurde von gerade einmal 184 teils mächtigen Buchen, mit einem mittleren BHD von 55,3 cm gebildet und ist innerhalb von 42 Jahren um 399 Vfm angewachsen. Das entspricht einem Vorrats­aufbau von 9,5 Vfm/ha*Jahr. Beeindruckend hohe Lebendvorräte von Buche wurden auch auf den Re­präsentationsflächen der NWR Frauenberg im Bay­erischen Wald (976 Vfm/ha), Kalkberg in der Rhön (943 Vfm/ha) und Krebswiese-­Langerjergen in Mittel­schwaben (924 Vfm/ha) gemessen.

Die Entwicklungen der Vorräte in buchendominierten Repräsentationsflächen dienen auch als Grundlage für eine Kohlenstoffbilanzierung die in diesem Heft (Schulz & Blaschke) vorgestellt wird.

Buchenholz-Vorrat auf den Repräsentationsflächen

Abb. 3: Entwicklung der Vorräte der Buche auf den Repräsentationsflächen seit den ersten Aufnahmen der Flächen. (Pfeile nach oben beschreiben einen Vorratszuwachs, Pfeile nach unten einen Vorratsverlust. 2-Spessart, 3-Rhön, 4-Fränkische Platte, 5-Keuper, 6-Frankenalb, 7-Trias, 8-Frankenwald, 9-Opf. Becken, 10-Opf. Wald, 11-Bay. Wald, 12-Tertiär, 13-Altmoräne, 14-Jungmoräne, 15-Alpen) (© LWF)

Dicker, höher, vorratsreicher

Viele kleine rote Punkte zeigen Vegetationshöhen über 38,5 m HöheZoombild vorhanden

Abb. 4: Flächen mit Vegetationshöhen über 38,5 m (rot) im Naturwaldreservates Knittelschlag

In manchen der Repräsentationsflächen befinden sich mächtige Baumriesen (Tab. 2). Den Rekord hält derzeit eine Buche im NWR Brunnstube bei Ebrach (Abb. 5) mit einem BHD von ca. 127 cm. Dass solche Baumriesen ihren Zenit meist schon überschritten ha­ben, zeigt sich auch bei diesem Exemplar. Ihr Stamm brach im Jahr 2013 bei einem Sommersturm in 15 m Höhe ab. Von 1978 bis 2018 konnte der Baum noch um 16 cm auf 127,3 cm BHD zulegen.

In NWR befinden sich tendenziell nicht nur mehr di­cke Bäume als im Wirtschaftswald, sondern die Bäu­me werden auch höher, weil dort eben keine Durchforstungen stattfinden und der Kampf ums Licht das Höhenwachstum antreibt. Dieser Effekt ist beim Laub­holz, allen voran der Buche am ausgeprägtesten. In digitalen Oberflächenmodellen heben sich deshalb die ältesten Teile von NWR mit hohen Buchenanteilen vom umgebenden Laubwald als kompakte Flächen deutlich ab, wenn nach der höchsten Kronenschicht gefiltert wird (Abb. 4).
Tabelle 2: Die sechs dicksten Buchen in den Repräsentationsflächen der Bayerischen Naturwaldreservate
Nr.Naturwaldreservat BHD in cm (Jahr)Region
121Brunnstube127,3 (2018)Steigerwald
91Teufelsgesperr117,5 (2016)Bayerischer Wald
121Brunnstube116,5 (2018)Steigerwald
120Waldhaus115,5 (2018) Steigerwald
105Gitschger114,9 (2017) Nördl. Oberpfalz
122Platzer Kuppe114,0 (2019) Rhön
Stehende Totholzstämme in einem herbstlichen Laubwald

Abb. 5: Buchentotholz (© M. Blaschke)

Über ein ganzes Reservat betrachtet, weist das NWR Kalkberg (Abb. 6) in der Rhön gemäß der Betriebs­inventur der BaySF den höchsten Buchenvorrat mit 815 Vfm/ha auf. Dieses Reservat präsentiert sich als ein klassischer »Buchenhallenbestand«.

Mit 185 m3/ha liegt die größte Menge Buchentotholz in der Repräsentationsfläche des NWR Brunnstube, dass 2013 von einem regionalen Sommersturm betroffen wurde. Weitere Flächen mit hohen Buchentotholzmen­gen waren 1995 in den NWR Schloßberg und Platzer Kuppe in der Rhön zu finden. Seitdem hat dort die Totholzmenge allerdings durch Zersetzungsprozesse wieder deutlich abgenommen.

Aktuelle Entwicklungen

Bei 15 Aufnahmen, die in den beiden Jahren 2020 und 2021 in Repräsentationsflächen mit Buchenan­teilen durchgeführt wurden, zeigte sich in elf Fällen gegenüber der Voraufnahme ein weiterer Anstieg der Lebendvorräte, nur in vier Fällen hat sich dieser ver­mindert. Darunter waren das NWR Sulz bei Donau­wörth, das NWR Totengraben, die beide von lokalen Sturmereignissen betroffen waren. Deutliche Hinweise auf Absterbeprozesse in Folge der beiden Trockenjah­re 2018 und 2019 waren bei diesen Aufnahmen bisher nicht festzustellen.

Fazit

Liegender mit Moos bewachsener Totholzstamm in einem Laubwald Zoombild vorhanden

Abb. 6: Repräsentationsfläche des NWR Kalkberg in der Rhön (© M. Blaschke)

Als die von Natur aus vorherrschende Baumart in Bay­ern hat die Buche in den NWR seit Beginn der Aus­weisung vor über 40 Jahren ihre Stellung gehalten und teilweise sogar ausgebaut. Die größten Vorratsrück­gänge auf einzelnen Teilflächen sind bisher auf Stürme zurückzuführen. Dabei treten insbesondere in Verbin­dung mit lokalen Sommerstürmen, bei denen die Bäu­me im vollen Laub stehen, entsprechende Verände­rungen der Bestandesstruktur auf. Grundsätzlich kann bei der bisherigen Entwicklung in den Bayerischen Naturwaldreservaten noch keineswegs von einer »Ver­buchung« gesprochen werden. So konnten bislang die Mischbaumarten in den untersuchten Beständen weitgehend ihre Grundflächenanteile erhalten. Nur bei der Fichte sind durch Borkenkäferschäden vergleichs­weise hohe Rückgänge des Grundflächenanteils in Buchenwäldern zu beobachten gewesen.

Großflächi­ge Trockenschäden an der Buche waren auch bei den jüngsten Aufnahmen nach den Trockenjahren 2018 und 2019 in den NWR sind bislang nicht zu erkennen. Dies deutet darauf hin, dass die Buche auch in den kommenden Jahren ihre hohen Anteile an Stammzah­len, Grundfläche und Vorrat in den bayerischen Natur­waldreservaten halten wird.

Summary
In the natural beech country of Bavaria, this species also plays a leading role in many strict forest reserves. But in addition to the beech, the proportions of mixed tree species are changing. Oak, spruce and other mixed tree species lost base area in numerous strict forest reserves, but were also able to increase their base area in several reserves. After more than 40 years of natural process, the stocks of the beech reserves have increased significantly in most of the reserves and occasionally exceeded the mark of 1000 cubic meters/ha on the representative areas. One reason is the enormous tree heights that the trees in the reserves can reach. Summer storms were the cause of the most striking structural changes in the beech reserves to date.

Literatur

  • Polley, H.; Hennig, P.; Kroiher, F.; Marks, A.; Oehmichen, K.; Riedel, T.; Schmidt, U.; Schwitzgebel, F. & Stauber, T. (2016): Ergebnisse der Bundeswaldinventur 2012, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Berlin, 277 S.

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