LWF aktuell 141
Auerhuhn-Monitoring bayernweit gestartet
von Boris Mittermeier, Corinna Lieberth, Helena Löffler, Isabelle Klein, Veronika Zimmerer und Martin Lauterbach
Abb. 1a: Auerhahn (© Jakub Mrocek, PantherMedia)
Wie geht es dem Auerhuhn in Bayern? Wie werden sich die Populationen langfristig entwickeln? Um diese Fragen in Zukunft beantworten zu können, startete die Bayerische Forstverwaltung 2022 ein langfristig angelegtes bayernweites Auerhuhn-Monitoring. Im Spätsommer und Herbst 2022 begaben sich 66 Kartiererinnen und Kartierer auf Spurensuche nach dem seltenen Vogel.
Das Auerhuhn (Tetrao urogallus) gilt als Charaktervogel der bayerischen Bergwälder und ist schon seit langem »Flaggschiff-Art« des Naturschutzes im Bergwald. In der nationalen Roten Liste wird es als »vom Aussterben bedroht« eingestuft, die Bestandstrends sind negativ. Bayern beherbergt den größten Teil der in Deutschland noch vorhandenen Populationen und trägt daher eine große Verantwortung für diesen Waldvogel.
Das Auerhuhn als Schirmart naturnaher Bergwälder
Abb. 1b: Auerhenne (© Corinna Lieberth, LWF)
Als Taigawaldbewohner ist das Auerhuhn an eher lichte, großflächige und störungsarme Nadelmischwälder angepasst wie es sie in den hochmontanen Bereichen der Alpen ab einer Höhe von circa 1.200–1.300 m gibt. Da sich die Vögel in den Sommermonaten tagsüber überwiegend auf dem Boden aufhalten, ist eine lockere und gut durchdringbare Krautschicht entscheidend. Sie bietet gleichermaßen Deckung und Nahrung. Beersträucher wie die Heidelbeere spielen dabei eine besondere Rolle. Auch Habitatstrukturen wie Sandbadestellen oder aufgeklappte Wurzelteller, an denen Magensteinchen zur Verdauung aufgenommen werden, sind essentiell. Vor allem aber braucht es viel Ruhe. Die in den letzten Jahren räumlich wie zeitlich zunehmenden Freizeitaktivitäten im Lebensraum der Auerhühner, z. B. Schneeschuhtouren, Skitouren, Geocaching, Fahrradfahren oder Nachtwanderungen, wirken sich als gravierende Störungen daher negativ auf die Bestände aus.
Aufgrund der vielfältigen Anforderungen an sein Habitat, der Störungsempfindlichkeit und der großen Raumansprüche kann das Auerhuhn als »Schirmart« für die Artengemeinschaft strukturreicher Bergwälder bezeichnet werden. Maßnahmen zu seinem Schutz kommen daher auch einer Vielzahl montaner Arten wie beispielsweise Dreizehenspecht, Raufußkauz oder Ringdrossel zugute. Somit hat das Auerhuhn als Leitart im Bergwald einen sehr hohen Stellenwert für den Naturschutz.
Auerhuhn-Management in Bayern
In allen kartierten Vogelschutzgebieten wurden zudem insgesamt 16.000 ha wertvoller Vorrangflächen für das Auerhuhn ausgewiesen, in denen besondere Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. Dazu gehören die Vermeidung von Störungen im Winter und zur Brut- und Aufzuchtszeit sowie der Abbau bzw. die Markierung von Zäunen als potentielle Gefahrenquellen (Kollisionsgefahr). Zudem sollen waldbauliche Maßnahmen in diesen Kernhabitaten auerhuhnfreundliche lichte Strukturen erhalten bzw. schaffen.
2021 erarbeitete die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) auf Grundlage der bisherigen Nachweise und anhand spezifischer Geländemerkmale (z. B. Kronenrauigkeit, Höhenlage, Hangneigung etc.) in den Vogelschutz-Gebieten ein »Habitatmodell«, das die potentiell geeigneten Auerhuhn-Lebensräume für den gesamten bayerischen Alpenraum darstellt (Viße et al. 2021). Dieses Modell erlaubt es, eine relative Vorkommens-Wahrscheinlichkeit für das Auerhuhn anzugeben. Es war damit auch Grundlage für die Auswahl der Probeflächen des 2022 gestarteten Monitorings.
Im Staatswald integrieren die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) das Auerhuhn-Management schon seit vielen Jahren in ihre forstlichen Bewirtschaftungspläne. So ist dem Auerhuhn in der »Richtlinie für die Waldbewirtschaftung im Hochgebirge« ein eigenes Kapitel gewidmet, in dem detailliert beschrieben wird, wie die erforderlichen Habitatstrukturen im Bergwald über waldbauliche Maßnahmen geschaffen bzw. erhalten werden.
Darüber hinaus läuft bereits seit 2014 das verwaltungsübergreifende Projekt »Raufußhuhnschutz in Bayern«, bei dem das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU), die LWF und die BaySF in regelmäßigen Abständen gemeinsame Fortbildungen zum Auerhuhnschutz anbieten. Daraus resultierte unter anderem die 2019 gemeinsam herausgegebene Broschüre »Raufußhühner – Begreifen, Bestimmen, Bewahren« (Reimann et al. 2019).
Abb. 2: Detailausschnitt Auerhuhn-Monitoring-Flächen (Quellen: Bayerisches Landesamt für Umwelt, www.lfu.bayern.de, Bayerische Vermessungsverwaltung, www.geodaten.bayern.de)
Das Monitoring – Grundlagen und Ablauf
Wegen der komplexen »Arenabalz« des Auerhuhns ist eine herkömmliche Revierkartierung wie bei anderen Vogelarten nicht möglich. Da sich junge Hähne meist nur versteckt am Rande der Balzplätze aufhalten und oft den Standort wechseln, sind auch die althergebrachten Balzplatz-Zählungen ungenau und zudem sehr störungsintensiv für die sensiblen Vögel.
Abb. 3: Kartierungen zum Auerhuhnmonitoring (© Boris Mittermeier, AELF Krumbach - Mindelheim)
Abb. 4: Schulung für die Kartiererinnen und Kartierer des Auerhuhnmonitorings (© Corinna Lieberth, LWF)
Neben dem Monitoring sollen die Aufnahmen auch dazu dienen, die Zusammenarbeit mit externen Expertinnen und Experten zu intensivieren. Bei vier bayernweiten Schulungen im Juni und Juli 2022 wiesen LWF-Experten daher neben Forstpersonal auch Kolleginnen und Kollegen aus der Naturschutzverwaltung, Gebietsbetreuerinnen und Gebietsbetreuer, Rangerinnen und Ranger, Mitarbeitende der Bayerischen Staatsforsten, Mitglieder von Verbänden sowie engagierte Privatpersonen in die Methodik des Monitorings ein, um den Austausch zu befördern und einen einheitlichen Erfassungsstandard zu gewährleisten (Abbildung 4).
Flächenauswahl in Bayern
Im Fichtelgebirge, dessen isolierte Restpopulation besonders bedroht ist, wurden zusätzlich zu den vier Pflichtflächen sämtliche potentiell geeigneten Habitate erfasst. Diese 187 Punkte im Fichtelgebirge nahmen Studierende und Personal des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz (LBV) Oberfranken auf. Auf diese Weise kartierten im Sommer und Herbst 2022 über 60 Mitwirkende bayernweit insgesamt 2.632 Stichprobenpunkte.
Erfahrungen und Ergebnisse des ersten Monitorings
Insgesamt ergaben sich aus dem Monitoring in den Bayerischen Alpen und im Bayerischen Wald 304 Auerhuhnnachweise an den Inventurpunkten (im 5-m-Radius). Diese verteilen sich auf 228 Inventurpunkte. Der größte Anteil dieser Funde waren Federn und Losungen, aber es gab auch einige Sichtungsnachweise von Auerhühnern.
Über die Funde in den Probekreisen hinaus wurden in den Monitoringflächen Zusatznachweise von Federn, Losungen, Sichtungen etc. außerhalb der Probekreise aufgenommen. Diese belaufen sich bayernweit auf 503.
Im Fichtelgebirge wurde trotz jahrzehntelanger Schutzbemühungen für das Auerhuhn und intensiver Suche an insgesamt 777 Inventurpunkten nur eine Auerhenne während des Monitorings gesichtet. Zudem fand man im Sommer – außerhalb des Monitoringzeitraums – eine Auerhennenfeder. Die sehr vereinzelten Nachweise bei gleichzeitig hoher Probeflächendichte lassen auf eine sehr geringe Populationsgröße schließen.
Die Aktivitätsdichte ergibt sich aus den Nachweisen, die innerhalb des 5-m-Radius um die Stichprobenpunkte gefunden werden. Anhand der Aktivitätsdichte lassen sich in den folgenden Jahren Bewertungen zur Population und zum Bestandstrend abgeben. Durch die einheitliche Erfassungsmethode sind die Ergebnisse sowohl zwischen den Gebieten vergleichbar als auch an denselben Punkten wiederholbar. Die Auswertungen 2022 zeigen, dass die durchschnittliche Aktivitätsdichte in den bayerischen Alpen bei 12,7 % und im Bayerischen Wald bei 11,2 % liegt. Dies bedeutet, dass in den bayerischen Alpen an knapp jedem achten Probekreis und im Bayerischen Wald an knapp jedem neunten Probekreis ein Auerhuhnnachweis im 5-m-Radius erbracht wurde. Bezogen auf die einzelnen Monitoringflächen gibt es sowohl Flächen, die eine Aktivitätsdichte von 0 % aufweisen, als auch Flächen mit einer Aktivitätsdichte von bis zu 53,6 % (Abbildung 5).
Auch die erfassten Waldstrukturen lassen – langfristig betrachtet – wertvolle Rückschlüsse auf mögliche Veränderungen im Lebensraum des Auerhuhns zu. Aktuell liegt der Anteil der Flächen mit Heidelbeer-Vorkommen im Bayerischen Wald bei 89,3 % und in den Bayerischen Alpen bei 73,4 %. Auch die Heidelbeerdeckung auf den Flächen ist mit durchschnittlich 21,7 % im Bayerischen Wald deutlich höher als in den Bayerischen Alpen mit 13,1 %. Die Auswertungen zeigen, dass in den Auerhuhn-Lebensräumen Heidelbeeren zwar auf großer Fläche vorhanden sind, diese aber vor allem auf Kalkböden im Alpenraum nur sehr geringe Deckungsgrade aufweisen. An den Inventurpunkten mit Auerhuhnnachweisen war der Heidelbeeranteil tendenziell höher als an Punkten ohne Nachweise.
Der Anteil der Punkte mit kartierten Beeinträchtigungen wie Zäunen, Gräben, Wanderwegen und Loipen oder intensiv genutzten Wegen im 20-m-Radius um den Inventurpunkt liegt in den Bayerischen Alpen bei 26,2 % und im Bayerischen Wald bei 14,0 %.
Der Anteil lichter Baumbestände (maximal 70 % Überschirmung) beträgt in den Bayerischen Alpen 71,7 % und im Bayerischen Wald 75,5 % der Inventurpunkte. Wälder mit lichtem Überschirmungsgrad stellen damit in den Bergregionen derzeit keinen Minimumfaktor für das Auerhuhn dar. Jedoch muss vor allem die Entwicklung der Krautschicht zukünftig besondere Beachtung finden.
Die ermittelten Kartierergebnisse liefern eine belastbare Grundlage zur Abschätzung der künftigen Entwicklungstrends im Hinblick auf Vorkommen, Verbreitung, Aktivitätsdichte und charakteristische Habitatstrukturen des Auerhuhns.
Besonderer Dank gebührt den zahlreichen Kartiererinnen und Kartierern, ohne deren Mitwirkung dieses Monitoring nicht möglich gewesen wäre.
Abb. 5: Aktivitätsdichte auf den einzelnen Monitoringflächen in den bayerischen Alpen und im Bayerischen Wald (© Bayerisches Landesamt für Umwelt, www.lfu.bayern.de; Bayerische Vermessungsverwaltung, www.geodaten.bayern.de)