Wendelin Weis, Stephan Raspe und Thomas Schäff
Nährstoffhaushalt und Biomassenutzung - LWF-aktuell 108
Die Energiewende in Bayern verstärkt die Nutzung von Biomasse als Energieträger. Waldhackschnitzel sind dabei derzeit mit etwa 30 € pro MWh eine besonders günstige Energiequelle. Häufig stammen die Hackschnitzel aus dem Kronenmaterial der Bäume. Der Biomasseanteil von Ästen, Zweigen und Nadeln/Blättern ist im Verhältnis zum Derbholzholz mit Rinde niedrig, der Anteil der gespeicherten Nährstoffe aber sehr hoch. Die Nutzung von Kronenmaterial kann dementsprechend nicht ohne Einfluss auf den Nährstoffhaushalt im Ökosystem Wald bleiben. Nährstoffbilanzen können hier helfen, Folgen intensiver Kronennutzung abzuschätzen und besonders anfällige Standorte zu identifizieren.
Abbildung 1: Schematische Darstellung der Nährstoffflüsse
im bewirtschafteten Wald
Laufend werden Nährstoffe zwischen Pflanzen und Boden ausgetauscht. Streufall und im Wald verbleibender Schlagabraum speisen den Humuskörper auf und im Boden. Durch Mineralisation, also die Zersetzung toten Pflanzenmaterials durch Bodentiere, Pilze und Bakterien, werden die darin enthaltenen Nährelemente freigesetzt und können so von den Bäumen wieder aufgenommen werden. Eine Nährstoffbilanz stellt die Nährstoffeinträge den Nährstoffverlusten gegenüber. Wegen der Unregelmäßigkeit der Holzerntemaßnahmen sind bei Wäldern längere Zeiträume für eine Bilanzierung sinnvoll.
An den bayerischen Waldklimastationen werden seit über zwei Jahrzenten atmosphärische Stoffeinträge, Klimaparameter und Elementkonzentrationen im Sickerwasser gemessen. Zusätzlich liegen Informationen zu Wasserhaushalt, Wachstum, Mineralogie, Bodenchemie und -physik vor. Für 18 der 23 Stationen erlaubte die Datenlage eine Berechnung der Freisetzungsraten von Nährstoffen im Boden mit dem chemischen Verwitterungsmodell PROFILE (Sverdrup und Warfvinge 1993). Diese Flächen eignen sich hervorragend, um Bilanzen zur Folgenabschätzung von Nährstoffexporten durch forstliche Nutzung darzustellen.
Abbildung 2: Nährstoffangebot durch Einträge mit dem Niederschlag und Verwitterung im Boden im Vergleich zum Nährstoffbedarf.
Auf Standorten mit Carbonatgestein (Kalk oder Dolomit) dominiert für Calcium und Magnesium die Verwitterung das Nährstoffangebot. Dasselbe gilt für eine Reihe basenreicher Standorte, also Böden mit hohen Mengen an Calcium, Magnesium und Kalium, die austauschbar und damit für Bäume leicht verfügbar gespeichert sind. Auf basenarmen Böden muss dagegen, außer nach Waldkalkung, der Bedarf an Calcium, teilweise auch der an Magnesium und Kalium, hauptsächlich durch die Deposition gedeckt werden. Betroffen sind Standorte der ostbayerischen Mittelgebirge und Sandböden wie zum Beispiel bei Altdorf (ALT, Großraum Nürnberg) oder Bodenwöhr (BOD, Oberpfälzer Becken).
Der Ernteentzug ist für zwei Varianten dargestellt: Bei ausschließlicher Nutzung von Derbholz mit Rinde verbleibt das Kronenmaterial am Standort. Bei Vollbaumnutzung erfolgt zusätzlich die Ernte des Kronenmaterials in der Regel zur Erzeugung von Hackschnitzeln. Bei beiden Varianten wurden 10% Ernteverluste berücksichtigt. Die Werte gelten für gutwüchsige Fichtenbestände mit Oberhöhen im Alter 100 zwischen 34 und 38 m bei niedriger, aber noch ausreichender Nährstoffversorgung.
An den meisten Waldklimastationen ist das Nährstoffangebot durch Deposition und Verwitterung ausreichend, um Exporte mit der Derbholzernte zu kompensieren. Deutlich wird die Auswirkung der Kronennutzung auf den Nährstoffhaushalt. Auf basenarmen Standorten liegt die Nährstoffbereitstellung für mindestens ein Element unterhalb des Exports bei Vollbaumernte. Ausreichend ist das Nährelementangebot an allen Stationen für die Nutzung von Derbholz mit Rinde. Das Ergebnis hat nur einen Haken. Ein wichtiges Glied der Nährstoffbilanz fehlt. Bisher nicht berücksichtigt wurden die Nährelementverluste, die mit dem Sickerwasser aus dem Wurzelraum der Bäume ausgewaschen werden.
Abbildung 3: Depositionsverlauf für Schwefel und Stickstoff
(Alveteg et al. 1998, ab 1993 gleitendes 5-Jahres-Mittel des Depositionsmittels aller Waldklimastationen).
Die Stickstoffeinträge konnten dagegen weit weniger abgesenkt werden. Nach wie vor werden durchschnittlich etwa 15kg Stickstoff pro Hektar und Jahr in die bayerischen Wälder eingetragen – je zur Hälfte als Ammonium- und Nitratstickstoff. Folge ist ein vielerorts anhaltend hoher Sickerwasseraustrag von Sulfat und mancherorts – zum Beispiel an der Waldklimastation Höglwald (HOE) – auch von Nitrat (Abbildung 3 unten). Da diese starken Anionen von Kationen begleitet werden, kommt es so auch zu Verlusten an Calcium, Magnesium und Kalium. Auf Carbonat haltigen Böden gleicht die Verwitterung von Kalk und Dolomit diese Verluste aus. Andere Standorte reagieren mit einer Abnahme der im Humus oder austauschbar im Boden gespeicherten Vorräte.
Für die meisten Waldklimastationen auf den nicht von Carbonat beeinflussten Standorten ist die Nährstoffbilanz für gutwüchsige Fichtenbestände daher selbst bei einem Verzicht auf Kronennutzung nicht mehr ausgeglichen. Auf den Waldklimastationen Schongau (SOG, Parabraunerde aus Altmoränenmaterial), Höglwald (HOE, Parabraunerde aus Löss), Rothenbuch (ROT, Braunerde aus Buntsandstein) und Bodenwöhr (BOD, Braunerde aus Kreidesanden mit lehmigen Horizonten) liegen die durch Überfrachtung mit Schwefel und Stickstoff erzeugten Verluste an Calcium und/oder Magnesium sogar höher als das Nährstoffangebot durch Deposition und Verwitterung. Langfristig werden diese Standorte an Wuchskraft verlieren.
Eine Nährstoff schonende Bewirtschaftung kann hier helfen, das Erbe des Sauren Regens abzumildern. Aber auch auf den vom Sauren Regen wenig beeinträchtigten Carbonatstandorten kann nicht bedenkenlos nährstoffreiches Material entzogen werden. Hier ist vor allem der wichtige, aber kaum durch Bilanzierung erfassbare Phosphor kritisch. Auf flachgründigen Kalk- und Dolomitböden vor allem in den Alpen wird das Wachstum häufig durch Phosphormangel eingeschränkt (Göttlein et al. 2014). Teilweise ist hier sogar das Stickstoffangebot nicht ausreichend (Mellert und Ewald 2014). Beide Nährstoffe sind in noch höherem Maße im Kronenmaterial konzentriert als Calcium, Magnesium und Kalium, weshalb sich eine Kronennutzung umso stärker auswirkt.
Abbildung 4: Untere Grenze (in Farbe) und Durchschnitt des
Nährelementbedarfs (gestrichelte Linie) nach Baumart und Wuchsleistung
(einberechnete Ernteverluste: 10%)
Bei weiterer Einschränkung des Nährstoffangebots werden sich durch natürliche Konkurrenz oder durch aktive forstliche Maßnahmen Baumarten mit geringeren Nährstoffansprüchen durchsetzen. Abbildung 4 zeigt die Größenordnungen möglicher Nährstoffeinsparung für die Hauptbaumarten Bayerns. Die Produktivitätsstufen orientieren sich dabei in 4m-Schritten an der Oberhöhenbonität im Alter 100. Abgeleitet sind sie aus Daten der dritten Bundeswaldinventur und decken so den Bereich deutscher Wälder gut ab. Die verwendeten Biomasse- und Nährstoffdaten stammen aus verschiedenen Biomasseprojekten mit Schwerpunkt in Bayern und Rheinland-Pfalz. Für die Blattspiegelwerte wurden zusätzlich Daten der deutschen Level 2-Flächen und der zweiten Bodenzustandserhebung verwendet.
Deutlich zu sehen ist der im Vergleich zur Biomasse hohe Nährelementanteil im Kronenmaterial. Im Baumartenvergleich zeigt die Kiefer die geringsten Nährstoffansprüche, allerdings bei geringerer Biomasseproduktion. Der Nährelementbedarf der Laubbaumarten ist deutlich höher, wobei die Buche etwas anspruchsvoller ist als die Eiche. Grund ist vor allem der höhere Nährelementgehalt in Holz und Rinde. Auffällig ist der hohe Calciumgehalt in der Eichenrinde. Durch Absenken der Nährelementgehalte auf niedrige, aber noch ausreichende Werte können die Bäume ihren Nährstoffbedarf gegenüber den Durchschnittswerten auf etwa 70% reduzieren. Auf etwa 80% sinkt der Nährelementbedarf, wenn das Wachstum um eine Stufe abnimmt, also die Oberhöhenbonität im Alter 100 um 4 m niedriger liegt. An den Waldklimastationen führt das jeweilige Nährstoffangebot zu Unterschieden in der Wuchsleistung und teilweise in der Baumartenwahl.
Die nährstoffarmen, sandigen Böden der Stationen Bodenwöhr (BOD) und Altdorf (ALT) tragen nur mattwüchsige Kiefernbestände mit einer Oberhöhe im Alter 100 von 23 und 22m. Auch auf den basenarmen Mittelgebirgsstandorten kommen nur mäßigwüchsige Fichtenbestände (Oberhöhenbonität 27 bis 28) oder Buchenbestände am unteren Bonitätsrand vor. Überdurchschnittliches Wachstum findet sich auf basenreichen Böden. Hier erreichen Fichtenbestände an den Stationen Höglwald (HOE) und Zusmarshausen (ZUS) auf Lösslehmen des Tertiärhügellands Oberhöhen von 37m. Der Buchenbestand bei Schongau (SOG) auf Altmoränenmaterial zeigt ebenfalls höchste Wuchsleistung. Mittelfristig können hier jedoch auf Grund der hohen Nährstoffverluste mit dem Sickerwasser Zuwachsrückgänge auftreten. Beste Bonität zeigen die Eichenbestände auf Malmkalk mit Alblehmüberdeckung (Station Riedenburg, RIE) und auf Carbonat führenden Böden im Keuper (Würzburg, WUE und Ebrach, EBR). Dagegen scheint die Wuchsleistung in Südbayern bei starkem Einfluss von Carbonat bereits gebremst. Hier wirkt unter Umständen schon die eingeschränkte Phosphorverfügbarkeit kalkreicher Böden wachstumshemmend. Im Ebersberger Forst (EBE) auf Niederterrassenschottern erreichen die Fichten noch eine Oberhöhe von 34m, auf Carbonatböden im Flyschgürtel der Alpen dagegen nur noch 31m (Stationen Kreuth, KRE und Sonthofen, SON). Klimatische Einflüsse können hier wie an anderen Standorten auch natürlich den Bezug zwischen Wuchsleistung und Nährstoffangebot überdecken.
Zusammenfassung
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Weiterführende Links
- Energieholz nutzen – Nährstoffe bewahren - LWF-aktuell 108
- Nährstoffschonende Biomassnutzung - LWF-aktuell 108
- Nährstoffnachhaltige Biomassenutzung - LWF-aktuell 90
- Nachhaltige Nutzung des Produktionsfaktors Boden – Herausforderung Kronenbiomassenutzung - LWF-Wissen 72
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