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Gregor Aas
Die Flatterulme (Ulmus laevis): Verwandtschaft, Morphologie und Ökologie – LWF Wissen 83

Die Gattung und ihre einheimischen Arten

Zur Gattung der Ulmen (Ulmus, Ulmengewächse, Ulmaceae) gehören rund 40 Arten, die hauptsächlich in der temperierten Zone der Nordhemisphäre verbreitet sind. Das Diversitätszentrum liegt in Ostasien, alleine in China kommen 21 Arten vor, 14 davon endemisch (http://www.efloras.org). Taxonomie und Nomenklatur der Ulmenarten (zur systematischen Untergliederung der Gattung siehe Wiegrefe et al. 1994) sind verwirrend, nicht zuletzt, weil die verwandtschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Gattung und die Rolle der Hybridisierung unzureichend geklärt sind.

In Mitteleuropa sind die Bergulme (U. glabra Huds.; synonym U. scabra Mill.), die Feldulme (U. minor Mill.; syn. U. carpinifolia Gled., U. campestris auct. p.p.) und die Flatterulme einheimisch (U. laevis Pall.; syn. U. effusa Willd.; weitere Trivialnamen: Wasser- oder Weißrüster). Andere Ulmenarten sind gelegentlich in Parks und Gärten gepflanzt, z. B. die auffallend kleinblättrige Sibirische Ulme, U. pumila, spielen aber als Waldbäume keine Rolle.

Berg- und Feldulme sind sehr nahe verwandt, gehören systematisch der gleichen Untergattung und Sektion (sect. Ulmus) an und können miteinander hybridisieren (Holländische oder Bastard-Ulme, U. × hollandica). Die Flatterulme bildet zusammen mit ihrer »Schwesterart«, der im östlichen Nordamerika beheimateten und zum Verwechseln ähnlichen Amerikanischen Ulme (U. americana)[] /ieine eigene Verwandtschaftsgruppe, die sog. Weiß-Ulmen (Sektion Blepharocarpus, Untergattung Oreoptelea). Von Berg- und Feldulme ist [i]U. laevis reproduktiv isoliert, so dass es, zumindest unter natürlichen Bedingungen, nicht zur Bastardierung kommt.

Die Bestimmung von Ulmen generell und die der drei einheimischen Vertreter der Gattung im Besonderen gilt als schwierig. Bei Berücksichtigung relevanter Merkmale lässt sich aber die Flatterulme klar von den zwei anderen heimischen Arten abgrenzen (Tabelle 1).
Tabelle 1: Zur Unterscheidung der drei einheimischen Ulmenarten gut geeignete Merkmale
 Flatterulme
Ulmus laevis
Bergulme
U. glabra
Feldulme
U. minor
Brettwurzelnhäufigsehr seltenohne
Korkleisten an Zweigenohneohnemit
Winterknospenspitz kegel- bis eiförmig,
Knospenschuppen hellbraun mit
± breitem, dunkelbraunem Rand
eiförmig oder rundlich (Blütenknospen),
Knospenschuppen einfarbig dunkelbraun
eiförmig oder rundlich (Blütenknospen),
Knospenschuppen einfarbig dunkelbraun
Blüten und Früchtelang gestielt, in Büscheln locker
(»flattrig«) hängend;
Frucht am Rand bewimpert
kurz gestielt bis sitzend,
in dichten Büscheln;
Frucht kahl
kurz gestielt bis sitzend,
in dichten Büscheln;
Frucht kahl
Laubblätter   
Stiellänge4 – 8 mm2 – 7 mm5 – 15 mm
Spreitestets einspitzigoft drei- oder mehrspitzigstets einspitzig
RandZähne deutlich nach vorne
gekrümmt
Zähne nicht oder wenig nach vorne gekrümmtZähne nicht oder wenig nach vorne gekrümmt
Seitennervenzum Blattrand hin nicht oder
wenig verzweigt
zum Blattrand hin gabelig verzweigtzum Blattrand hin gabelig verzweigt

Morphologie der Flatterulme

Alter großer Baum in einem Laubwald.Zoombild vorhanden

Abb. 1: Flatterulme mit typischen Wasserreisern (Foto: G. Aas)

Ulmus laevis kann bis 35 m (max. 40 m) hoch und bis zu 3 m dick werden (BHD, Durchmesser in 1,3 m Stammhöhe, www.ddg-web.de/index.php/championtrees.html) (Abbildung 1).

Typisch für die Art ist die Bildung brettartig ausgebildeter Wurzelanläufe, sog. Brettwurzeln (Abbildung 3), ferner die intensive Bildung von Wasserreisern (Proventivtriebe) am Stamm, die häufig nestartig auf bestimmte Stellen begrenzt ist und in der Folge zur Bildung ausgeprägter Stammknollen führt (Abbildung 1).

Die Kronenarchitektur aller Ulmen ist wesentlich durch die strikt zweizeilige Stellung von Blättern und Knospen (Abbildung 2) bestimmt. Deshalb verzweigen sich auch alle Triebe, selbst aufrecht wachsende Leittriebe, regelmäßig zweizeilig.
Auf diese Weise entstehen die für Ulmen typischen fächerartigen, eine Ebene bildenden Zweigsysteme, bei denen die Seitentriebe auf zwei Seiten der Tragachse gleich einer einholmigen Leiter sprossenartig übereinander angeordnet sind (Abbildung 4, Bartels 1992).

Mehrere Zweige eines Laubbaumes stehen übereinander.

Abb. 2: Zweizeilig angeordnete Blätter (Foto: G. Aas)

Brettwurzel einer Ulme.

Abb. 3: Ulme mit ausgeprägter Brettwurzel (Foto: A. Reif)

Blattlose Zweige der Flatterulme recken sich gegen den blauen Himmel

Abb. 4: Fächerartig ausgerichtetes Zweigsystem (Foto: G. Aas)

Gut lässt sich die Flatterulme von der Berg- und der Feldulme an den Knospen (Abbildungen 5 und 6) unterscheiden, und das nicht nur im laublosen Zustand, sondern auch schon ab dem Sommer, sobald die Winterknospen in den Achseln der Laubblätter gut ausgebildet sind. Die Knospen von Ulmus laevis sind auffallend schlank und spitz, ihre Schuppen hellbraun mit mehr oder weniger breitem, dunklem Rand. Bei Berg- und Feldulme hingegen sind die Knospen eiförmig oder kugelig und einfarbig dunkelbraun.

Weniger sicher kann man Flatterulmen alleine anhand der Laubblätter bestimmen (Abbildung 7 und 8). Wie bei vielen Ulmen ist die Blattspreite am Grunde asymmetrisch, d. h. sie ist an der Basis zu beiden Seiten von Blattstiel und Mittelrippe ungleich groß (auf der der Sprossachse zugewandten Seite größer). Typisch und unterscheidend zu den beiden anderen heimischen Ulmen ist, dass die Zähne am Blattrand deutlich zur Blattspitze hin gekrümmt sind. Anfangs sind die Blätter und die jungen Sprossachsen dicht weich behaart, verkahlen aber oft bis auf die Nerven der Blattunterseite.
Spitze, braune Knospe mit darunter liegender Narbe in Form eines Faultiergesichtes

Abb. 5: Spitze, hellbraune Knospe (Foto: G. Aas)

Knubbelige, dunkelbraune Knospe mit darunter liegender Narbe in Form eines Faultiergesichtes

Abb. 6: Eiförmige, dunklere Knospe (Foto: G. Aas)

Grüne, gezackte Blätter der Flatterulme

Abb. 7: Zweig einer Flatterulme (Foto: O. Holdenrieder)

Blatt einer Flatterulme mit gezähntem Rand

Abb. 8: Blatt einer Flatterulme (Foto: G. Aas)

Verbreitung und Ökologie

Karte von Europa mit grün eingefärbtem Verbreitungsgebiet von Spanien im Westen, nach Südosteuropa, nördliche Grenze ist Deutschland , im Osten weite Teile RusslandsZoombild vorhanden

Abb. 9: Verbreitung von Ulmus laevis (Grafik: Wikipedia)

Verbreitet ist Ulmus laevis in West-, Mittel-, Südost- und Osteuropa (Abbildung 9). Das Areal reicht im Westen von Mittelfrankreich und Belgien über Mitteleuropa bis zum Ural im Osten, im Norden bis Südfinnland und im Südosten bis zum Balkan. Die Hauptverbreitung liegt in den gemäßigt-kontinentalen eichenreichen Laubwäldern der Tieflagen Osteuropas (v. a. im Baltikum).

In Deutschland ist die Flatterulme sehr selten. Zudem war und ist sie weder von der Forstwirtschaft noch in der Landschaftspflege besonders geschätzt und wurde deshalb kaum waldbaulich gefördert. Sie kommt vor allem in den Niederungen größerer Flüsse wie Rhein und Main, Donau, Elbe und Oder vor. In den ausgedehnten Tieflagen Ostdeutschlands ist sie häufiger als in den westlichen und südlichen Bundesländern, wo ihre Verbreitung größere Lücken aufweist. Insbesondere in den höheren Mittelgebirgen ist sie viel seltener als die Bergulme. In weiten Teilen der Alpen fehlt sie ganz.
Als typische Mischbaumart sommerwarmer Lagen kommt U. laevis vor allem in Au- und Bruchwäldern (Abbildung 10) einzeln oder in kleinen Gruppen, aber nie in größeren Beständen vor. Hohe Konkurrenzkraft erreicht die Halbschatt- bis Halblichtbaumart auf Gleyböden regelmäßig überfluteter Auen. Ulmen generell haben hohe Nährstoffansprüche. Diese sind aber verglichen mit Berg- und Feldulme bei der Flatterulme geringer, so dass sie auch Sand- und Bruchwaldstandorte besiedeln kann.

Reproduktion

Am leichtesten ist die Flatterulme im Frühjahr zur Blüte- und Fruchtzeit zu erkennen. Lange vor dem Laubaustrieb erscheinen fast alljährlich und meist in großer Zahl an den vorjährigen Trieben aus Blütenknospen die büscheligen Blütenstände (Abbildung 11). Jede der kleinen Einzelblüten ist deutlich, bis über 2 cm lang gestielt, so dass sie mehr oder weniger schlaff hängen und der Blütenstand »flattrig« wirkt (Name!). Im Unterschied dazu sind die Blüten von Berg- und Feldulme nicht oder nur kurz gestielt, die Infloreszenzen daher dichte Büschel. Auch die scheibenförmigen, ringsum häutig geflügelten Nussfrüchte hängen bei der Flatterulme lang gestielt in lockeren Fruchtständen (Abbildung 12).

Die Früchte sind wie bei anderen Ulmenarten bis zur Reife grün und tragen vor dem Laubaustrieb zur photosynthetischen Stoffproduktion des Baumes bei (Kliebe, 2007). Die Fruchtreife ist schon kurze Zeit nach der Blattentfaltung erreicht. Als sog. Scheibenflieger werden sie durch den Wind (anemochor) ausgebreitet und können sofort keimen. Auch bei der Anzucht in Kultur empfiehlt sich eine sofortige Aussaat nach der Fruchtreife, eine Vorbehandlung des Saatgutes ist nicht nötig. Vegetativ regeneriert sich die Flatterulme sehr gut und bis ins hohe Alter durch Stockausschlag. Gelegentlich, aber deutlich seltener als die Feldulme, bildet die Flatterulme Wurzelsprosse (Wurzelbrut), wohl hauptsächlich nach Verletzungen der Wurzel.
Ausgeprägter Stammfuß einer Flatterulme in einem Auwald

Abb. 10: Stammfuß einer Flatterulme (Foto: B. Götz)

Rote doldenartige Blüten

Abb. 11: Blütenstand der Flatterulme (Foto: G. Aas)

Rundliche, grünliche, halb transparente Früchte der Flatterulme

Abb. 12: Fruchtstand der Flatterulme (Foto: G. Aas)

Steckbrief Flatter-Ulme (Ulmus laevis)
Gestalt
Bis 35 m (max. bis 40 m) hoher, sommergrüner Laubbaum mit breiter lockerer Krone, Brusthöhendurchmesser (BHD) bis 3 m; am Stammfuß älterer Bäume häufig brettartig ausgebildete Wurzelanläufe (Brettwurzeln)
Triebe
Sprossachse ± dicht weich behaart, mit deutlichen Lentizellen
Knospen
Zweizeilig, ± schief über der Blattnarbe; die Laubknospen schlank, spitz kegelförmig, die Blütenknospen spitz eiförmig, Knospenschuppen zahlreich, hellbraun mit ± breitem, dunkelbraunem Rand
Blätter
Zweizeilig angeordnet; Stiel 4 – 8 mm lang, behaart; Spreite elliptisch bis verkehrt eiförmig, 5 – 15 cm lang, an der Basis deutlich asymmetrisch, jederseits mit 12 – 19 Seitennerven, diese zum Rand hin nicht oder wenig verzweigt, am Rand doppelt gesägt mit zur Spitze hin gekrümmten Zähnen, anfangs beidseitig weich behaart, oberseits verkahlend, unterseits auf der Fläche oder nur auf den Nerven bleibend weichhaarig
Rinde
Anfangs glatt, graubraun; frühe Bildung einer rissigen, dünnschuppig abblätternden Borke
Blüten
März bis Anfang April, vor dem Laubaustrieb; in vielblütigen, überhängenden Büscheln; Einzelblüten lang gestielt, zwittrig, Blütenhülle (Perigon) einfach, die 5 – 8 Blütenblätter bis auf ihre freien Zipfel tütenförmig verwachsen, 3 – 5 mm lang, rötlich oder grünlich, 5 – 8 Staubblätter mit rötlichen Staubbeuteln, Fruchtknoten mit zwei weißen, fedrigen Narben; Bestäubung durch den Wind
Früchte
Fruchtreife im Mai; einsamige, scheibenförmig flache, runde bis breit ovale und ringsum geflügelte Nussfrüchte, 1 – 1,5 cm lang und am Rand dicht abstehend behaart, bis 4 cm lang gestielt; Ausbreitung durch den Wind, selten durch Wasser
Bewurzelung
Anfangs kräftige Pfahlwurzel, später Herzwurzelsystem
Höchstalter
Bis 300 (max. 500) Jahre
Chromosomenzahl
2n = 28

Literatur

  • Bartels, H. (1993): Gehölzkunde. Ulmer, Stuttgart. 336 S.
  • Gayer, K. (1882): Der Waldbau. 2. Aufl. Parey, Berlin. 592 S.
  • Kliebe, J. (2007): Der Gaswechsel der grünen Flügelfrüchte von Ulmus glabra in Abhängigkeit von Lichtintensität, CO2-Konzentration sowie Alter der Früchte. Zulassungsarbeit am Ökologisch-Botanischen Garten, Universität Bayreuth
  • Mayer, H. (1992): Waldbau auf soziologisch-ökologischer Grundlage. 4. Auflage, Fischer, Stuttgart. 522 S.
  • Müller-Kroehling, S. (2003): Ulmus laevis Pall. In: Schütt et al. (Hrsg.): Enzyklopädie der Holzgewächse (33. Erg. Lfg.): 1-13.
  • Oberdorfer, E. (1994): Pflanzensoziologische Exkursionsflora. Ulmer, Stuttgart. 1050 S.
  • Schreiber, A. (1981): Ulmus L. In: Hegi, G. (Hrsg.): Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Band III/1. Teil. Parey, Berlin: 246-263
  • Wiegrefe, S.J.; Sytmsa, K.J.; Guries, R.P. (1994): Phylogeny of elms (Ulmus, Ulmaceae): Molecular evidence for a sectional classification, Syst. Bot. 19: 590-612

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Weiterführende Informationen

Autor

  • PD Dr. Gregor Aas, Leitender Direktor des Ökologisch-Botanischen Gartens Bayreuth