Forschungs- und Innovationsprojekt
Raum-Zeit-Verhalten des Schalenwildes unter Berücksichtigung der Anwesenheit des Wolfes und des Menschen im Veldensteiner Forst (Projekt I 043)

Rehbock schaut an Kamera vorbei.

Große Beutegreifer, wie Wolf und Luchs, kehren seit einigen Jahrzehnten wieder nach Mitteleuropa zurück. Mit der Vergrößerung des Verbreitungsgebiets des Wolfes steigt auch die Notwendigkeit, Wissen zu den Wechselwirkungen zwischen dem Räuber-Beute-Gefüge in Raum und Zeit und dem Einfluss des Menschen zu generieren.

Hintergrund

Wolf sitzt vor Wildkamera im Wald.Zoombild vorhanden

Wolf (Foto: LWF)

Die Anwesenheit von Großprädatoren kann neben potenziellen direkten Einflüssen auf die Populationsgröße der Beutepopulationen, auch indirekte Einflüsse haben und zum Beispiel zu Verhaltensänderungen der Beutetiere führen. Dies zeigt sich unter anderem durch erhöhte Wachsamkeit oder die Meidung von Gebieten, welche von großen Beutegreifern stark frequentiert werden. Insgesamt hängt der Einfluss des Wolfes auf Beutepopulationen auch von den jeweiligen Lebensraumbedingungen und Landschaftsgegebenheiten des Untersuchungsgebiets ab, wie z.B. Topografie, Deckung Landnutzung oder Nahrungsverfügbarkeit.

Auch die Anwesenheit des Menschen kann Räuber-Beute-Beziehungen zusätzlich beeinflussen.
Einerseits können sie einen Einfluss auf die Populationsgröße und -struktur der Beutepopulation, zum Beispiel über die Jagdstrecke, ausüben. Gleichzeitig können menschliche Einflüsse wie die Erholungsnutzung das Verhalten von Wildtieren verändern. Es ist also wichtig, die Rolle des menschlichen Einflusses zu quantifizieren und zu berücksichtigen, wenn das Raum-Zeit-Verhalten von Räuber- und Beutetieren untersucht werden sollen.

Derzeit lebt eines der wenigen reproduzierenden Wolfsrudel Bayerns im Bereich des Veldensteiner Forst im Landkreis Bayreuth. Dieses etablierte Wolfsvorkommen bietet die Möglichkeit, wissenschaftlich fundierte Daten zum komplexen Wirkgefüge zwischen Prädatoren, Schalenwild und menschlichen Einflüssen zu erfassen und mit neuesten statistischen Methoden praxisrelevant aufzuarbeiten, um das Schalenwildmanagement unter diesen veränderten Bedingungen zu evaluieren.

Infobroschüre Schalenwildprojekt im Veldensteiner Forst pdf 1,5 MB

Projektziele

Das Ziel dieses Projektes ist es, die Wechselwirkungen zwischen Wolf und Schalenwild (vorrangig Rothirsche, aber auch Rehe und Wildschweine) unter Einfluss des Menschen sowie verschiedenen Lebensraumbedingungen zu untersuchen und somit Grundlagendaten für zukünftige Managementstrategien bereit zu stellen.

Den Schwerpunkt des Projektes stellt die Untersuchung des Raumnutzungsverhaltens sowohl von Räuber- als auch Beutepopulation im tageszeitlichen sowie jahreszeitlichen Verlauf dar. Dabei spielen insbesondere auch die menschlichen Einflüsse (z.B. Jagd, Freizeitnutzung und Tourismus, Distanz zur nächsten Siedlung) und unterschiedliche Lebensraumbedingungen (z.B. Topografie, Landnutzung, Nahrungsverfügbarkeit) eine wichtige Rolle.
Schmalreh läuft im Wald.

Schmalreh (Foto: LWF)

Schwarzwildrotte läuft durch einen Wald.

Schwarzwild (Foto: LWF)

Fuchs sitzt im Wald.

Fuchs (Foto: LWF)

Dachs läuft im Dunklen durch den Wald.

Dachs (Foto: LWF)

Junger Rothirsch blickt in eine Wildkamera.

Rothirsch (Foto: LWF)

Projektgebiet

Bei dem Projektgebiet handelt es sich um das Gebiet des Veldensteiner Forst, ein Waldgebiet in Oberfranken in Bayern. Das Untersuchungsgebiet umfasst etwa 9.500 ha. Neben Flächen der Bayerischen Staatsforsten AöR in den Forstbetrieben Pegnitz und Schnaittenbach werden auch Flächen des Körperschaftwaldes der Stadt Auerbach untersucht.

Methodik und Vorgehensweise

Um das Raumnutzungsverhalten zu untersuchen, wird ein flächendeckendes Fotofallenmonitoring durchgeführt. Das Monitoring mittels Wildkameras bietet eine Möglichkeit die räumlich-zeitliche Verteilung von Wildtieren zu erfassen, ohne die Tiere dabei zu stören. Dabei wird das Monitoring in einem festgelegten Stichprobenraster umgesetzt. Die Größe des Monitoring-Rasters orientiert sich primär an dem Raumnutzungsverhalten der Rothirsche.

Auch das örtliche Schalenwildmanagement soll dargestellt und in den Auswertungen berücksichtigt werden. Hierbei werden verschiedene Managementkomponenten und -strategien (z.B. Ausweisung von Zonen mit unterschiedlichen Bejagungsstrategien, Überwinterungskonzepte für Rotwild), die jagdliche Aktivität (z.B. Jagdstreckenentwicklung) sowie aktuell getätigte Abschüsse (z.B. Zeit und Ort der Erlegung, Gewicht, Geschlecht, Alter, Kondition der erlegten Tiere) berücksichtigt.

Zusätzlich werden auch Vegetationsaufnahmen zur Erfassung von Verjüngung und Deckung durchgeführt, um so potenzielle, indirekte Veränderungen durch den Wolf auf die Waldvegetation zu erfassen. Vegetationsdaten können nicht nur zur Abschätzung des Zustands der Waldvegetation und der Verjüngung genutzt werden, sondern auch hochaufgelöste Daten für die räumliche Modellierung der Deckungsmöglichkeiten von Beutetieren liefern. Es werden verschiedene Informationsquellen und Erhebungsmethoden zur Abschätzung der Waldvegetation und des Verjüngungsaufkommens hinzugezogen.

Literatur

  • Berger, J. 2007. Fear, human shields and the redistribution of prey and predators in protected areas. Biology Letters 3:620-623.
  • Ciuti, S., J. M. Northrup, T. B. Muhly, S. Simi, M. Musiani, J. A. Pitt, and M. S. Boyce. 2012. Effects of Humans on Behaviour of Wildlife Exceed Those of Natural Predators in a Landscape of Fear. PloS one 7:e50611.
  • LBV. 2019. Bayerischer Aktionsplan Wolf.
  • Muhly, T. B., C. Semeniuk, A. Massolo, L. Hickman, and M. Musiani. 2011. Human activity helps prey win the predator-prey space race. PloS one 6:e17050-e17050.
  • Rettie, W. J., and F. Messier. 2000. Hierarchical habitat selection by woodland caribou: its relationship to limiting factors. Ecography 23:466-478.
  • Rovero, F., and F. Zimmermann. 2016. Camera trapping for wildlife research. Pelagic Publishing Ltd.
  • Wotschikowsky, U. 2019. Der Wolf.in M. Heurich, editor. Wolf, Luchs und Bär in der Kulturlandschaft; Konflikte, Chancen, Lösungen im Umgang mit großen Beutegreifern. Ulmer Verlag

Projektinformationen:
Laufzeit: 01.07.2021 – 31.12.2022
Projektleitung: Dr. Wibke Peters & Dr. Hendrik Edelhoff
Projektbearbeitung: Katja Schnetz
Durchführende Institution: Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Projektförderung: Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten