Forschungs- und Innovationsprojekt
Erhebung der räumlichen Differenzierung, der Konnektivität und des genetischen Zustands der lokalen Gamsvorkommen im Bayerischen Alpenraum (Projekt C 54)

Alpenpanorama mit buntem Wald im Vordergrund.

Im Zusammenhang mit den zunehmend spürbaren Veränderungen der Landschaft durch den Klimawandel und die Landnutzung des Menschen gerät auch das etablierte Schalenwildmanagement immer mehr in die öffentliche Diskussion.

Die Gesellschaft möchte wissen, wie es um die Natur und die dort lebenden Wildtiere steht.

Hintergrund

Hohe Kalkberge umrahmen eine Bergmattenlandschaft.Zoombild vorhanden

Abb.: Teil des Projektgebiets (Foto: LWF)

In Bayern ist in den letzten Jahren insbesondere die Gams, eine der Charakterarten des bayerischen Alpenraums, in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Um die häufig sehr emotional geführten Diskussionen zu versachlichen, wurden von der Bayerischen Forstverwaltung in den letzten Jahren verschiedene Forschungsvorhaben unter anderem zur Ermittlung der Populationsgröße, des Geschlechterverhältnisses, der Raumnutzung und der Konstitution und Kondition initiiert.

Anfang 2021 kam nun ein weiteres Projekt zur Untersuchung der genetischen Diversität hinzu. Ein moderner landschaftsgenetischer Ansatz soll wichtige und einzigartige Informationen und Einblicke zur räumlichen Differenzierung, Konnektivität und zum genetischen Zustand der lokalen Gamsvorkommen im Bayerischen Alpenraum ermöglichen.

Bisher liegen sehr detaillierte genetische Informationen für zwei Gamsvorkommen aus dem Bayerischen Alpenraum im Karwendel und im Chiemgau vor, welche im Rahmen des 2016 begonnen Projektes „Integrales Schalenwildmanagement im Bergwald“ erhoben wurden. Die dabei erarbeiteten Kenntnisse und Methoden lieferten die grundlegende Basis für eine bayernweite Erhebung des genetischen Zustands der bayerischen Gamspopulationen.

Ziele des Projektes

Aufbauend auf den Forschungsergebnissen der laufenden LWF-Schalenwildprojekte im Bergwald werden erstmals im gesamten Bayerischen Alpenraum mit Hilfe von Methoden der Populations- und Landschaftsgenetik zuverlässige Informationen zur genetischen Diversität der bayerischen Gamsvorkommen erhoben und in Beziehung zum Populationszustand gesetzt.

So sollen unter anderem die geografische Abgrenzung, die räumliche Struktur und die Verbindungen der lokalen Populationen (Konnektivität und Genfluss) sowie ihr genetischer Zustand - anhand von über 2500 räumlich verorteten Genproben von erlegten Gamsindividuen aus dem gesamten Bayerische Alpenbogen - analysiert werden. Mittels landschaftsgenetischer Analysen sollen darüber hinaus die Einflüsse der Lebensraumzusammensetzung sowie der Landnutzung durch den Menschen auf die beobachtete genetische Diversität und den effektiven Genfluss erforscht werden.

Aus diesen Erkenntnissen lassen sich anschließend Handlungsempfehlungen für das künftige Schalenwildmanagement ableiten. Diese einmalige Datengrundlage kann wesentlich dazu beitragen, den aktuellen Erhaltungszustand der Gamspopulation in Bayern naturschutzfachlich noch besser anzusprechen und zu bewerten. Die Projektergebnisse bilden eine objektive Datengrundlage zur Bestimmung der genetischen effektiven Populationsgröße und des genetischen Erhaltungszustands der einzelnen Gamsvorkommen in Bayern.
Gemse auf einer Bergwiese.

Foto: LWF

Gemse steht in der Dämmerung an einer Felswand.

Foto: J. Neuner, BaySF

Gams steht auf einer Bergwiese.

Foto: J. Neuner, BaySF

Rudel von Gemsen weidet auf einer Bergwiese.

Foto: J. Neuner, BaySF

Methodik

Ihre Mithilfe ist ausdrücklich erwünscht: Zunächst sollen mit tatkräftiger Unterstützung der Jagdausübenden Genproben aus dem gesamten Verbreitungsgebiet der Gams im bayerischen Alpenbogen gewonnen werden.

Allen Mitwirkenden werden dafür die notwendigen Unterlagen und Hilfsmittel von der LWF zur Verfügung gestellt. Für die spätere genetische Untersuchung ist eine mindestens ein Kubikzentimeter (1 cm³) große Gewebeprobe von erlegten oder gefallenen Stücken zu entnehmen. Zu jeder Gewebeprobe werden der Zeitpunkt und Ort der Erlegung bzw. der Fundort (bei Fallwild) sowie das Alter, das Geschlecht und die Jährlingsschlauchlänge des Tieres erfasst. Die so erhobenen Daten können dann entweder digital oder analog protokolliert werden.

Im Labor wird anschließend die aus den Gewebeproben gewonnene DNA sequenziert und näher untersucht.

Bitte helfen Sie mit und unterstützen Sie das Projekt!

Auswertungen

a) Abgrenzung von Populationen

Für eine aussagekräftige Untersuchung der genetischen Vielfalt einer Population muss diese zunächst basierend auf objektiven Daten und Annahmen geografisch abgegrenzt werden. Lokale Vorkommen, die augenscheinlich getrennt voneinander sind (z.B. Gebirgsstöcke), können unter Umständen noch durchaus einen hohen Austausch an Individuen und damit potenziell auch an Genen (effektiver Genfluss) aufweisen. Sie würden in diesem Fall – trotz scheinbarer Trennung – eine reproduktive Einheit (Population im genetischen Sinn) darstellen. Für eine Betrachtung des Zustandes der bayerischen Gamsvorkommen ist daher eine objektive Abgrenzung der reproduktiven Einheiten (lokalen Populationen) ein erster wichtiger Schritt.

b) Bewertung der genetischen Vielfalt innerhalb der Population

Nach der Zuordnung der beprobten Individuen auf die identifizierten Populationen, wird zunächst die genetische Vielfalt innerhalb dieser Populationen genauer betrachtet.
Basierend auf genetischen Untersuchungen und den daraus abgeleiteten Indizes zur Diversität kann daher der Zustand und die Entwicklung von lokalen Populationen evaluiert werden. Gerade hinsichtlich der Klima-, der Landschafts- und Landnutzungsveränderungen ist eine ausreichende genetische Diversität als Grundlage für die langfristige Anpassungsfähigkeit und Vitalität einer Population von entscheidender Bedeutung. Im Rahmen einer landschaftsgenetischen Analyse (siehe Infobox) soll die beobachtete genetische Vielfalt innerhalb der Populationen der Habitat- und Landschaftszusammensetzung gegenübergestellt werden.

c) Bewertung des genetischen Austauschs

Genetische Diversität kann auch durch den Austausch an Individuen und damit an Genen zwischen den Populationen aufrechterhalten werden. In unserer Kulturlandschaft ist dieser Genfluss allerdings häufig durch anthropogene Barrieren (z.B. Autobahnen) oder intensive Verbauungen (Landschaftsfragmentierung) limitiert oder ganz verhindert. Die Zerschneidung der Landschaft, sowohl natürlich als auch menschengemacht, wirkt sich daher auch auf den Genfluss zwischen Populationen aus. Für die Bewertung des möglichen Einflusses der Landschaftszusammensetzung können auch landschaftsgenetische Analysen (siehe Infobox) hinzugezogen werden. Dabei testet man zum Beispiel verschiedene Hypothesen wie sich die geografische Distanz, die Präsenz von Barrieren (z.B. Autobahnen, große Flüsse etc.) oder die Landschaftszusammensetzung (z.B. der Anteil an bewaldeten Flächen oder die Topographie) auf die Ausbreitung von Individuen zwischen den Gebieten und damit auf den effektiven Genfluss auswirken. Die daraus gewonnen Erkenntnisse fließen dann in Landschaftsmodelle ein, um zum Beispiel wichtige Landschaftsteile herauszustellen, die für den Genfluss zu erhalten oder zu entwickeln sind.

Landschaftsgenetik

Projektinformationen
Laufzeit: 01.04. 2021 bis 31.12.2024
Projektleitung: Dr. Hendrik Edelhoff / Dr. Wibke Peters
Projektbearbeitung: Dr. Susanne Jacobs
Durchführende Institution: Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten