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Markus Blaschke, Patrick Bilan, Heinz Bußler und Bernhard Förster
Artenvielfalt unter der Lupe – LWF aktuell 118

Seit der Neuausrichtung der Naturwaldreservats-Forschung im Jahr 2013 konzentriert sich ein erheblicher Teil der Artenerfassung auf die Repräsentationsflächen von 26 Schwerpunktreservaten. Dadurch können die Prozesse in den Naturwaldreservaten (NWR) genauer unter die Lupe genommen werden. Die erhobenen Daten erlauben mittlerweile auch eine Verschneidung zwischen den mehrfach seit 1978 erhobenen waldkundlichen Parametern und ökologischen Faktoren einerseits und den nachgewiesenen Arten der Bodenvegetation, der xylobionten Käfer und der Schnecken andererseits.

Liegendes und stehendes Totholz in einem BuchenbestandZoombild vorhanden

Abb. 1: Totholz. (Foto: M. Blaschke, LWF)

In acht Schwerpunktreservaten (Abbildung 2 und Tabelle 1) wurden von 2013 bis 2015 die Vegetation, Schnecken und xylobionten Käfern in jeweils sechs Probekreisen erhoben. Die 1.000 m² großen Probekreise lagen alle in den rund ein Hektar großen Repräsentationsflächen (Blaschke & Endres 2012). Vier dieser Reservate sind laubbaumartenreiche Mischwälder (Blaschke et al. 2016), zwei Reservate liegen in den Alpen und zwei weitere im ostbayerischen Grundgebirge. Die Artenzusammensetzung an jedem der 48 Probekreise wurde für die jeweiligen Artengruppen mit dem statistischen Verfahren der »Entzerrten Korrespondenzanalyse« (DCA) untereinander verglichen. Anschließend wurden die Ergebnisse mit ökologischen Parametern verschnitten, um bestimmende Faktoren für die Artenzusammensetzung zu diagnostizieren.

Artenzahlen mit hohen Schwankungen

Bayernkarte mit Verortung von Naturwaldreservaten und Schwerpunktreservaten 2013-2015Zoombild vorhanden

Abb. 2: Bayern hat derzeit 165 Naturwaldreservate. (Grafik: LWF)

Die durchschnittlichen Artenzahlen je Probekreis von Holzkäfern, Pflanzen und Schnecken zusammen schwanken zwischen 50 Arten im NWR Stückberg im Oberpfälzer Wald und 128 Arten im NWR Wettersteinwald in den Alpen (Abbildung 4). Bei den drei Artengruppen liegen die Zahlen pro Probekreis zwischen 10 und 35 bei den xylobionten Käfern, 17 bis 97 bei den Pflanzen sowie 8 und 22 bei den Schnecken.

Dabei ist zwischen den Artenzahlen der drei Artengruppen auf den einzelnen Probekreisen zunächst keine Korrelation zu erkennen. So hat die vergleichsweise schnecken- und pflanzenartenarme Fläche im NWR Stückberg eines der vielfältigsten Käfervorkommen zu bieten. Die extrem hohe Gesamtartenzahl im NWR Wettersteinwald beruht auf der Vielfalt der Vegetation.
PochkäferZoombild vorhanden

Abb. 3: Pochkäfer. (Foto: H. Bußler, LWF)

Die meisten Schnecken fanden sich mit 22 Arten pro Probefläche im NWR Totengraben südlich des Tegernsees. Dagegen wurden auf dieser Fläche mit nur durchschnittlich zehn Arten die wenigsten xylobionten Käfer gefangen. Die meisten Käfer fanden sich in dem artenreichen Laubmischwald auf der nördlichen Fränkischen Platte im NWR Wildacker. Dort waren es im Durchschnitt 35 Arten. Im Rahmen dieser Untersuchungen wurde im NWR Wettersteinwald erstmals für ganz Deutschland der Pochkäfer Ernobius explanatus (Abbildung 3) nachgewiesen (Bußler et al. 2015).

Naturwaldreservate im Rahmen der Schwerpunktuntersuchungen von 2013 bis 2015

   
   
   
   
   
   
   
   
   
Naturwaldreservat Waldgesellschaft und Wuchsbezirk Hauptbaumarten
[% der Grundfläche]
Dreiangel (DA) Eschen-Ulmen-Auwald
12.1 Donauried
Esche (71) Bergahorn (19)
Totengraben (TG) Carbonat-Bergmischwald der Alpen
15.5 Mittlere Bayerische Kalkalpen
Buche (54), Fi (26)
Wettersteinwald (WW) 15.8 Karwendel und Wettersteinmassiv
Subalpiner Carbonat-Fichtenwald
Carbonat-Lärchen-Zirbenwald

Fichte (87), Tanne (11)
Zirbe (83), Fichte (16)
Rehberg (RB) Bergland-Waldmeister-Buchenwald
11.2 Östlicher Vorderer Bayerischer Wald
Fichte (53), Tanne (24)
Stückberg (STB) Bergland-Hainsimsen-Buchenwald
10.4 Innerer Oberpfälzer Wald
Buche (69), Fichte (30)
Schlossberg (SB) Artenreicher Laubmischwald/
3.2 Hohe Rhön
Buche (60) Esche (20)
Wildacker (WA) Artenreicher Laubmischwald/
4.1 Nördliche Fränkische Platte
Buche (58) Eiche (17)
Turmkopf (TK) Eschen-Buchenwald
12.7 Mittelschwäbisches Schotterriedelund
Hügelland
Buche (29) Esche (26)
Tabelle 1: Naturwaldreservate im Rahmen der Schwerpunktuntersuchungen von 2013 bis 2015

Noch dominieren die Pflanzen

Artenzahlen für Schnecken, Pflanzen und xylobionte Käfer auf den Probeflächen der acht SchwerpunktreservateZoombild vorhanden

Abb. 4: Artenzahlen für Schnecken, Pflanzen und xylobionte Käfer auf den Probeflächen. (Grafik: LWF)

Die Artenakkumulationskurven (Abbildung 5) zeigen die Anzahl der nachgewiesenen Arten in Abhängigkeit von der Zahl der Probeflächen an. Jede Kurve beginnt mit der durchschnittlichen Artenzahl. Je mehr Probekreise einbezogen werden, desto mehr steigt die Artenzahl an. Bislang liegen die Artenzahlen bei der Artengruppe Pflanzen am höchsten. Auf den 48 Probekreisen erreichen sie fast die Marke von 300 Arten. Allerdings zeigt die Kurve bereits eine erkennbare Sättigung, so dass bei weiteren Flächen nicht mehr so viele neue Arten zu erwarten sind. Bei den Schnecken ist die Sättigung noch deutlicher. Hier trat sie bereits nach etwa 20 Flächen ein, und die Artenzahl erreicht knapp den Wert 50. Obwohl die durchschnittliche Artenzahl pro Probefläche bei den xylobionten Käfern etwa in derselben Höhe wie bei den Schnecken liegt, weißt diese Kurve einen völlig anderen Verlauf auf und hat sich inzwischen auf knapp 200 Arten summiert. Allerdings zeigt diese Kurve noch keine Tendenz zur Sättigung. Es ist daher mit der Untersuchung weiterer, selbst ähnlicher Naturwaldreservate noch mit zahlreichen weiteren Arten zu rechnen.

Höhenlage und Temperatur steuern bei allen Artengruppen die Gemeinschaften

Anzahl der nachgewiesenen Arten in Abhängigkeit von der Zahl der ProbeflächenZoombild vorhanden

Abb. 5: Anzahl der nachgewiesenen Arten in Abhängigkeit von der Zahl der Probeflächen. (Grafik: LWF)

Die Ähnlichkeitsanalyse mit Hilfe der Entzerrten Korrespondenzanalyse (DCA) bildet die acht Reservate mit unterschiedlichen Symbolen auf einem Koordinatensystem ab (Abbildung 7). Vom Mittelpunkt aus werden in verschiedene Richtungen Verknüpfungen zu ökologischen Parametern in Form von Pfeilen aufgezeigt. Je weiter die Punkte in den Grafiken auseinander liegen, desto unterschiedlicher sind sie in ihrer Artenzusammensetzung.

Für alle drei Artengruppen ergab sich als zentrale erste Achse ein Gradient, der sich gut mit der Höhenlage und der jährlichen Durchschnittstemperatur der Flächen erklären lässt. So finden sich alle Punkte für das höchstgelegene Naturwaldreservat Wettersteinwald im rechten Teil der Grafiken. Das an der Donau am tiefsten gelegene Naturwaldreservat Dreiangel liegt bei den xylobionten Käfern und der Vegetation ganz links. Dagegen zeigt sich bei den Schnecken eine etwas andere Verteilung, so dass das NWR Dreiangel sich im Zentrum wiederfindet. In ähnlicher Weise ist bei den xylobionten Käfern und den Schnecken auch der Anteil der Fichten auf den Probekreisen erkennbar. Bei der Vegetation fällt zunächst auf, dass sich die Probekreise reservatsweise sehr dicht gruppieren. Eine Ausnahme stellt das NWR Turmkopf dar, dessen Repräsentationsfläche sich auf zwei Schotterterrassen und dem dazwischen liegenden Steilhang befindet. Darin zeigt sich die enge Bindung der Pflanzengemeinschaften an den Standort.
Eine Flugfensterfalle besteht aus zwei durchsichtigen Plexiglasscheiben, die kreuzweise miteinander verbunden sind und einem Trichter mit Fanggefäß, in das die Tiere beim Auftreffen auf die Scheiben fallen.Zoombild vorhanden

Abb. 6: Eine Flugfensterfalle im Bestand. (Foto: M. Blaschke)

Bei den Laubwäldern zeichnet sich auf der zweiten Achse eine Trennung der Eichen- und Hainbuchenwälder von den von Eschen dominierten Beständen ab. So weisen die Pfeile für Eiche und Hainbuche deutlich nach oben, während die Pfeile für Esche und Traubenkirsche fast schon in die entgegengesetzte Richtung führen. Bei den Tierarten überschneiden sich die Artengemeinschaften der untersuchten Reservatsflächen viel stärker. Die zweite Achse der Artenverteilung bei den Schnecken hängt offensichtlich eng mit dem Wasserhaushalt zusammen. Allerdings ist die Signifikanz dieser Werte nicht so hoch wie bei den anderen ökologischen Parametern. Bei den xylobionten Käfern spielen neben Höhenlage und Klima sicherlich auch Habitattradition, Biotopbäume und Totholz eine entscheidende Rolle, doch dieser Zusammenhang war auf den hier ausgewerteten Daten noch nicht ausreichend differenziert zu erkennen.

Ähnlichkeitsanalyse für Vegetation, Xylobionte Käfer und Schnecken

Ähnlichkeitsanalyse mit Hilfe der Entzerrten Korrespondenzanalyse (DCA) für die drei Artengruppen Vegetation, Xylobionte Käfer und Schnecken

Abb. 7: Ähnlichkeitsanalyse mit Hilfe der Entzerrten Korrespondenzanalyse (DCA) für die drei Artengruppen Vegetation, Xylobionte Käfer und Schnecken. (Grafik: LWF)

Zusammenfassung

Seit 2013 verfolgt die Naturwaldreservats-Forschung der LWF auf den Schwerpunktreservaten das Ziel, die Artdaten auf den Repräsentationsflächen mit ökologischen und waldkundlichen Parametern zu verschneiden. Für acht Reservate liegen inzwischen Daten über xylobionte Käfer, Vegetation und Schnecken auf jeweils sechs Probekreisen vor. Die Gesamtartenzahlen für die drei Gruppen pro Probekreis schwanken zwischen 50 und 128, wobei kein klarer Zusammenhang der Artenzahlen der drei Artengruppen erkennbar ist. Bereits auf den jetzt untersuchten 48 Probekreisen konnten rund 300 verschiedene Pflanzenarten gefunden werden. Als wesentliche treibende Kraft der Artenzusammensetzung für alle drei Artengruppen lässt sich die Höhenlage in Verbindung mit der Temperatur ausmachen.

Waldlaboratorien unter freiem Himmel

Mann in Kletterschutzkleidung saugt Mulm aus einer HöhleZoombild vorhanden

Abb. 8: LWF-Mitarbeiter Martin Högl saugt Mulm aus einer Höhle in einer Alteiche, um Mulmhöhlenbewohner nachzuweisen. (Foto: V. Binner)

Die ersten Ansätze der Naturwaldforschung in Bayern reichen bis in die Zeit der Jahrhundertwende um 1850 zurück. Offiziell wurden Naturwaldreservate im bayerischen Staatswald vor 40 Jahren mit Bekanntmachung vom 20. Februar 1978 eingerichtet.

Die »Urwälder von morgen«: Am 10. August 1982 wurden die Naturwaldreservate in das Waldgesetz für Bayern (BayWaldG) aufgenommen. Damit wurden sie zu einer eigenständigen Schutzgebietskategorie aufgewertet. Heute verfügt Bayern über 164 Naturwaldreservate mit 7.514 Hektar – ein flächendeckendes Netz in Staatwald, Privat- und Kommunalwald.

Aufgabe und Ziel: Ziel der Naturwaldreservate ist, möglichst alle in Bayern vorkommenden natürlichen Waldgesellschaften und ihre Standorte zu repräsentieren, um deren natürliche Entwicklung zu erforschen und Erkenntnisse und Strategien für die naturnahe Forstwirtschaft im Zeichen des Klimawandels zu gewinnen. Hierfür sind Naturwaldreservate hervorragende Freilandlaboratorien: Wo sonst nirgends lassen sich in Naturwaldreservaten die Einflüsse des Klimawandels auf die natürlichen Konkurrenzverhältnisse zwischen den Baumarten beobachten.

Forschung: Die langfristige Betreuung der Naturwaldreservate ist der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) übertragen. Sie koordiniert die wissenschaftlichen Arbeiten, führt eigene Forschungen durch und veröffentlicht Forschungsergebnisse.

www.lwf.bayern.de/biodiversitaet/naturwaldreservate/index.php

Literatur

  • Blaschke, M.; Endres, U.; Förster, B.; Bußler, H. (2016): 6000 m² Naturwaldreservat im Fokus – Welche Beziehungen können Artengruppen in nicht bewirtschafteten Laubmischwäldern aufzeigen? Waldökologie, Landschafsforschung und Naturschutz, 15, S. 57–68
  • Blaschke, M.; Endres, U. (2012): Bayerische Naturwaldreservats- Forschung auf »neue« Füße gestellt. LWF aktuell, 91, S. 43–45
  • Bußler, H.; Walentowski, H.; Blaschke, M. (2015): Boreo-montane Reliktarten im Naturwaldreservat »Wettersteinwald« (Coleoptera xylobionta). NachrBl. Bayer. Ent. 64(3/4), S. 83–85

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