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Alexander Rumpel
Waldvogelschutz auf Erfolgskurs – LWF aktuell 126

Vogelschutzbericht unterstreicht positive Bestandsentwicklung für Waldvögel, zeigt aber auch Problembereiche im Wald auf

Während auf Wiesen, Weiden und Äckern in Deutschland der deutliche Rückgang heimischer Vögel weiter anhält, zeichnen sich in den Wäldern hingegen erfreuliche Zunahmen der Bestände ab. Das sind die zentralen Aussagen des vor kurzem veröffentlichten Nationalen Vogelschutzberichts »Vögel in Deutschland 2019 – Übersichten zur Bestandssituation«. Die alle sechs Jahre laufende Bilanzierung enthält wesentliche Informationen zu Bestandsgrößen, Bestandstrends und Verbreitungsangaben aller Brut- und der rastenden Wasservogelarten und gilt neben dem FFH-Bericht als zentraler Gradmesser für den Stand der Umsetzung des europäischen Netzwerks »Natura 2000«.

Die bereits seit 1979 bestehende Vogelschutzrichtlinie ist ein zentrales europäisches Instrument zum Schutz der biologischen Vielfalt. Die Richtlinie gilt für sämtliche auf europäischem Gebiet wildlebenden Vogelarten und deren Lebensräume. Gemäß der Richtlinie sind für alle Vogelarten des Anhang I geeignete Schutzgebiete (SPA-Gebiete = »Special Protected Areas«) auszuweisen.

Darüber hinaus besteht auch für die regelmäßigen Zugvogelarten und deren Brut- und Überwinterungsgebiete eine entsprechende Schutzverpflichtung. Seit der Einführung der FFH-Richtlinie im Jahr 1992 knüpfen die beiden Richtlinien gemeinsam das europaweite Netzwerk »Natura 2000«.

In Bayern werden die Managementpläne für die 84 Vogelschutzgebiete gemeinsam von Umwelt- und Forstverwaltung erstellt. Dabei werden 42 regelmäßig in Bayern vorkommende Vogelarten mit spezifischer Bindung an Wälder von der Forstverwaltung beplant. Die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) und die derzeit entstehenden Fachstellen Waldnaturschutz unterstützen die Managementplanung vor Ort und sind für das Gebietsmanagement in walddominierten Gebieten zuständig.

Vogel-Monitoring als wichtigste Datenbasis

Ein Sperlingskauz sitzt auf einem AstZoombild vorhanden

Abb. 1: Vom Sperlingskauz gibt es in Bayern circa 1.300 bis 2.000 Brutpaare. Bundesweit ist der 36-Jahre-Trend steigend (Foto: J. Wild)

Ebenso wie bei der FFH-Richtlinie ist auch regelmäßig über den Zustand der Avifauna und deren Lebensräume im Rahmen eines nationalen Vogelschutzberichtes Auskunft zu geben. Seit 2013 wird dieser Bericht analog zum FFH-Bericht (s. Rumpel 2020) im sechsjährigen Turnus erstellt. Neben allgemeinen Informationen zur Umsetzung der Richtlinie gibt der Bericht insbesondere Auskunft über die Verbreitungsgebiete sowie über die kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklungstrends der Vogelpopulationen in Deutschland.

Zusätzlich sind für die Gruppe der sogenannten Triggerarten, d.h. für die Arten, die Anlass für die Ausweisung der SPA-Gebiete waren, auch die Kurzzeittrends und die Populationsgrößen spezifiziert für die SPA-Gebiete angegeben. Da für die Vogelschutzrichtlinie, anders als bei der FFH-Richtlinie, keine biogeografischen Regionen festgelegt sind, beziehen sich alle Berichtsangaben auf die Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland.

In dem Bericht sind Daten zahlreicher Institutionen und Akteure eingeflossen, wie dem bundesweiten Vogelmonitoring und Daten der entsprechenden Landesfachbehörden (in Bayern insb. Vogelschutzwarte, Landesamt für Umwelt und Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft). Insbesondere die im Kontext der Managementplanung in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnisse liefern einen besonders wertvollen Beitrag zu den aktuellen Berichtsdaten.

Die Basis der Berichtsdaten stellen die Fundmeldungen dar, die überwiegend Tausende ehrenamtlich tätige Vogelbeobachterinnen und -beobachter sowie nicht-staatliche Fachverbände erheben. Diese Breite, Langfristigkeit und fachliche Qualität der laufenden Erhebungen erlaubt es, fundierte Antworten auf zahlreiche Fragen zum aktuellen Zustand der Vogelwelt zu geben.

Wie entwickeln sich die einzelnen Populationen? Welche Arten gehören zu den Gewinnern oder Verlieren? Verändern sich die Verbreitungsgebiete? Zeigen die beobachteten Entwicklungen eine langfristige Tendenz oder handelt es sich um einen kurzfristigen Trend, dessen Ursache weiterer Klärung bedarf?

Deutschlandweit: Bestandsverlust meist im Offenland

Ein  Haselhuhn Hahn im dichten GrasZoombild vorhanden

Abb. 2: Ein Haselhuhn-Hahn lauert in dichter Bodenvegetation. Der sehr seltene Vogel ist in Bayern mit etwa 750 bis 1.200 Brutpaaren vertreten. (Foto: H.-J. Fünfstück)

Deutschland gehört mit mehr als 300 nachgewiesenen Vogelarten zu den artenreichen Regionen Mitteleuropas. Davon brüten rund 250 Vogelarten regelmäßig in Deutschland, weitere 25 unregelmäßig. Dazu kommen 20 Arten, die als etablierte Neozoen oder Neubürger gelten, wie die auffällige Mandarinente und die Nilgans, die in einzelnen Regionen Bayerns inzwischen ganzjährig anzutreffen sind. Als ausgestorben gelten 17 Arten.

Mit jeweils knapp 10 Millionen Brutpaaren von Amsel und Buchfink zählen auch zwei Arten mit einem Vorkommensschwerpunkt im Wald zu den bundesweit häufigsten und weitverbreitetsten Arten. Auf Basis des 24-Jahres- Trends von 1992–2016 kann hochgerechnet werden, dass in diesem Zeitabschnitt der bundesweite Bestand um bis zu 14 Millionen Brutvögel abgenommen hat. Somit leben heute etwa acht Prozent weniger Brutvögel in Deutschland als noch vor 24 Jahren.

Der größte Teil der Verluste ist dabei in der ersten Hälfte des Beobachtungszeitraums festzustellen. Vom Rückgang besonders betroffen sind Arten mit Verbreitungsschwerpunkt in Offenlandbiotopen, insbesondere Agrarlandschaften und Feuchtgebieten. In der Vergangenheit weit verbreitete Arten der Agrarlandschaft wie beispielsweise Feldlerche und Turteltaube sind mittlerweile so selten, dass sie in der offenen Kulturlandschaft häufig nicht mehr anzutreffen sind.

Tabelle 1 stellt die bundesweiten kurz-, mittel- und langfristigen Trends der Bestandessituation für die Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland basierend auf den Angaben des Nationalen Vogelschutzberichts dar. Für die sogenannten Triggerarten ist zudem die Situation innerhalb der Vogelschutz-Gebiete zusätzlich angegeben.

Die Angaben zu den Brutpaaren in Bayern ist dem Atlas der Brutvögel Bayerns (Rödl et al. 2012) entnommen; dunkelgelb hervorgehoben sind Arten, für deren Erhalt dem Freistaat Bayern eine besondere Verantwortung zukommt.
Tabelle 1a: Kurz-, mittel- und langfristigen Trends der Bestandessituation der Vogelarten (Bestandssituation bundesweit)
ArtWeiterführende Informationen Rote Liste
2016 (BY)
 Bestands
situation
(bundesweit)
  
Federführung FoV Managementplanung &
Gebietsmanagement
Anhang I der Vogelschutz-RL
TriggerartBrutpaare
in Bayern
Trend
36 Jahre
Trend
24 Jahre
Trend
12 Jahre
Auerhuhn (Tetrao urogallus) (2)XX1600-900moderate Abnahmemoderate Abnahmemoderate Abnahme
Haselhuhn (Tetrastes bonasia) (2)XX3750-1.200stabilstabilmoderate Abnahme
Schwarzspecht (Dryocopus martius)XX*6.500-10.000stabilstabilstabil
Dreizehenspecht (Picoides tridactylus) (2)XX*700-1.100stabil
Mittelspecht (Dendrocopos medius)XX*2.300-3.700ZunahmeZunahmeZunahme
Weißrückenspecht (Dendrocopos leucotos) (2)XX3380-600  stabil
Kleinspecht (Dryobates minor)  V2.200–3.400stabilmoderate Abnahmemoderate Abnahme
Grauspecht (Picus canus)XX32.300-3.500moderate Abnahmemoderate Abnahmemoderate Abnahme
Grünspecht (Picus viridis)  *6.500–11.000ZunahmeZunahmeZunahme
Wendehals (Jynx torquilla) X11.200-1.800starke
Abnahme
moderate Abnahmestabil
Seeadler (Haliaeetus albicilla)XXR6-7ZunahmeZunahmeZunahme
Fischadler (Pandion haliaetus)XX15ZunahmeZunahmeZunahme
Rotmilan (Milvus milvus)XXV750-900stabilstabilstabil
Schwarzmilan (Milvus migrans)XX*500-650stabilZunahmestabil
Wespenbussard (Pernis apivorus)XXV750-950stabilstabilstabil
Habicht (Accipiter gentilis)  V2.100–2.800stabilstabilstabil
Baumfalke (Falco subbuteo)  *1.100–1.300stabilstabilstabil
Sperber (Accipiter nisus)XX*4.100-6.000Zunahmestabilstabil
Raufußkauz (Aegolius funereus)XX*1.100-1.700
Sperlingskauz (Glaucidium passerinum)  *1.300-2.000ZunahmeZunahmestabil
Habichtskauz (Strix uralensis) (2)  25-6
Waldkauz (Strix aluco)  *6.000-9.500stabilstabilstabil
Halsbandschnäpper (Ficedula albicollis)  31.200-2.200stabilstabilZunahme
Zwergschnäpper (Ficedula parva)  2140-250
Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca)  V4.200-7.500stabilmoderate Abnahmestabil
Heidelerche (Lullula arborea)  2550-850stabilZunahmemoderate Abnahme
Eisvogel (Alcedo atthis)  31.600-2.200stabilZunahmestabil
Schwarzstorch (Ciconia nigra)  *150-160ZunahmeZunahmeZunahme
Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus)  190-160stabilstabilstabil
Baumpieper (Anthus trivialis)  211.500–26.000moderate Abnahmemoderate Abnahmestabil
Beutelmeise (Remiz pendulinus)  V270–380moderate Abnahmestarke
Abnahme
starke
Abnahme
Dohle (Coloeus monedula)  V5.500–9.500stabilstabilstabil
Gänsesäger (Mergus merganser) (2)  *420-550ZunahmeZunahmeZunahme
Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus)  34200–7000ZunahmeZunahmeZunahme
Hohltaube (Columba oenas)  *4.100–7.000ZunahmeZunahmeZunahme
Mauersegler (Apus apus), baumbrütend  320-30stabilmoderate Abnahmemoderate Abnahme
Pirol (Oriolus oriolus)  V3.200–5.000stabilstabilstabil
Raubwürger (Lanius excupitor)  145-55moderate Abnahmemoderate Abnahmemoderate Abnahme
Ringdrossel (Turdus torquatus) (2)  *2.200-4.000stabilstabilstabil
Schellente (Bucephala clangula)  *110-150ZunahmeZunahmeZunahme
Waldschnepfe (Scolopax rusticola)  *2.600-4.600stabilstabilstabil
Waldwasserläufer (Tringa ochropus)  R40-50ZunahmeZunahmestabil
Sonstige waldrelevante Arten (Auswahl)       
Buntspecht (Dendrocopos major)  *87.000-
245.000
ZunahmeZunahmeZunahme
Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes)  *2.000-3.400stabilstabilstabil
Eichelhäher (Garrulus glandarius)  *105.000-290.000stabilstabilstabil
Waldlaubsänger (Phylloscopus sibilatrix)  211.500-21.000moderate Abnahmemoderate AbnahmeZunahme
Kolkrabe (Corvus corax)  *1.200-1.500ZunahmeZunahmeZunahme
Uhu (Bubo bubo)XX*420-500ZunahmeZunahmeZunahme
Tabelle 1a: Kurz-, mittel- und langfristigen Trends der Bestandessituation der Vogelarten für die Bundesrepublik Deutschland basierend auf den Angaben des nationalen Vogelschutzberichts
(1) Vogelschutzrichtlinie
(2) Verantwortungsarten für Bayern
Tabelle 1b: Kurz-, mittel- und langfristigen Trends der Bestandessituation der Vogelarten (Bestandssituation in SPA)
Art  Rote Liste
2016 (BY)
 Bestandssituation in SPA 
Federführung FoV Managementplanung &
Gebietsmanagement
Anhang I der Vogelschutz-RLTriggerart Brutpaare
in Bayern
Anteil [%]12 Jahre
Auerhuhn (Tetrao urogallus)jaja1600-900
57moderate Abnahme
Haselhuhn (Tetrastes bonasia)jaja3750-1.200
--
Schwarzspecht (Dryocopus martius)jaja*6.500-10.000
17stabil
Dreizehenspecht (Picoides tridactylus)jaja*700-1.100
73Zunahme
Mittelspecht (Dendrocopos medius)jaja*2.300-3.700
38Zunahme
Weißrückenspecht (Dendrocopos leucotos)jaja3380-600
61stabil
Kleinspecht (Dryobates minor)  V2.200–3.400
  
Grauspecht (Picus canus)jaja32.300-3.500
--
Grünspecht (Picus viridis)  *6.500–11.000
  
Wendehals (Jynx torquilla) ja11.200-1.800
--
Seeadler (Haliaeetus albicilla)jajaR6-7
39stabil
Fischadler (Pandion haliaetus)jaja15
43stabil
Rotmilan (Milvus milvus)jajaV750-900
18stabil
Schwarzmilan (Milvus migrans)jaja*500-650
27stabil
Wespenbussard (Pernis apivorus)jajaV750-950
--
Habicht (Accipiter gentilis)  V2.100–2.800
  
Baumfalke (Falco subbuteo)  *1.100–1.300
  
Sperber (Accipiter nisus)  *4.100-6.000
  
Raufußkauz (Aegolius funereus)jaja*1.100-1.700
  
Sperlingskauz (Glaucidium passerinum)jaja*1.300-2.000
--
Habichtskauz (Strix uralensis) *  25-6
  
Waldkauz (Strix aluco)  *6.00-9.500
  
Halsbandschnäpper (Ficedula albicollis)jaja31.200-2.200
57Zunahme
Zwergschnäpper (Ficedula parva)jaja2140-250
-moderate Abnahme
Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca)  V4.200-7.500
  
Heidelerche (Lullula arborea)jaja2550-850
38Zunahme
Eisvogel (Alcedo atthis)jaja31.600-2.200
19stabil
Schwarzstorch (Ciconia nigra)jaja*150-160
24stabil
Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus)jaja190-160
56stabil
Baumpieper (Anthus trivialis)  211.500–26.000
  
Beutelmeise (Remiz pendulinus)  V270–380
  
Dohle (Coloeus monedula)  V5.500–9.500
  
Gänsesäger (Mergus merganser) ja*420-550
33Zunahme
Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus)  34.200–7.000
  
Hohltaube (Columba oenas)  *4.100–7.000
  
Mauersegler (Apus apus) - baumbrütend  320-30
  
Pirol (Oriolus oriolus)  V3.200–5.000
  
Raubwürger (Lanius excupitor) ja145-55
42stabil
Ringdrossel (Turdus torquatus)  *2.200-4.000
  
Schellente (Bucephala clangula) ja*110-150
  
Waldschnepfe (Scolopax rusticola)  *2.600-4.600
  
Waldwasserläufer (Tringa ochropus)  R40-50
  
Sonstige waldrelevante Arten (Auswahl)      
Buntspecht (Dendrocopos major)  *87.000-24.5000
  
Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes)  *2.000-3.400
  
Eichelhäher (Garrulus glandarius)  *105.000-290.000
  
Waldlaubsänger (Phylloscopus sibilatrix)  211.500-21.000
  
Kolkrabe (Corvus corax)  *1.200-1.500
  
Uhu (Bubo bubo)jaja*420-500
16Zunahme
Tabelle 1b: Kurz-, mittel- und langfristigen Trends der Bestandessituation der Vogelarten für die Bundesrepublik Deutschland basierend auf den Angaben des nationalen Vogelschutzberichts
(1) Vogelschutzrichtlinie
(2) Verantwortungsarten für Bayern

Waldvogelarten im Aufwind – mit Einschränkungen

Aus forstwirtschaftlicher Perspektive besonders relevant sind die Ergebnisse für Vogelarten, die ihren Verbreitungsschwerpunkt im Lebensraum Wald haben. Erfreulicherweise ist festzustellen, dass im Gegensatz zur Situation in der Agrarlandschaft und im sonstigen Offenland die Vogelbestände im Wald stabil geblieben sind und bei nicht wenigen wertgebenden Vogelarten alter, totholz- und biotopbaumreicher Wälder sogar Bestandszunahmen festzustellen sind.

Bundesweit haben die Bestände im Wald im Betrachtungszeitrum um rund 1,5 Millionen Brutpaare zugenommen. Für eine umfassende und belastbare Analyse und Bewertung dieser Entwicklung ist es notwendig, einen Blick zurück zu werfen, um die Dynamik und Veränderung der Habitatqualität des Lebensraums Wald richtig einschätzen zu können.

Historisch bedingte Übernutzung versus moderner Waldumbau

Schwarzstorch im Nest zusammen mit vier JungvögelnZoombild vorhanden

Abb. 3: Der Schwarzstorch lebt in großen Waldgebieten. Wichtige Lebensraumelemente sind Waldlichtungen, Bäche, bewaldete Bachschluchten und wasserführende Gräben. In Bayern leben etwa 150 bis 160 Brutpaare. (Foto: N. Wimmer)

Weitgehend geschlossene Laubmischwälder, die natürlicherweise die mitteleuropäische Vegetation dominieren würden, waren bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus vielen Landschaften nahezu vollständig verschwunden oder dort, wo noch in Resten vorhanden, im Regelfall stark degradiert. Wald wurde damals nicht nur zur Holzproduktion, sondern auch für vielfältige andere Zwecke ge- und übernutzt.

So war der Wald häufig auch Viehweide und Streulieferant für die heimischen Viehställe. Dies führte zu einem langanhaltenden und nachklingenden Auflichtungs- und Aushagerungsprozess, wodurch zahlreiche Vogelarten (halb-)offener Lebensräume in die lichter gewordenen Waldflächen eingewandert sind. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts nimmt die Waldfläche in Deutschland wieder kontinuierlich zu und es dominieren vielfach wieder – abseits rezenter Kalamitätsflächen – weitgehend geschlossene Wälder die mitteleuropäischen Waldlandschaften.

Die Ergebnisse der Bundeswaldinventuren belegen zudem für die Gesamtwaldfläche eine Zunahme der standortheimischen Laubholzanteile, des durchschnittlichen Bestandsalters, der Totholzanteile und der Biotopbaumzahlen. Diese zeitliche und räumliche Veränderung der Waldökosysteme zeigt sich eindrücklich an den zahlreichen von dieser Situation profitierenden Arten, die als Waldarten im engeren Sinne indikatorisch besonders bedeutsam für die Bewertung der Naturnähe mitteleuropäischer Waldökosysteme sind.

Negative Trends und teils rückläufige Verbreitungsgebiete von Arten mit Waldbezug zeigen hingegen nur Artengruppen, die ihren Verbreitungsschwerpunkt im halboffenen Waldland zumeist in trockenwarmer Lage oder in Offenlandbereichen mit geringem Baumanteil besitzen. In Bayern sind dies typischerweise in der Vergangenheit vielfach beweidete und lichte Kiefern- oder Eichenbestände sowie Waldsteppen-Ökotone(n) auf meist nur kleinflächig vorkommenden Extremstandorten.

In Wirtschaftswäldern können diese Strukturen temporär auch auf Jungwuchsflächen, Lichtungen, Windwurf- und Waldbrandflächen auftreten. Diesen kultur- und managementabhängigen Arten kann damit auch eine Indikatorfunktion zugesprochen werden. Diese besitzt aber in der Regel keine Aussagekraft hinsichtlich des Merkmals »Naturnähe« eines Waldbestandes, sondern weist auf die bewirtschaftungshistorisch bedingten spezifischen Waldstrukturen und Standortsverhältnisse hin – mit der an diese Lebensraumsituation gekoppelten sehr spezifische Flora und Fauna.

Exemplarisch für die Gruppe der Waldarten im engeren Sinne steht die hochgradig an Waldökosysteme angepasste Gruppe der heimischen Spechtvögel, von deren Gegenwart und Höhlenbau zahlreiche andere Arten profitieren. Insbesondere Arten wie Mittelspecht, Dreizehenspecht und Schwarzspecht und deren Bindung an Wälder mit hohen Anteilen an Altholz- und Habitatbäumen sind im besonderen Maße geeignet, den Struktur- und Bestockungswandel in Richtung mehr Naturnähe und damit die Erfolge des naturnahen Waldbaus auf großer Fläche aufzuzeigen.

Während der Mittelspecht sein Hauptverbreitungsgebiet im Hügel- und Bergland außerhalb des Alpenraums besitzt, zeigt der Dreizehenspecht ähnliche waldökologische Entwicklungen für die natürlicherweise stärker nadelholzdominierten Bergmischwälder der Berglagen an. Eine detailliertere Darstellung zu den Spechten als Schirmarten im Waldnaturschutz haben Lauterbach und Schwaiger (2019) vorgelegt.
Laubbäume mit bunten Bändern auf Höhe des BHDZoombild vorhanden

Abb. 4: Mit Finanzmitteln aus Vertragsnaturschutzprogramm Wald (VNP-Wald) unterstützt Bayerns Forstverwaltung die privaten Waldbesitzer. (Foto: Dr. Matthias Jantsch)

Untermauert werden diese Ergebnisse durch die ebenfalls gleichbleibenden oder fallweise auch zunehmenden Bestandestrends zahlreicher weiterer Vogelarten der Wälder. Gerade die Gruppe der mittelhäufigen Arten wie Grauspecht, Sperlingskauz & Co. gelten aus Sicht des Waldnaturschutzes ebenfalls als geeignete und in vielen Landesteilen zudem auch vorkommende Indikatorengruppe. Aus Sicht der Öffentlichkeitsarbeit kommt darüber hinaus so charakteristischen Flaggschiffarten wie Schwarzstorch und Uhu eine besondere Bedeutung zu. Mit diesen Vogelarten können die Anforderungen des Waldvogelschutzes und die erreichten Erfolge auch breiteren Bevölkerungsgruppen nähergebracht werden.

Gerade auch die Entwicklungen bei Seeund Fischadler zeigen auf, dass Informationen und Schulungen maßgeblich Anteil an den Erfolgen besitzen. In diesen können vor Ort praxis- und zielgruppengerecht wichtige Aspekte des Vogelschutzes im Wald wie Horstbaumschutz und notwendige Ruhezonen anhand dieser seltenen Arten vermittelt werden.

Weniger positiv sieht dagegen die Bestandssituation von Auerhuhn und Haselhuhn aus. Beide Raufußhühner gelten, anders als das Schnee- und Birkhuhn, als Arten mit Verbreitungsschwerpunkt im Wald oder der Waldgrenze. Ihre Lebensräume stellen strukturreiche, auf Teilflächen auch lichte, störungsarme Bergmisch- und Bergnadelwälder der höheren Mittelgebirgslagen und des Alpenraums dar. Aufgrund dieser Bindung an Berglagen besitzt das Land Bayern eine besondere Verantwortung für diese charakteristischen Hühnervögel. Ein Großteil der deutschen Population ist im Freistaat beheimatet.

In Zeiten von Klimawandel und weiter anhaltenden Stickstoffeinträgen kommt der Habitatpflege durch ein gezieltes Lebensraummanagement im Rahmen der Bergwaldbewirtschaftung eine besondere Bedeutung und damit der Forstwirtschaft als Lebensraumgestalter auch eine große Verantwortung zu. Dabei sind mögliche Zielkonflikte mit weiteren gesellschaftlich relevanten Funktionen und Leistungen des Bergwaldes frühzeitig zu identifizieren, um sach- und funktionsgerechte Entscheidungen auf möglichst großer Waldfläche und unter Akzeptanz der betroffenen Waldbesitzer gewährleisten zu können.

Waldnaturschutz: seit Jahren erfolgreich

Zusammenfassend lässt sich letztlich sagen, dass es zurzeit in Deutschland kaum eine typische Waldvogelart naturnaher Wälder gibt, die einen negativen Trend aufweist. Kleiber & Co. sowie alle Arten von Eulen und Spechten sind heute so häufig und verbreitet wie seit langer Zeit nicht mehr. Die in Mitteleuropa heute gefährdeten Arten sind somit fast ausnahmslos Arten des Offenlandes, Halboffenlandes und der Feuchtund Wasserlebensräume. Struktur- und lebensraumreiches Offenland ist der Biotoptyp, an dem es heutzutage mangelt. Die Fläche der naturnahen Wälder nimmt hingegen stetig zu.

Konsequenzen

Die vorgelegten Ergebnisse des Nationalen Vogelschutzberichts leisten zusammen mit dem ebenfalls vor kurzem veröffentlichten FFH-Bericht (Rumpel 2020) einen weiteren wichtigen und auf Fakten basierenden Beitrag zum Stand und geben Perspektiven zur Umsetzung naturschutzfachlicher Ziele im Wald.

Gerade durch die integrierende Gesamtschau auf den Wald mit seinen zahlreichen und vielfältigen Habitatfunktionen wird es möglich, weiteren Handlungsbedarf sachgerecht und möglichst objektiv zu identifizieren, Prioritäten festzulegen und naturschutzfachliche Ziele im Wald zu überprüfen und bei erkanntem Bedarf auch anzupassen.

Der sektorale und damit zwangsläufig verengte Blick auf den Wald durch die Brille der reinen (Avi-) Faunistik, Floristik oder weiterer einzelner Artengruppen wird diesen Anforderungen in der Regel nicht gerecht und gerät damit in Gefahr, ein nicht sachgerechtes Bild vom Zustand der Waldbiodiversität zu zeichnen.

Als zentrale Erkenntnisse lassen sich unabhängig davon folgende sechs Positionen formulieren, die die Pflege, Entwicklung, Erhaltung und Wiederherstellung der Wälder im Allgemeinen wie auch Waldtypen im Besonderen betreffen und die zukünftigen Belange des Vogelschutzes und der Waldbesitzer beschreiben:
  1. Pflege und Entwicklung naturnaher Waldbestände: Die vorausschauende Pflege und Entwicklung naturnaher und strukturreicher Waldbestände unter dem Dach einer integrativen Waldbewirtschaftung ist ein zentraler Garant, um die erreichten Erfolge im Waldvogelschutz auch zukünftig weiter abzusichern und zu verstetigen. Widerstands- und anpassungsfähige Waldökosysteme stellen die sichersten Vogelhabitate dar – auch in Zeiten des Klimawandels.
  2. Fortführung des Totholz- und Biotopbaum- Managements: Viele Waldvogelarten sind insbesondere auf den Schutz und den Erhalt von Habitaten angewiesen, die durch eine ausreichende Anzahl, Menge und räumliche Verteilung von Strukturen der Alters- und Zerfallsphasen, wie Totholz, Biotopbäume, lichte Bestandspartien und Altholzstrukturen sichergestellt werden können. Auch ist dieser bereits so erfolgreiche Weg konsequent weiter zu beschreiten.
  3. Wiederherstellung standorttypischer Verhältnisse auf Feucht-, Moor- und Auwaldstandorten: Renaturierungsmaßnahmen mit dem Ziel der Wiederherstellung standorttypischer Verhältnisse sind prinzipiell auf allen gestörten oder degradierten Waldstandorten sinnvoll und wünschenswert. Besondere Bedeutung kommt dabei den Sumpf-, Moor- und Auwäldern als Lebensraum für hochangepasste und seltene Arten zu. Dabei ist es jedoch zwingend, dass vor der Renaturierung die Ziele und mögliche Konflikte im transparenten Dialog mit allen betroffenen Anliegern diskutiert und mitgetragen werden.
  4. Erhaltung und Entwicklung von Licht- und Magerwäldern: Mittels des Konzepts der naturnahen Waldbewirtschaftung wird versucht, flächen- und funktionsdifferenziert den ökosystemaren Gesamtnutzen des Multitalents Wald zu optimieren. Dabei können jedoch Zielkonflikte mit typischen (Vogel-)Arten lichter und magerer Wälder auftreten (siehe oben). Zur Sicherung oder fallweise notwendigen Entwicklung der verbliebenen Vorkommen bzw. Re-Etablierung vom Aussterben bedrohter Arten ist ein angepasstes Habitatmanagement zugunsten dieser pflege- und kulturabhängigen Arten notwendig.
    Zielkonflikten im Kontext der naturnahen Waldbewirtschaftung stehen hierbei in vielen Fällen Synergien beim Erhalt regionaltypischer Waldlandschaften gegenüber. Diese Sonderform der Waldbewirtschaftung erfordert ebenfalls die enge und partnerschaftliche Einbindung lokaler Nutzer und Interessensgruppen sowie die gezielte finanzielle Förderung. Dieser Maßnahmentyp ist vorrangig auf Reliktflächen zu realisieren. Dabei sind traditionelle multifunktionale Bewirtschaftungsweisen wie Mittelwald- Bewirtschaftung, Wald-Feld-Weide-Bewirtschaftung im Sinne eines modernen Lichtwaldmanagements und im Rahmen waldgesetzlicher Vorgaben zu adaptieren und weiter zu entwickeln.
  5. Vorausschauender Vogelschutz: Die aufgezeigten Erfolge verdeutlichen, dass erfolgreicher Vogelschutz (im Wald) möglich ist. Das Wissen und die Kenntnisse zum Vogelschutz im Wald wie ganz allgemein zum Waldnaturschutz stehen auf einem soliden wissenschaftlichen Fundament und werden von einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Akteure und Interessensgruppen mitgetragen:
    von feldornithologisch begeisterten Forstfrauen und Forstmännern über die von Kindesbeinen an leidenschaftlichen Vogelkundlern und ehrenamtlich engagierte Einzelpersonen bis hin zu den landes- und bundesweit tätigen Natur- und Vogelschutzverbänden und -institutionen. Diese zahlreichen Akteure sind im Sinne eines vorausschauenden Vogelschutzes im Wald weiter zu motivieren. Dort wo fallweise der Blickwinkel fachlich zu verengt oder politisch über die Maßen ideologisiert ist, sind gemeinam in einem offenen und ergebnisorientierten, kritischen Dialog Lösungen zu suchen, die von allen Akteuren so weit wie möglich mitgetragen werden können.
  6. Unterstützung der Waldbesitzer: »Last, but not least« kann Vogelschutz im Wald langfristig nur dann erfolgreich sein, wenn die vielen bayerischen Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer von Anfang an partnerschaftlich und auf Augenhöhe Anteil haben an der Generationenaufgabe »Vogelschutz im Wald«. Bestehendes Engagement ist konsequent zu würdigen und auch finanziell zu honorieren. Darüber hinaus sind vor Ort im Gespräch im Wald die fachlichen Anforderungen zielgruppengerecht zu übersetzen und die Zielsetzungen zu erklären.
    Dabei müssen die naturschutzfachlich notwendigen Maßnahmen sowohl fachlich als auch emotional transportiert werden. Um den Nutzen der Maßnahmen zu veranschaulichen, sind zudem Erfolge ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken und Motivation zu stiften. Bedürfnisse und Ziele der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer sind damit von Anfang an integraler Bestandteil der Projektplanung – vom Schutz eines einzelnen Höhlen- oder Horstbaumes bis hin zu größerflächig wirksamen Vogelschutzmaßnahmen.

Zusammenfassung

Die Situation der Wälder in Mitteleuropa hat sich in den vergangenen 150 Jahren insbesondere mit Blick auf Flächenausdehnung, Naturnähe der Bestockung und der Waldstrukturen, Bestandesalter sowie die Holzvorräte deutlich verbessert. Im Gegensatz zum Offenland zeigen viele typische Waldvogelarten positive oder zumindest stabile Bestandestrends.

Eine bedeutsame Ausnahme stellen dabei Vogelarten dar, die an licht- und nährstofflimitierte Wälder gebunden sind. Gründe dafür sind unter anderem in der Aufgabe traditioneller Nutzungsformen, Ursachen auf übergeordneter Ebene wie zum Beispiel anhaltend zu hohe Stickstoffeinträge und die fast flächendeckende Hinwendung zur weitgehend geschlossenen Hochwaldbewirtschaftung zu suchen.

Trotz weitgehendem Konsens zu den grundsätzlichen Zielen und zur Ausrichtung des Vogelschutzes im Wald besteht weiterer Kommunikations- und Gesprächsbedarf zur Klärung der operativen Umsetzung von Waldnaturschutzzielen. Zur Minimierung von Zielkonflikten bedürfen die vorhanden Leitbilder und Konzepte der Priorisierung der verschiedenen Waldfunktionen unter Einbeziehung räumlicher und zeitlicher Aspekte.

Dieses differenzierte Gesamtkonzept im Rahmen der integrativen Waldbewirtschaftung umzusetzen, muss das anspruchsvolle Leitprinzip zur Umsetzung waldnaturschutzfachlicher Zielsetzungen der Forstverwaltung sein. Darüber hinaus ist die Integration aller relevanten Akteure unter besonderer Berücksichtigung des Waldbesitzes bei allen Entscheidungsfindungsprozessen und Maßnahmenumsetzungen konsequent und partnerschaftlich zu berücksichtigen. Der Vogelschutzbericht liefert in diesem Kontext einen zentralen Prüfstein für einen modernen, evidenzgestützten Vogelschutz im Wald.

Literatur

  • Lauterbach, M.; Schwaiger, S. (2019): Spechte – Schirmarten im Waldnaturschutz. Naturnaher Waldbau verzeichnet Erfolge. LWF aktuell 122, S. 20–23
  • Rödl, T.; Rudolph, B.-U.; Geiersberger, I.; Weixler, K.; Görgen, A. (2012): Atlas der Brutvögel in Bayern. Verbreitung 2005 bis 2009. Verlag Eugen Ulmer Stuttgart, 256 S.
  • Rumpel, A. (2020): Prüfstein für den Zustand der Natur in Bayerns Wäldern. Der FFH-Bericht 2019: Erkenntnisse und Herausforderungen für den Waldnaturschutz. LWF aktuell 124, S. 54–59

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