LWF aktuell 147
Artenvielfalt in Eichen-Naturwaldreservaten
von Barbara Michler, Stephan Kühbandner und Markus Blaschke
Abb. 1: Eine Eichenkrone im NWR Wolfsee. (© Barbara Michler)
Ein Blick in die von Eiche und Hainbuche geprägten Naturwaldreservate in den wärmebegünstigten Regionen Bayerns kann eine Vorstellung davon vermitteln, wohin sich ein Teil der Wälder Bayerns in den kommenden Jahrzehnten durch den Einfluss des veränderten Klimas entwickeln könnte. Im Rahmen eines Projektes wurden daher vier Eichennaturwaldreservate im Westen Bayerns hinsichtlich der Artengemeinschaft von Vegetation und Arthropoden untersucht.
Im Rahmen des vom Waldklimafonds geförderten Projektes „natWald100" wurden vier von der Eiche geprägte Naturwaldreservate (NWR) untersucht. Es handelt sich dabei um das NWR „Jachtal" der Stadt Bad Windsheim und die drei NWR „Heilige Hallen" (Forstbetrieb [FB] Rothenburg), „Wolfsee" (FB Arnstein) und „Mitteleich" (FB Kaisheim). Auf diesen Flächen wurde die Waldstruktur, die Bodenvegetation sowie die Artenvielfalt der Gliederfüßler (Arthropoden) erfasst.
Vegetationskundliche Erfassung
Abb. 2: Teilweise machen die Eichen und Hainbuchen der Baumschicht im NWR Mitteleich die Lichtverhältnisse im Reservat so dunkel, dass sich kaum eine krautige Vegetation ausbilden konnte. (© S. Kühbandner, LWF)
Auch in der Krautschicht zeigten sich durchaus gravierende Unterschiede. So wird diese im NWR »Mitteleich« durch nur rund neun Arten geprägt, während es im NWR »Jachtal« im Schnitt 15 Arten und im NWR „Wolfsee" durchschnittlich sogar fast 18 Arten auf 200 m² waren. Die stetigste Pflanze in der Krautschicht war die Weiße Anemone Anemone nemorosa auf 26 der 36 Probekreise. Ebenfalls regelmäßig beobachtet werden konnten die Große Sternmiere Stellaria holostea (22), das Wald-Knäulgras Dactylis polygamma (18), das Maiglöckchen Convallaria majalis (16), die Waldsegge Carex sylvatica (16), die Waldzwencke Brachypodium sylvaticum, die Goldnessel Lamium galeobdolon und das Hain-Rispengras Poa nemoralis (je 13). Als Sämlinge bzw. Jungpflanzen waren in der Krautschicht die Hainbuche (20), die Esche (23) und auch die Eiche (31) in mindestens jedem zweiten Probekreis vertreten. Dies spricht dafür, dass das Potential für eine nachfolgende Baumgeneration vorhanden ist.
Heilige Hallen | Jachtal | Mitteleich | Wolfsee | |
---|---|---|---|---|
Baumschicht | 2,1 | 2,6 | 2,4 | 3,2 |
Strauchschicht | 1,1 | 1,6 | 0 | 3,1 |
Farne | 0 | 0,1 | 0 | 0,3 |
Krautschicht | 11,8 | 15,4 | 8,8 | 17,8 |
Moosschicht | 0 | 2,8 | 0,9 | 2,1 |
Abb. 3: Durchschnittliche Anzahl der Pflanzenarten pro Naturwaldreservat und Vegetationsschicht. (© LWF)
Insektenvielfalt in den Naturwaldreservaten
Abb. 4: Mit einem Set von Fallen wurde die Arthropodenvielfalt in den Reservaten untersucht. (© S. Kühbandner, LWF)
Die Untersuchungen zeigen als typische Arten für die wärmebegünstigten und eichenbetonten Wälder den Großen Breitkäfer Abax parallelepipedus, eine Drosophilafliege Drosophila subobscura, die Echte Käferzikade Issus coleoptratus, die Braune Wegameise Lasius brunneus und den Steinmieren- oder Nelken-Blattspanner Euphyia biangulata, dessen Larven unter anderem auf die Große Sternmiere (Stellaria holostea) und andere Nelkengewächse (Caryophyllaceae) als Nahrungsgrundlage angewiesen sind. Diese Pflanzen profitieren wiederum von einem höheren Anteil an Eichen in der Baumschicht. Der Vierpunktfleckenbär Litosia quadra ist ein nachtaktiver Falter, dessen Raupen Baumflechten auf der Rinde von Eichen und Buchen verspeisen. Bei Massenvermehrungen der Nonne (Lymantria monacha) ernähren sich die Raupen des Vierpunktfleckenbären dann allerdings bevorzugt von den Nonnenraupen und werden so zu „Mordraupen" und machen dann in der Regel auch selbst eine verstärkte Ausbreitung durch.
Abb. 5: Der zu den holz-brütenden Borkenkäfern gehörende Ungleiche Holzbohrer (Anisandrus dispar). Er legt in seinen Gängen Pilz-
kulturen an, von denen sich die Larven ernähren. (© J. Hübner)
Hinsichtlich der Arten der Roten Liste der Gliederfüßler (Arthropoden) fällt insbesondere das NWR „Jachtal" auf. Hier konnten insgesamt 17 Rote Liste-Arten nachgewiesen werden. In den beiden Reservaten „Mitteleich" und „Heilige Hallen" waren es noch neun bzw. sieben Arten und im NWR „Wolfsee" wurden fünf dieser seltenen Arten gefunden.
Unter den Arten der Roten Liste sind beispielsweise der Düsterkäfer Conapalpus brevicollis, der als stark gefährdet gilt (RLD 2) und in den „Heiligen Hallen" und im „Jachtal" vorkam. Die Larven des Käfers leben im Totholz von pilzbefallenen Kronenästen und kommen vor allem in wärmebegünstigten Lagen Deutschlands vor.
Abb. 6: Der zu den Weichkäfern gehörende Bleiche Fliegenkäfer (Rhagonycha lignosa) gilt als eine Art lichter Laub- und Mischwälder. (© L. Hendrich)
Art | Heilige Hallen | Jachtal | Mitteleich | Wolfsee | Gesamt |
---|---|---|---|---|---|
Spinnen Araneae | 1 | 1 | |||
Käfer Coleoptera | 2 | 9 | 3 | 3 | 17 |
Zweiflügler Diptera | 1 | 1 | |||
Hautflügler Hymenoptera | 1 | 1 | 2 | ||
Schmetterlinge Lepidoptera | 4 | 4 | 3 | 1 | 12 |
Netzflügler Neuroptera | 1 | 1 | |||
Heuschrecken Orthoptera | 1 | 1 | |||
Kamelhalsfliegen Raphidioptera | 1 | 1 | 2 | ||
Gesamtergebnis | 7 | 16 | 9 | 5 | 37 |
Abb. 7: Zahl der Rote Liste Arten von Arthropoden in den Fallen der vier NWR im Jahr 2021 aufgegliedert nach Ordnungen. (© LWF)
Die Buche tut sich auf den Flächen schwer
Abb. 8: Die Große Sternmiere prägt in den Eichenwäldern häufig die krautige Vegetation. (© B. Michler)
Eichenwälder von heute, ein Fenster für die Zukunft unserer Wälder
Abb. 9: Fangdose einer Mailaise-Falle. (© M. Blaschke, LWF)
Zusammenfassung
Noch haben sich in den Wäldern auch ansehnliche Holzvorräte gehalten, allerdings gehen gerade diese Standorte im Klimawandel Klimabedingungen entgegen, die bisher in Deutschland unbekannt sind.