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Olaf Schmidt
Beerenstarke Vogelbeere – LWF aktuell 119

Beerenstark sind ihre Früchte, farbenprächtig ihr Erscheinungsbild im Herbst und bärenstark ihr Beitrag in Sachen Ökologie. Die Vogelbeere macht zu jeder Jahreszeit eine gute Figur.

Rote Beeren der Vogelbeere in ihrer Dolde an einem Ast vor WiesenhintergrundZoombild vorhanden

Abb. 1: Die Beeren der Vogelbeere (Foto: M. Mößnang, LWF)

Die Vogelbeere (Eberesche) leuchtet im Herbst mit ihrer gelb-orangeroten Herbstfärbung und bereichert dadurch und durch ihre roten Früchte besonders das herbstliche Farbenspiel. Ihre großen Fruchtstände, botanisch korrekt »Doldenrispen «, mit den korallenroten beerenförmigen Apfelfrüchten zieren Waldränder, Hecken und Gärten.

Jeder kann das beim Sonntagsspaziergang im Wald erkennen. Die Vogelbeere ist im Spätsommer und Frühherbst nicht zu übersehen. Ihre attraktiven Beeren reifen ab August bis in den Oktober hinein. Aber die Vogelbeere ist nicht nur schön, sie ist ökologisch eine besonders wertvolle Baumart, wie die anderen Pionierbaumarten Aspe, Birke, Salweide und Traubenkirsche auch (Schmidt 1998).

Vögel und Vogelbeere

Ein Vogel sitzt auf einem Ast und hat den Schnabel voll mit roten BeerenZoombild vorhanden

Abb. 2: Für die Amsel und viele andere Vögel sind die Vogelbeeren ein wichtiges Winterfutter. (Foto: A. Volz)

Im Gegensatz zu Birke, Aspe und Salweide, die ihre Samen durch den Wind verbreiten lassen, hat sich die Vogelbeere auf die Ausbreitung insbesondere durch Vögel spezialisiert. Farbsignale spielen für Vögel eine große Rolle. Deshalb lockt die Vogelbeere mit knalligen, roten oder orange-gelben Farben Vögel an. So entsteht zwischen Vogel und Baum eine ökologische Beziehung zum gegenseitigen Nutzen. Die Vögel bekommen mit dem Fruchtfleisch Nahrung und verbreiten im Gegenzug den Samen der Vogelbeere mit ihrem Kot.

Unter allen einheimischen Bäumen und Sträuchern weist die Vogelbeere die höchste Artenzahl fruchtfressender Vögel auf: 63 Vogelarten lädt sie mehr oder weniger häufig an ihren Tisch. Für etliche Drosselarten wie Amsel, Singdrossel oder Wacholderdrossel spielt die Vogelbeere auch eine besonders wichtige Rolle in der Ernährung. Diesem Umstand verdankt sie auch ihren volkstümlichen Namen »Drosselbeere«.

Aber auch Rotkehlchen, Star und Mönchsgrasmücke fressen regelmäßig die nahrhaften Früchte. Als Wintergäste sind zum Beispiel der Seidenschwanz oder die Rotdrosssel als Beerenfresser besonders auf ausreichende Vogelbeerenmast angewiesen. Dabei ist der Seidenschwanz durch seine besonders große Leber auch in der Lage, bereits in Gärung befindliche Vogelbeeren schadlos zu fressen – trotz ihres Alkoholgehaltes.

»Schnapsdrosseln« im Anflug

Vögel wie Amseln, Singdrosseln, Gimpel oder Rotkehlchen schätzen die Früchte von Vogelbeeren, Schlehen, Weißdorn oder Hagebutte. Sind diese Früchte vergoren, nehmen die Vögel auch den sich darin enthaltenen Alkohol auf. Aber sie werden von dem »Obstler« nicht betrunken. Der Grund: Die Leber der Vögel baut Alkohol außerordentlich effizient ab. Eine Studie an Rabenvögeln hat ergeben, dass die Tiere den Alkohol bis zu 20-mal schneller abbauen können. Und wer doch einmal »betrunkene« Schnapsdrosseln beobachtet hat, der weiß: Auf die Dosis kommt es an.

Insekten an Vogelbeere

Die Zahl an Insektenarten, die an die Vogelbeere gebunden sind, tritt in Vergleich zu Aspe, Salweide und Birke zurück. Trotzdem kommen mehr als 70 Insektenarten an Eberesche vor. Aus dem Oberharz wurde über starken Raupenfraß an Vogelbeere durch den Kleinen Frostspanner (Operophtera brumata) und den Weißdornspinner (Trichiura crataegi) berichtet (Winter 1990).

Auch im östlichen Erzgebirge trat bereits 1998 die erste Massenvermehrung des Kleinen Frostspanners an Vogelbeere auf. Im Frankenwald, im Fichtelgebirge und im oberfränkischen Trias-Hügelland fand sich Mitte der 1980er Jahre sehr häufig der Weißdornblattkäfer (Lochmaea crataegi) als Verursacher von auffälligen Blattschäden an Vogelbeeren (Schmidt 1989). Auffällig ist in manchen Jahren das massenhafte Auftreten der ansonsten seltenen Ebereschenblattwespe (Pristiphora geniculata), deren gesellige Larven die Vogelbeerblätter bis auf die Mittelrippe befressen können.

Der etwas unangenehme »fischige« Geruch der Vogelbeerblüten lockt vor allem Fliegen und Käfer zur Bestäubung an.

Säugetiere und Vogelbeere

Eine Blüte der Vogelbeere, Doldenartig und weiß.Zoombild vorhanden

Abb. 3. Vogelbeerblüte im Frühjahr (Foto: N. Wilhelm, AELF Ansbach)

Auch für viele Säugetierarten spielt die Vogelbeere eine wichtige Rolle beim Nahrungserwerb. Dabei sind hier besonders der Verbiss von Knospen, Blättern und Trieben sowie der Fraß der Früchte der Vogelbeere zu erwähnen. Zahlreiche Kleinsäugerarten, zum Beispiel Siebenschläfer, Haselmaus, Rötel-, Erd-, Gelbhals- und Feldmaus konnten beim Verzehr von Vogelbeeren beobachtet werden.

Unsere heimischen Schalenwildarten Rot-, Reh- und Schwarzwild nehmen ebenfalls herabgefallene Vogelbeeren gerne als Nahrung auf. Besondere Vorliebe für die Beerennahrung hat als Allesfresser der Dachs. Rot- und Rehwild verzehren sehr gerne Blätter, Knospen und Triebe der Vogelbeere. Gerade in den oftmals unterwuchsarmen Fichtenbeständen unserer Mittelgebirge spielt daher die Vogelbeere als Nahrungspflanze für Schalenwildarten eine große Rolle. Sie wird daher von forstlichen Praktikern in Fichten- bzw. Buchenverjüngungen gerne auch als »Blitzableiter« für den Wildverbiss bezeichnet (Leder 1998).

Weitere ökologische Bedeutung

In den letzten Jahrzehnten hat sich ein Wandel in der Forstwirtschaft, was die Bedeutung der Pionier- bzw. Weichholzlaubarten betrifft, abgezeichnet (Leder 1998). Davon profitierte auch die Vogelbeere. Wegen
  • ihrer hohen ökologisch-waldbaulichen Bedeutung als Pionier- und Vorwaldbaumart,
  • ihrer hohen ökologisch-waldbaulichen Bedeutung als Pionier- und Vorwaldbaumart,
  • ihrer Bedeutung als lebender und toter Baum für Insekten, Vögel und Säuger
wird sie immer häufiger als Pionierbaumart in den Bestockungen belassen bzw. sogar gefördert. Gerade eine naturnahe Forstwirtschaft nutzt auch natürliche Abläufe und bezieht Pionierbaumarten bzw. Begleitbaumarten – wie zum Beispiel die Vogelbeere – in ihr Vorgehen mit ein. Die Vogelbeere ist sehr anspruchslos und gedeiht auch auf nährstoffarmen, bodensauren Standorten, bevorzugt aber humusreiche Standorte.

Als Vorwaldbaumart ist sie vor allem in Frostlagen, an Moorrändern oder auf Blockschutthalden geeignet. Gerade in den höheren Lagen der Mittelgebirge, zum Beispiel Frankenwald, Fichtelgebirge, Bayerischer Wald, bereichert die Vogelbeere die dortigen Fichtenwälder. Ihr Laub enthält relativ viel Phosphor und verbessert Boden- und Humuszustand. Sie ist keine Baumart warm-trockener Standorte im Flach- und Hügelland.
»… Ja, die Eberesche leuchtet in den Dezember hinein, täglich etwas dunkler werdend und zweighängerischer. Bis die letzte Koralle an der Dolde wartet auf die Schwarzdrossel, die sie aufpickt. Im schwarzen Frack, elegant … setzt sie sich nieder zum roten Beerenmahle. …«

aus: »Die Eberesche« von Else Lasker-Schüler (1876–1945)

Schlussfolgerungen für die forstliche Praxis

Durch ihre vielfältigen Wechselbeziehungen zu Vogelarten, Säugern und Insekten trägt die Vogelbeere insgesamt zu einer größeren Biodiversität in Wäldern bei. Sie sollte daher bei uns eingedenk der Forderung von Ebert (1973) »Mehr Vogelbeerbäume für Landschaftspflege und Vogelschutz« stärker berücksichtigt und erhalten werden. Besonders an Wald- und Bestandesrändern und entlang von Forstwegen sollten fruchttragende Vogelbeerbäume verstärkt berücksichtigt und auch durch Freistellung begünstigt werden. Aus landschaftspflegerischer und naturschutzfachlicher Sicht ist die Förderung der Vogelbeere und der anderen Pionierbaumarten nur zu begrüßen.

Literatur

  • Ebert, W. (1973): Mehr Vogelbeerbäume für Landschaftspflege und Vogelschutz. Der Forstund Holzwirt, S. 216–217
  • Leder, B. (1998): Die Vogelbeere – eine unterschätzte Baumart unserer Mittelgebirge. In: Beiträge zur Vogelbeere, LWF Bericht Nr. 17, S. 25–43
  • Schmidt, O. (1989): Zur Gefährdung der Vogelbeere durch Insektenfraß. AFZ 14, S. 358–359
  • Schmidt, O. (1998): Die Tierwelt des Weichlaubholzes. LWF aktuell 15, S. 14–18
  • Winter, K. (1990): Massenvermehrung des Kleinen Frostspanners und des Weißdornspinners auf Kahlflächen der Ackerhochflächen im Oberharz. Forst und Holz, S. 423–424

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