Wald und Waldbau im Klimawandel
Sehr geehrter Professor Seidl, Sie haben an der TU München den »Lehrstuhl für Ökosystemdynamik und Waldmanagement in Gebirgslandschaften« in einer Zeit des Umbruchs und Umdenkens übernommen. Der in den letzten Jahrzehnten aufziehende Klimawandel wird inzwischen von den meisten anerkannt und folgerichtig wird nach Lösungen gefragt.
Der Wald wird durch abiotische Entwicklungen geschwächt und durch Schadereignisse zerstört. Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Wald widerstandsfähig zu machen?
Wir durchleben in der Tat sehr herausfordernde Zeiten. Die vergangenen beiden Sommer haben uns drastisch vor Augen geführt, wie sich Klimawandel »anfühlt« und welche Auswirkungen die Zunahme klimatischer Extreme im Wald haben kann. Meiner Meinung nach müssen wir der Situation auf zwei Ebenen begegnen:
Zum einen gibt es waldbauliche Möglichkeiten, um knapper werdende Ressourcen wie zum Beispiel Wasser optimal zu nutzen. Durchforstungen können hier einen positiven Effekt erzielen. Zum anderen müssen wir aber sowohl als Einzelpersonen als auch als Wald-Holz-Sektor verstärkt gegen den Klimawandel aktiv werden – sowohl durch unser persönliches Handeln als auch durch ein starkes gesellschaftliches Engagement für den Klimaschutz. Der Wald ist besonders vom Klimawandel betroffen, Klimaschutz ist also auch Waldschutz!
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Abb. 2: Der Klimawandel schwächt den Wald und fördert Schädlinge wie die Borkenkäfer. (Foto: R. Seidl)
Unter den biotischen Schädlingen nutzen alte Bekannte und Neuzugänge den geschwächten Wald zu ihren Gunsten. Wie können wir diese Kausalkette durchbrechen?
Die angesprochene Situation erscheint in der Tat oft wie eine Negativ-Spirale. All jenen Waldbewirtschafterinnen und Waldbewirtschaftern, die sich aktuell die Frage stellen, ob der Wald in Mitteleuropa überhaupt noch eine Zukunft hat, kann ich aber einen Silberstreif am Horizont bieten: Unsere Szenarioanalysen zeigen, dass sich unsere Wälder langfristig an die geänderten Bedingungen anpassen können, auch was die biotischen Schäden betrifft. Wälder sind also insgesamt resilienter als uns das die Situation unmittelbar nach einem Schadereignis suggeriert!
Kurz- bis mittelfristig müssen wir jedoch Wege finden, wie wir als Forstwirtschaft die aktuellen Herausforderungen bestehen können. Und wir müssen akzeptieren, dass die Wälder der Zukunft deutlich anders aussehen werden als die Wälder der Gegenwart.
Wie lassen sich standortgerechte und strukturierte Mischbestände aus überwiegend heimischen Baumarten halten oder gar mehren?
Meiner Ansicht nach sind die angesprochenen Mischbestände ein zentrales Element in der Begegnung der zuvor angesprochenen Herausforderungen. Viele unserer Untersuchungen zeigen, dass Mischbestände besser auf geänderte Bedingungen und Störungen reagieren können und eine höhere Resilienz aufweisen.
Weiter können sie auch die breite Palette an gesellschaftlich nachgefragten Ökosystemleistungen oft besser erfüllen als Reinbestände. Struktur und Mischung sind also aus meiner Sicht zentrale Elemente des Waldbaus der Zukunft. Und hier sollten wir durchaus auch über den Bestandsrand hinausschauen und Mischung und Struktur auch auf einer landschaftlichen Ebene denken.
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Abb. 3: Strukturvielfalt ist ein wichtiger Baustein, um die Wälder an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen. (Foto: R. Seidl)
Einige bewährte »neue« Baumarten werden in Deutschland als Beimischungen empfohlen, wie stehen Sie dazu?
Ich denke, dass wir in der aktuellen Situation die komplette Bandbreite der waldbaulichen Möglichkeiten ausnützen müssen – und dazu gehört auch der Einsatz gebietsfremder Baumarten. Dies muss jedoch auf einer wissenschaftlich fundierten Basis geschehen und die Chancen müssen gegen etwaige Risiken abgewogen werden.
Weiter würde ich davor warnen, das Heil in einigen wenigen »klimafitten Wunderbaumarten « zu suchen und Reinbestände von Baumarten, mit denen wir aktuell Probleme haben, wie zum Beispiel die Fichte in den Tief- und Mittellagen, durch Reinbestände gebietsfremder Baumarten zu ersetzen.
Auch wenn diese neuen Baumarten heute noch geringe Schäden durch biotische Störungen zeigen, ist doch davon auszugehen, dass bei zunehmendem Flächenanteil auch die entsprechenden Schädlinge auftreten werden. Mit großflächigen Reinbeständen einzelner gebietsfremder Baumarten schreiben wir die aktuellen Probleme also möglicherweise in die Zukunft fort. Die zuvor schon angesprochenen Vorteile der Diversität sollten meiner Ansicht nach auch im Kontext des Einsatzes von gebietsfremden Baumarten berücksichtigt werden.
Der »neue« Wald soll die verschiedenen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Waldfunktionen sicherstellen. Wie sehen Sie die Möglichkeiten, trotzdem Holz zu produzieren?
Die Holzproduktion wird auch in Zukunft eine wichtige Funktion des Waldes sein, da bin ich mir ganz sicher! Nicht zuletzt auch deswegen, weil das gesellschaftliche Interesse am nachwachsenden Rohstoff Holz wieder stark ansteigt. Wir sehen eine Renaissance des Holzbaus; aber auch neuartige Holzverwendungen im Rahmen einer sich rasch entwickelnden Bioökonomie sind im Kommen.
Eine zentrale Aufgabe des Waldbaus bleibt also, die Bereitstellung des nachwachsenden Rohstoffes Holz nachhaltig sicherzustellen. Gleichzeitig müssen wir uns aber davon lösen, die Holzproduktion als die Leitfunktion des Waldes zu sehen, der wir alle anderen Überlegungen unterordnen.
Ich sehe in der Vielzahl der vom Wald für die Gesellschaft bereitgestellten Leistungen eine große Chance für die Forstwirtschaft: Wer kann sonst schon von sich behaupten, dass seine Produktionsstätte gleichzeitig ein beliebter Erholungsort ist, das Klima schützt und einen zentralen Beitrag zum Artenschutz liefert?
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Abb. 4: Schäden im Bergwald sind einer der Brennpunkte der aktuellen Herausforderungen, vor allem wenn Schutzfunktionen beeinträchtigt werden. (Foto: R. Seidl)
Sehen Sie eine Möglichkeit, mit Herkünften anderer Regionen, die genetisch an unser zukünftig zu erwartendes Klima angepasst sind, den Wald in Deutschland zu erhalten und zu mehren?
Überlegungen der Genetik werden sicher in Zukunft einen noch größeren Stellenwert einnehmen als bisher. Die genetische Vielfalt und die weite geografische Verbreitung unserer heimischen Baumarten, zum Beispiel von Griechenland über Kalabrien bis in die Pyrenäen im Fall der Weißtanne, ist definitiv ein zentrales Element im Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels.
Dieses Potenzial müssen wir noch besser verstehen und entsprechend zur Anwendung bringen. Die steigende Verfügbarkeit und sinkende Kosten genetischer Analysemethoden stellen hier eine große Verbesserung dar. Grundsätzlich sind alle waldbaulichen Maßnahmen als positiv einzuschätzen, welche die genetische Vielfalt erhöhen.
Speziell im Gebirgswald sind die Folgen der Schädigungen gravierender für die Menschen, die den Wald bisher als Schutzwald genutzt haben. Welche Möglichkeiten sehen Sie, diese zu reduzieren?
Der Schutzwald stellt in der Tat einen Brennpunkt der aktuellen Herausforderungen dar. Zum einen gibt es – auch auf europäischer Ebene – ein stärker werdendes Bekenntnis, auf »Green Infrastructure« zu setzen. Andererseits ist gerade der Gebirgswald dem Klimawandel besonders ausgesetzt, da sich die Alpen deutlich schneller erwärmen als das Umland.
Störungen werden im Schutzwald auch in Zukunft nicht vermeidbar sein, eine möglichst schnelle Erholung der Schutzfunktion kann aber zum Beispiel durch die Erziehung strukturreicher Bestände durch Vorausverjüngung gefördert werden. Und mancherorts wird man den Schutzwald auch komplett neu denken müssen – ein Niederwald aus Hasel oder Hainbuche ist nicht gegenüber Wind und Borkenkäfer anfällig, bietet aber auch einen sehr hohen Schutz gegenüber Steinschlag.
Berücksichtigen die staatlichen Fördermaßnahmen von Bund und Ländern die Situation im Klimawandel angemessen?
Das ist eine sehr politische Frage und ich bin wahrscheinlich noch viel zu kurz in Deutschland, um hier eine entsprechend qualifizierte Antwort geben zu können. Grundsätzlich denke ich, dass Förderungen wichtige Anreize setzen können, um Entwicklungen in die gewünschte Richtung zu lenken. Situationen, in denen das Wirtschaften fast ausschließlich auf Förderungen ausgerichtet ist, finde ich jedoch auch nicht unbedingt erstrebenswert.
Ich denke, hier gilt es einen guten Mittelweg zu finden, indem einerseits die bestehenden Wertschöpfungsketten gestärkt beziehungsweise neue Märkte erschlossen werden und andererseits durch Förderungen Impulse gesetzt werden.
Sehr geehrter Professor Seidl, wir bedanken uns recht herzlich für das Interview.
Die Fragen stellte Heinrich Förster, Geschäftsführer des Zentrums Wald-Forst-Holz Weihenstephan.
Zur Person
Der aus Salzburg stammende Prof. Dr. Rupert Seidl (41) übernahm 2019 von Prof. Dr. Reinhard Mosandl den Lehrstuhl für Waldbau an der TU München, welcher am 30.09.2019 in den Ruhestand ging. Mit seiner Berufung als Professor an der TU München wurden die Agenden des ehemaligen Lehrstuhls für Waldbau nun vom Lehrstuhl für Ökosystemdynamik und Waldmanagement in Gebirgslandschaften übernommen.
Laubholz hat Zukunft!
Holz als nachwachsender und nachhaltig erzeugbarer Rohstoff wird zukünftig eine immer wichtigere Rolle spielen. Doch der Klimawandel stellt die Forst- und Holzwirtschaft vor dynamische Herausforderungen. Vor allem der erforderliche Waldumbau hin zu klimatoleranteren Wäldern wird zu einer veränderten Baumarten-Zusammensetzung und einem vermehrten Angebot von Laubholz- Sortimenten führen. Daraus resultiert sowohl die Herausforderung als auch die Chance, innovative Verwertungslinien zu entwickeln.
Das neue Forschungsprojekt LauBiOeK »Laubholznutzung im Rahmen einer effizienten Bioökonomie« betrachtet innovative Verwertungslinien aus unterschiedlichen Perspektiven: Sozialökonomie, Technik, Markt, Ressourceneffizienz und Klimabilanz. Aus den Forschungsergebnissen des Projekts wird eine exemplarische Entscheidungsmatrix für die Akteure der Wald-Forst-Holz- Kette in der Pilotregion Bayern abgeleitet. Dieses Expertensystem soll alternative Nutzungsmöglichkeiten für die zukünftige Laubholznutzung anhand von Produktlinien sowie regionaler Ressourcen-Szenarien vergleichen und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.
Projektpartner sind die .bwc management consulting GmbH aus Abensberg, die Cluster-Initiative Forst und Holz in Bayern gGmbH und die Technische Universität München mit dem Lehrstuhl für Holzwissenschaft und dem Lehrstuhl für Waldund Umweltpolitik. Das Projekt hat eine Laufzeit vom 01.03. 2020 bis zum 28.02.2023 und wird aus Mitteln des Waldklimafonds finanziell gefördert.
Stefan Torno, Cluster Forst und Holz in Bayern
»Climate Change Management«
Die letzten Hitze-Jahre zeigten, dass der Klimawandel die freie Landschaft mit voller Wucht trifft. Wälder, Wiesen und Felder erleiden Trockenschäden, Gewässer überhitzen, extreme Unwetter häufen sich. Die Landwirtschaft führt Bewässerung ein, der Forst prüft den Anbau neuartiger Klimabäume.
Der neue Master-Studiengang »Climate Change Management« der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf setzt sich mit genau diesen Herausforderungen auseinander.
Zum Wintersemester 2020 wird er erstmals angeboten. Drei große Fragestellungen leiten durch das Studium:
- Wie wirkt sich der Klimawandel in der freien Landschaft aus?
- Was können Land- und Forstwirtschaft sowie die Landschaftsplanung tun, um die Effekte des Klimawandels abzumildern?
- Wie können sie sich an den Klimawandel anpassen?
Professor Jörg Ewald von der Fakultät Wald und Forstwirtschaft, der an der Entwicklung des 3-semestrigen Studiengangs mitgewirkt hat, erläutert: »Wir gehen davon aus, dass Klimawandel und Landnutzung weltweit ein Riesenthema ist. In den Berufssektoren wird zunehmend nach Experten gefragt, die spezielles Fachwissen zum Klimawandel mitbringen. Wir sehen da auch den internationalen Markt; der Studiengang wird deshalb konsequent auf Englisch abgehalten. Ziel der Hochschule ist, ein weltweites Publikum anzusprechen«.
Um einen Studienplatz bewerben können sich sowohl Bachelor-Absolventen aus der Land- und Forstwirtschaft sowie der Landschaftsarchitektur als auch aus den Bereichen der Umweltwissenschaften.
Christoph Josten, ZWFH