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Abb. 4: Ein seltenes Bild: Der Unterstand wird dominiert von der Eibe, Vorkommen bei Weismain in Oberfranken. (Foto: Bernhard Rau)
Im Zuge der sich ändernden Umweltbedingungen und im Jahr der Biodiversität gewinnt das Projekt »Erarbeitung von Herkunftsempfehlungen und Verbesserung der Erntebasis für die vier seltenen Baumarten Feldahorn, Flatterulme, Speierling und Eibe in Bayern auf genetischer Grundlage « eine ganz besondere Bedeutung. Für den Umbau abgängiger Bestände brauchen wir unter anderem geeignete Herkünfte heimischer seltener Baumarten. Das vom bayerischen Kuratorium finanzierte Projekt soll Grundlagen schaffen, um die Versorgung mit qualitativ hochwertigem Saatund Pflanzgut sicherzustellen und damit Alternativen für den Waldumbau anbieten zu können.
Die im Projekt untersuchten Baumarten sind deswegen selten, weil sie auf den meisten Standorten in Bayern den Hauptbaumarten bisher unterlegen waren. Dazu kommt, dass auch geeignete Standorte rückgängig sind oder durch andere Baumarten bestockt waren, wie beispielsweise Auenstandorte, die für Flatterulmen von Vorteil sind.
Feldahorn, Flatterulme, Eibe und Speierling unterliegen bisher nicht dem Forstlichen Vermehrungsgutgesetz, so dass zur Gewinnung von Saat- und Pflanzgut keine Herkunftsempfehlungen zu beachten sind. Ziel des Projektes ist deshalb neben der Erfassung der Vorkommen auch ihre Bewertung nach Qualitätskriterien und genetischen Strukturen (wie genetische Vielfalt), um letztlich geeignete Erntebestände sowie Generhaltungsbestände ausweisen zu können.
Auf Grundlage bereits vorhandener Kartierungen werden für ganz Bayern die Vorkommen erfasst bzw. aktualisiert. Für die Auswahl an Vorkommen, die für eine genetische Analyse und damit als potenzieller Saatguterntebestand in Frage kommen, werden bestimmte Kriterien angesetzt, zum Beispiel Autochthonie, Vitalität, natürliche Verjüngung, Mindestbaumzahl, Brusthöhendurchmesser etc.
Neben den bekannten Vorkommen tritt die Flatterulme immer wieder auch einzeln in Erscheinung. Vor allem entlang der Flussund Bachläufe scheint sie häufiger vorzukommen als aus bisherigen Kartierungen angenommen. Diese erfassten Vorkommen sind oft auch stammzahlreicher und flächenmäßig größer.
Die Flatterulme ist weniger stark vom Ulmensterben betroffen als die Berg- und Feldulmen. Trotzdem sind auch Gefahren für die Zukunft der Flatterulme erkennbar. Sie scheint recht deutlich an die Dynamik der Auen und an Grundwasser beeinflusste Standorte gebunden zu sein. Zudem fehlen immer öfter Rohbodenverhältnisse (z. B. durch kurzzeitige, kleinflächige Überschwemmungen), die für das Keimen der Flatterulmensamen so wichtig sind. Deswegen waren kaum Bestände zu finden, in denen eine natürliche Verjüngung der Flatterulme ausreichend vorhanden war. Aus diesem Grund ist es dringend notwendig, Saatguterntebestände auszuweisen, um geeignetes Vermehrungsgut der Flatterulme anbieten zu können.
Die Hauptvorkommen der Eibe liegen im Fränkischen und Oberpfälzer Jura, im Bayerischen Wald und in den Alpen und Voralpen. Bei der Eibe sind die Vorkommen ebenfalls stammzahlreicher als zuvor angenommen. Die Eibe tritt meist nur noch in Wäldern auf, die auf Grund der Geländeverhältnisse kaum bewirtschaftet werden. Hier entgeht sie den Folgen der geregelten Bewirtschaftung und gedeiht auch im Schatten der Altbuchen. Eine ausreichende Naturverjüngung war jedoch in den meisten Beständen auf Grund verschiedener Faktoren (z. B. geringe Fruktifikation der beschatteten Bäume, mächtige Buchenstreuauflage und Verbiss) nicht vorhanden. Um die besonders geschützte Baumart Eibe zu erhalten, sollte sie künstlich eingebracht werden.
Die seltenen heimischen Baumarten leisten einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität und sollten bei zukünftigen Waldumbaumaßnahmen im Klimawandel berücksichtigt werden. Die Erfassung von Vorkommen und deren genetischer Strukturen kann uns dabei helfen, sog. »genetische Landkarten « zu erstellen, die die Basis für Herkunftsempfehlungen bilden.
Bernhard Rau, AWG
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Abb. 5: Die App SUSselect zeigt die Vorkommens-wahrscheinlichkeit für die sieben Projekt- Baumarten für jeden potenziellen Anbauort in Europa an. (Foto: SUSselect)
Unter stabilen Klimabedingungen haben sich lokale Waldpopulationen an ihre Umgebung angepasst und weisen die besten Zuwächse und Überleben auf. Unter dem Motto »lokal ist das Beste«, spiegeln sich diese Erkenntnisse in der nationalen und europäischen Gesetzgebung wider. Durch die Geschwindigkeit des Klimawandels wird allerdings dieser Zusammenhang gestört: Bäume werden nicht mehr die Möglichkeit haben, sich natürlich an die neuen Bedingungen anzupassen.
Ziel des EU-Projekts SUSTREE war die Modellierung der Verschiebung von Herkunftsgebieten im Klimawandel und die Schwierigkeiten beim grenzüberschreitenden Saatguttransfer aufzuzeigen. Über gezielte Öffentlichkeitsarbeit sollte die Politik auf dieses Problem aufmerksam gemacht werden. Dafür haben sich acht Partner aus sechs Ländern (Österreich, Deutschland, Tschechien, Polen, Ungarn, Slowakei) in Mitteleuropa zu einer internationalen wissenschaftlichen Kooperation zusammengetan.
Ein Großteil des Projekts befasste sich mit statistischer Modellierung. Darunter gehören sowohl Klimamodelle, Artverbreitungsmodelle sowie neuartige URF-Modelle (URF = Universal Response Functions). Letztere verknüpfen Daten wie Überlebensrate, Baumhöhe und Durchmesser aus Herkunftsversuchen mit klimatischen Daten, um die besten Herkünfte für heutige und zukünftige Klimabedingungen sowie potenzielle Anbauorte zu identifizieren.
Mit Hilfe dieser Modelle wurde im SUSTREE- Projekt ein Werkzeug geschaffen, welches Forstpraktikern erlaubt, für die sieben wichtigsten Baumarten (Tanne, Lärche, Fichte, Kiefer, Buche, Stiel- und Traubeneiche) grenzübergreifend die Herkünfte zu finden, die für das zukünftige Klima an jedem Ort in Mitteleuropa optimal angepasst sein werden. Dieses Werkzeug wurde zur leichten Handhabung in einer Smartphone-App zusammengefasst. In der App »SUSselect« können die Parameter Baumart sowie Anbauort ausgewählt werden, um die Vorkommenswahrscheinlichkeit der Art unter jetzigen vs. zukünftigen Klimabedingungen zu erhalten. Zudem können Herkünfte einer Baumart identifiziert werden, die mit dem zukünftigem Klima besser zurechtkommen werden.
Die Ergebnisse der App können jedoch noch nicht für Herkunftsempfehlungen genutzt werden, da sie nicht mit der Gesetzgebung vereinbar sind. Neben Präsentationen auf zahlreichen Tagungen wurden auch »Policy Briefs« (Informationsbroschüren) geschrieben und ein Dokumentarfilm zu dem Thema gedreht. Der Film »Borderless Forests« (Grenzenlose Wälder) wurde in Prag bei vollem Saal uraufgeführt und in Brüssel beim »Meeting of the Standig Forestry Comittee« führenden Politikern gezeigt.
Dr. Julian Gaviria, AWG