LWF aktuell 141
Quarantäneschaderreger erfolgreich eliminieren
von Ludwig Straßer, Hannes Lemme, Björn Hoppe, Ernst Pfeilstetter, Dorothee Kaemmerer, Andreas Hahn
Abb. 1: Imago des Asiatischen Laubholzbockkäfers (ALB) Anoplophora glabripennis (© LfL)
Invasive Arten, deren Ansiedlung und Ausbreitung nicht hinnehmbare wirtschaftliche, soziale oder ökologische Folgen haben, werden heute als Quarantäneschaderreger bezeichnet – egal, ob Säugetier, Pilz oder Insekt.
Die Wirksamkeit von Maßnahmen, welche die Etablierung und/oder Ausbreitung verhindern – z. B. Tilgung oder zumindest Eindämmung – wird häufig hinterfragt. Dieser Beitrag zeigt anhand der Befallsgeschichte des Asiatischen Laubholzbockkäfers auf, dass Ausrottungsmaßnahmen kein Kampf gegen Windmühlen sind, sondern durchaus Erfolg haben – entschiedenes Handeln vorausgesetzt.
Invasive Arten im Wald
Daneben können auch invasive Pflanzenarten zu großen Problemen führen: Als hochallergen ist die im 19. Jahrhundert aus Nordamerika nach Europa importierte Ambrosia-Pflanze (Ambrosia artemisiifolia) bekannt, die bei vielen Menschen zu ernsten gesundheitlichen Problemen (Pollenallergien) führt (JKI 2020).
In Deutschland breiteten sich in den letzten 500 Jahren laut Bundesamt für Naturschutz rund 900 fremde Arten aus, weitere rund 2.200 wurden vereinzelt nachgewiesen (1.640 Pflanzen, 38 Pilze und 460 Tiere; Nehring und Skowronek 2019). Um Pflanzen vor Schäden durch invasive Insekten, Nematoden, Phytoplasmen, Bakterien, Pilze, Viren und Viroide zu schützen, werden seit mehr als 50 Jahren weltweit sogenannte Quarantäneschaderreger überwacht. In der EU gibt es dazu entsprechende Regelungen und Vorschriften für den Import von Waren und Gütern. Jährliche Erhebungen in Baumschulen, in öffentlichen Grünanlagen und im Wald sollen helfen, die Etablierung von invasiven Arten zu verhindern bzw. eine erfolgreiche Ausrottung dieser Schädlinge in der Anfangsphase zu ermöglichen.
Nachweis einer Quarantäneart – und dann?
Um die Tilgung zu erreichen, wird beim Nachweis eines Quarantäneschadorganismus eine Quarantänezone (QZ) eingerichtet. Bei an Pflanzen lebenden Quarantäneschadorganismen sind unter anderem befallene oder befallsverdächtige Pflanzen zu entfernen, der Transport von Wirtspflanzen aus dieser Zone wird verboten und es erfolgen weitere Bekämpfungsmaßnahmen. Ein Monitoring in dieser Zone dient der Überwachung der eingeschleppten Art. Je nach Entwicklungszyklus der Quarantäneart kann eine Quarantänezone erst einige Jahre nach dem letzten Fund aufgelöst werden.
ALB – ein Käfer mit großem Potential
Abb. 2: Abgestorbener Ahorn nach mehrjährigem Befall durch den Asiatischen Laubholzbockkäfer mit einer Vielzahl von Ausbohrlöchern (A), Pilzfruchtkörper (P) sowie gebrochener Spitze in Kelheim (© H. Lemme, LWF)
Der ALB ist eine polyphag lebende Käferart, die über ein breites Wirtspflanzenspektrum verfügt. Unter natürlichen Bedingungen sind Ahornarten (Acer spp.) die präferierte Wirtsbaumgattung (Gao et al. 2001, Williams et al. 2004). In China verursacht der ALB seit Anfang der 80iger Jahre aber auch horrende Schäden an großen mit Pappeln aufgeforsteten Flächen (Ji et al. 2011).
Van der Gaag und Loomans (2014) haben in ihrer Zusammenfassung 34 Pflanzenarten bzw. –gattungen identifiziert und diese in die Kategorien »ALB wurde an diesen beobachtet« bzw. »kompletter Entwicklungszyklus wurde an diesen beobachtet« eingeteilt. Die Arbeit diente als Basis für die Liste der 29 Wirtspflanzen bzw. der sogenannten 15 spezifizierten Pflanzen, die im Durchführungsbeschluss (EU) 2015/893 die Intensität der phytosanitären Maßnahmen bestimmen. Die Liste der spezifizierten Pflanzen umfasst die folgenden Gattungen: Acer spp., Aesculus spp., Alnus spp., Betula spp., Carpinus spp., Cercidiphyllum spp., Corylus spp., Fagus spp., Fraxinus spp., Koelreuteria spp., Platanus spp., Populus spp., Salix spp., Tilia spp., Ulmus spp..
Das erhebliche Schadpotential des ALB resultiert aus der Biologie des Käfers: Er befällt vitale Bäume und besiedelt diese solange, bis sie als Ressource aufgebraucht sind (Abbildung 2). So wurden z. B. in einem Feldgehölz bei Feldkirchen insgesamt 64 Ausbohrlöcher gefunden, davon waren 42 an einem einzigen Baum (Lemme 2013). In der englischen Grafschaft Kent zählte man 564 Ausbohrlöcher an 66 Bäumen in einem Radius von 100 m um den Erstbefall (Straw et al. 2015). Bei starkem Befall führt der stammumfassende Fraß der Larven im Kambium und äußeren Splint zu einem Absterben des Baumes. Durch Gangsysteme in Ästen und Stämmen kommt es häufig zu Ast- und Stammbrüchen bei Sturm.
Die mehrjährige Generationsdauer der Art und die unter anderem dadurch bedingte geringe Ausbreitungsgeschwindigkeit in West-, Mittel- und Nordeuropa sind für eine erfolgreiche Ausrottung förderlich. Auch die Möglichkeiten, Eier, Larven und Puppen durch Fällen der Wirtsbäume aus dem Lebensraum zu entfernen und Käfer mit artspezifischen Lockstofffallen abzufangen, unterstützen eine Ausrottung (Branco et al. 2022).
Maßnahmen in Quarantänezonen
Abb. 3: Bestätigt sich der Verdacht auf Befall durch den ALB, sind regelmäßige Kontrollen des betroffenen Baumbestands erforderlich. (© Birgit Gleixner, LfL)
Sind im Untersuchungsradius auch Waldgebiete betroffen, werden diese Flächen unter Beteiligung der Forstbehörde (zuständiges Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF)) mit Unterstützung der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) systematisch auf Befall abgesucht. Jede neue Befallsstelle wird erfasst, die Lage georeferenziert und an die koordinierende Stelle (LfL) weitergeleitet.
Mit Hilfe der ersten Funddaten erstellen LfL und – bei Waldbetroffenheit – LWF in enger Abstimmung eine oder gegebenenfalls mehrere Allgemeinverfügung/en auf Grundlage des EU-Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/893 und weisen ein abgegrenztes Gebiet bzw. eine Quarantänezone aus. Die Quarantänezone ist eine Sicherheitszone, in der regelmäßig Kontrollen stattfinden (Abbildung 3). Sie unterteilt sich in eine Befallszone und eine umschließende befallsfreie Pufferzone. In der QZ überwacht Personal des AELF bzw. der ÄELF den Quarantäneschädling (z. B. mit Pheromonfallen und einem jährlich stattfindenden Monitoring); zudem wird der Umgang mit den Wirtsbaumarten stark eingeschränkt, z. B. durch ein Transportverbot von Laubholz aus der QZ. Die für die QZ zu ergreifenden Maßnahmen sind in der/den Allgemeinverfügung/en geregelt. Sind neue Symptome an Bäumen oder Käfer sichtbar, werden Wirtsbäume in diesem Bereich wie beschrieben vernichtet.
Zudem werden gemäß EU-Durchführungsbeschluss alle weiteren spezifizierten Pflanzen beim Fund lebender Stadien in einem Umkreis von 100 m um den Befallspunkt vorsorglich beseitigt. Der zuständige Pflanzenschutzdienst muss zwingend alle Handlungsschritte überwachen. Durch die konsequente Umsetzung dieser Maßnahmen ist es gelungen, den ALB in sechs von sieben bayerischen Quarantänezonen erfolgreich zu eliminieren (Abbildung 4).
Die Ausrottung einer invasiven Art ist möglich!
Eine erfolgreiche Ausrottung eingeschleppter und als invasiv bewerteter Arten wie dem ALB ist nicht die Ausnahme. Eine zusammenfassende Studie (Tobin et al. 2014) zeigt: Von 672 Ausrottungsprogrammen, die von 1880 bis 2010 gegen 130 invasive Arthropoden-Arten durchgeführt worden waren, waren 395 (59 %) erfolgreich; lediglich 110 Ausrottungsprogramme (16 %) stufte man als gescheitert ein. Bei den verbleibenden 167 Programmen war die Ausrottung zum Zeitpunkt der Studie noch nicht abgeschlossen. Aufschlussreich ist dabei die detaillierte Analyse der Gründe für eine erfolgreiche Ausrottung. Als entscheidende Faktoren wurden identifiziert:
- die Größe des Befallsgebiets,
- die Möglichkeit, die Art über Befallsmerkmale oder artspezifische Lockstoffe zu finden sowie
- funktionierende Maßnahmen, die Art aus dem neu besiedelten Lebensraum zu entfernen
Die Voraussetzungen sind beim ALB gegeben. Aktuell sind in Europa 38 Einschleppungen des ALB bekannt (Branco et al. 2022, EPPO 2023) (Abbildung 5); von diesen gelten 26 (68 %) als ausgerottet. Mehrere Punkte sind dabei auffällig:
- Sieben von zwölf noch nicht ausgerotteten Einschleppungen liegen in Italien, je zwei weitere Einschleppungsorte in Deutschland und Frankreich.
- Die Dauer von der Entdeckung des Befalls bis zur Ausrottung betrug bei allen Einschleppungen vor 2010 über zehn Jahre.
Abb. 5: Anzahl bekannter Einschleppungen des Asiatischen Laubholzbockkäfers in Europa, differenziert nach Land (a) und Zeitpunkt der Entdeckung (b) sowie dem aktuellen Status der Einschleppung »ausgerottet«, bzw. »nicht ausgerottet« Stand April 2023; (© Branco et al 2022, aktualisiert nach EPPO Reporting Service 2022 und 2023)
Wesentliche Maßnahmen für eine Ausrottung sind ein rasches und konsequentes Vorgehen und die strikte Einhaltung der Vorgaben zur Überwachung des Baumbestands, der Monitoringmaßnahmen durch die zuständigen Behörden sowie der Verbringungsverbote von Pflanzenmaterial und Holz aus den Quarantänezonen. Zudem leistet eine umfangreiche Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit in den betroffenen Kommunen bzw. Städten einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Maßnahmen. Nur durch Transparenz im Handeln und durch offene Kommunikation lassen sich die Ausrottungsmaßnahmen effektiv umsetzen, da zumeist Privateigentum betroffen ist. Zudem zeichnet sich aus den bisherigen Erfahrungen ab: Wird der ALB in neuen Gebieten frühzeitig erkannt, verkürzt dies die Bestandsdauer der Quarantänezone und der damit verbundenen Maßnahmen. Das markante Erscheinungsbild des ALB, das sich gut von heimischen Bockkäfern unterscheidet, sowie seine Größe helfen, ihn schnell zu erkennen. Da der ALB in der Vergangenheit stets in urbanen und somit bewohnten Gebieten auftrat, ist es wichtig, die Bevölkerung entsprechend zu sensibilisieren und aufzufordern, entsprechende Sichtungen den zuständigen Behörden zu melden.
Trotz der erfolgversprechenden Ausrottungsmaßnahmen ist es oberstes Ziel, dass der ALB erst gar nicht eingeschleppt wird. Deshalb verabschiedete die Food and Agriculture Organization (FAO) den ISPM 15 (IPPC 2002), der als phytosanitärer Standard den Umgang mit Verpackungsholz im internationalen Warenverkehr regelt. Bei sachgerechter Anwendung fallen behandelte Holzverpackungen als Verschleppungsweg für sich im Holz entwickelnde Insekten weg. Zudem konnten Risikowaren identifiziert werden, die vermehrt mit befallenem Verpackungsholz in Verbindung gebracht wurden. Hierzu erarbeiteten Bund und Länder sogenannte Risikowarenlisten, auf deren Basis die zuständigen Pflanzenschutzdienste internationale Waren- und speziell Containersendungen vermehrt kontrollieren.