Gritta Schrader und Ernst Pfeilstetter
Was wäre wenn...? - LWF aktuell 114
Pflanzenschädlinge, das könnten zum Beispiel Insekten, Pflanzen, vielleicht auch Pilze oder Bakterien sein. Auf alle Fälle neue oder bereits eingeschleppte Organismen, die womöglich für unsere Pflanzen ein Risiko darstellen. Auf solche Organismen haben die Pflanzenschützer ein außerordentlich wachsames Auge und mit der »Pflanzengesundheitlichen Risikoanalyse« eine Grundlage, solchen ungebetenen Gästen in angemessener Form zu begegnen.
Unter einer Risikoanalyse versteht man die systematische Auswertung verfügbarer Informationen, um Gefährdungen zu identifizieren und Risiken abzuschätzen. Die Pflanzengesundheitliche Risikoanalyse (Pest Risk Analysis, PRA) ist seit den 1990er Jahren ein wichtiger Forschungs- und Aufgabenbereich in der Pflanzengesundheit, für den zum Teil Expertenwissen, Erfahrung und umfangreiche Informationen notwendig sind.
Es handelt sich hierbei vereinfacht gesagt darum, festzustellen,
- ob ein »neuer« Organismus im Fall des Auftretens in einem bestimmten Gebiet Schäden an Pflanzen oder Pflanzenprodukten verursachen kann,
- ob diese Schäden relevant sind,
- welche pflanzengesundheitlichen Maßnahmen ergriffen werden sollten.
Risikobewertung und Risikomanagement
Bei ausreichendem Verdacht werden die Wahrscheinlichkeit der Einschleppung und Verbreitung des jeweiligen Schadorganismus sowie mögliche Auswirkungen auf Pflanzen und ihre Habitate und Ökosysteme sowie auf Pflanzenprodukte im Detail bewertet bzw. abgeschätzt. Im Einzelfall kann dies sehr umfassende und komplexe Analysen erfordern, von der Aufklärung der Warenströme (z. B. Abschätzung des Umfangs von Handelsbeziehungen mit bestimmten Ländern) bis hin zu den ökonomischen sowie ökologischen Konsequenzen auch unter Berücksichtigung des Klimawandels.
Im Risikomanagement-Teil wird geprüft, ob, und wenn ja, welche Maßnahmen gegen die Einschleppung und Verbreitung des Schadorganismus bzw. zu seiner Unterdrückung oder Ausrottung im Fall einer Einschleppung ergriffen werden können und sollten.
Zweck der PRA
Gründe für die Durchführung einer PRA
Zweitens unterstützt die PRA die Vorbereitung von Entscheidungen in Deutschland und der EU, wie mit »neuen« Schadorganismen umzugehen ist. Diese Frage stellt sich bei Beanstandungen und Auftretensmeldungen gelisteter sowie neuer, nicht gelisteter Schadorganismen und bei der Einfuhr bisher nicht geregelter Organismen, die schädlich sein könnten.
Und drittens liefert die PRA die fachliche Unterstützung von Anträgen auf EU-Ausnahmegenehmigungen für die Einfuhr von grundsätzlich einfuhrverbotenen Pflanzen und Pflanzenprodukten aus Drittländern (z. B. Solanaceen-Zierpflanzenarten, Kartoffeln).
Auslöser für die Durchführung einer PRA
- Pflanzenschutzdienste in Deutschland oder in der EU melden einen neuen Schadorganismus oder eine neue Schadwirkung bereits bekannter Schadorganismen und die daraufhin vom Institut Pflanzengesundheit durchgeführte »Express- PRA« ergibt die Notwendigkeit zur Durchführung einer ausführlichen Risikoanalyse.
- Arbeitsgruppen der Pflanzenschutzorganisation für Europa und den Mittelmeerraum (EPPO) identifizieren Organismen, für die Risikoanalysen durchgeführt werden sollten, weil es Hinweise gibt, dass sie ein Risiko für die EPPORegion darstellen könnten.
- Der Ständige Ausschuss PAFF der EUKommission benötigt eine Risikoanalyse oder die Bewertung einer Risikoanalyse zur Entscheidung über die Neulistung, Deregulierung oder zur neuen Einstufung eines Schadorganismus.
- Die Experten-Arbeitsgruppe der EUKommission zu den Anhängen der sogenannten »Pflanzenquarantäne-Richt linie der EU« benötigt Informationen zur Einstufung eines Schadorganismus oder zur Bewertung einer vorliegenden Risikoanalyse.
- Wissenschaftliche Veröffentlichungen oder wissenschaftliche Literatur weisen auf neue Schadorganismen hin.
- Im Rahmen des internationalen Warnsystems des IPPC oder der EPPO Alert List wird auf einen neuen Schadorganismus oder einen neuen Einschleppungsweg hingewiesen.
- Es erfolgt eine Anfrage eines Gartenoder Pflanzenbaubetriebs, der eine Ausnahmegenehmigung für die Einfuhr grundsätzlich verbotener oder mit Auflagen versehener Pflanzen/Pflanzenprodukte beantragen will.
Verfahrensweise für die Durchführung
Die Mitwirkung der Pflanzenschutzdienste der Bundesländer umfasst die Übermittlung von Informationen zum Auftreten von Schadorganismen einschließlich neuer Organismen sowie zum Vorkommen von Wirtspflanzen und geeigneten Habitaten im Rahmen von Überwachung, Monitoring und Inspektionen.
Des Weiteren gehören hierzu Informationen zu durchgeführten oder in Erwägung gezogenen pflanzengesundheitlichen Maßnahmen und zur Durchführung diagnostischer Untersuchungen. Informationen werden auch aktiv von Seiten der anderen Wissenschaftler in den JKI-Instituten bzw. der Pflanzenschutzdienste an das Institut Pflanzengesundheit herangetragen.
Risikokommunikation
Sowohl das Erhalten als auch das Weitergeben von Auftretens- und Beanstandungsmeldungen sind Bestandteil der Risikokommunikation. Weiterhin bieten sich Faltblätter, Pressemitteilungen und gegebenenfalls auch Veröffentlichungen zur Information an.
Schlussfolgerungen
Häufig wird nicht rechtzeitig reagiert, vielfach sogar erst, wenn es bereits zu spät ist. Die Wahrnehmung der Risiken müsste verbessert und adäquate Maßnahmen müssten ergriffen werden – auf politischer Ebene besteht dazu sogar die gesetzliche Verpflichtung für diejenigen Staaten, die das IPPC unterzeichnet haben.
Erläuterungen rund um die pflanzengesundheitliche Risikoanalyse (PRA)
Die »European and Mediterranean Plant Protection Organisation« ist eine zwischenstaatliche Organisation, die für die Zusammenarbeit und Harmonisierung im Pflanzenschutz im europäischen und mediterranen Raum zuständig ist. Im Rahmen des Internationalen Pflanzenschutzübereinkommens (IPPC) ist die EPPO die regionale Pflanzenschutzorganisation für Europa.
Der Hauptzweck dieser Warnliste ist es, die Aufmerksamkeit der EPPO- Mitgliedsstaaten auf bestimmte Schadorganismen zu lenken, die möglicherweise ein Risiko für sie darstellen, so dass sie frühzeitig gewarnt werden.
Das 1952 gegründete »Internationale Pflanzenschutzübereinkommen« zielt als internationales Pflanzengesundheitsabkommen darauf ab, kultivierte und wilde Pflanzen durch die Verhinderung der Einschleppung und Verbreitung von Schadorganismen zu schützen.
Das »Sanitäre und Phytosanitäre Übereinkommen« der WTO legt die Grundregeln für die Lebensmittelsicherheit sowie die Tier- und Pflanzengesundheit fest. Standards (z. B. die im Rahmen des IPPC erstellten Internationalen Standards für Pflanzengesundheitliche Maßnahmen) sollen nur in dem Maße angewendet werden, wie es zum Schutz des menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Lebens oder der Gesundheit erforderlich ist.
Die »Welthandelsorganisation« ist die einzige globale internationale Organisation, die sich mit den Regeln des Handels zwischen den Nationen beschäftigt.