Cornelia Triebenbacher, Hannes Lemme und Andreas Hahn
Borkenkäferjahr 2021 - LWF aktuell 133
Abb. 1: In den Rindenstücken sitzen oftmals noch zahlreiche Buchdrucker, die ausflugbereit sind und mit der Rinde abfallen (© C. Triebenbacher, LWF)
Zwar war das Jahr 2021 in Bayern gegenüber den Vorjahren weniger heiß und weniger trocken – die Borkenkäfersituation stellte sich aber ähnlich wie 2020 dar: Entspannung im Süden, Hochspannung ganz im Norden. Gegenüber 2020 führte das kalte Frühjahr allerdings zu einer deutlichen Verzögerung der Entwicklung. Selbst in tieferen Lagen wurde keine dritte Generation angelegt. Die Ausgangspopulation für 2022 ist weiterhin auf hohem Niveau.
Um die Ausgangslage für das Borkenkäferjahr 2021 zu beurteilen, ist ein Blick auf das vorhergehende Jahr notwendig. Im Borkenkäferjahr 2020 entspannte sich die Gefährdungslage im Süden Bayerns durch deutlich höhere Niederschläge gegenüber 2019. Dagegen war es im Norden Bayerns wie in den Vorjahren auch 2020 zu trocken. Daher verschärfte sich die Borkenkäfersituation vor allem im Frankenwald dramatisch. 2020 konnten sich zwei Generationen von Buchdrucker und Kupferstecher inklusive mehrerer Geschwisterbruten fertig entwickeln. Eine dritte Generation wurde nur vereinzelt angelegt. Insgesamt war die Ausgangsdichte für 2021 – auch im Süden – auf einem sehr hohen Niveau.
Entwicklungsverzögerungen im Frühjahr und Sommer
Abb. 2: Schwärmverlauf des Buchdruckers in unterschiedlichen Höhenstufen im Jahr 2021 in Bayern (© LWF)
Das sonnige Wetter Anfang Juni nutzten Buchdrucker und Kupferstecher zum konzentrierten und massiven Schwärmen. Aus allen Teilen Bayerns wurden Fangzahlen von teils weit über 3.000 Käfern pro Woche und Falle gemeldet (Abbildung 4). Vergleichbar hohe und zeitlich konzentrierte Fangzahlen wurden seit 2015 in keiner Kalenderwoche erreicht. Ab Mitte Juni setzte in den tieferen Lagen der Schwärmflug der Altkäfer zur Anlage der Geschwisterbrut ein. In höheren Lagen über 800 m ü. NN erfolgte ab Mitte Juni die Anlage der ersten Generation.
Ab Mitte Juli flogen in den tieferen Lagen die Jungkäfer der ersten Generation zur Anlage der zweiten Generation aus. Etwa zwei Wochen später schwärmten die Jungkäfer in den höheren Lagen. Damit erfolgte die Anlage der zweiten Generation etwa vier bis fünf Wochen später als im Jahr 2018, welches mit seiner warm-trockenen Witterung eine sehr schnelle Entwicklung der Fichtenborkenkäfer begünstigte.
Abb. 3: Gefährdungseinschätzung der ÄELF für den Buchdrucker zum Ende der Vegetationsperiode für die Jahre 2020 und 2021 (© LWF)
Die Anflugzahlen des Kupferstechers als auch die Gefährdungseinschätzung durch die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) zeigen, dass dem Kupferstecher im Jahr 2021 eine geringere Bedeutung zukam als in den Vorjahren. Lediglich in den Bereichen der ÄELF Coburg-Kulmbach und Karlstadt sowie im nördlichen Bereich des AELF Bayreuth-Münchberg wurde ab Mitte Juni »Gefährdungsstufe mit akutem Stehendbefall« gemeldet.
Zusammenfassend kann die bayernweite Gesamtsituation für das Jahr 2021 mit »Schäden auf hohem Niveau, jedoch geringer als im Vorjahr und mit regional sehr deutlichen Unterschieden« beschrieben werden.
Befallsschwerpunkte
Abb. 4: Anzahl der Fallenleerungen mit mehr als 3.000 Buchdruckern/ Falle/ Woche in 2020 und 2021 an einem Monitoringstandort (© LWF)
mit Fichtenborkenkäfern vergleichsweise überschaubar. Schwerpunkte der Buchdrucker-Kalamität waren Teile Unter-, Mittel- und vor allem Oberfrankens (Abbildung 3, rechts) – hier insbesondere der Frankenwald – sowie die »Kolle-Gebiete« in Niederbayern.
Um einen jahresweisen Vergleich der Anflugintensität zu ermöglichen, werden die wöchentlichen Leerungen gezählt, bei denen mehr als 3.000 Buchdrucker (= Übergang von Warn- zur Gefährdungsstufe, verbunden mit einer potenziellen Ausweitung des Stehenbefalls und Gefahr der Massenvermehrung) gefangen wurden (Abbildung 4). Je stärker die Einfärbung der Punkte, desto häufiger wurde die Warnschwelle überschritten. Im Vergleich mit 2020 zeigt sich eine Abnahme der Anflugzahlen. Dieser Rückgang erfolgte vor allem in Regionen, die im Jahr 2020 hohe Werte aufgewiesen hatten (vor allem Niederbayern). Regionen mit bereits niedrigeren Werten im Jahr 2020 blieben weitestgehend stabil (Regionen südlich der Donau).
Ausgangslage für 2022
- Witterungsverlauf im Winter und Frühjahr: Er beeinflusst die Startbedingungen für den Buchdrucker. Auf starken, lang anhaltenden Frost reagieren Eier, Larven und Puppen sehr empfindlich und sterben ab. Für überwinternde Käfer sind eher milde Winter kritisch (www.lwf.bayern.de/borkenkaefer-faq).
- Brutraumangebot: Gibt es Sturm- und Schneebrüche aus dem Winter, die nach dem ersten Schwärmflug noch nicht waldschutzwirksam aufgearbeitet sind? Sie wären für die ausschwärmenden Borkenkäfer aus dem Vorjahr ideale Bruthölzer – spätestens nach der Eiablage und vor dem Ausflug zur Anlage der Geschwisterbrut müssen diese aus dem Wald entfernt werden.
- Waldmanagement: Nach dem Trockensommer 2003 brach die Massenvermehrung des Buchdruckers trotz für ihn ungünstiger Witterung in den Folgejahren (2004, 2005) und trotz aktiver Bekämpfung erst nach mehreren Jahren zusammen. Das Hoffen auf ein feuchtes Frühjahr und auf einen kühlen Sommer in den Befallsgebieten allein reicht also nicht aus.
Empfehlungen
Alle vom Buchdrucker befallenen Überwinterungsbäume, erkennbar an Nadelverfärbung, Harzfluss, Spechtabschlägen und abfallender Rinde, sollten inzwischen aufgespürt sein und müssen vor Schwärmbeginn schnellstmöglich aus dem Wald verbracht werden. Insbesondere im ausgehenden Winter sitzt die Rinde befallener Fichten sehr locker. Daher ist auf eine »saubere« Aufarbeitung wert zu legen. Abfallende Rindenstücke enthalten noch eine hohe Anzahl an Käfern in tieferen Rindenschichten. Aus der Rinde gefallene Käfer ziehen sich in den Boden zurück. Dort sind sie für eine waldschutzwirksame Aufarbeitung unerreichbar.
Mit dem Beginn des Schwärmflugs der Fichtenborkenkäfer sollte die Bohrmehlsuche prioritär an den Käfernestern aus 2021 begonnen werden – auch, wenn diese schon sauber aufgearbeitet wurden. Gleiches gilt für die Bohrmehlsuche rund um die Holzlagerplätze aus dem Vorjahr.
Zusammenfassung
Sondersituation Frankenwald
In den Revieren des AELF Kulmbach-Coburg wurde eine Vielzahl von Einzelbefallsflächen größer als ein Hektar festgestellt. Das Amt beziffert die Gesamtschadfläche mit derzeit über 4.000 ha. Hier war der Befallsdruck durch Fichtenborkenkäfer so massiv, dass die Fallenfänge Anfang Juni 2021 das Schadensmaß nicht mehr widerspiegeln konnten. Diese großflächigen Borkenkäferschäden im Frankenwald seit 2018 weisen auf einen neuen Trend hin: Borkenkäferkalamitäten werden nicht mehr nur durch Stürme als Störungen induziert – wie es beispielsweise bei »Kolle« in Niederbayern der Fall war. Europaweit ist zu beobachten, dass Massenvermehrungen neuerdings auch ausschließlich auf Trockenheit und Hitze zurückgeführt werden können. In abgeschwächter Form war dies bereits 2015/16 im Südbayerischen Tertiärhügelland sowie nach dem Trockensommer 2003 in Mittelfranken zu beobachten.