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Olaf Schmidt
Kugelgallen an Ahorn-Wurzeln – LWF aktuell 124

Waldbesitzer entdeckt braune »Wurzeltrauben« im Wurzelwerk eines Bergahorns

Ein interessierter Waldbesitzer und aufmerksamer Naturbeobachter hat an den Wurzeln eines vom Sturm geworfenen Bergahorns bei Kiefersfelden auffällige braune, traubige Gebilde gefunden. Bei Nachfrage an der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft stellte sich heraus, dass es sich hier um die Wurzelgallen der Ahorngallwespe handelt. Diese winzig kleine Gallwespe steckt jedoch voller großer Überraschungen.

Eine rote WespeZoombild vorhanden

Abb. 1: Ahorngallwespe (Foto: B. Wermelinger)

Von den rund 50 Gallwespenarten an Bäumen in unserer heimischen Natur lebt nur eine Art, nämlich die Ahorngallwespe (Pediaspis aceris) (Abbildung 1), nicht an Eiche, sondern an Ahornarten. Seit einigen Jahren ist allerdings noch eine weitere, eingeschleppte Gallwespenart hinzugekommen, die nicht an Eiche lebt, die Esskastanien-Gallwespe, die eben nur an der Edelkastanie vorkommt.

Mit ihrer absoluten Vorliebe für Ahorne hat die Ahorngallwespe schon ein besonderes Alleinstellungsmerkmal. Während man ihre oberirdischen Gallen durchaus öfters zu Gesicht bekommt, entziehen sich die unterirdischen Wurzelgallen in aller Regel sämtlichen Blicken.

Das über- und unterirdische Leben der Ahorngallwespe

Die Ahorngallwespe besitzt einen regelmäßigen Wechsel zwischen einer parthenogenetischen (= Jungfernzeugung) und einer sich sexuell vermehrenden Generation. Dabei entwickelt sich die parthenogenetische Generation in eben diesen braunen, kugeligen Wurzelkammern, die 3 bis 10 cm große traubenartige Komplexe bilden (Abbildung 2). Hier schlüpfen im zeitigen Frühjahr die Weibchen der parthenogenetischen Generation und legen ihre Eier in die austreibenden Knospen, und auf Blättern, Blattstielen und Blüten unserer heimischen Ahornarten.

Daraus entwickeln sich an den auffällige, zunächst grüne, später leuchtend rotgefärbte, kugelige Blattgallen (Abbildung 3). Im Sommer schlüpfen aus diesen Blattgallen die Geschlechter der sexuellen Generation (Bellmann 2012). Nach der Paarung legen die Weibchen ihre Eier an die Wurzeln, aber jetzt ausschließlich des Bergahorns. Die sich daraus entwickelnde, parthenogenetische Generation ist erst im übernächsten Frühjahr schlüpfbereit, sodass beide Generationen zusammen genau zwei Jahre Gesamtentwicklungszeit benötigen.
Kugelige Gallen die an ein Wespennest erinnern

Abb. 2: Kugelgallen an Wurzel (Foto: B. Wermelinger)

Rote, kugelige Gallen auf der Unterseite eines Ahornblattes

Abb. 3: Blattgallen (Detailaufnahme) (Foto: Thomas Lohrer)

Rote, kugelige Gallen auf der Unterseite eines Ahornblattes

Abb. : Blattgallen (Übersicht) (Foto: Thomas Lohrer)

Aufgeschnittene Kugelgalle mit Larve darin

Abb. 5: Larve der Ahorngallwespe (Foto: Thomas Lohrer)

Dichatomus acerinus – ein umbauwütiger »Untermieter«

Verholzte, braune, stachelige Gallen auf AhornblattunterseiteZoombild vorhanden

Abb. 6: Parasitierte Gallen der Ahorngallwespe (Foto: K.-U. Gnaß)

Verkompliziert wird die eh schon nicht ganz einfache Biologie der Ahorngallwespe weiter durch die viel kleineren Erzwespen der Art Dichatomus acerinus. D. acerinus legt in die noch jungen Kugelgallen der Ahorngallwespe ein Ei ab. Die Larve nistet sich dort als »Untermieter« (Inquiline) ein. Dabei verändert sich die Form der Gallen von glattkugeligen zu massiven, holzigen Gebilden mit zipfelartigen Fortsätzen (Bellmann 2012) (Abbildung 6).

Mit fortschreitender Verholzung wird auch die Nahrungsgrundlage der Larve der Ahorngallwespe entzogen (Haselböck 2019). Unter Umständen wird auch durch das nachträgliche übermäßige Wachstum der Pflanzengalle die Larve des ursprünglichen Bewohners, der Ahorngallwespe, erdrückt (Reichholf 2013).

Der Ahornrüssler – der »Unteruntermieter «

Aber mit der Erzwespe in den Ahorngallen ist es noch längst nicht zu Ende. In den letzten Jahren konnte der kleine, in Südeuropa heimische Ahornrüssler (Curculio vicetinus) auch im wärmebegünstigten Oberrheintal nachgewiesen werden. Seine Larven entwickeln sich ebenfalls in den Gallen des Bergahorns, aber nur in denen, die von der Erzwespe Dichatomus acerinus als Inquiline befallen und verändert sind (Rheinheimer & Hassler 2013). Somit können in zeitlicher Abfolge gleich drei »Mieter« eine Ahorngalle nutzen.
Gallwespen und die Eiche
In Bayern gibt es etwa 50 verschiedene Gallwespenarten, die an Bäumen leben – und alle entwickeln sich auf der Eiche! Mit einer Ausnahme: Die Ahorngallwespe (Pediaspis aceris) kann mit der Eiche nichts anfangen, sie benötigt für ihre vollständige Entwicklung ausschließlich den Bergahorn (Acer pseudoplatanus).

Seit einigen Jahren ist allerdings bei uns noch eine weitere, eingeschleppte Gallwespenart hinzugekommen, die auch nicht an Eiche lebt, die aus Ostasien stammende Esskastanien-Gallwespe (Dryocosmus kuriphilus), die eben nur an der Edelkastanie (Castanea sativa) vorkommt.

Lebenszyklus der Ahorngallwespe

Abb. 7: Entwicklungszyklus der Ahorngallwespe (Grafik: C. Hopf, LWF)

Fazit: Die Natur ist immer für Überraschungen gut

Dieses Beispiel der harmlosen Ahorngallwespe mit ihrem Generationswechsel und ihren Folgenutzern Erzwespe und Ahornrüssler zeigt uns wiederum sehr deutlich, welch faszinierende und komplexe Biologie bereits in diesen kleinen, unscheinbaren Gallen steckt. Dies sollte ein Anreiz sein, sich auch mit vermeintlich kleinen Dingen in Wäldern näher zu befassen und sich Zeit und Muße für eingehende Naturbeobachtungen zu nehmen. Für Ahornbäume besteht bei Befall mit Ahorngallwespen keine Gefahr.

Literatur

  • Bellmann, H. (2012): Geheimnisvolle Pflanzengallen. Quelle & Meyer- Verlag, Wiebelsheim
  • Meyer- Verlag, Wiebelsheim Haselböck, A. (2019): Dichatomus acerinus. www.naturspaziergang.de/Chalcidoidea/Dichatomus_acerinus.htm (aufgerufen am 28.8.2019)
  • Lohrer, T. (2013): Ahorngallwespe. www.arbofux.de/ahorngallwespe.html (aufgerufen am 3.9.2019)
  • Reichholf, J. H. (2013): Funde von Bergahorn-Kugelgallen und Zitterpappel–Gallmilben am Mittleren Inn, Oberbayern. Mitteilungen der Zoologischen Gesellschaft Braunau, Band. 11, Nr. 1 S. 153–156
  • Rheinheimer, J.; Hassler, M. (2013): Curculio vicetinus Cussigh, 1989 neu für Mitteleuropa (Coleoptera Curculionoidea) sowie C. elephas aus der Pfalz. Mitt. ent. V. Stuttgart, Jahrgang 48, S. 5–6
  • Wermelinger, B. (2014): Ahorngallwespe, WSL. www.wsl.ch/de/services-und-produkte/beratung-und-gutachten/baumkrankheitenvollstaendige-liste.html (aufgerufen am 28.8.2019)

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