Gerd Lupp, Valerie Kantelberg, Bernhard Förster, Johannes Naumann, Carolin Honert, Tim Markmann, Marc Koch, Roland Schreiber und Stephan Pauleit
Vorsicht Kamera! - Besuchermonitoring mit Wildkameras - LWF-aktuell 111
Für die Erholungsplanung sowie bei Konzepten zur Besucherlenkung ist eine genaue Kenntnis der Besucherzahlen und Aktivitäten unerlässlich. Um belastbare Datengrundlagen zu erhalten, bieten sich technische Zählverfahren an. Wildkameras liefern dabei interessante Möglichkeiten, das Besuchsverhalten zu ermitteln und interessante qualitative Informationen zu gewinnen.
Der Druck auf naturnahe Landschaften und Wälder durch Erholungssuchende nimmt immer weiter zu und führt häufig zu Interessensüberschneidungen, etwa mit Zielen der Waldbewirtschaftung, des Waldnaturschutzes oder dem Jagdmanagement.
Auch kann es zu Konflikten zwischen unterschiedlichen Erholungsnutzungen kommen (Rupf und Wernli 2013). Um mögliche Konflikte zu vermeiden, ist es sinnvoll, Besucherlenkungskonzepte zu entwickeln. Derartige Konzepte zielen darauf ab, attraktive Naturerlebnisse und Sportmöglichkeiten in widerstandsfähigeren Landschaftsbestandteilen zu schaffen, um so die Beeinträchtigung von Schutzgütern in sensiblen Bereichen zu minimieren (Clivaz et al. 2013).
Datengrundlagen zur Erfassung der Erholungsnutzung im Wald
- Welche Freizeitaktivitäten werden ausgeübt?
- Wie hoch ist die Anzahl der Erholungssuchenden?
- Wie stellt sich das räumliche und zeitliche Verteilungsmuster der Besucher dar?
- Existieren Konflikte zwischen den unterschiedlichen Nutzergruppen?
- Wie hoch ist die Akzeptanz für Informations- und Lenkungsmaßnahmen?
Zählverfahren in der Praxis
Daher werden für das Monitoring oder längere Beobachtungszeiträume technische Verfahren angewendet. Das Spektrum reicht dabei von vergleichsweise einfachen Infrarot-Lichtschranken bis hin zu einer Kombination aus in die Wege eingebauten Trittplatten und pyroelektrischen Sensoren, die auf die Körpertemperatur reagieren (Rupf und Wernli 2013). Derartige Zählungen werden auch als Dienstleistung durch kommerzielle Anbieter mit Komplettpaketen angeboten, die auch das Datenmanagement und deren Aufbereitung beinhalten. Allerdings können diese technischen Verfahren nur sehr grobe Angaben zu Nutzergruppen liefern.
Wildkameras: Monitoring überall und zu jeder Tageszeit
Abbildung 1: Die Wildkamera schafft kostengünstig Einblick in die Erholungsnutzung. (Foto: motivjaegerin1, fotolia.com)
Die Analyse der Daten kann zudem zeitlich flexibel erfolgen. Derartige Ansätze wurden in der Vergangenheit vereinzelt angewendet (v. Jankowski und Becker 2003). Sie waren aufgrund der analogen Techniken sehr aufwendig. In den letzten Jahren sind durch die rasante technische Entwicklung der digitalen Kameratechnik jedoch neue Anwendungsmöglichkeiten entstanden.
Zudem hat sich die Handhabung durch die Digitalisierung, der damit verbundenen Speicherung und Verarbeitung großer Datenmengen sowie deutlich längeren Batterielaufzeiten wesentlich vereinfacht.
Weltwald und Grünten im Sucher
Am Grünten im Allgäu wurden von August bis November 2015 drei Kameras eingesetzt. Dabei wurden an der Südwestflanke im Projektgebiet der Bergwaldoffensive am Grünten Daten zur Wegenutzung erfasst.
Datenschutz und Besucher-Info
Wenn Kameras verwendet werden, ist unbedingt der Datenschutz zu beachten. Der Gesetzgeber setzt dabei sehr enge Grenzen. So dürfen, wenn keine Gefahren oder Schäden von Personen oder Eigentum abgewendet werden sollen, keinerlei personenbezogene Merkmale erfasst werden. Das heißt, Gesichter müssen unkenntlich sein. Um jedoch ausreichend Informationen für die Auswertung zu erhalten, sollten die Personen noch schemenhaft erkennbar sein. Um diesen Effekt zu erzielen, wurde die Linse mittels eines Kunststoffstreifens abgeklebt. Die Bilder werden dadurch unscharf.
Die Kameras wurden in 4 m Höhe an einem Baum direkt an den Wegen montiert, an denen die Besucherzahlen erfasst werden sollten. Die Kameras wurden so ausgerichtet, dass der Auslösebereich von 20 m auf den Weg zeigt. Die Montage orientierte sich dabei an den Empfehlungen von Czachs und Brandenburg (2014), die für Videoaufnahmen abgegeben wurden.
Wildkameraverfahren für vielfältige Monitoring-Fragestellungen
Abbildung 2: Maßnahmen der Besucherlenkung sind
sinnvoll, um Konflikte zu vermeiden. (Foto: lettas, fotolia.com)
Einzelpersonen, Paare oder Familien mit kleinen Kindern können beispielsweise als Zielgruppen für einen Waldlehrpfad identifiziert werden. Im Rahmen von Untersuchungen am Grünten im Allgäu (Naumann 2016) konnte mit dem Wildkameraverfahren gezeigt werden, dass viele der Erholungssuchenden für eine Wanderung im alpinen Gelände nicht über eine für Bergwanderungen geeignete Ausrüstung verfügten, also keine hohen Wanderschuhe trugen und keinen Rucksack für eine Regenjacke bzw. ausreichend Getränke dabei hatten.
Aus den Daten können im Nachhinein Zeiträume und Tage für eine Auswertung ausgewählt werden. Zudem kann anhand einer ersten groben Sichtung des Bildmaterials auch ex post entschieden werden, welche Merkmale und weiteren Analysen mit dem Datensatz erfolgen sollen. Bei längeren Datenreihen ist es möglich, Tage mit Minimal- und Maximalnutzungen oder mit Besonderheiten für die Analyse auszuwählen.
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Nachteil des Verfahrens ist eine recht aufwendige Auswertung von Bildinhalten und das Einpflegen der Daten in eine Datenbank, wenn neben der Anzahl an Personen und Aktivitäten weitere qualitative Merkmale wie Geschlecht oder Altersstufe ausgewertet werden sollen. Händische Verfahren benötigen etwa eine Stunde pro Kamera, um die Bilder eines Aufnahmetages zu bearbeiten.
Erleichtert werden kann diese Arbeit mit Hilfe des Bildverwaltungsprogramms XnViewMP. Von Bilderreihen, die durch Personen ausgelöst werden, werden Metadaten in digitalen Bildern abgespeichert. Dabei werden zusätzliche Attribute vergeben, die für die jeweiligen Fragestellungen relevant sind, etwa Aktivitäten der Waldbesucher. Diese Metadaten können mit Verwaltungs- oder Statistikprogrammen ausgewählt bzw. aufgefunden und weiter analysiert werden.
Abbildung 3: Nutzergruppen an verschiedenen Zählpunkten am Grünten; Zählzeiträume 24.8.–6.9., 4.–17.10., 31.10.–6.11.2016
Modell für Passantenzahlen
In der Untersuchung wurde dafür ein Zählfaktor ermittelt. Werden beispielsweise im Durchschnitt zwei Bilder je Person aufgenommen, so resultiert daraus ein Faktor von 0,5. Sind auf einem Bild dagegen durchschnittlich zwei Personen zu erkennen, dann ergibt sich ein Faktor von zwei.
Die Schätzung der Passantenzahlen lässt sich durch die folgende lineare Gleichung darstellen: Anzahl Passanten = Zählfaktor multipliziert mit der Bildanzahl. In Abhängigkeit vom gewählten Kameramodell und den örtlichen Gegebenheiten variiert der Faktor und muss für jeden Zählpunkt durch Vollauswertung von 10 bis 15 Tagen jeweils ermittelt werden.
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Für den Walderlebnispfad Freising wurde aus nahezu lückenlosen Datensätzen über ein Jahr eine Zahl von bis zu 62.200 Personen im Jahr 2015 abgeleitet, die an einem Zählpunkt erfasst wurden. Zu diesen hohen Zahlen trugen insbesondere die ausgesprochen milden und sonnigen Spätherbsttage mit bis zu 1.000 Personen pro Tag bei.
Im Sommer waren dagegen an den Hitzetagen mit Temperaturen über 30 Grad ein deutlicher Rückgang von Waldbesuchern und eine Verschiebung der Hauptbesuchszeiten zu beobachten. Nach einem Tief in der Mittags- und Nachmittagszeit stiegen in den siedlungsnahen Bereichen die Waldbesuche abends und in der Nacht wieder markant an.
Zählpunkt | Parcours | Brücke | Sender | Gesamt | |
Gesamt [N] | 75 | 6.448 | 4.305 | 10.828 | |
Gehende [N] | 33 | 5.925 | 3.972 | 9.930 | |
Gehende [%] | 44,0 | 91,9 | 92,3 | 91,7 | |
Mountainbiker [N] | 41 | 47 | 36 | 124 | |
Mountainbiker [%] | 41,7 | 0,7 | 0,8 | 1,1 | |
Bergläufer [N] | 445 | 254 | 699 | ||
Bergläufer [%] | 0,0 | 6,9 | 5,9 | 6,5 | |
Sonstige [N] | 1 | 31 | 43 | 75 | |
Sonstige [%] | 1,3 | 0,5 | 1,0 | 0,7 |
Abbildung 4: Tagesgang von Passanten am Zählpunkt »Wustbachtobel«
Zusammenfassung
Für ein Langzeitmonitoring wird jedoch der Personalaufwand für die Auswertung der Bildinhalte schnell sehr hoch. Das Verfahren eignet sich daher vor allem für zeitlich kurze Datenerhebungen, bei denen qualitative Merkmale und eine klare Trennung von Nutzergruppen benötigt werden. Es ist dann händischen Erfassungen insbesondere aufgrund der möglichen ex post-Analysen überlegen.
Wichtig ist jedoch, den Einsatz aufgrund der strengen Datenschutzauflagen sorgsam zu planen und bereits im Vorfeld mit einer sorgfältigen Öffentlichkeitsarbeit zu begleiten.
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Weiterführende Links
Autoren
- Gerd Lupp, TU München
- Valerie Kantelberg, LWF
- Dr. Bernhard Förster, TU München
- Johannes Naumann, TU München
- Carolin Honert, LWF
- Tim Markmann, TU München
- Marc Koch, LWF
- Roland Schreiber, LWF
- Prof. Dr. Stephan Pauleit, TU München