Stephan Pauleit und Gerd Lupp
Stadtwald 2050 - LWF-aktuell 111
Er ist mehr als der verklärte Ort als Gegenpol zum hektischen Stadtleben: Der urbane Wald erbringt eine Vielzahl von Leistungen für das Gemeinwohl, insbesondere als Erholungsort. Das Management derartiger Wälder erfordert daher eine Vielzahl von Kompetenzen für das forstliche Personal und die Waldbesitzer, um den unterschiedlichen Ansprüchen der Gesellschaft gerecht zu werden und den Wald fit zu machen für die Herausforderungen der Zukunft.
Seit dem Mittelalter werden aus ganz unterschiedlichen Motiven Waldgebiete im städtischen und stadtnahen Raum geschützt und erhalten. Standen zunächst Jagdmöglichkeiten für den Adel, Waldweide oder die Versorgung mit Brennholz im Vordergrund, so kam ab dem 18. Jahrhundert auch die Bedeutung als Erholungsraum hinzu. Durch das rasante Wachstum der Städte im 19. Jahrhundert wurden die stadtnahen Wälder jedoch zusehends von der Siedlungsmatrix umschlossen, zu Parks umgewidmet oder wurden und werden zu Bauland (Konijnendijk et al. 2006).
Stadtwald – beanspruchtes Multitalent

Abbildung 1: Erholungssuchende im stadtnahen Wald (Foto: ajlatan, fotolia.com)
Sie sind beispielsweise für die Verbesserung des Stadtklimas sowie für die Sicherung der Biodiversität sehr wichtig (z. B. Tyrväinen et al. 2005; Kowarik und Körner 2005). Ein zentraler Aspekt ist zudem die Kühlwirkung von Wald und Gehölzen in Städten. Auch kleine Gehölzflächen können einen Beitrag leisten, damit sich die angrenzenden Stadtquartiere nicht ganz so stark aufheizen (Yu und Hien 2006; Gill et al. 2007; Kong et al. 2014).
Damit Grünflächen optimal ihre Wirkung für die Stadt entfalten können, ist es nötig, die unterschiedlichen Formen städtischen Grüns ganzheitlich zu betrachten und diese möglichst gut zu vernetzen
Erholung im stadtnahen Wald

Abbildung 2: Bäume in der Stadt bilden wichtige Lebensräume (Foto: T. Bosch)
Eine Herausforderung stellt dabei der gesellschaftliche Wandel mit der Herausbildung von unterschiedlichen Lebensstilen und sozio-kulturellen Milieus dar. In letzteren manifestieren sich ökonomische Chancen und Optionen einer freien Lebensgestaltung, kulturelle Aspekte und persönliche Auffassungen wie Lebensziele, Mentalität und persönliche Wertehaltung (Müller 1992; BMUB und BfN 2015).
Eine der Konsequenzen daraus ist, dass sich Gewohnheiten und Ansprüche sowie die Art der Freizeitgestaltung im Wald in den letzten Jahren verändert haben und durch neue Trendsportarten, die Teil der Inszenierung von Lebensstilen sind, einer starken Dynamik unterliegen. Für die Erholung im Wald bedeutet dies, dass die Verweildauer des einzelnen Besuchers im Wald in den letzten Jahren deutlich gesunken ist und heute vielfach unter zwei Stunden liegt (Weitmann und Korny 2014).
Wichtige Monitoringaufgabe: Erholungsnutzung und Erholungsmanagement

Abbildung 3: Der Stadtbaum ist
ein wichtiges Strukturelement
in unseren Städten. (Foto: T. Bosch)
Auch wird es damit möglich, Aussagen und Wünsche einzelner Interessensvertreter besser einschätzen zu können und diese zu objektivieren. Dazu gibt es eine Reihe von Verfahren, die vor Ort angewendet werden können. Diese reichen von Befragungen bis zu systematischen Zählverfahren durch Lichtschranken oder Kameras (Rupf und Wernli 2013; Lupp et al. 2016b). Dabei sind die Wünsche und Ansprüche an den Wald, gleich ob von aktivem Sportler oder stillem Naturbeobachter, überraschend ähnlich. Auch der unmittelbar an die Großstadt angrenzende Wald soll Raum für Naturerlebnisse, Ruhe, Nachdenken und Zivilisationsferne bieten (Burkhardt 2009; Lupp et al. 2016a).
Auffällige Spuren des Menschen und der Forstwirtschaft sind dabei nicht gerne gesehen, die im Wald vorgehaltene Infrastruktur sollte nach den Wünschen einer großen Mehrheit der Waldbesuchenden bis auf die Ausschilderung möglichst sparsam und waldangepasst sein. Der Wald dient also neben der Erholung auch als Projektionsfläche, in dem der Mensch das Gefühl erhält, dort den Zwängen des städtischen Lebens entkommen zu können (Konijnendijk 2000).
Die Gesellschaft einbinden

Abbildung 4: Auch kleine Parks,
einzelne Baumgruppen oder Alleen tragen dazu bei, das Stadtklima angenehmer zu machen. (Foto: T. Bosch)
Die Herausforderung ist dabei, dass die meisten Menschen den Bezug und Zugang zur Urproduktion und damit der Forstwirtschaft verloren haben, diese aber insbesondere für private Waldbesitzer auch im städtischen Raum von Bedeutung sein kann (Börtitz 2016).
In der Alltagswahrnehmung der städtischen Bevölkerung ist der Flächenverlust durch die Ausbreitung der Bebauung tief verankert. Selbst kleine forstliche Maßnahmen wie Durchforstung oder Jungbestandspflege werden, wenn diese wahrgenommen werden, zunächst oft pauschal mit dem Verlust von Wald assoziiert (Seidel und Raab 2015).
Kommunikation, Dialog und Transparenz

Abbildung 5: Integrative Bewirtschaftungskonzepte sichern Erholungen (Foto: R. Kneschke, fotolia.com)
Durch einen Austausch mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen können zusätzliche wichtige Informationen gewonnen werden und diese in eine Entscheidungsfindung mit einbezogen werden. Die gefundenen Lösungen können damit im Management berücksichtigt werden und erfahren so eine breite Unterstützung durch die Gesellschaft (Primmer und Kyllönen 2006).
In Bayern bedienen sich beispielsweise die Runden Tische der Bergwaldoffensive dieses Ansatzes. Zwar sind mitunter langwierige Kompromissfindungen notwendig, der Lohn für derartige Bemühungen ist aber eine breite Akzeptanz für die gefundenen Lösungen und die Bildung von Allianzen.
Eine vielbeachtete Strategie verfolgt dabei die finnische Forstbranche. Ausgehend von der Stadt Helsinki wurde versucht, verschiedene Interessensvertreter wie Umweltschützer und Erholungssuchende zusammenzubringen, um gemeinsam Handlungsstrategien im Wald zu entwickeln (Saarikoski et al. 2010). Dieser Prozess fördert eine breite Unterstützung für die Arbeit der Forstbranche und erleichtert den Austausch von Informationen und Ideen zwischen den verschiedenen Akteuren (Kangas et al. 2010).
Forstwirtschaft: bitte mit der Öffentlichkeit
Ähnliche Ansätze werden in Bayern insbesondere von kommunalen Stadtwäldern und Forstbetrieben mit hohem Nutzungsdruck verfolgt und sind mit proaktivem Vorgehen sehr erfolgreich (siehe z. B. Stengeli 2016). Zwar ist die Holzernte für viele Menschen erst einmal ein Eingriff in den Wald und passt nicht an einen Ort, der einen Gegenpol zur Stadt und »Natur pur« sein soll.
Eine der größten Ängste der Bevölkerung in Ballungsräumen ist, dass die Wälder neuer Bebauung und Infrastruktur geopfert werden (Seidel und Raab 2015). Nimmt sich der zuständige Bewirtschafter jedoch die Zeit für eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit, die sich der gesamten Bandbreite der verschiedenen Medien bedient und erklärt Zusammenhänge, entwickelt sich bei den Bürgern fast immer Verständnis und Akzeptanz (Koch 2014). Allianzen und eine gute Partnerschaft mit Verbänden und Interessensvertretern tragen dazu bei, nicht in die Rolle des »Bösewichts « gedrängt zu werden (Dobler und Suda 2013).
Herausforderungen für die Zukunft
Es wird daher zu überlegen sein, welche Baumarten überhaupt den extremen Standortbedingungen in der Stadt gewachsen sind und den dort herrschenden noch höheren Durchschnittstemperaturen, geringerer Wasserversorgung, Schadstoffen, aber auch Starkregenereignissen am besten trotzen können.
Dabei muss man sich auch Gedanken machen, welche nichtheimische Gehölze insbesondere in dicht bebauten Bereichen in Frage kommen, wo einheimische Arten nicht mehr gedeihen können (Roloff et al. 2008). Zudem wird es für die Sicherung und Entwicklung der vielfältigen Leistungen auch ganz entscheidend darauf ankommen, Wälder nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil der gesamten städtischen Landschaft mit ihren vielfältigen Freiflächen und Grünräumen aufzufassen.
Zusammenfassung
Zwar wird der Wald noch immer überwiegend zum Spazierengehen genutzt, jedoch haben sportliche Aktivitäten wie Joggen und Nordic Walking stark zugenommen. Um auf Änderungen und potenzielle Konflikte reagieren zu können, ist ein regelmäßiges Erholungsmonitoring in stark frequentierten Wäldern sinnvoll.
Um die Akzeptanz eines integrativen Waldmanagements zu steigern, ist ein intensiver Dialog mit unterschiedlichen Interessensgruppen von zentraler Bedeutung.
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Weiterführende Links
Autoren
- Prof. Dr. Stephan Pauleit, TU München
- Dr. Gerd Lupp, TU München