Kathrin Böhling
Einflussstrategien für eine EU-Forstpolitik – LWF aktuell 127
Förster und Försterinnen auf dem Weg: Von Adressaten zu Mitgestaltern in der europäischen Forstpolitik
Die in Deutschland föderal organisierte Forstpolitik ist zunehmend durch europäische Politikentwicklungen beeinflusst. In der EU gibt es keine gemeinsame Forstpolitik. Jedoch werden die gewachsenen Anforderungen an Wälder verstärkt auf europäischer Ebene geregelt. Maßnahmen aus angrenzenden Politikbereichen – etwa Klima, Energie und Naturschutz – wirken sich indirekt auf den Umgang mit Wäldern aus (Böhling 2018; Kleinschmit 2017).
Am Lehrstuhl für Wald und Umweltpolitik der TU München wurden deshalb Strategien für eine effektive Einflussnahme auf forstlich relevante Politikprozesse in der EU entwickelt. Grundlage sind Literaturstudien, Leitfadengestützte Interviews und inhaltsanalytische Auswertungen. Der vorliegende Beitrag stellt die zentralen Erkenntnisse zu den Einflussstrategien dar und zeigt abschließend auf, wo Potenziale zur Beeinflussung europäischer Politik liegen.
In Deutschland sind Bund und Länder in der Verantwortung, günstige Rahmenbedingungen für die Gewährleistung einer integrativen Forstwirtschaft zu schaffen. Beispielsweise gilt nach Artikel 1 des Bayerischen Waldgesetzes, Wälder nachhaltig zu bewirtschaften, weil sie eine »besondere Bedeutung für den Schutz von Klima, Wasser, Luft und Boden, Tieren und Pflanzen, für die Landschaft und den Naturhaushalt« haben.
Bayern als waldreiches Bundesland vertritt die Länderebene in EU-Gremien. Es ist im Interesse des Freistaats, die Vertretungsstrukturen in Brüssel für forstpolitische Belange zu nutzen, d.h. bei Formulierung und Reformierung relevanter Politiken aktiv zu werden und sich einzubringen – also mitzugestalten.
TUM-Projekt identifiziert Einflussstrategien in der EU-Forstpolitik
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Abb. 1: Dr. Kathrin Böhling und Helena Eisele (re.) vor dem EU-Parlament (Foto: K. Böhling)
Politikbeeinflussung wird hier aus Sicht interessierter Akteure verstanden und anhand von vier Fragen zu dem »Wann«, »Wo«, »Wer« und »Wie« der politischen Einflussnahme dargestellt. Diese Strategien werden häufig mit dem Engagement von Verbänden, sich für ihre Anliegen einzusetzen – also Lobbying – gleichgesetzt, schließen aber auch staatliche Akteure mit ein.
Die Einflussstrategien von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren kommen im institutionalisierten Rahmen, etwa bei öffentlichen Konsultationen oder in der Gremienarbeit der Europäischen Kommission zum Tragen, und beinhalten auch informelle und wenig-institutionalisierte Ad-hoc-Treffen und Dialoge.
Wann ist der richtige Zeitpunkt?
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Abb. 2: Dr. Kathrin Böhling und Helena Eisele (re.) vor dem European Forestry House in Brüssel. (Foto: K. Böhling)
Grundsätzlich gilt, dass ein frühzeitiges Engagement in europäischen Politikprozessen entscheidend für den eventuellen Erfolg in der Interessensvertretung ist (Schmedes 2008). Dies zeigt sich unter anderem in Analysen zu forstrelevanten Politiken wie der Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (FFH-RL), der Holzhandelsverordnung EUTR und der neuen Bilanzierungsverordnung für Kohlenstoffbindung und -emissionen aus der Landnutzung (LULUCF) (Sotirov et al. 2017; Weber & Christophersen 2002). Die LULUCF-VO bezieht Wälder und die Waldbewirtschaftung in die europäische Klimapolitik mit ein.
Zentral sind die für Gesetzgebungen typischen Phasen des Agenda-Setting und der Politikformulierung. Sie werden von der Kommission bestimmt. »Am Ball bleiben«, »Immer das Ohr dran haben«, »Druck machen, wenn man rechtzeitig genug Bescheid weiß, wie die Diskussionen laufen, so lange sie laufen« – sind typische Äußerungen, die von verschiedenen Seiten geäußert wurden. Bezogen auf die FFH-RL wurde beispielsweise bemerkt: »Da sieht man, dass man frühzeitigst dabei sein muss, und das muss in Brüssel sein.«
Wenn Parlament und Rat über EU-Gesetzgebung beraten und entscheiden, liegen die Präferenzen in der Regel fest. Mehrheiten können sich jedoch verändern. Die Abgeordneten im EU-Parlament haben keinen Fraktionszwang. Hinzu kommt, dass bei Entscheidungen zu forstlich relevanten Politiken Mehrheiten im Parlament und Ministerrat ohne die Vertreter waldreicher Länder kaum machbar sind. Da Parlament und Rat i.d.R. gemeinsam entscheiden, ist neben dem kontinuierlichen Kontakt zu Mitarbeitern der Kommission auch der frühzeitige Austausch mit EU-Abgeordneten wesentlich für eine effektive Einflussnahme.
Wo wird EU Politik beeinflusst?
Brüssel ist der zentrale Ort für die Beeinflussung europäischer Politik (Eising et al. 2017). Hier arbeitet die Kommission, tagt das Parlament, treffen sich die Staats- und Regierungschefs und die Ressortminister, hier haben europäische Verbände ihre Geschäftsstellen und finden die für das Zusammentreffen der unterschiedlichen Akteure relevanten Gremien- und Ausschusssitzungen, Konferenzen und sogenannte Policy-Science Dialoge statt. »Vor Ort« zu sein ist ein häufiges Thema in den Interviews und bezieht sich in der Regel auf Brüssel. Forstpolitische Einflussnahme kann darüber hinaus jedoch auch »vor Ort« in der Region und auf lokaler Ebene zielführend sein.
Beispielsweise fand im Frühjahr 2017 auf Initiative forstlicher Akteure in Bayern eine Exkursion mit hochrangigen Vertretern der Kommission statt. Fragen des Waldnaturschutzes wurden konkretisiert und Lösungswege diskutiert. Vergleichbare Beispiele gibt es im Zusammenhang mit dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Projekt INTEGRATE sowie aus anderen EU-Mitgliedsländern. Bei gemeinsamen Exkursionen wird vor Ort veranschaulicht, wie europäische Anforderungen in die Fläche gebracht werden und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Dialog und Meinungsbildung stehen im Vordergrund – nicht das Abstimmungsverhalten in spezifischen Entscheidungssituationen.
Wer ist aktiv und wie?
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Abb. 3: Politische Einflussnahme in Brüssel hat viele Wege. (Foto: K. Böhling)
In Brüssel sind Vertreter von Ministerien und Verwaltungen, Waldbesitzer- und Naturschutz- bzw. Umweltverbände, außerdem Bauernverbände und die Verbände der Holz- und Papierindustrie forstpolitisch aktiv. Generell gilt, dass europäische Dachverbände eher Gehör finden, wenn sie in der Lage sind, eine einheitliche Position innerhalb ihrer Mitgliederstruktur festzulegen, finanziell solide ausgestattet sind, professionell auftreten und Argumente und Positionen vorbringen, die für die Kommission und das Parlament relevant sind (Schmedes 2008).
Die europäischen Bauernverbände profitieren bei der Interessensvertretung von ihrem hohen Organisationsgrad und den traditionell engen Verflechtungen mit Landesministerien (Leibfried 2017). Umweltverbände haben sich als »Insider« europäischer Politik etabliert. Empirisch hat sich gezeigt, dass sie im politischen Lobbying der Kommission erfolgreicher sind, wenn sie moderate Forderungen stellen und vernetzt agieren (Bunea 2013). Am Beispiel von Umweltverbänden lässt sich außerdem zeigen, dass die Zusammenarbeit mit anderen Verbänden und die Bildung breiter Koalitionen die eigene Machtbasis vergrößern.
Seit gut 15 Jahren organisieren sich auch Privatwaldbesitzer und Staatsforstbetriebe für ihre forstpolitische Interessensarbeit in Brüssel. Die Dachverbände CEPF (Confederation of European Forest Owners) und EUSTAFOR (European State Forest Assiciation) gelten Beobachtern zufolge als etabliert. Hierzu hat sicherlich auch das gemeinsame Dach des Forestry House in Brüssel beigetragen, das gegenüber dem EU-Parlament und unweit der Bayerischen Vertretung in Brüssel gelegen ist und 2007 eröffnet wurde. Mangelhafte finanzielle und personelle Ressourcen sind jedoch nach wie vor ein Thema. Hinzu kommt, dass der Forstsektor in Brüssel tendenziell unter sich bleibt. Was Verhandlungsmacht demonstrieren soll, kommuniziert Abgrenzung gegenüber anderen.
Die gängige Strategie forstlicher Akteure, Politik in Brüssel zu beeinflussen, zielt auf die in der Forschung als »Gütertausch« beschriebene Praxis der Kommission. Weil die Kommission daran interessiert ist, Vorschläge vorzulegen, die machbar und durchsetzbar sind, während Verbände Zugang zu politischen Willensbildungsprozessen suchen, liegt laut Hartlapp et al. (2010) ein wechselseitiges Interesse an Zusammenarbeit vor. Für diese auch als wissensbasierte Form der Politikbeeinflussung beschriebene Strategie ist die kontinuierliche Beobachtung der sich in Brüssel abzeichnenden Entwicklungen notwendig.
In den Interviews wurden »gute Kontakte« – etwa zu Abgeordneten und in die Kommission hinein – hervorgehoben, um beispielsweise »mit Österreich, aber auch mit Frankreich einen engen Schulterschluss herbeizuführen« oder in die Kommissions-internen »Diskussionen immer schön einfließen lassen: aus Deutschland höre ich das, aus Spanien höre ich das, aus Frankreich höre ich das. Das wirkt immer sehr gut, weil die Kommission ja selbstverständlich die Dinge auch durchbekommen will, ohne großes Hin und Her dann später.«
Der hier beschriebene, für die Interessensvertretung genutzte, direkte Kontakt zu EU-Institutionen vollzieht sich informell. Formal ist das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für europäische Waldpolitik zuständig. Das BMEL kann Positionen in den entsprechenden Gremien einbringen, darüber mit den anderen Mitgliedstaaten verhandeln und abstimmen.
Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) ist hier als Ländervertreter lediglich beobachtend tätig. Jedoch kann es über die Ausschussarbeit des Bundesrates aktiv werden, dort bayerische Positionen zur Abstimmung einbringen und so das BMEL auffordern, spezifische Länderinteressen auf EU-Ebene zu unterstützen.
Dem europapolitischen Agieren des BMEL sind enge Grenzen gesetzt. Für Deutschland ist das Ministerium federführend für die EU-Waldstrategie und die Gemeinsame Agrarpolitik zuständig. Für andere, den Wald betreffende Politikbereiche sind andere Ressorts federführend – etwa Umwelt, Wirtschaft und Finanzen. Da es zwischen den Ressorts immer wieder zu internen Differenzen kommt, insbesondere zwischen Landwirtschaft und Umwelt, sind die entsprechenden Ministerien auf EU-Ebene häufig gezwungen, sich bei Abstimmungen zu enthalten, was nicht nur aus Sicht von EU-Abgeordneten eine »Katastrophe« darstellt.
Einflussnahme in Brüssel erfordert Kooperation
Für eine effektive Vermittlung forstlicher Belange in Brüssel ist es wesentlich, dass sich die Vertreter von Verbänden, Institutionen und Organisationen vernetzen und strategische Allianzen bilden. Obwohl die einschlägige Forschung als auch Erfahrungsberichte unserer Gesprächspartner darauf verweisen, ist die forstpolitische Praxis oft eine andere. Warum dies so ist und wie forstliche Akteure das Potenzial von Kooperationen besser für ihre europapolitischen Belange nutzen können, wird abschließend erläutert und diskutiert.
Kooperieren, um Einfluss auszuüben: Mit welchen Konsequenzen?
Europäische Waldbesitzerverbände koalieren typischerweise untereinander, mit Bauernverbänden und gegebenenfalls mit Verbänden der Holzindustrie. Ähnlich verhält es sich bei EU-Mitgliedstaaten mit nennenswerter Forstwirtschaft. Für die Gremienarbeit und Ratssitzungen stimmen sie sich mit »like-minded states« ab. Die hierfür notwendige Kommunikation nach innen hat sich verbessert, ist nach außen jedoch ausbaufähig.
Ist ein Handeln aufgrund politischer Entwicklungen geboten, sind forstliche Akteure gefordert sich abzustimmen, was konkret zu tun ist. In den vergangenen 20 Jahren wurden verschiedentlich Anstrengungen unternommen, die BundLänder-Koordinierung auszubauen. Die aktuelle EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands hat die Beteiligten veranlasst, ihre Zusammenarbeit zu effektivieren. Parallel hat der Deutsche Forstwirtschaftsrat (DFWR) mit seinen Mitgliedsverbänden begonnen, sich intern zu koordinieren und europapolitische Belange auf die Agenda zu heben.
Politische Einflussnahme in Brüssel erfordert außerdem Zusammenarbeit mit anderen, nicht-forstlichen Akteuren. Die in der EU verhandelten Politiken für Klima, Naturschutz oder Rohstoffsicherung schließen unterschiedliche Akteure ein. Aus Sicht von Beobachtern würden sich forstliche Akteure schwer damit tun, in Dialog zu treten und Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden. Immer »Nein« sagen, sei falsch, »weil dann gestalte ich nichts mehr mit. Dann bin ich irgendwann mal raus.« In Brüssel sei nicht zu rechtfertigen, dass die Interessen des bayerischen Privatwaldbesitzers über dem Schutz globaler Güter wie dem des Klimas oder des Naturschutzes stünden, weil dies dann auch für den brasilianischen Soja-Bauern gelten müsse.
Forstpolitik in Brüssel ist eine andere als in Berlin/Bonn oder München. Forstliche Akteure sind in Brüssel gefordert, den forstpolitischen Föderalismus als Stärke zu kommunizieren. Hierfür gibt es gute Gründe und vergleichbare Beispiele aus anderen Ländern. Auf lokaler und regionaler Ebene werden Lösungen für globale Probleme gefunden und praktiziert. Mit einer an Problemlösung orientierten Haltung sind eigene Interessen in Brüssel durchsetzbar.
Zusammenfassung
Die in Deutschland föderal organisierte Forstpolitik ist zunehmend durch europäische Politikentwicklungen beeinflusst. Maßnahmen aus angrenzenden Politikbereichen – etwa Klima, Energie und Naturschutz – wirken sich indirekt auf den Umgang mit Wäldern aus. Auf Grundlage sozial-empirischer Forschung zeigt der vorliegende Beitrag Strategien für eine effektive Einflussnahme auf forstlichrelevante Politikprozesse in der EU auf.
Politikbeeinflussung wird aus Sicht interessierter Akteure verstanden und anhand von vier Fragen zu dem »Wann«, »Wo«, »Wer« und »Wie« der politischen Einflussnahme dargestellt. Angesichts des fragmentierten EU-Forstpolitikfeldes kann es für die effektive Einflussnahme in Brüssel entscheidend sein, mit nicht-forstlichen Verbänden und Vertretern anderer EU Mitgliedstaaten zu kooperieren. Forstliche Akteure in den Bundesländern und im Bund sind gefordert, sich intern abzustimmen und den forstpolitischen Föderalismus als Stärke zu kommunizieren.
Projekt
Das Projekt »Europäische Forstpolitik und Forstwirtschaft: Vom Adressaten zum Mitgestalter von Politik« (Laufzeit: März 2017 bis April 2020) hat das Ziel verfolgt, Kompetenzen für europapolitische Prozesse im föderal strukturierten Forstpolitikfeld für die Bayerische Forstverwaltung zu entwickeln. Es wurde am Lehrstuhl für Wald- und Umweltpolitik der TU München durchgeführt. Finanziell gefördert wurde das Projekt aus Mitteln des Kuratoriums für forstliche Forschung des StMELF.
Literatur
- Böhling, K. (2018): Forstpolitik in der EU: Ohne Vertragsgrundlage aber mit Konsequenzen für forstliche Akteure in der EU. LWF aktuell 116, S. 49–50
- Bunea, A. (2013): Issues, preferences and ties: determinants of interest groups’ preference attainment in the EU environmental policy. Journal of European Public Policy, 20, S. 552–570
- Eising, R.; Rasch, R.; Rozbicka, P.; FinkHafner, D.; HafnerFink, M. (2017): Who says what to whom? Alignments and arguments in EU policy-making. West European Politics, 40, S. 957–980
- Hartlapp, M.; Metz, J.; Rauh, C. (2010): Made in Brussels: Wie externe Interessen ihren Weg in die Politikformulierung der EU-Kommission finden. WZB Mitteilungen 130, S. 7–10
- Kleinschmit, D. (2017): Grundlagen der supranationalen Waldpolitik. APuZ 67, Sonderheft Wald, S. 39–45
- Leibfried, S. (2017): Agrarpolitik als Sozialpolitik. In: F. Hoose, F. Beckmann, A. L. Schönauer (Hg.) Fortsetzung folgt. Kontinuität und Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft. Springer, S. 289–308
- Schmedes, H.J. (2008): Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbände im Mehrebenensystem – Lobbyingaktivitäten britischer, deutscher und europäischer Verbände. Wiesbaden: VS Verlag
- Sotirov, M.; Stelter, M.; Winkel, G. (2017): The emergence of the European Union Timber Regulation: How baptists, bootleggers, devil shifting and moral legitimacy drive change in the environmental governance of global timber trade. Forest Policy & Economics 81, S. 69–81
- Weber, N.; Christophersen, T. (2002): The influence of nongovernmental organisations on the creation of Natura 2000 during the European policy process. Forest Policy & Economics 4, S. 1–12
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