LWF Wissen 87
Die Moorbirke (Betula pubescens) – Verbreitung, Variabilität und Ökologie
von Gregor Aas

Die Moorbirke (Betula pubescens, Betulaceae) ist eine im borealen Nordeuropa und Asien weit verbreitete Baumart. In Mitteleuropa kommt sie auf nassen Standorten und insbesondere in Mooren vor. Dargestellt werden die Morphologie der Art, die Abgrenzung zur Hängebirke (B. pendula), ihre Ökologie und Reproduktionsbiologie. Die hohe Variabilität der Moorbirke ist auch die Folge von introgressiver Hybridisierung mit anderen Betula-Arten, insbesondere mit B. pendula. Artbestimmung und intraspezifische taxonomische Differenzierung sind dadurch erschwert.

Bild eines Zweiges der Zwergbirke mit runden, gezackten Blättern

Abb. 1a: Die Zwergbirke (Betula nana) ist ein höchstens 1 m hoher Zwergstrauch mit nur 0,5 bis 1,5 cm großen, rundlichen Blättern. (© G. Aas)

Gattung

Zur Gattung Betula (Birke; Birkengewächse, Betulaceae gehören etwa 45 sommergrüne Baum- und Staucharten, die zirkumpolar auf der gesamten Nordhemisphäre verbreitet sind (Ashburner & McAllister 2013). In Mitteleuropa sind vier Arten heimisch: Neben den baumförmigen Vertretern Moorbirke (Betula pubescens Ehrh.) und Hängebirke (B. pendula Roth) zwei sehr seltene, strauchförmige Arten (Abb. 1a+b). Die Strauchbirke (B. humilis Schrank) und die Zwergbirke (B. nana L.) kommen als Eiszeitrelikte nur in Mooren vor, in Bayern vor allem im Voralpenland. Beide sind durch den Abbau und die Trockenlegung von Mooren in ihrem Bestand gefährdet.

Zweig einer Strauchbirke mit ovalen gezähnten Blättern

Abb. 1b: Die Strauchbirke (B. humilis) kann 3 m hoch werden und hat eiförmige, bis 4 cm lange Blätter. (© Gregor Aas)

Morphologie

Eine Moorbirke die mehrstämmig und verkrümmt ist in den AlpenZoombild vorhanden

Abb. 2: Mehrstämmig und »tortuos« wachsende Moorbirke in der subalpinen Stufe der Alpen (A, Nauders). (© G. Aas)

Nahe der Baumgrenze, in der borealen Taiga und Tundra bzw. in den Alpen, wachsen Moorbirken eher als Strauch denn als Baum, meist mehrstämmig, niedrig- und krummwüchsig (Abb. 2). Unter günstigeren Bedingungen erreichen sie Höhen bis 20 m und Brusthöhendurchmesser (BHD) bis 50 cm. Die größte in Deutschland bekannte Moorbirke, ein Baum im Schwenninger Moos (Baden-Württemberg), ist knapp 30 m hoch und hat einen Stammumfang von 3 m (gemessen in 1,3 m Höhe; https://ddg-web.de).

Die Moorbirke ist der bei uns viel häufigeren Hängebirke morphologisch ähnlich (Tabelle). Die Abgrenzung beider Arten und insbesondere die sichere Bestimmung von B. pubescens bereitet oft Probleme, da in der Literatur unterschiedliche Merkmale zur Artdifferenzierung und insbesondere zur intraspezifischen Variation relevanter diagnostischer Merkmale angegeben sind (Amphlett 2021). Habituell ist für beide typisch, dass sie eher schlanke Kronen bilden mit mehr oder weniger spitzwinklig aufsteigenden Ästen. Namensgebend für die Hängebirke sind die, vor allem bei älteren Bäumen, zur Spitze hin fast peitschenförmig überhängenden Zweige (Abb. 3). Im Unterschied dazu stehen die Zweige bei der Moorbirke starr aufrecht oder zur Seite ab.
Freistehender Baum des jeweiligen Habitus im SchneeZoombild vorhanden

Abb. 3: Moorbirke (links) und Hängebirke (rechts) lassen sich im Freistand gut an ihrem Habitus unterscheiden. (© O. Holdenrieder (links), G. Aas (rechts))

Gut unterscheiden lassen sich beide Arten nur anhand der Behaarung ihrer Sprosse (Tabelle, Abb. 5). Bei der Moor- oder Haarbirke, wie sie auch heißt, sind die jungen Sprossachsen behaart, meist auch die Blattstiele und die Adern auf der Blattunterseite. Die Behaarung kann innerhalb der Art, aber auch innerhalb von Individuen stark variieren. So gibt es Moorbirken mit samtig dicht behaarten Sprossachsen und unterseits flächig behaarten Blättern bis hin zu Individuen, deren Sprosse nur zerstreut behaart sind. Bei der Hängebirke sind Blätter und Sprossachsen kahl oder nur kurz nach dem Austrieb spärlich behaart. Die jungen Zweige weisen mehr oder weniger reichlich helle warzige Harzdrüsen auf, die bei B. pubescens nur vereinzelt vorkommen.
Tabelle: Merkmale zur Unterscheidung von Moorbirke (Betula pubescens) und Hängebirke (B. pendula).
 Moor- oder HaarbirkeHänge oder Warzenbirke
HabitusÄste spitzwinklig bis waagrecht abstehend,
Zweigspitzen nicht überhängend
Äste spitzwinklig aufsteigend, die Zweigspitzen mit dem Baumalter zunehmend überhängend
Rindenicht so hell wie bei der Hängebirke; matt weiß bis grau, seltener bräunlich; kaum Borkenbildungweiß, an stärkeren Stämmen mit längsrissiger, dunkler Borke
Sprossachse± dicht behaart; mit ovalen Lentizellen, aber
ohne oder nur wenigen warzigen Drüsen
kahl, mit ovalen Lentizellen, v. a. an kräftigen Langtrieben ± viele, helle, warzige Drüsen
LaubblätterStiel ± behaart; Spreite zumindest unterseits und an den Nerven behaart; eiförmig, mit kurzer Spitze, ihre Basis abgerundet bis fast herzförmig, seltener keilförmig, am Rand meist
einfach gesägt
kahl; Spreite ei- bis rautenförmig, meist lang zugespitzt, Basis gestutzt bis keilförmig, am Rand meist doppelt gesägt

sehr weiße Borke gegenüber einer nach unten hin dunkler werdenden Borke

Abb. 4: Die Rinde der Moorbirke (links) ist matt- oder grauweiß, bleibt bis ins hohe Alter glatt und meist ohne Borke. Im Unterschied dazu wandelt sich die anfangs glatte, hellweiße Rinde der Hängebirke (rechts) an stärkeren Stämmen zu einer dunklen, fast schwarzen, tief längs rissigen Borke. (© G. Aas)

Knospen im Vergleich

Abb. 5: Die Sprosse der Moor- oder Haarbirke sind flaumig behaart (links), worauf auch ihr wissenschaftlicher Artname pubescens (= flaumhaarig) verweist. Die jungen Zweige der Hänge- oder Warzenbirke (rechts) sind kahl mit hellen warzigen Drüsen. (© G. Aas)

Blätter im Vergleich

Abb.6: Laubblätter der Moorbirke (links) und der Hängebirke (rechts). (© G. Aas)

Verbreitung und Ökologie

Blick in einen MoorbirkenwaldZoombild vorhanden

Abb. 7: Reinbestand der Moorbirke auf ca. 1000 m Meereshöhe bei Geilo, Südnorwegen. (© G. Aas)

Betula pubescens hat ein großes Verbreitungsgebiet. Es erstreckt sich über fast ganz Europa, ausgenommen Teile des Mittelmeergebiets, geht im Norden bis nach Island und Südgrönland, umfasst ganz Skandinavien und reicht im Osten vom Baltikum über Russland und Sibirien bis fast an den Pazifik in Nordostasien. Im borealen Eurasien bildet diese an extreme Kälte und kurze Vegetationszeiten bestens angepasste Art ausgedehnte Wälder (Abb. 7). Zusammen mit der Vogelbeere bildet sie weit nördlich des Polarkreises die Baumgrenze.

In Deutschland ist Betula pubescens zwar weit verbreitet (Abb. 8), aber eher selten, da nur auf feuchten bis nassen, nährstoffarmen Standorten vorkommend. Schwerpunkte der Verbreitung liegen im Bereich des atlantisch getönten Klimas im nordwestdeutschen Tiefland, in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, in den schneereichen Lagen der Mittelgebirge (z. B. Sauerland, Harz, Rhön, Erzgebirge, Fichtelgebirge, Bayerischer Wald), im Voralpengebiet und in den Alpen. In den nördlichen Kalkalpen kommt sie bis zur Baumgrenze auf Höhen von ca. 1900 m vor, in den Zentralalpen bis 2200 m. Betula pubescens besiedelt Moor- und Bruchwälder, Hochmoorränder und Quellsümpfe sowie in höheren Lagen der Gebirge Blockhalden und bodensaure Fichtenwälder. Sie wächst auf feuchten bis staunassen, nährstoffarmen bis mäßig nährstoffreichen, humosen Sand- oder Torfböden.

Karte Deutschlands mit Moorbirkenvorkommen: Nord-, Ostdeutschland und Alpen

Abb. 8: Verbreitung der Moorbirke in Deutschland. (© www.floraweb.de)

Die Moorbirke ist an diese Standorte gebunden. Aber Vorsicht, nicht jede auf diesen Standorten vorkommende Birke ist eine Betula pubescens. Die Hängebirke hat im Unterschied zur Moorbirke eine viel breitere ökologische Amplitude und kann trockene wie nasse Standorte und unterschiedliche Böden besiedeln. Auch auf anmoorigen oder sumpfigen Standorten ist sie anzutreffen, mitunter vergesellschaftet mit der Moorbirke. Beiden Arten gemeinsam sind ihre ausgeprägten Pioniereigenschaften. Sie wachsen in der Jugend sehr rasch, sind extrem lichtbedürftig bzw. wenig schattentolerant, können schon im Alter von nur wenigen Jahren fruktifizieren und bilden dann fast alljährlich große Mengen winzig kleiner Früchte, die durch den Wind auch über größere Entfernungen ausgebreitet werden können. Das Höchstalter beider Birken liegt bei 80 bis 100 Jahren.

Reproduktionsbiologie

Bild der Männlichen und weiblichen BlütenZoombild vorhanden

Abb. 9: Die hängenden männlichen Kätzchen und darüber die aufrechten grünen, weiblichen Blütenstände (links). Weibliche Blütenstände; von der Einzelblüte sind nur die Spitzen der rötlichen Narben sichtbar (rechts). (© G. Aas)

Die kätzchenartigen Blütenstände der Moorbirke erscheinen zeitgleich mit dem Laubaustrieb (Abb. 9). Die männlichen Kätzchen sind bereits im Sommer des Vorjahres angelegt und überwintern nackt (Abb. 10). Die weiblichen Blütenstände stehen aufrecht an den Frühjahrstrieben und werden durch den Wind bestäubt.

Die Intensität der Fruchtproduktion variiert von Jahr zu Jahr, wobei es unter mitteleuropäischen Bedingungen nur selten Jahre mit ausbleibender Fruktifikation gibt. Die kleinen, gut flugfähigen Früchte (sog. Segelflieger, Abb. 11) werden durch den Wind ausgebreitet (Anemochorie). Dies geschieht unmittelbar nach der Samenreife im Spätsommer oder Herbst, aber auch noch den Winter über bis ins kommende Frühjahr. Die Ausbreitungsdistanzen variieren je nach Windverhältnissen, Geländetopografie und Bestandesstrukturen und können mehrere hundert Meter betragen (bei Betula pendula wurden mittlere Distanzen von bis ca. 380m ermittelt, (Tiebel et al. 2020). Sekundär können Birkenfrüchte auch auf der Schneedecke gleitend und im abfließenden Regen- und Schmelzwasser verfrachtet werden.

Bild der Blütenstände im Winter

Abb. 10: Mitten im Winter finden sich bei der Moorbirke nebeneinander noch Fruchtkätzchen aus der zurückliegenden Vegetationszeit und die nackt überwinternden, noch geschlossenen männlichen Infloreszenzen für die kommende Blühsaison. (© G. Aas)

Wie andere Arten der Gattung Betula bilden Moorbirken enorme Mengen an Samen (Liu et al. 2021). Ein einziger Fruchtstand enthält bis zu 450 Samen, ein stärkerer Baum kann in günstigen Jahren bis zu 10 Millionen Samen produzieren (Perala & Alm 1990). In finnischen Birkenbeständen wurden bis zu 10.000 Samen/m2 ermittelt (Koski & Tallquist 1978, zit. in Holm 1994; Tiebel et al. 2020 geben ähnliche Maximalwerte für B. pendula in Thüringen an). Die Samen sind austrocknungs- und frosttolerant und bleiben lange keimfähig (bei Zimmertemperatur bis zwei Jahre; Ashburner & McAllister 2013, Perala & Alm 1990). Auch in der Samenbank des Bodens behalten die kleinen, reservestoffarmen Samen noch erstaunlich lange Zeit ihre Keimkraft (bei B. pendula bis zu 13 Jahre; Tiebel 2023).

Moorbirken können sich gut durch den Austrieb schlafender (proventiver) Knospen regenerieren. Ihre Fähigkeit zu Stockausschlägen ist stärker ausgeprägt als bei B. pendula (Hynynen et al. 2010) und hat vor allem im borealen Bereich für die natürliche Verjüngung von Birkenwäldern, aber auch für ihre Bewirtschaftung als Niederwald große Bedeutung.

Samen der Moorbirke auf Schnee

Abb. 11: Die nur einige Millimeter langen Nussfrüchte der Moorbirke haben an beiden Seiten einen häutigen Flügel. An ihrer Spitze sind oft noch die Reste der beiden Narben zu sehen. Zwischen den Früchten die dreilappigen Fruchtschuppen, die beim Zerfallen der Fruchtstände auf den – hier schneebedeckten – Boden fallen. (© G. Aas)

Hybridisierung und Introgression fördern die Variabilität der Moorbirke

Fast ganz kahle Blätter der MoorbirkeZoombild vorhanden

Abb. 12: Die fast ganz kahlen Blätter einer Moorbirke in der Hohen Tatra (Karpaten). (© G. Aas)

Die Moorbirke ist eine sehr vielgestaltige Art. Die taxonomisch relevanten Merkmale unterliegen einer hohen Variation, weshalb ihre Bestimmung oft große Probleme bereitet. Ein Grund für die hohe Variabilität ist das Phänomen des interspezifischen Genflusses durch Bastardierung und Introgression (Amphlett 2021, Jonsell 2000).

Betula pubescens ist tetraploid (2n = 56), B. pendula hingegen diploid (2n = 28). Häufig wird unterstellt, dass die unterschiedlichen Ploidiestufen Introgression zwischen beiden Arten verhindern. B. pendula und B. pubescens sind aber kreuzbar (Eifler 1958). Unter natürlichen Bedingungen findet man primäre, mehr oder weniger intermediäre F1-Hybriden (= Betula × aurata) aber nur selten. Da triploid (3n = 42), sind sie normalerweise auch nicht zur sexuellen Reproduktion und damit zur Rückkreuzung mit B. pendula oder B. pubescens befähigt, was den Genfluss (Genintrogression) zwischen den Arten verhindert.
Baum auf Berg, ebenfalls kahlZoombild vorhanden

Abb. 13: Moorbirken in den Hochlagen der Vogesen, die hier je nach taxonomischer Auffassung als Karpatenbirken gelten. (© A. Reif)

Ermöglicht wird dieser aber dadurch, dass B. pendula mitunter unreduzierte Gameten (1n = 28) bildet. Paaren sich diese mit normal gebildeten, reduzierten Gameten (n = 28) der Moorbirke entstehen tetraploide (2n = 56) F1-Hybriden (Amphlett 2021). Diese können sich mit Moorbirken rückkreuzen und so in Folgegenerationen (F2, F3, …) wieder tetraploide, sexuell normal reproduktionsfähige Nachkommen bilden. Im Unterschied dazu führen Rückkreuzungen mit der diploiden Hängebirke in der Regel zu triploiden, nicht sexuell fortpflanzungsfähigen Individuen. Die bevorzugte Rückkreuzung hybridogener Individuen mit der Moorbirke führt über mehrere Generationen dazu, dass sukzessive Teile des Genoms der Hängebirke in das der Moorbirke transferiert werden (einseitige Genintrogression, Zohren 2016). Dadurch gewinnt B. pubescens an genetischer und damit an morphologischer Vielfalt. Nicht selten treten deshalb Moorbirken auf, die infolge Introgression der Hängebirke sehr ähnlich sind bzw. in ihren Merkmalen kontinuierlich zwischen der als typisch erachteten Moor- und der Hängebirke vermitteln. Die praktische Folge davon sind Probleme bei der Bestimmung von B. pubescens und ihrer Abgrenzung zu B. pendula. Insbesondere in Skandinavien und in Island trägt auch die Genintrogression von der diploiden B. nana (2n = 28) in die Moorbirke zu deren Variabilität bei (Jonsell 2000, Zohren 2016).
Aufgrund der hohen Variabilität sind in der Literatur viele Unterarten und Varietäten von B. pubescens beschrieben, deren systematisch-taxonomischer Wert umstritten ist (Ashburner & McAllister 2013). Zwei dieser, auch für Mitteleuropa angegebener, intraspezifischen Sippen seien hier erwähnt:

Die Karpatenbirke (Betula carpatica, B. pubescens subsp. carpatica)

Taxonomische Verwirrung verursacht seit langem die sog. Karpatenbirke (Abbildung 12, 13), von der auch Vorkommen in Mitteleuropa und in Bayern angegeben sind (https://daten.bayernflora.de; Müller et al. 2021). In der Literatur ist sie entweder als eigene Art (Betula carpatica Willd.), als Unterart (subsp. carpatica Asch. & Graebn.) oder als Varietät der Moorbirke beschrieben. Merkmale für die Abgrenzung von der typischen Moorbirke sind u. a. weniger stark behaarte, rasch verkahlende Sprosse und eher rundliche Blätter (z. B. Müller et al. 2021). Offenbar ermöglichen diese und andere Merkmale, aber auch die geografische Verbreitung und die ökologische Einnischung der Sippe keine klare Abgrenzung von der »typischen« Moorbirke (z. B. Kuneš et al. 2019). Deshalb gilt die Karpatenbirke nach neuerer Auffassung nicht als eigene Art oder Unterart, sondern wird der typischen, aber eben sehr variablen B. pubescens zugeordnet (Ashburner & McAllister 2013).

Die Krummbirke (B. pubescens subsp. tortuosa, B. tortuosa)

Eine niedrigwüchsige, meist krumm- und mehrstämmig wachsende Form der Moorbirke kommt in der borealen Taiga und Tundra und in zentralasiatischen Gebirgen vor, aber auch in höheren Lagen der Alpen (Abbildung 2). In der Literatur wird diese Krummbirke oft als B. pubescens subsp. tortuosa Nyman oder als eigene Art, Betula tortuosa Ledeb., geführt. Nach neueren Erkenntnissen handelt es sich aber auch hier nicht um eine eigene Art oder Unterart (Ashburner & McAllister 2013, Jonsell 2000), sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine durch die extremen Bedingungen schneereicher Gebirgslagen bedingte, phänotypische Variation der Wuchsform der typischen Moorbirke.

Steckbrief Moorbirke (Betula pubescens)
Gestalt
Bis 20 (max. 30) m hoher, sommergrüner Laubbaum, Brusthöhendurchmesser (BHD) bis 70 cm, selten bis 1 m; Äste meist schräg nach oben gerichtet, zur Spitze hin aufrecht oder zur Seite abstehend

Junge Sprossachse und Knospen
Junge Sprossachse dicht samtig bis locker behaart,
± verkahlend, ohne oder nur zerstreut helle, warzige Drüsen; Knospen spiralig oder seltener zweizeilig angeordnet; länglich eiförmig, mit 4 – 8 bräunlichen, im unteren Teil meist grünlichen Schuppen

Blätter
Spiralig oder seltener zweizeilig angeordnet; Blattstiel 1 – 3 cm lang, zumindest anfangs behaart; Spreite 3 – 7 cm lang, eiförmig mit abgerundeter bis fast herzförmiger Basis, unterseits behaart, aber meist bis auf die Nerven verkahlend, am Rand einfach oder seltener doppelt gesägt

Rinde
Matt weiß bis grau, gelblich oder bräunlich, nicht so hell wie bei der Hängebirke, Lentizellen deutlich als kurze, schmale horizontale Bänder; Rinde (Periderm) blättert waagrecht mit dünnen Streifen ab; keine oder nur selten am Stammfuß Bildung einer Borke

Blüten
April bis Anfang Mai, mit dem Laubaustrieb; eingeschlechtig und einhäusig verteilt; männliche Blüten überwintern nackt in länglich-walzenförmigen Kätzchen; zur Blütezeit schlaff hängend; weibliche Blüten in gestielten, anfangs aufrechten, dünnen, 2 – 4 cm langen, grünlichen Kätzchen an diesjährigen Trieben; Bestäubung durch den Wind

Früchte
Reife im August und September; Fruchtstände (»Zäpfchen«) walzenförmig, hängend, zerfallen zur Reife in die dreilappigen, braunen Fruchtschuppen und die einsamigen, zu beiden Seiten geflügelten Nussfrüchte, jeder Flügel etwa 1 – 2× so breit wie die Nuss; Ausbreitung durch den Wind

Bewurzelung
Je nach Standort ± flaches Herzwurzel- oder Senkerwurzelsystem

Höchstalter
80 bis 100 Jahre

Chromosomenzahl
2n = 56 (tetraploid)

Literatur

  • Amphlett, A. (2021): Identification and taxonomy of Betula (Betulaceae) in Great Britain and Ireland. British & Irish Botany 3: 99-135.
  • Ashburner, K.; McAllister, H.A. (2013): The genus Betula. A taxonomic revision of birches. Kew 432 S.
  • Eifler, I. (1958): Kreuzungen zwischen Betula verrucosa und Betula pubescens. Der Züchter 28: 331-336.
  • Holm, S.-O. (1994): Reproductive patterns of birches (Betula spp.) in northern Sweden. Doctoral Dissertation, Umeå.
  • Hynynen, J.; Niemistö, P.; Viherä-Aarnio, A.; Brunner, A.; Hein,S. (2010): Silviculture of birch (Betula pendula Roth and Betula pubescens Ehrh.) in northern Europe. Forestry 83, doi:10.1093/forestry/cpp035
  • Jonsell, B. (ed.) (2000): Flora Nordica. Vol. 1. Stockholm, 344 S.
  • Kuneš, I.; Linda, R.; Fér, T.; Karlík, P.; Baláš, M.; Ešnerová, J. et al. (2019): Is Betula carpatica genetically distinctive? A morphometric, cytometric and molecular study of birches in the Bohemian Massif with a focus on Carpathian birch. PLoS ONE 14(10): e0224387. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0224387
  • Liu, Z.; Evans, M. Effect (2021): Tree density on seed production and dispersal of birch (Betula pendula Roth and Betula pubescens Ehrhs). Forests 12, 929. https://doi.org/10.3390/f12070929
  • Müller, F.; Ritz, C.; Wesche, K. (2021): Rothmaler – Exkursionsflora von Deutschland. Gefäßpflanzen: Grundband. 22. Aufl. Springer, 944 S.
  • Perala, D.A.; Alm, A.A. (1990): Reproductive ecology of birch: a review. Forest Ecology and management 32: 1-38.
  • Tiebel, K.; Huth, F.; Frischbier, N.; Wagner, S. (2020): Restrictions on natural regeneration of storm-felled spruce sites by silver birch (Betula pendula Roth) through limitations in fructification and seed dispersal. European Journal of Forest Research 139:731-745.
  • Tiebel, K. (2023): Verjüngung auf Störungsflächen. Teil 3: Bodensamenbankpotenzial. AFZ/Der Wald 78 (5): 37-41.
  • Zohren, J. (2016): Introgression in Betula species of different ploidy levels and the analysis of the Betula nana genome. PhD London, 139 S.

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