Wolfgang Arenhövel, Nico Frischbier und Corinna Geißler
Die Bedeutung der Fichte in und für Thüringen – LWF Wissen 80

Der Freistaat Thüringen gehört zu den fichtenreichen Bundesländern. Für die Forstbetriebe sind hohe Fichtenanteile eine solide Wirtschaftsgrundlage.

Allerdings ist Fichtenwirtschaft immer auch mit erheblichen Risiken verbunden, die durch den Klimawandel noch zunehmen. Der Waldbau steht damit vor der Aufgabe, die Fichtenbestände durch konsequente Pflege, Erhöhung der Mischbaumartenanteile und auch durch stärkere vertikale Strukturierung zu stabilisieren. ThüringenForst hat mit dem waldbaulichen Leitbild »naturnaher Dauerwald« die entsprechenden Weichen gestellt.

Die Bundesländer mit einem hohen Fichtenanteil – und dazu gehört zweifelsfrei auch Thüringen – begrüßen die Wahl der Fichte (Picea abies [L.] H. Karst.) zum Baum des Jahres 2017. Diese Entscheidung war längst überfällig.

Unbestritten ist die Fichte eine Baumart, die polarisiert – aber nur dann, wenn die (Forst-)Geschichte außer Acht gelassen wird. Wer sich mit Wäldern und Waldwirtschaft beschäftigt, kommt an der Geschichte unserer Wälder, die eng an die Geschichte der Menschheit mit ihren vielfältigen und sich auch immer wieder ändernden Nutzungsansprüchen gebunden ist, nicht vorbei. Der Fichtenanbau ist für diese Wechselwirkung ein Paradebeispiel. Die anspruchslose Fichte mit herausragenden Holzeigenschaften hatte zentrale Bedeutung bei der Wiederbewaldung Mitteleuropas nach umfassenden Rodungen, Übernutzungen und Kalamitäten.

Überblick

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Abb. 1: Baumartenverteilung in Thüringen (Grafik: LWF)

Aktuell ist die Fichte mit 38,4 % Baumartenanteil immer noch mit großem Abstand die häufigste Baumart in Thüringen. Ihr folgt die Rot-Buche mit 19,8 % (Wenzel et al. 2015, Abbildung 1). Diese beiden Baumarten dominieren auch im Nachwuchs sehr deutlich die Baumartenverteilung. Allerdings wird hier die Fichte bereits von der Buche überholt (Abbildung 1).

Von Natur aus ist Thüringen ein Land der Buchenwälder (Bushart und Suck 2008). Geologie, Böden und vor allem ein der Buche zusagendes Klima hätten ohne Einfluss des Menschen weit überwiegend zu buchendominierten Wäldern geführt. Der natürliche Anteil der Fichte wird von Hofmann (1990) auf der verbliebenen, heutigen Waldfläche auf etwa 5 % geschätzt. Die aktuelle PNV-Karte für Thüringen weist natürliche Fichtenwälder lediglich in Bereichen der Hoch- und Kammlagen des Thüringer Waldes und des Thüringer Schiefergebirges aus und teilt ihr dort Hochmoorrandbereiche zu. Der Lebensraumtyp 9410 – Vaccinio Piceetum laut FFH-RL ist dort für Thüringen gerade einmal auf 479 ha Waldfläche ausgewiesen (Frischbier et al. 2013).

Für die Waldbesitzer und Waldbewirtschafter in Thüringen ist der gegenwärtig noch hohe Fichtenanteil einerseits ein hinzunehmendes historisches Ergebnis von Holznöten, Reinertragslehre, nadelsägeholzbedarfsgerechtem Anbau, relativer Anspruchslosigkeit des Fichtenwaldbaus, andererseits aus betriebswirtschaftlicher Sicht aber auch eine solide Grundlage ihrer heutigen forstlichen Arbeit. Freilich bedeutet diese Situation auch eine Herausforderung, weil Fichtenwirtschaft außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets der Fichte immer mit erheblichen Waldschutzrisiken verbunden ist.

Seit der politischen Wende 1989, mit Übergang zu einer naturnahen Waldwirtschaft, ist der Fichtenanteil in Thüringen bereits deutlich zurückgegangen (Tabelle 1, Wenzel et al. 2015). Und diese Entwicklung wird dank des ambitionierten Waldumbaus anhalten, selbst wenn das Basisszenario der Waldentwicklungs- und Holzaufkommensmodellierung 2012 noch von konstanten Fichtenanteilen von ca. 38,2 % ausgegangen ist. Schon heute dürfte diese Prognose überholt sein.
Tabelle 1: Zeitliche Veränderung des Baumartenanteils der Fichte an der Gesamtwaldfläche im Freistaat Thüringen.
JahrFichtenanteil [%]Datenquelle
199346,9Datenspeicher Waldfonds der ostdeutschen Bundesländer (DSWF)
200243,0Bundeswaldinventur 2 (BWI 2)
201238,4Bundeswaldinventur 3 (BWI 3)
2022-2052ca. 38,2Waldentwicklungs- und Holzaufkommensmodellierung (WEHAM)

Wald- und Holzland Thüringen

Fichtenholz hat hervorragende Eigenschaften für vielfältigste Verwendungen und wird entsprechend nachgefragt. Die alljährlichen Meldungen des Thüringer Landesamts für Statistik machen deutlich, dass der Holzeinschlag im Freistaat Thüringen (seit 2010 regelmäßig bei 2,5 Mio. fm) durch die Baumartengruppe Fichte (Tanne und Douglasie sind darin marginal enthalten) mit etwa 1,4 bis 1,5 Mio. fm pro Jahr dominiert wird. Die Verwertung des heimischen Fichten (-säge-) Holzes ist für die ansässige Sägeindustrie in Thüringen und in dessen unmittelbarer Nachbarschaft sowie für das Cluster Forst und Holz insgesamt von zentraler Bedeutung.

Im Staatswald liegt der Anteil der Fichte (bei einem Baumartenanteil von 43 %) bei ca. 60 % des Gesamteinschlags, bei den Gesamteinnahmen aus dem Holzverkauf sogar bei 65 %. Einschlag und Vermarktung von Fichte haben damit insbesondere im Landeswald der Thüringer Forstverwaltung eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung.

Das Cluster Forst und Holz liegt mit jährlich über 2 Milliarden Euro Umsatz in Thüringen in Summe auf Platz vier und ist damit einer der wichtigsten Arbeitgeber. 100 fm Holz in der Wertschöpfungskette der Holzbe- und -verarbeitung sichern einen Arbeitsplatz. Insgesamt sind es 40.000 Arbeitsplätze im Cluster Forst und Holz (TMLNU 2007). Jeder Festmeter nachhaltig genutzten Holzes aus Thüringens Wäldern erbringt zudem für den Freistaat Steuereinnahmen in Höhe von 110 €. Neben der Sicherung von Arbeitsplätzen sind die Ausbildungsplätze des Clusters Forst und Holz für junge Menschen – insbesondere im strukturschwachen ländlichen Raum – von großem Interesse.

Für die Kohlenstoffbilanz der Thüringer Wälder (für 2002 – 2012 nachzulesen in Wenzel et al. 2015, S. 57 ff) und damit insgesamt für den Klimaschutz hat die Fichte ebenfalls eine herausragende Bedeutung. Im Wald in Thüringen sind in Pflanzen, Totholz, Humus und Mineralboden momentan etwa 118,3 Mio. Tonnen Kohlenstoff gespeichert, davon alleine etwa 62,7 Mio. in ober- und unterirdischer Baumbiomasse, wovon 24,3 Mio. Tonnen auf die Baumartengruppe Fichte entfallen (etwa 20,5 % der Gesamtbilanz bzw. knapp 40 % der Dendromassenbilanz). Seit 2002 fungiert die Fichte dabei nachweislich als Kohlenstoff-Senke, weil sich trotz abnehmender Fichtenfläche Holzvorrat erneut erhöht hat (+ 46 Vfm/ha auf inzwischen 384 Vfm/ha).

Die Fichte trug in dieser Zeitspanne jährlich zur Kompensation von Treibhausgasemissionen bei, mit Raten von durchschnittlich 90.000 t C bzw. 330.000 t CO2. Dennoch ist aus einer Thüringer Studie bekannt, dass sich anschließende Klimaschutzeffekte der Holzverwendung hinsichtlich qualitativ hochwertiger Holzprodukte und einer Kaskadennutzung noch wesentlich steigern lassen, beispielsweise wenn Holzentwertungen durch Rotwildschäle vermieden werden können und die Vermarktung optimiert wird (Mund et al. 2015).

Die Kehrseite der Medaille

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Abb. 2: Zeitstrahl zum Schadholzaufkommen (verändert nach TMUEN 2017).

Der zurückliegende massive Fichtenanbau in Mitteleuropa – vor allem außerhalb der natürlichen Fichtenverbreitung – ist immer wieder in die Kritik geraten, weil die Schadanfälligkeit dieser künstlichen Nadelwälder außerordentlich hoch ist. Zudem erfolgte ihr Anbau regelmäßig im riskanten und ökologisch fragwürdigen Reinbestand. Dies trifft ohne Einschränkung auch für Thüringen zu. Kurth (1994) gibt für intensiv bewirtschaftete mitteleuropäische Nadelholzforsten einen Schadholzanfall von etwa einem Festmeter pro Jahr und Hektar an. Dieser Wert gilt für große Zeiträume und stützt sich insbesondere auf Untersuchungen von Dittrich (1987).

Blickt man zurück und fasst nur den Schadholzanfall der größten Schadereignisse seit 1946 (Tabelle 2), ergänzt um die Monitoringdaten zu Buchdrucker- Stehendbefallsmengen der letzten 50 Jahre zusammen, dann liegt der Schadholzanfall in Thüringen eher noch leicht über diesem Wert von Kurth (1994).

Neben Sturm, Schneebruch und Borkenkäfer – auch der Kupferstecher kann Schadholzmengen im fünfstelligen Bereich verursachen – sind als weitere wichtige Schadfaktoren Dürre, Fichtengespinstblattwespe, Kleine Fichtenblattwespe, Nonne, Rotfäule und Hallimasch (v.a. in Verbindung mit Schälschäden) als Risikofaktoren zu nennen. Im jüngst erschienenen Thüringer Klimafolgenmonitoring (Abbildung 2 , TMUEN 2017) nimmt im Kapitel Wald und Forstwirtschaft daher die Fichte eine zentrale Rolle ein. Diskutiert und analysiert werden dort beispielsweise ihre Klimaangepasstheit in Naturräumen in Thüringen, ihr langjähriger Schadholzanfall mit diversen Ursachen und -ketten sowie ihre Vitalität nach anfänglichen Erholungen in den frühen 1990er Jahren.

Für dieses wiederkehrende Klimafolgenmonitoring sind langfristige, konsistente Waldmonitoringdaten aus dem Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrum von ThüringenForst von großer Bedeutung. Für Thüringen wird dank dieser langfristigen Datenreihen deutlich, dass der Anteil zufälliger bzw. zwangsläufiger Nutzungen am Gesamteinschlag Größenordnungen von durchschnittlich 10 bis 20 % einnimmt. Etwa alle fünf Jahre liegt dieser ungeplante Einschlag bei über 20 % des Gesamteinschlags und ist vor allem der Fichte zuzuordnen.

Die aktuelle Verbiss- und Schälinventur 2016 weist zwar auf Landesebene einen Rückgang der Schäden gegenüber der Erhebung 2013 nach, die Schälschäden an Fichte liegen aber immer noch deutlich über der Toleranzgrenze von 1 %.
Tabelle 2: Fichten-Schadholzanfall größerer Schadereignisse 1946 bis 2016
ZeitraumEreignisSchadholzanfall in Thüringen [fm]
1946-1949Sturm- und Borkenkäferkatastrophe im Raum Schleusingen, Oberhof5 Mio.
1980 (April)Schneebruch in Ostthüringen (Schleiz, Gera, Jena)1,5 Mio. (z.T. auch Kiefer)
1981 (DezemberSchneebruch im Thüringer Wald5 Mio.
1990 (Februar)Sturmschäden durch "Vivian" und "Lothar"1 Mio. (darunter 83% Fichte)
1999 (Dezember)Sturmschäden durch "Lothar"0,05 Mio.
2007 (Januar)Sturmschäden durch "Kyrill"3 Mio. (darunter 88,5% Fichte)

Kyrill 2007

Das letzte Großschadereignis »Kyrill« liegt zehn Jahre zurück. Bekanntlich ist nach dem Sturm schließlich doch wieder vor dem Sturm. Kleinere Stürme mit trotzdem spürbaren Schadholzmengen gab es seit »Kyrill« fast jährlich.

Um bei künftigen Sturmereignissen den Schadholzanfall möglichst gering halten zu können, hat ThüringenForst 2007 eine sehr umfassende Ursachenanalyse zum Schadausmaß des Sturmes »Kyrill« in den Wäldern des Freistaates Thüringen veranlasst. Die Ergebnisse dieser Studie (Clasen et.al. 2008) sind in die aktuelle Walbaustrategie für die Bewirtschaftung des Staatswalds, insbesondere der Fichtenbestände, eingeflossen und werden auch den privaten und kommunalen Waldbesitzern zur Stabilisierung ihrer Fichtenwälder empfohlen.

Hier wird nur auf die Schadursachen eingegangen, die durch den örtlichen Bewirtschafter direkt beeinflusst werden können.

  • Baumartenwahl: Erwartungsgemäß lag auf wechselfeuchten, mineralischen und organischen Nassstandorten sowie in Moor- und Quellbereichen das Schadprozent deutlich höher als auf terrestrischen Standorten. Auf die standortgerechte Baumartenwahl ist künftig noch konsequenter zu achten.
  • Baumartenmischung: Jede Art von Beimischung hat im Vergleich zum Fichtenreinbestand das Schadprozent der Fichte verringert. Je höher der Mischbaumartenanteil war, desto geringer fiel das Schadprozent aus. Reinbestände wurden daher aus dem aktuellen Bestandeszieltypenkatalog gestrichen. Mindestens 20 % Mischbaumartenanteil sind gefordert.
  • Eingriffsstärke: Je jünger und stärker der Eingriff, desto größer der Schadholzanfall.
Dieses Ergebnis hat dazu geführt, dass Eingriffsstärken über 90 fm/ha nicht mehr toleriert werden. Die Regel sind heute 2 (bis 3) Eingriffe im Jahrzehnt je nach Wüchsigkeit und waldbaulicher Dringlichkeit mit einer Eingriffsstärke von 50 – 60 fm/ha.

Auf ehemaligen Kyrill-Schadflächen im Thüringer Landeswald schlossen inzwischen zwei Doktoranden der TU-Dresden ihre Forschungen zu ausgewählten Aspekten erfolgreich ab, konkret (1) zur Zukunft von Rotbuchen- Voranbauten nach Fichtenschirmverlust (Weidig et al. 2015a, 2015b) und (2) zur Wiederbewaldung von großen Schadflächen durch Pionierbaumarten benachbarter Fichtenbestände (Tiebel et al. 2015).

Auch für andere Fragestellungen im Zusammenhang mit Stürmen und Sturmfolgen bietet ThüringenForst-AöR gerne Themen, Betreuung und Versuchsflächen im praktischen Betrieb an. Schließlich soll aus derart schmerzhaften Sturmkatastrophen wenigstens gelernt werden können.

Klimawandel

Der Klimawandel ist nachgewiesene Realität, die Fichte ist davon besonders betroffen (TMUEN 2017; Frischbier et al. 2014; Frischbier 2011). Wenn heute gepflanzt wird, dann sollen die verwendeten Baumarten auch in etwa 100 Jahren noch vital sein. Sie müssen daher eine Temperaturerhöhung inklusive daran gekoppelter erhöhter Verdunstungsraten von mindestens +2 °C in diesem Zeitraum aushalten und außerdem mit geringeren Niederschlägen in der Vegetationszeit zurechtkommen.

ThüringenForst hat sich das Thema Baumartenwahl in Zeiten des Klimawandels frühzeitig auf die Agenda geschrieben und in den Jahren 2007 bis 2010 im Rahmen einer fachgebietsübergreifenden Arbeitsgruppe mit Expertenwissen aus den Gebieten Standorts-, Boden- und Vegetationskunde, Klimaforschung, Waldbau, Ertragskunde, Forstliche Rahmenplanung, Waldfunktionskartierung und Forsteinrichtung sowie unter Einbeziehung der Forstpraxis aktuelle Baumartenempfehlungen als wichtige Grundlage für die Anpassung der Forstwirtschaft an den Klimawandel erarbeitet (z. B. Frischbier et al. 2010).

Diese Baumartenempfehlungen räumen der Fichte Anbaumöglichkeiten als Hauptbaumart (Anteil am Bestand 50 % bis 80 %) noch auf 18 % der Waldfläche in Thüringen ein. Außerdem kann die Fichte als Mischbaumart (Anteil 20 % bis 50 %) auf weiteren 20 % der Waldfläche gebracht werden. Das ist eine Größenordnung, die bereits 2007 über einen methodisch anderen Weg hergeleitet wurde (Seiler et al. 2007). Die inzwischen durch zwei Landesregierungen bestätigten Waldumbaubemühungen fußen ganz wesentlich auf diesen forstlichen Analysen.

Zu beachten sind zudem die potenziellen Risikogebiete der Fichte gegenüber klimatischen Bedingungen und Borkenkäfergradationen (Profft et al. 2008), die nicht mehr geeignet für den Anbau dieser Baumart sind. Um den Rückgang der Hauptbaumart Fichte betriebswirtschaftlich einigermaßen zu verkraften, wird der Anbau von Weiß-Tanne und Douglasie – wo immer möglich – forciert. Diesen beiden Baumarten werden im Klimawandel deutlich bessere Chancen eingeräumt. Sie sind ebenfalls außerordentlich leistungsstark und eignen sich hervorragend als Mischbaumarten.

Dienstordnung Waldbau

Zum 01.01.2015 hat sich ThüringenForst eine neue Dienstordnung Waldbau gegeben. Mit dieser wurden die bisher gültigen Waldbaugrundsätze naturnaher Waldbewirtschaftung konsequent weiterentwickelt. Das neue waldbauliche Leitbild zur Bewirtschaftung des Landeswaldes ist der naturnahe Dauerwald. Der naturnahe Dauerwald ist ein standortgerechter, baumartenreicher, strukturierter und ungleichaltriger Wald, der durch seine Stabilität und Elastizität Risiken durch abiotische und biotische Einflüsse minimiert, sich selbst verjüngt und eine nachhaltige, multifunktionale Nutzung ermöglicht. Er ist durch regelmäßige Bewirtschaftung geprägt.

Kontinuierlich werden die Altersklassenwälder in den Dauerwald überführt. Jeder Eingriff ist so zu gestalten, dass er unter den vorgefundenen Bedingungen einen Schritt in Richtung Leitbild darstellt.

Wo immer möglich ist die biologische Automation umfassend zu nutzen. Das zu sichernde breite Baumartenspektrum dient dabei der Risikovorsorge und -verteilung, das heißt dass die Dominanz der Hauptbaumarten aufgegeben wird. Die Lichtbaumarten, hier ist insbesondere an Trauben-Eiche, Stiel-Eiche und an Kiefer zu denken, sollen auch in Zukunft angemessen am Waldaufbau beteiligt werden.

Die Erhaltung der genetischen Vielfalt der Baumarten ist Voraussetzung für die Anpassungsfähigkeit an die Klimaveränderungen. Der naturnahe Dauerwald wird daher nach Baumartenzusammensetzung, Dichte und Struktur viele Facetten haben. Stabile, leistungsstarke Fichtenmischbestände sind darin möglich durch:
  • standortgerechte Baumartenwahl
  • an die Hoch- und Kammlagen angepasste Herkünfte
  • Mischungsanteile von Neben- und Mischbaumarten
  • konsequente Pflege (früh-mäßig-oft)
  • horizontale und vertikale Strukturierung
  • angemessene Feinerschließung (Pflegepfade bzw. Rückegassen).
junge NadelbäumeZoombild vorhanden

Abb. 3: Pflegedringliche Fichtennaturverjüngung (Foto: ThüringenForst-AöR/Arenhövel)

Für die Sicherung der Mischungsanteile sind vor allem die Jungwaldphasen zu nutzen. Eine besondere Herausforderung stellen diesbezüglich sehr dichte, stammzahlreiche Fichtennaturverjüngungsbestände dar (Abbildung 3), die sich in den letzten Jahren in weiten Teilen Thüringens etabliert haben. Schirmfreie Naturverjüngung ist grundsätzlich zu pflegen. Dies gilt auch für Bestände, deren Schirm eine Differenzierung der Naturverjüngung nicht ermöglicht (oder nicht mehr erwarten lässt).

Da sich verschiedene Varianten des Auskesselns von ca. 300 Fichten je ha nicht bewährt haben, sind schematische Eingriffe mit einer Stammzahlreduktion auf maximal 1.800 Fichten je ha plus ggf. vorhandene Mischbaumarten das Mittel der Wahl. Die ergonomische Belastung der Waldarbeiter, die Überlebenswahrscheinlichkeit der Mischbaumarten sowie die Kosten zwingen zur rechtzeitigen Pflege im Jungwuchsstadium bis 2 m Höhe (ausnahmsweise bis 3 m Höhe).

Das Thüringer Waldumbauprojekt

Ein besonderer Waldumbauschwerpunkt ergibt sich im Thüringer Wald (www.waldwandel-gegen-klimawan del.de), wo nach verheerender Orkan- und Borkenkäferkalamität in den Nachkriegsjahren bis 1954 auf einer Schadfläche von etwa 26.000 ha (Schreiber et al. 1996) oft mit Fichte ungeeigneter Herkünfte, vor allem aus dem Tiefland wiederaufgeforstet wurde. Schäden durch Sturm, Schneedruck und Borkenkäfer häufen sich.

Im Rahmen eines koordinierten Projekts mit Komponenten aus Waldbau, Wildmanagement, Betriebswirtschaft und Forsttechnik werden in der Modellregion mehrere Ziele verfolgt:
  • Aufwertung und Strukturierung labiler Fichten-Naturverjüngung
  • Pflege mittelalter (geschädigter) Fichten-Reinbestände
  • Baumartenwechsel bzw. -anreicherung
  • Fichten-Provenienzwechsel.
In den Hoch- und Kammlagen des Thüringer Waldes setzt man dazu einerseits auf die Erhaltung, Einbringung und Förderung von Eberesche in Fichtenbeständen (selbstverständlich neben Bergahorn, Buche, Tanne u. a.). In praxisnaher Forschung mit Partnern an der UNI-Göttingen, TU-Dresden und der FH-Erfurt sammelt ThüringenForst dazu wertvolle Erfahrungen vom regionalen Ebereschenkataster, über Saatversuche bis zur Regenerationsfähigkeit nach Freistellungen.

Andererseits verfügt Thüringen über letzte, fruktifizierende Reliktvorkommen der Fichte in Hochlagen, deren Saat- und Pflanzgut zwar nicht für einen umfänglichen Herkunftswechsel in der Region ausreicht, aber spätere Waldgenerationen zumindest geno- und phänotypisch bereichern soll.

Die spitzkronige, langsamwüchsige Hochlagen-Fichte von »Schlossberg«, »Arlesberg« oder »Wurzelberg« besitzt die identische und enorme genetische Variation der Fichte herzynisch- karpatischer Refugialgebiete (ISOGEN 2010, 2012). Sie ist aber stark beeinträchtigt durch externe Polleneinträge. Daher erfolgte schon 2004 die Anlage einer Generhaltungssamenplantage (Arenhövel und Konnert 2005).

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Autoren

  • Wolfgang Arenhövel
  • Nico Frischbier
  • Corinna Geißler