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Franz Binder, Christian Macher und Kay Müller Dem Schutzwald auf der Spur – LWF aktuell 120
Die kartenmäßige Darstellung des Schutzwaldes in den Bayerischen Alpen stammt aus den 1980er Jahren. Eine Überarbeitung der über dreißig Jahre alten Karten war dringend notwendig. Da terrestrische Aufnahmen auf Grund der hohen Kosten zunächst einmal ausschieden, wurde eine Kartierung von Schutzwaldflächen mittels geografischer Informationssysteme geprüft.
Etwa 60 Prozent der Waldfläche im bayerischen Alpenraum sind nach der terrestrischen Kartierung durch die Bayerische Forstverwaltung in den Jahren 1975 bis 1984 Schutzwald im Sinne des Artikels 10 Bayerisches Waldgesetz (Bay- WaldG). Schutzwald verringert das Risiko von Naturgefahren wie Steinschlag, Erdrutschen und Lawinen, schützt den Boden vor Abtrag und dient dem Hochwasserschutz (BayStMELF 2016). Er ist nach Art. 10 BayWaldG in einem Schutzwaldverzeichnis zu erfassen. Das Schutzwaldverzeichnis enthält:
[i]Übersichtsblätter[/i], in denen ein zusammenhängender Schutzwald innerhalb des Bereichs einer unteren Forstbehörde hinsichtlich seiner Grenzen, seiner Größe und seiner Art beschrieben ist.
[i]Karteiblätter[/i]: Jedes Flurstück innerhalb eines in einem Übersichtsblatt beschriebenen Schutzwaldes erhält ein eigenes Karteiblatt.
[i]Übersichtskarten[/i] für alle Schutzwälder innerhalb des Bereichs einer unteren Forstbehörde (Maßstab mindestens 1 : 50 000).
Abb. 1: Ausschnitt einer Schutzwaldkarte (Quelle: für Schutzwaldmanagement Murnau)
Nach der Reform der Forstverwaltung im Jahr 2005 sollte die Schutzwaldkartierung überprüft werden, weil sich herausstellte, dass sie insbesondere in Oberbayern im Bereich des Staatswaldes Ungenauigkeiten enthielt. Die amtliche Schutzwaldkarte lag allerdings nur in Papierform vor. Auf Grund ihres Alters, häufigen Gebrauchs und nachträglicher Korrekturen ist sie häufig unleserlich (Abbildung 1).
Eine Überarbeitung und Bereitstellung in digitaler Form war dringend geboten. Da eine terrestrische Überprüfung der Schutzwaldflächen sehr zeitaufwendig und damit teuer gewesen wäre, wurde die Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft gebeten, ein Verfahren zu entwickeln, welches erlaubt, Schutzwaldflächen kostengünstig mithilfe eines Geoinformationssystems (GIS) zu ermitteln.
Vom Gesetzestext zur digitalen Schutzwaldhinweiskarte
Grundlage für die Kartierung von Schutzwald ist Art 10 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 BayWaldG. Die für die Eigenschaft von Schutzwald mit Dauercharakter maßgebenden Kriterien bestimmt die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 18. März 1977 (Zerle et al. 2007). Diese Kriterien mussten in GIS-kompatible Anweisungen übersetzt werden. An der Übersetzung waren die Leiter der Fachstellen für Schutzwaldmanagement der Bayerischen Forstverwaltung sowie ein Vertreter des bayerischen Forstministeriums beteiligt.
Nicht alle Kriterien sind mit einem GIS eindeutig fassbar wie zum Beispiel der Schutzwaldtyp [i]Rutschhänge[/i]. Dagegen waren Kriterien wie zum Beispiel Schutzwaldtyp [i]Hochlagen[/i] aufgrund ihrer eindeutigen Definition als sicheres Kriterium anzusprechen und im GIS eindeutig abbildbar (Tabelle 1, Abbildung 2). Um einer Fragmentierung der zu erstellenden GISbasierten Schutzwaldkarte entgegenzuwirken, wurden potenzielle Schutzwaldflächen erst ab einer Mindestausdehnung von 30 m und eine Mindestfläche von 0,2 ha erfasst. Die Darstellung des so im GIS modellierten Schutzwaldes wird als [i]Schutzwaldhinweiskarte[/i] bezeichnet.
Wichtigste Grundlage für die Modellierung ist das digitale Geländemodell (DGM). Aus diesem Modell können Basisdaten wie Geländeneigung, Höhenlage und Hangrichtung direkt abgeleitet werden. Um eine ausreichende Genauigkeit zu erzielen, ist dafür eine räumliche Auflösung von mindestens 10 m notwendig. Wertvolle Informationen liefern Fachdaten des Landesamtes für Umwelt (LfU), wie die Geologische Karte Bayerns und die Gefahrenhinweiskarte Bayerische Alpen (LfU 2009), welche geogene Gefährdungen wie Rutschungen und Steinschläge darstellt. Von Bedeutung waren auch die Ergebnisse aus dem Projekt »Einzugsgebiete in alpinen Regionen« (EGAR) (LfU 2014). Sie finden unter anderem Eingang bei der Modellierung der Schutzwälder entlang der Fließgewässer.
Die Erstellung der Schutzwaldhinweiskarte geschah in mehreren Schritten. Zwischenergebnisse waren jeweils potenzielle Schutzwaldflächen für die einzelnen Schutzwaldtypen, die sodann übereinander gelegt wurden (Tabelle 1, Abbildung 2). Es entstand die Karte der potenziellen Schutzwaldfläche für den bayerischen Alpenraum. Sie stellt die theoretisch mögliche Verteilung des Schutzwaldes im Gelände dar, ohne zu berücksichtigen, ob dort auch tatsächlich Wald stockt. Die Reduzierung der potenziellen Schutzwaldfläche auf die tatsächliche Schutzwaldfläche und damit auf die Schutzwaldhinweiskarte erfolgte durch das Verschneiden mit der aus ATKIS abgeleiteten Waldfläche.
Die digital erstellte Schutzwaldhinweiskarte kann ausgedruckt werden. Dies geschieht durch Kombination des Schutzwaldlayers mit den benötigten Kartenthemen wie Flurkarte und Topografische Karte. Die Darstellung kann dabei den Erfordernissen angepasst und durch zusätzliche Kartenthemen ergänzt werden. Zielmaßstab für die analogen Ergebniskarten ist 1 : 5.000. Als »Hinweiskarte Schutzwald« ohne rechtsverbindlichen Charakter können die Karten als Arbeitsgrundlage für den gesamten bayerischen Alpenraum verwendet werden.
(2) Streampower-Index: Maß, das die Erosionsenergie des Oberflächenabflusses darstellt. Es wurde unterstellt, dass im Bereich der höchsten Abflusskonzentration Rinnen auftreten, in denen regelmäßig Lawinen abgehen
Abbildung 2: Ablaufschema der Arbeitsschritte zur Erstellung der Schutzwaldhinweiskarte aus den Karten der potenziellen Fläche der einzelnen Schutzwaldtypen (Grafik: LWF)
Computer deutlich leistungsstärker als Kartierer
Die mittels GIS erstellte Schutzwaldhinweiskarte wurde im Gelände mit einem Stichprobenverfahren überprüft und mit der vorliegenden Schutzwaldkarte verglichen. Demnach bildet in den von uns ausgewählten Pilotgebieten in Oberbayern (Garmisch-Partenkirchen) und im Allgäu die GIS-basierte Karte den Schutzwald genauer ab als die amtliche Schutzwaldkarte.
Die Schutzwaldhinweiskarte erkannte in 90 % der Fälle den Bergwald mit Schutzfunktionen, wohingegen die Schutzwaldkarte für den Raum Garmisch-Partenkirchen nur gut 60 % des Schutzwaldes korrekt erfasste. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass im Pilotgebiet Oberbayern für viele Waldflächen die Hanglabilitätskarte nach Laatsch und Grottenthaler (1973) die Grundlage für die Ausweisung von Schutzwald war, welche jedoch nicht alle Kriterien der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 18. März 1977 erfasst. Dagegen weist die auf terrestrischen Begängen beruhende Schutzwaldkarte im Allgäu mit einer Trefferquote von 86 % ebenfalls eine hohe Genauigkeit auf.
Aufgrund dieser positiven Ergebnisse wurde die Schutzwaldhinweiskarte dem Unternehmen Bayerischen Staatsforsten (BaySF) für den Forstbetrieb Schliersee zur Verfügung gestellt. Die BaySF prüfte im Rahmen der Forsteinrichtung die Genauigkeit der Schutzwaldhinweiskarte. Die Forsteinrichter stellten keine offensichtlichen Fehler fest und bestätigten, dass die GIS-basierte Ableitung des Schutzwaldes grundsätzlich eine höhere Exaktheit aufweist als die »alte« Schutzwaldkarte.
Die hohe Qualität der Schutzwaldhinweiskarte ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die sicheren Kriterien flächenmäßig überwiegen und im Regelfall im Gelände mehrere Kriterien pro Einzelpunkt erfüllt sind. Zum Beispiel waren im Pilotgebiet Oberbayern 62 % der Stichpunkte mit mehr als einem Kriterium belegt (Tabelle 2). Dies schließt aber nicht aus, dass die auf dem digitalen Geländemodell basierende Schutzwaldhinweiskarte nicht auch Ungenauigkeiten aufweist. Sie ist aber für den Anwender eine fundierte Arbeitsgrundlage, auch wenn er im Zweifelsfall Flächen vor Ort überprüfen muss.
Abb. 3: Darstellung von Schutzwald (Kartenausschnitt) nach verschiedenen Kategorien. (Grafik: LWF)
Aufgrund der im Forstbetrieb Schliersee gesammelten Erfahrungen wurde für den Staatswald eine Schutzwaldkarte erstellt. Dazu wurde das Verfahren unter Einbeziehung der »alten« Schutzwaldkarte nochmals modifiziert. Grundlage ist zuerst einmal generell die Karte der potenziellen Schutzwaldfläche. Alle Flächen von Schutzwaldtypen, deren Ausscheidung auf einem eindeutig definierten Kriterium beruht (Tabelle 1), wurden übernommen. Schutzwaldtypen, deren Flächenausscheidung aus unsicheren Kriterien hervorging, wurden nur übernommen, wenn die Flächen auch gleichzeitig in der alten Schutzwaldkarte enthalten waren (Abbildung 3).
Daraus wurde die Karte potenzielle Schutzwaldfläche Staatswald abgeleitet. Die Karte wurde anschließend mit der Waldfläche aus der Forstbetriebskarte verschnitten und um Kleinstschutzwaldflächen von unter 2.000 m² bereinigt. Das Ergebnis ist die »Schutzwaldkarte Staatswald«. Sie liegt mittlerweile für alle Flächen der Bayerischen Staatsforsten im Wuchsgebiet Bayerische Alpen vor und ist in das Bayerische Waldinformationssystem (BayWIS, s. Simbeck 2011) eingebunden.
Damit wurde im bayerischen Staatswald erstmalig der Schutzwald nach gleichen objektiven Kriterien kartiert ohne Interpretation diverser Kriterien durch einen Begeher vor Ort. Zudem kann sowohl im Rahmen der Forsteinrichtung als auch bei der laufenden Bewirtschaftung die Darstellung des Schutzwaldes nachvollzogen werden.
Zusammenfassung
Mit Hilfe geografischer Informationssysteme wurde eine Schutzwaldhinweiskarte auf Grundlage der im bayerischen Waldgesetz definierten Kriterien für Schutzwald erstellt. Diese hat ausschließlich deklaratorischen Charakter bezüglich ihrer Rechtsverbindlichkeit, da Schutzwald Kraft Gesetz besteht. Im Privat- und Körperschaftswald stellt sie ein wichtiges Hilfsmittel für die Beurteilung dar, ob Wald Schutzwaldstatus besitzt oder nicht. Im Staatswald entstand daraus die »Schutzwaldkarte Staatswald«, die unter anderem für die Förderung von Besonderen Gemeinwohllleistungen im Staatswald von Bedeutung ist.
Literatur
LfU - Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.) (2009): Projekt: Georisiken im Klimawandel, Vorhaben: Gefahrenhinweiskarte Bayerische Alpen, Alpenanteil Landkreis Miesbach. Abschlussbericht Umwelt Spezial. 28 S.; München
LfU - Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.) (2014): EGARKartierung – Erläuterungen und Beschreibung der Vegetationsbzw. Hydrotop-Typen in Wildbacheinzugsgebieten, Bros., 70 S.
BayStMELF - Bayerisches Staatsministerium für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (Hrsg) (2016): Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen. 68 S.; München
Laatsch, W.; Grottenthaler, W. (1973): Labilität und Sanierung der Hänge in der Alpenregion des Landkreises Miesbach. Institut für Bodenkunde und Standortslehre der Forstlichen Versuchsanstalt München. StMELF [Hrsg.]; München
Simbeck, C. (2011): Bayerisches Wald-Informationssystem, AFZDer Wald 13/2011
Zerle, A. et al. (2007): Forstrecht in Bayern: Kommentar. Kohlhammer Kommentare. Deutscher Gemeindeverlag, Stand: April 2007