LWF aktuell 140
Waldflächenbasislayer: Das Waldgesetz mit GIS übersetzt
von Florian Renner, Kristine Mayerhofer, Karin Höglmeier, Lukas Schöpf, Winfried Scharold und Peter Helmstetter

Die bislang verfügbaren Daten zur Abgrenzung von Waldflächen sind nur bedingt konform mit den waldrechtlichen Grundlagen. Eine GIS- und fernerkundungsbasierte Abgrenzung der Waldflächen nach dem Waldgesetz ist zwar schwierig – auch, weil das Waldgesetz bewusst Spielräume für Abwägungsentscheidungen lässt – der Versuch der Bayerischen Forstverwaltung hat sich dennoch gelohnt: Der neue Waldflächenbasislayer bietet als eigenständiger Waldgeodatensatz eine solide Flächenkulisse für forstliche Anwendungen.

Die Identifikation und Abgrenzung von Waldflächen nach § 2 BWaldG in Verbindung mit Art. 2 BayWaldG sind Voraussetzung für das Führen eines Wald- und Schutzwaldverzeichnisses, aber auch für viele Arbeitsabläufe und digitale Fachanwendungen, z. B., um die Waldfunktionsplanung oder die forstliche Übersichtskarte zu erstellen. Waldflächen im Sinne des Bayerischen Waldgesetzes sind zum einen gemäß Art. 2 Abs. 1 BayWaldG »[…] jede mit Waldbäumen bestockte oder nach den Vorschriften dieses Gesetzes wiederaufzuforstende Fläche«, hier im Folgenden »Absatz-1-Flächen« genannt. Zum anderen sind gemäß Art. 2 Abs. 2 BayWaldG auch »[…] Waldwege, Waldeinteilungs- und Waldsicherungsstreifen, Waldblößen und Waldlichtungen, mit dem Wald räumlich zusammenhängende Pflanzgärten, Holzlagerplätze, Wildäsungsflächen und sonstige ihm dienende Flächen« als dem Wald gleichgestellte Flächen zu betrachten. Sie werden hier als »Absatz-2-Flächen« bezeichnet.

»Tatsächliche Nutzung« zur Wald­flächenabgrenzung

Bisher bildete die vom Bayerischen Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV) bereitgestellte »Tatsächliche Nutzung« (TN) oder ein »Wald­decker« aus Sentinel-2- oder Landsat-Satellitendaten die Grundlage für die Waldflächenabgrenzung. Für die spezifischen forstlichen Fachverfahren verwendete man zumeist die TN-Wald, für neu berechnete Modellierungs- oder Fernerkundungsdaten zumeist aus Satellitendaten abgeleitete Walddecker. Die TN wird nach Anforderungen festgelegt, die sich nach dem bundeseinheitlichen Objektartenkatalog des Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystems (ALKIS) (LDBV 2023) richten. Sowohl die Vorgaben des Objektartenkataloges als auch die ebenfalls berücksichtigten Einwertungen der Landnutzung weichen jedoch zum Teil von den waldrechtlichen Vorgaben zur Waldflächenabgrenzung ab. Klassifizierungen von Wald aus Satellitendaten orientieren sich an den spektralen Eigenschaften und ignorieren die tatsächlich vorhandene Nutzung.
Abb. 1: Flächenvergleich Tatsächliche Nutzung Wald (TN-Wald) mit Waldflächenbasislayer (WBL)
Angaben in HektarTN-WaldWaldflächenbasislayerUnterschied in haUnterschied in %
Absatz-1-Waldfläche2,49 Mio.2,59 Mio+97 Tsd+3,9 %
Absatz-2-Waldflächek. A.47 Tsd--
Waldfläche gesamt2,49 Mio2,64 Mio+144 Tsd+ 5,8 %
Daraus ergibt sich, dass sich die TN-Wald für eine waldrechtskonforme Abgrenzung von Waldflächen nur eingeschränkt eignet. Schwächen der TN liegen insbesondere in der Klassifizierung von Latschenfeldern im Hochgebirge. Diese sind gemäß ALKIS-Objektartenkatalog i. d. R. den Objektarten »Gehölz« oder »unkultivierte Fläche« zugeordnet. Außerdem gehören zeitweise unbestockte Waldflächen, die durch Schadereignisse oder Erntemaßnahmen entstanden sind, häufig den »unkultivierten« Flächen an. Sukzessionsflächen und neu aufgeforstete Flächen werden oft erst nach Jahren als Wald aufgenommen. Dem Wald dienende Flächen nach Art. 2 Abs. 2 BayWaldG, insbesondere Waldwege, werden überwiegend nach ihrer Nutzung als Verkehrsflächen und nicht als Wald klassifiziert. Folglich sind diese dem Wald laut Gesetz gleichgestellten Flächen bisher überhaupt nicht als Waldflächen erfasst.

Um für forstliche Anwendungen eine solide Flächenkulisse zu haben, wurde daher mit dem neuen Waldflächenbasislayer (WBL) ein eigenständiger Waldgeodatensatz mit stärkerer Orientierung am BayWaldG entwickelt. Da das Waldgesetz aber hinsichtlich Mindestfläche, Mindestbreite und Überschirmungsgrad sowie Konnektivität der Waldflächen bewusst keine festen Grenzwerte vorgibt, zog man zur Berechnung des WBL die üblichen Gesetzesauslegungen heran wie sie z. B. die Kommentare zum Forstrecht in Bayern (Zerle et al., 2021) und zum BWaldG (Endres, 2021) enthalten.

Berechnung der Absatz-1- und Absatz-2-Flächen

Als Ausgangsdatensatz für die Neuberechnung der Waldflächen wurde die bestehende TN-Wald herangezogen. Weitere potenzielle Waldflächen suchte man mit Hilfe des Überschirmungsmodells – einer aus dem normalisierten Digitalen Oberflächenmodell (nDOM) und digitalen Orthophotos (DOP) des LDBV abgeleiteten Überschirmungskarte – unter anderem auf folgenden TN-Nutzungsarten: »Wohnbaufläche«, »Industrie- und Gewerbefläche«, »Tagebau/Grube/Steinbruch«, »Halde«, »Fläche gemischter Nutzung«, »Fläche besonderer funktionaler Prägung«, »Sport-, Freizeit- und Erholungsfläche«, »Gehölz«, »Unland/vegetationslose Fläche«, »Sumpf, Moor« und »Landwirtschaft«. Diese TN-Objektarten wurden mit Flächen verschnitten, die gemäß des Überschirmungsmodells mehr als 40 % überschirmt sind. Die Vorauswahl schloss »Straßenverkehrsflächen«, »Friedhöfe« sowie »Schiffs- und Flugverkehrsflächen« von der Überprüfung auf potenzielle Waldeigenschaft aus.

Die so gegenüber der TN »neu« identifizierten Waldflächen wurden zusätzlich um frühere TN-Waldflächen ergänzt. Hierzu verschnitt man die TN-Waldflächen der letzten fünf Jahre mit der aktuellen TN-Objektart »Unland/vegetationslose Fläche« und wertete Flächen größer als 1.000 m² zunächst als potenzielle Waldflächen. Diese Flächen waren also bis vor wenigen Jahren als Wald klassifiziert, hatten nun aber in der TN ihre Einwertung als solchen verloren. Es handelt sich dabei i. d. R. um Flächen, die aufgrund von Schadereignissen oder Erntemaßnahmen unbestockt, aber weiterhin Wald im Sinne des Waldgesetzes sind – sofern keine Ro­dungsgenehmigung vorliegt. Weitere Neuzugänge von Waldflächen stammen aus den Schutzwaldsanierungsflächen und dem Waldflächenänderungslayer (WflÄ), in dem die Revierleiterinnen und Revierleiter über das Bayerische Wald-Informationssystem (BayWIS) laufend Änderungen der Waldeigenschaft (TN-Berichtigungen, Erstaufforstungen etc.) erfassen. Nach Ergänzung dieser zusätzlichen Waldflächen wurden Flächen, die nach rechtlichen Vorgaben überwiegend kein Wald sind, als »Waldausschlussflächen« aus der Kulisse entnommen. Dabei entfernte man Gebäudeflächen, Bahngleise und Stromtrassen mit spezifischen Puffern sowie bestimmte Wasserschutzzonen und Flächen des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (»InVeKoS-Flächen«), die 2010 in der Flächenkulisse waren und seitdem weitestgehend durchgängig mit landwirtschaftlichen Fördermaßnahmen belegt waren (Zerle et al. 2021). Nach Entfernung der Ausschlussflächen wurde diese Waldentwurfskulisse im GIS mit weiteren Geowerkzeugen prozessiert, um Mindestfläche, Ausformung und räumlichen Zusammenhang der Absatz-1-Flächen zu gewährleisten.

Bei den Absatz-2-Flächen war der vom Gesetz vorgegebene räumliche Zusammenhang mit Waldflächen nach Abs. 1 sicherzustellen. Für die Erfassung solcher Absatz-2-Flächen berechnete man zunächst eine geschlossene Waldkulisse aus den Absatz-1-Flächen. Dafür wurden alle »Lücken« bis zu einer maximalen Breite von knapp über 50 m geschlossen, was Polygone mit einer Fläche bis 2.000 m² inkludiert. Mit dieser Kulisse wurden anschließend die TN-Themen »unkultivierte Fläche«, »Fläche gemischter Nutzung«, »stehende und fließende Gewässer« und »Wege« verschnitten und so als Absatz-2-Flächen selektiert, sofern sie vollständig innerhalb der geschlossenen Waldkulisse lagen. Zusätzlich wurden nur Fließgewässer mit einer Breite von weniger als 10 m verwendet.

zwei Karte von Bayern mit absolutem und relativem Flächenunterschied in ha

Abb. 2: Absatz-1-Waldflächen: Absoluter und relativer Flächenunterschied WBL vs. TN-Wald nach Wuchsgebieten (© LWF)

Rechtlich fragliche Flächen

Der Waldflächenbasislayer hat lediglich deklaratorischen Charakter, eine rechtssichere Feststellung der Waldeigenschaft einer Fläche muss im Zweifelsfall weiterhin vor Ort durch die untere Forstbehörde erfolgen. Um diese zu unterstützen, enthält der WBL eine weitere Kulisse mit Hinweisen zum rechtlichen Status der Waldflächen, die gegenüber der TN Wald neu identifiziert wurden. Darin enthalten sind neben den oben genannten »Neuzugängen« im Siedlungsbereich auch Wald aus einer früheren TN (d. h. innerhalb der vergangenen fünf Jahre) und Waldflächen, die innerhalb der aktuellen InVeKoS-Förderkulisse liegen. Zusätzlich sind TN-Waldflächen unter 2.500 m² Fläche gekennzeichnet. Ist für diese Flächen die Waldeigenschaft zweifelsfrei zu klären (z. B. bei Genehmigungsverfahren), muss eine Überprüfung vor Ort erfolgen.

Zusätzlich erfasste Waldflächen

Luftbild der Zugspitze mit grünen Flächen gekennzeichneten LatschenfeldernZoombild vorhanden

Abb. 3: Erfassung von Latschen im WBL durch Verwendung des Überschirmungsmodells (© Bayerische Vermessungsverwaltung)

Der neue WBL umfasst 2,59 Mio. ha Waldfläche – dies sind etwa 100.000 ha Absatz-1-Waldflächen zusätzlich zur bestehenden TN-Wald. Darüber hinaus werden fast 50.000 ha als Absatz-2-Flächen identifiziert. Diese bestehen überwiegend aus Wegen, gefolgt von Fließgewässern. Da die TN-Wald Absatz-2-Flächen bisher nicht enthält, ergibt sich in Summe ein Flächenunterschied von insgesamt 144.000 ha oder 5,8 %. Insgesamt deckt der WBL mit 2,64 Mio. ha eine Fläche vergleichbar mit den Ergebnissen aus der dritten Bundeswaldinventur (BWI3: 2,61 Mio. ha) (Abbildung 1).

Betrachtet man die absoluten Flächenunterschiede des WBL gegenüber der TN, sind diese in den Wuchsgebieten (WG) 12, 14 und 15 mit über 10.000 ha am höchsten: Die Absatz-1-Flächenunterschiede machen hier in Summe mit über 47.000 ha rund die Hälfte aller neuen Absatz-1-Flächen aus.

Neue Absatz-1-Waldflächen identifizierte man über alle Wuchsgebiete hinweg überwiegend in den TN-Objektarten »Siedlung« und »Vegetation«. Innerhalb der TN-Objektart »Vegetation« stechen vor allem die Nutzungsarten »Unland/Vege­tationslose Fläche« und »Gehölz« hervor, stellenweise noch »Landwirtschaft«. In der TN-Objektart »Siedlung« variiert die Fläche je Nutzungsart dagegen stark. Hier überwiegen Wälder in »Sport-, Freizeit- und Erholungsflächen« (Parks) und auf »Wohnbauflächen« (Abbildung 2).

WG 1 und 15 fallen mit über 15 % bzw. knapp 10 % Flächenunterschied auf: Im WG 1 ist insgesamt wenig Waldfläche vorhanden, weshalb hier allein Parkflächen und Gehölze im Stadtgebiet Aschaffenburg mit über 400 ha überschirmter Waldfläche prozentual deutlich beitragen; im Gegensatz dazu wurde im WG 15 Wald auf fast 15.000 ha unkultivierter Fläche und auf annähernd 9.000 ha Gehölzfläche identifiziert. WG 4 weist über 6 % zusätzliche Absatz-1-Waldfläche auf: Fast 5.000 ha wurden im TN-Objekttyp Vegetation berechnet, davon überwiegend Gehölzflächen (3.425 ha). Im WG 14 berechnete man fast 9.000 ha zusätzliche Absatz-1-Waldflächen, davon 2.600 ha auf Moorflächen (Abbildung 2).

Möglichkeiten und Grenzen des WBL

Die im WBL gegenüber der TN neu erfassten Waldflächen wurden größtenteils auf Basis des Überschirmungsmodells und »früherer« Walddaten der TN aufgenommen. Mit Hilfe des Überschirmungsmodells konnten insbesondere Waldinseln im Siedlungsbereich, größere Gehölzflächen und viele, aber nicht alle Latschenflächen im Hochgebirge erfasst werden (Abbildung 3). Die weiterhin bestehende Unschärfe bei deren Erfassung basiert auf Ungenauigkeiten in den Ausgangsdatensätzen DGM und DOM: Die tatsächlichen Objekthöhen der Latschen über dem Gelände werden teilweise zu niedrig berechnet und diese dadurch nicht erfasst, oder es sind Felsen fälschlicherweise als Baumvegetation klassifiziert.

Weitere Waldflächen des WBL waren bisher in der TN als Gehölz erfasst. Auf diesen Flächen ließ sich mit Hilfe des Überschirmungsmodells ein Baumbestand identifizieren – ob es sich dabei jedoch immer um Forstpflanzen und damit um Wald oder um Feldgehölze wie z. B. Schlehe und Heckenkirsche handelt, kann nur vor Ort überprüft werden. Außerdem konnten Flächen mit fortgeschrittener Sukzession hervorragend erfasst werden (Abbildung 4a). Besonders in enger Verzahnung mit bestehender Nutzung als Streuobst oder auf ehemaligen Weinbergslagen ist es jedoch möglich, dass die Erfassung im WBL als Wald nicht den rechtlichen Gegeben­heiten entspricht. Revierleiterinnen und Revierleiter der Forstverwaltung können dies aber in Zukunft über die Fachanwendung »Waldflächenänderung« in BayWIS korrigieren. Die Änderungen werden anschließend in den WBL eingepflegt.

Über die Integration der »historischen Waldfläche« aus den fünf Jahre alten TN-Walddaten ließen sich mit bereits erwähnter Einschränkung viele vorübergehend unbestockte Flächen wieder als Wald erfassen (Abbildung 4b). Bedingt durch die Systematik der Erstellung können Änderungen der Waldfläche (z. B. durch Rodung oder Sukzession) nur zeitversetzt erfasst werden. Eine Aktualisierung des WBL kann nur im Turnus der Bayernbefliegung (Luftbilder) erfolgen. Auf Flächen mit hoher Nutzungsdynamik wie z. B. in der TN-Objektklasse »Tagebau/Grube/Steinbruch« sollte für eine rechtssichere Einwertung daher immer eine Überprüfung vor Ort erfolgen.

Gegenüberstellung des Luftbildes Waldflächenbasislager versus Tatsächliche Nutzung

Abb. 4a+b: Mittels Überschirmung erfasste Waldflächen auf TN Gehölz und Landwirtschaft (a); Waldflächenzuwachs basierend auf früherer TN-Wald (b) (© Bayerische Vermessungsverwaltung)

Zusammenfassung

Mit Fernerkundungsdaten und GIS-Prozessen wurde der Waldlächenbasislayer (WBL) erstellt. Dieser repräsentiert bestmöglich die Waldfläche Bayerns gemäß § 2 BWaldG i.V.m. Art. 2 BayWaldG. Er dient als Arbeitsgrundlage für forstliche Fachverfahren und für weitere Ableitungen von forstlichen Geodaten. Zwar beinhaltet auch der WBL Unschärfen – dennoch stellt er eine Verbesserung gegenüber der TN-Wald dar: In dem neuen Walddatensatz sind Latschenflächen, scheinbar unbestockte Flächen und erstmals Absatz-2-Flächen enthalten. Zudem helfen Hinweise zu rechtlich fraglichen Waldflächen bei der Einschätzung des Waldstatus. Der WBL besitzt lediglich deklaratorischen Charakter und kann bei Unklarheiten im Hinblick auf die Waldeigenschaft eine Überprüfung der unteren Forstbehörde vor Ort nicht ersetzen.

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