Rudolf Seitz
"Digitalisierung": Bereits Alltag in der Arbeit der LWF - LWF aktuell 131
Vor allem im Bereich der Fernerkundung wachsen die Anforderungen rund um die Digitalisierung.
Ob als Pflichtschlagwort in Wahlprogrammen, als Entwicklungsziel von Unternehmen oder als diffuse Beschreibung einer zunehmenden Entfremdung von einer Welt, wie wir sie bisher kannten – kaum ein Begriff wurde in letzter Zeit so strapaziert wie die »Digitalisierung«. Je nach Standpunkt löst die Vorstellung einer (zunehmend) digitalen Welt nicht bei jedermann nur Glücksgefühle aus. Dabei hat die Digitalisierung längst Einzug in den Alltag gehalten – so auch an der LWF.
Doch zunächst: Was bedeutet der Begriff der Digitalisierung eigentlich? Die gängigen Definitionen decken eine sehr große Bandbreite an Erscheinungen ab. Am leichtesten begreiflich erscheint der Erklärungsansatz »Die Digitalisierung beschreibt die Transformation von analogen Strukturen in digitale Strukturen. Dies beinhaltet zum Beispiel die Umwandlung und Darstellung von Informationen und die digitale Kommunikation.«
Der Ursprung
Erfunden 1843 von einem schottischen Uhrmacher, verkörpert es seit 1974 auf dem freien Markt die digitale Revolution im Büroalltag: Ein Schriftstück wird elektronisch abgetastet, über die Telefonleitung übertragen und beim Empfänger hochgenau wieder zusammengesetzt. Heute wandeln wir ganz selbstverständlich analoge Strukturen wie Bilder, Töne und Schrift sowie einiges mehr im dienstlichen und privaten Bereich in digitale Strukturen um.
Digitalisierung an der LWF
Abb. 1: Eine analoge Begangsskizze wird nach dem Einscannen im GIS digitalisiert. (Grafik: LWF)
Eine sehr direkte Form der Digitalisierung stellt beispielsweise die Überführung von analogen Natura 2000-Begangsunterlagen der N2000-Kartierteams der Ämter in digitale Kartierinformationen dar (Abbildung 1): Im Anschluss an das Abscannen der DIN A3-großen verzugsfreien Begangskarten aus der Geländeaufnahme der Kartierteams werden diese im GIS in das passende Koordinatensystem überführt (georeferenziert) und zu maßstabsgetreuen Skizzen orthorektifiziert.
Das GIS-Programm ermöglicht dann die hochpräzise Übernahme der in den Skizzen enthaltenen geografischen und fachlichen Informationen: Wo befindet sich ein Lebensraumtyp und wie wird er bezeichnet? Diese münden im letzten Schritt in einer Datentabelle und werden in digitaler Form weiterverarbeitet. Dieser Schritt besteht meistens aus der Analyse, der Ablage oder der Weitergabe dieser digitalen Informationen.
Rechtliche Vorgaben der Datenbereitstellung
Konkreter wird es für die Geodaten-verarbeitende Abteilung 1 bei der Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie der Europäischen Union. Diese verfolgt das Ziel, eine europäische Geodateninfrastruktur für die Zwecke einer gemeinschaftlichen Umweltpolitik zu schaffen. Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, Geobasisdaten sowie Geofachdaten, die in einem der 34 Anhangthemen der Richtlinie aufgeführt sind, stufenweise über Netzdienste der Öffentlichkeit bereitzustellen.
Die Verpflichtung, Daten verfügbar zu machen, gilt nur für bereits vorhandene und in digitaler Form vorliegende Geodaten; die Richtlinie fordert nicht die Neuerfassung von analog vorliegenden Geodaten. Die Abteilung 1 hat in diesem Zusammenhang bereits die Bereitstellung digitaler Informationen über die Naturwaldreservate abgeschlossen und widmet sich Schritt für Schritt den weiteren, für uns relevanten Datenthemen.
Anwendungsfall Geodaten
Die Abteilung 1 befasst sich intensiv mit diesem Themenkomplex und wird schrittweise dieses Vorgehen als Standard im Geodatenbereich einführen. Es erscheint leicht nachvollziehbar, dass eine Forschungseinrichtung wie die LWF, die im Schnitt arbeitstäglich Geo-Daten mindestens im Gigabyte-Bereich erzeugt, diese möglichst in einem einheitlichen Format und in einer möglichst einheitlichen Umgebung verwalten muss, um sie langfristig allgemein verfügbar zu halten.
Hierfür dient die Vorgabe eines zentralen Datenbankformats im Geodatenbereich in unserer zentralen IT-Strategie. Im Verlauf der kommenden Jahre werden wir in enger Abstimmung mit den Datenerzeugern in unserem Haus die bestehenden Datenbestände in eine einheitliche Umgebung überführen und neu hinzukommende Projekte bereits in der Planungsphase in entsprechender Weise beraten.
Arbeitsschwerpunkt »Fernerkundung«: Vom Luftbild zum digitalen Datensatz
Dabei verfügt die LWF über eine historisch gewachsene, große Erfahrung, die noch aus den Zeiten der Interpretation von analogen Luftbildern an der ehemaligen Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt München stammt. In unserem Keller sind tausende analoger Luftbilder gelagert, auf deren Basis noch bis ca. 2008 Informationen über unsere Wälder entnommen wurden. Sie werden in den kommenden Jahren ebenfalls durch aufwändige Scanverfahren in Kooperation mit der Vermessungsverwaltung und dem Landesluftbildarchiv in digitale Bilddaten überführt werden.
Heute werden fernerkundliche Daten nur noch in digitaler Form bereitgestellt und verwendet. Eine große Zahl von Geosatelliten und eine kaum zu überblickende Zahl von Befliegungsfirmen helfen uns dabei, den unterschiedlichen Herausforderungen der forstlichen Praxis zu begegnen. Die rasche, dabei hochgenaue und möglichst wirtschaftliche Bereitstellung dieser Daten sind dabei die wichtigsten Vorgaben.
Borkenkäfer, Schwammspinner, Sturmschäden und Waldzustand
Abb. 2: Prinzip der Veränderungsanalyse (change detection) mit optischen Daten. (Fotos: LWF)
Die Möglichkeiten der Borkenkäfererfassung aus der Luft und dem Weltall werden momentan mit Konzentration auf den Frankenwald erforscht (s. Beitrag Straub et al., in diesem Heft), Zeitreihen von Luft- und Satellitenbildern benutzen wir, um die Dynamik und die Auswirkungen von Schwammspinnerfraß darzustellen und nach Sturmereignissen rasch Daten über deren Ausmaß bereitstellen zu können (Abbildung 2). In den kommenden Jahren sollen darüber hinaus flächendeckend Basisinformationen erarbeitet werden, die den Zustand der Wälder beispielsweise mittels Informationen bezüglich Baumartenzusammensetzung und Beschirmungsdichte beschreiben.
Die Digitalisierung ist also in vielen Facetten bereits seit einiger Zeit Alltag an der LWF. Über die Bereitstellung elektronischer Kommunikationswege hilft sie uns beispielsweise auch, in Zeiten der Corona-Pandemie unserer Dienstaufgabe nachzugehen und in Kontakt zu bleiben. Der Mensch im Mittelpunkt all diesen Fortschritts darf dabei jedoch nicht vergessen werden. Seine speziellen Bedürfnisse und auch seine Grenzen im Hinblick auf die Verarbeitung von Informationen müssen ständig und eingehend hinterfragt und beachtet werden, sonst droht uns ein Phänomen, das mit dem vorbeschriebenen Fortschritt einhergeht: der digitale Burn-out.