Yuan Jiang, Philipp Dietsch und Stefan Winter
Landwirtschaftliche Nutzgebäude aus Holz – LWF aktuell 122
TUM-Wissenschaftler hinterfragen Notwendigkeit des chemischen Holzschutzes
Viele landwirtschaftlich genutzte Gebäude bestehen in weiten Teilen aus Holz. Die Holzkonstruktionen können nutzungsbedingt höheren Feuchtigkeiten ausgesetzt sein. Dies erhöht das Risiko eines Befalls durch holzzerstörende Pilze. Chemischer Holzschutz würde das Risiko eines Pilzbefalls reduzieren, steht aber im Widerspruch zur landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion. Der Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion der TUM hat das Thema in einem Forschungsprojekt nun genauer hinterfragt.
Im landwirtschaftlichen Bauen ist »Holzschutz « ein wichtiges Thema, unter anderem bedingt durch teiloffene Bauweisen, Feuchteeintrag durch Tierhaltung oder Restfeuchten aus Lagergut. In Bezug auf die daraus resultierenden Holzfeuchten und das daraus ableitbare Gefährdungspotenzial für Holzbauteile durch holzzerstörende Organismen (Pilze, Insekten) besteht erheblicher Forschungsbedarf. In einem im Verbund mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft durchgeführten Forschungsprojekt ist der Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion der TU München der Frage nachgegangen, inwieweit für die meist aus Fichte errichteten landwirtschaftlichen Nutzgebäude ein chemischer Holzschutz notwendig ist, um dauerhafte Konstruktionen sicherzustellen.
Holz, ein idealer Baustoff in der Landwirtschaft
Als Baustoff wird Holz von vielen Landwirten bevorzugt, da sie selbst Waldbesitzer sind und Holz für vielfältige Konstruktionen und Gebäudenutzungen einsetzbar ist. Als organisches Material muss Holz allerdings vor Schadorganismen geschützt werden. Die im Jahr 2012 novellierte Normenreihe zum Holzschutz DIN 68800 ordnet die Einbausituation von Holz, in Abhängigkeit von den Umgebungsbedingungen, in bestimmte Gebrauchsklassen (GK).
In DIN 68800-1 wird ein Wert von 20 % Holzfeuchte (GK 0 und 1) als Obergrenze für das Vermeiden eines Pilzbefalls angesetzt. Insekten können zwar auch Holzbauteile mit geringerer Holzfeuchte befallen, bei den heutzutage zumeist verwendeten, technisch getrockneten Hölzern ist die Gefahr eines derartigen Befalls laut DIN 68800-1 jedoch als unbedeutend einzustufen.
Das Dilemma: Baurecht – Holzschutz – Nahrungsmittelproduktion
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Abb. 1: Messstelle zur Feuchteermittlung im Holz in einem Geflügelstall. (Foto: TUM)
Nach den bisherigen Erkenntnissen sind landwirtschaftliche Nutzgebäude aus Holz infolge ihrer Bauweise und Nutzung in die Gebrauchsklassen GK 2 oder GK 3 einzustufen. Die Fichte, eine der im landwirtschaftlichen Bauen hauptsächlich verwendeten Holzarten, ist für den Einsatz in der GK 1 oder höher gemäß DIN 68800-1 jedoch nicht ohne zusätzliche Holzschutzmaßnahmen geeignet. Die zusätzlichen Holzschutzmaßnahmen reichen vom vorbeugend baulichen Holzschutz bis hin zum vorbeugend chemischen Holzschutz.
Landwirtschaftliche Nutzbauten werden in der Normenreihe DIN 68800 bisher nicht explizit behandelt, insbesondere fehlen Angaben zu den sogenannten »Besonderen Baulichen Maßnahmen« entsprechend DIN 68800-2, d. h. konstruktiven Maßnahmen zum Holzschutz, welche eine Einordnung der Holzbauteile in die GK 0 erlauben. Vorbeugende chemische Holzschutzmaßnahmen sind zwar möglich, aber die Verwendung chemischer Holzschutzmittel wird im unmittelbaren Kontaktbereich mit Tieren ausgeschlossen.
Der Widerspruch, keinen vorbeugend chemischen Holzschutz im Umfeld der Nahrungsmittelkette einsetzen zu wollen, andererseits aber auch keine klaren normativen Regeln für die Bestimmung der Gebrauchsklasse landwirtschaftlicher Nutzgebäude bzw. Maßnahmen zur Einstufung dieser in einer niedrigeren Gebrauchsklasse (GK) zur Verfügung zu haben, stellt Bauherren, Planer und Prüfingenieure derzeit vor eine schwierig zu beurteilende Situation.
Im Rahmen des durch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) geförderten Forschungsprojekts wurden mittels eines Klima- und Holzfeuchte-Monitorings die Gebrauchsbedingungen in landwirtschaftlichen Nutzgebäuden mit typischen Anwendungsfällen systematisch erfasst und ausgewertet. Insgesamt wurden 13 Nutzgebäude in zwölf Betrieben aus den Bereichen Stallanlagen und Lagerhallen untersucht (Tabelle 1).
Das Kriterium »Holzfeuchte über 20 %« alleine reicht nicht aus
Zur Bewertung des Gefährdungspotenzials durch holzzerstörende Pilze liegt der Fokus auf den im oberflächennahen Bereich (15 mm) gemessenen Holzfeuchten. In allen Ställen mit Ausnahme des Warmstalls wurden an der Mehrzahl der Messstellen dauerhaft Holzfeuchten unter 20 % festgestellt. Holzfeuchten über 20 %, jedoch dauerhaft unter 30 %, treten vorwiegend im Bereich lokaler Besonderheiten (z. B. unter offenem First, über Mistbereich oder unmittelbar im Bereich des Melkstandes) auf.
An keiner Messstelle wurde der Fasersättigungspunkt überschritten. Holzzerstörende Pilze benötigen eine Holzfeuchte oberhalb des Fasersättigungspunktes (etwa 30 %), um Holz abbauen zu können. Auch in den Lagerhallen wurden zumeist Holzfeuchten unter 20 % gemessen, im Mittel lagen diese leicht unter den in den Ställen gemessenen Holzfeuchten. Ausnahmen bildeten die Bauteile im Lagerbereich der Kartoffelhalle und die Bauteile im Hackschnitzellager, die im unmittelbaren Kontakt mit den Hackschnitzeln oder von feuchter Luft aus dem Hackschnitzelhaufen umströmt waren.
Bei einer kompletten Bauwerksaufnahme aller untersuchter Objekte und zusätzlicher Befragung der Gebäudenutzer konnte an keinem Bauteil Insektenbefall oder Pilzwachstum festgestellt werden. Um dieses positive, aber im Hinblick auf die Messstellen mit Holzfeuchten ≥ 20 % über längere Zeiträume nicht gleich schlüssige Ergebnis aufzuklären, wurde auf das von Viitanen & Ritschkoff (1991) aus umfangreichen Laborversuchen abgeleitete und von Kehl (2011) zusammenfassend dargestellte Holzzerstörungsmodell zurückgegriffen (Abbildung 3). Dieses berücksichtigt, dass ein Pilzbefall und Pilzwachstum – neben der Höhe der Holzfeuchte – auch von der Dauer der umgebenden Luftfeuchte und der Temperatur abhängig ist.
Aus dem detaillierten Modell wurde von Kehl (2013) ein vereinfachter ingenieurmäßiger Ansatz abgeleitet. Grafisch dargestellt ergibt sich, im Unterschied zur Grenzlinie nach DIN 68800, eine temperaturabhängige Grenzkurve für die maximal zulässige Holzfeuchte, unterhalb der Pilzbefall vermieden werden kann. Diesem Modell folgend wird zur Bewertung des Gefährdungspotenzials bei allen Bauteilen mit Holzfeuchten über 20 % eine genauere Untersuchung der gekoppelten Einflüsse Holzfeuchte und umgebende Temperatur vorgenommen.
Im Folgenden werden drei beispielhafte Messstellen (Kälberstall, Milchviehstall, Lagerhalle) mittels des vorab erläuterten Ansatzes näher betrachtet (Abbildung 3).
Kälberstall
Das erste Beispiel ist ein Kälberstall, in dem an der offenen Traufseite an insgesamt 76 Tagen Holzfeuchten über 20 % gemessen wurden. Bei alleiniger Betrachtung der Grenzlinie nach DIN 68800 liegen einige Messpunkte oberhalb der dort angegebenen Grenze für eine Einstufung in GK 0 oder 1. Vergleicht man die Ergebnisse mit dem vorab vorgestellten, ingenieurmäßigen Ansatz liegt keiner der Tagesmittelwerte innerhalb des blauen Schwankungsbereiches, d. h. ein Pilzwachstum am untersuchten Bauteil kann ausgeschlossen werden.
Milchviehstall
Im einem Milchviehstall wurden Messungen an einer Stütze vorgenommen, welche sich direkt im Bereich des Melkstandes befindet und dem Spritzwasser aus der Reinigungsvorrichtung ausgesetzt ist. Die gemessenen Holzfeuchten lagen konstant über 20 %. Kombiniert mit der Temperatur fallen alle Messpunkte in den Bereich, in dem eine Gefahr von Pilzwachstum gegeben ist. Der Grund, dass trotzdem kein Pilzbefall am Bauteil festgestellt wurde, wird darin vermutet, dass ein »Aktivieren« der Pilzsporen nicht stattgefunden hat, da die dafür notwendige Luftfeuchte von mindestens 95 % nicht erreicht wurde. Zudem ist ein möglicher »Auswascheffekt« infolge des Reinigungsprozesses vorstellbar.
Lagerhalle
Abschließend ein Blick auf den Lagerbereich der Kartoffellagerhalle: Beinahe alle Messpunkte fallen in den Bereich, in dem Pilzwachstum möglich ist. Allerdings wurde hier ebenfalls kein Pilzbefall am Bauteil festgestellt. Bei genauerer Betrachtung herrschten in der Kartoffellagerhalle ab Anfang Oktober bis Mitte März für gut fünf Monate circa 7 °C und 95 % relative Luftfeuchte. Dies hat eine »Aktivierung« der Pilzsporen möglich gemacht.
Danach ist die relative Luftfeuchte auf ca. 90 % gesunken und bewegte sich zwischen 80 und 90 % für die anschließenden sechs bis sieben Monate. Dabei lagen die Temperaturen zwischen 5 und 20 °C. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass trotz einer eventuell schon gegebenen »Aktivierung« der Pilzsporen die nach dem Auskeimen für das »Starten« des Pilzwachstums notwendigen Klimabedingungen nicht über eine ausreichende Zeitdauer gegeben waren.
Schlussfolgerung
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Abb. 3: Auswertung der Messdaten aus drei beispielhaften Objekten (Grafik: LWF)
Bis Anfang März 2018 wurden im Rahmen des Forschungsprojekts insgesamt über 15 Millionen Messwerte erfasst und ausgewertet. Bei 27 von insgesamt 78 Messstellen wurden Holzfeuchten über 20 %, jedoch unter Fasersättigungspunkt gemessen. Bei Berücksichtigung des präziseren Holzzerstörungsmodells nach Viitanen (1991) zeigte sich, dass das Potenzial einer Feuchteanreicherung bis zum Fasersättigungspunkt (dem Grenzwert für Holzabbau durch Pilze) bei lediglich fünf der 27 Messstellen nicht auszuschließen ist. Bei einer zusätzlichen Bauwerksaufnahme aller Bauteile und Befragung der Gebäudenutzer konnte jedoch in keinem Objekt jetzt oder zu einem früheren Zeitpunkt Pilzbefall festgestellt werden.
Das positive Ergebnis dieser Untersuchungen bedeutet jedoch nicht, dass für die beschriebenen Grenzfälle keine Maßnahmen zum Holzschutz empfohlen werden. Bei der Planung konstruktiver Maßnahmen sollte man unterscheiden zwischen lokalen Einflüssen, die nur lokale Maßnahmen verlangen, und globalen Einflüssen, für die globale Lösungen notwendig sind. Zwei Beispiele für lokale Einflüsse sind die Holzstütze im Reinigungsbereich des Melkstandes bzw. die Stützen, an welche Luft mit hoher Luftfeuchte aufgrund der feuchten Einstreu durch Ventilatoren gegen eine Stützenseite geblasen wird.
Die hierfür vorgeschlagene Lösung wäre ein Schutz vor direkter Befeuchtung mittels hinterlüfteter Bretterschalung. Im Juni 2017 wurde eine solche Bretterschalung an zwei Stützen im Reinigungsbereich des Melkstands installiert. Die Messergebnisse zeigen, dass die Schalung einen positiven Effekt hat, wenn die Schalung einen ausreichenden Abstand zum Bauteil hat (> 15 mm). Im Neubau wird empfohlen, im direkten Melkbereich dauerhafte Holzarten einzusetzen oder bis zu einer Höhe von zum Beispiel 1,5 m auf Stahlbetonteile auszuweichen. Ein Beispiel für globale Einflüsse ist die Klimatisierung der Kartoffelhalle. Hier käme der Einsatz von Holzarten höherer Dauerhaftigkeit in Betracht, wie zum Beispiel Kernholz von Lärche und Douglasie.
Neben der Durchführung der Messungen wurde im Rahmen der Erarbeitung eines Leitfadens mit Bauteilkatalog angestrebt, entweder durch bauliche Maßnahmen eine Einstufung in die Gebrauchsklasse 0 zu erreichen oder die Gebrauchsklasse soweit abzusenken, dass durch den Einsatz von Holzarten erhöhter Resistenz auf den Einsatz chemischer Holzschutzmittel verzichtet werden kann. In Abstimmung mit der Obersten Baubehörde des Freistaates Bayern und nachfolgend mit der Fachkommission Bauaufsicht der ARGEBAU wird als nächster Schritt angestrebt, derartige »Besonderen Baulichen Maßnahmen« in Anlehnung an DIN 68800-2 baurechtlich verwendbar zu machen. Vorschläge für die Berücksichtigung landwirtschaftlicher Gebäude in einer zukünftigen Überarbeitung der DIN 68800-2 wurden erarbeitet.
Zusammenfassung
Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurden über 15 Millionen Messwerte zur Holzfeuchtigkeit in 13 Stallanlagen und landwirtschaftlichen Lagerhallen erfasst und ausgewertet. Bei 27 von insgesamt 78 Messstellen wurden Holzfeuchten über 20 % gemessen, die jedoch alle unter dem Fasersättigungspunkt lagen. Bei Berücksichtigung des Holzzerstörungsmodells nach Viitanen (1991) zeigte sich, dass Gefahr des Pilzwachstums bei lediglich fünf der 27 Messstellen nicht auszuschließen ist. Bei einer zusätzlichen Bauwerksaufnahme aller Bauteile inklusive Befragung der Gebäudenutzer konnte in keinem Objekt jetzt oder zu einem früheren Zeitpunkt Pilzbefall festgestellt werden. Diese Ergebnisse sollten in den baurechtlichen Vorschriften entsprechend berücksichtigt werden.
Projekt
Das Projekt X 41 »Landschaftliche Nutzgebäude in Holzbauweise ohne vorbeugenden chemischen Holzschutz« wurde von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft gefördert und von 1. Juni 2014 bis 31. Juli 2018 am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion der Technischen Universität München in Kooperation mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft bearbeitet.
Literatur
- Dietsch, P.; Jiang, Y.; Winter, S. (2018): Landwirtschaftliches Bauen mit Holz – vorbeugender chemischer Holzschutz zwangsläufig notwendig? Tagungsband 24. Internationales Holzbau-Forum IHF, Garmisch 2018
- DIN 68800-1: Holzschutz - Teil 1: Allgemeines, Beuth-Verlag, Berlin 2011
- DIN 68800-2: Holzschutz - Teil 2: Vorbeugende bauliche Maßnahmen im Hochbau, Beuth-Verlag, Berlin 2012
- DIN 68800-3: Holzschutz - Teil 3: Vorbeugender Schutz von Holz mit Holzschutzmitteln, Beuth-Verlag, Berlin 2012
- Kehl, D. (2011): Pilzmodelle - Ist der Befall vorhersehbar? Oder: Wann geht Holz kaputt? HOLZBAU - die neue quadriga: 1, S. 23–26
- Kehl, D. (2013): Feuchtetechnische Bemessung von Holzkonstruktionen nach WTA. HOLZBAU - die neue quadriga: 6, S. 24–28
- Viitanen, H.; Ritschkoff, A.-C. (1991): Brown rot decay in wooden constructions. Effect of temperature, humidity and moisture; Swedish University of Agricultural Sciences, Department of Forest Products, Report no. 222, Uppsala
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