Eine Gruppe von Kindern steht in einem Laubwald.

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Dem Wohlbefinden auf der Spur: im Wald – LWF aktuell 124

Wissenschaftler untersuchen, ob und wie Wald uns glücklicher machen kann

Es ist schon seit längerem bekannt, dass sich Waldaufenthalte positiv auf die Waldbesucher auswirken – und das auch auf ihre Gefühlswelt. Gelingt es, eine noch tiefere Naturverbundenheit bei den Menschen herzustellen, dann wird dadurch noch mehr Lebensglück empfunden. Eine intensivere Naturverbundenheit zu erzeugen, ist auch ein wichtiges Ziel der Waldpädagogik, jedoch besonders zentral bei waldtherapeutischen Angeboten.

Jeder hat schon mal das Gefühl kennengelernt, was man mit Glück zu umschreiben versucht. Für den einen ist es das subjektive alltägliche Wohlbefinden, andere hingegen empfinden Glücksgefühle beim Anblick der Enkelkinder oder genießen die Lebensfülle der Natur als sinnstiftenden Glücksmoment.

Glück ist nicht gleich Glück

Ein Mensch hält ein Stück Birkenrinde vor sich zwischen beiden HändenZoombild vorhanden

Abb. 1: Sensorische Erfahrung beim Tasten der Rinde (Foto: Thomas Dashuber)

Dabei unterscheidet die Glücksforschung von zufälligem Glück (engl. luck) und dem Lebensglück (engl. happiness) und erforscht deren Bedingungen und Auswirkungen in unterschiedlichen Facetten. Glück sowie Glück zu empfinden ist nicht einfach zu beschreiben, da eine Vielzahl an Faktoren diese beeinflussen und jeder Mensch andere Glücksmomente für sich definiert.

Kant beispielsweise beschrieb, dass das Glück auf sinnlichen Empfindungen basiert. Auch Alexander von Humboldt umschrieb in ausdrucksstarken und emotionsbehafteten Texten seine Glücksmomente in der Natur und verstand es wie kein anderer Universalgelehrte, die Natur wissenschaftlich exakt in bildhafte Poesie einzubetten (Wulf 2016).

Somit hängt das wahrgenommene Glücksgefühl eng mit dem körperlichen Empfinden (Emotionen), dem Denken, Bewerten und Reflektieren sowie dem gesellschaftlichen und kulturellen Kontext zusammen. Nun hat die Glücksforschung auch die Natur wiederentdeckt und neuere Studien beschäftigen sich mit der Wirkung von Wäldern auf das Glücksempfinden bzw. auf das subjektive Lebensglück.

Wald triggert positiv die Gefühlswelt

Erstmals untersucht das kanadisches Forschertrio um Capaldi, Dopko und Zelenski (2014) mittels einer Meta-Analyse den Zusammenhang zwischen Naturverbundenheit und dem wahrgenommen Glücksgefühl (Happiness). Der englische Begriff »happiness« ist dabei umfassender und beinhaltet auch Aspekte von Freude/Fröhlichsein und umschreibt das allgemeine Lebensglück. Erleben Personen eine starke Naturverbundenheit, so werden dadurch positivere Emotionen ausgelöst:

Diese Menschen sind fröhlicher, deutlich vitaler und verfügen über eine höhere Lebenszufriedenheit, was sich in einem verbesserten allgemeinen Wohlbefinden ausdrückt. Ferner unterstützt diese emotionale Naturverbundenheit ein stärkeres umweltbewusstes Verhalten. Auch Zelenski & Nisbet (2012) können in einer Naturverbundenheits-Studie Lebensglück als persönliche Ressource mit einhergehendem verbesserten Umweltbewusstsein feststellen.

Emotionale Verbundenheit zur Natur

Hand, die Moos berührtZoombild vorhanden

Abb. 2: Streicheln des Mooses mit unterschiedlichen Hautarealen der Haut (Foto: Thomas Dashuber)

Ein vielversprechender ganzheitlicher Ansatz beinhaltet das Konzept der Naturverbundenheit, das die emotionale Verbindung zur Natur, deren Schutzbemühungen sowie Umweltverhalten umschreibt. Erste Studien legen nahe, wenn Menschen sich stärker mit und in der Natur verbunden fühlen, dies zu einem allgemein besseren Wohlbefinden führt (Howell et al. 2011).

Nicht zuletzt beschreibt die Weltgesundheitsorganisation das Konzept des physischen, mentalen und sozialen Wohlbefindens als wichtigen integralen Bestandteil der Gesundheit jedes einzelnen. Der Terminus »Wohlbefinden« wird in der wissenschaftlichen Literatur auch meist mit der Begrifflichkeit der Lebenszufriedenheit oder Lebensqualität gleichgesetzt (Camfield & Skevington 2008).

Britische Wissenschaftler um Lumber et al. (2017) haben in einem mehrstufigen Forschungsprojekt die Indikatoren für Naturverbundenheit herausgearbeitet. Faktoren wie Naturkontakt, die dabei empfundenen Gefühle/Leidenschaft, die persönliche Bedeutung und die wahrgenommene Naturschönheit sind zentrale Aspekte einer Naturverbundenheit. Werden diese fünf Indikatoren in einem Programm mit sensorischen sowie emotionalen Elementen im Wald erlebbar gemacht, können die Wissenschaftler einen Zuwachs der Naturverbundenheit messen, wohingegen ein Waldspaziergang alleine dies nicht erreichte.
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Auch ein österreichisches Wissenschaftlerteam untersuchte bei circa 550 Probanden den Zusammenhang zwischen der persönlichen Naturverbundenheit und mentalen Faktoren (Cervinka et al. 2011). Die Ergebnisse belegen klar: Stärker naturverbundene Personen weisen eine stärkere Sinnhaftigkeit ihres Lebens auf. Sie beschreiben ihr Leben als erfüllt und freudvoll, verfügen über eine hohe Selbstund Fremdakzeptanz sowie Wertschätzung. Hingegen fehlen großteils Attribute wie Kraft- oder Hilflosigkeit, Angst oder Missmut. Außerdem sind die naturverbundenen Personen sozial stark vernetzt und empfinden eine hohe Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden.

Jedoch bedeutet Sinnhaftigkeit nicht, viel materielle Güter anzuhäufen (das wäre Wohlstand). Somit könnte der Umstand einer hohen Naturverbundenheit als positiver Persönlichkeitsaspekt bzw. als individuelle Gesundheitsressource interpretiert werden. Waldpädagogische Programme sowie waldtherapeutische Angebote (Waldbaden, Waldtherapie) greifen dieses Thema auf und wollen durch angeleitete sensorische und emotionale Walderlebnisse den täglichen Herausforderungen, Stressoren sowie dem einseitigen indoor-Leben natürlich entgegenwirken.

Auch Richardson et al. (2018) benennen die Verbundenheit zur Natur als einen Gegenpol zur Stressbelastung, die eine gewisse Art von stärkerer Widerstandskraft erzeugt und somit eine Form von Resilienz darstellen kann. Auch das Kennenlernen der Natur über das Wissen und Verstehen, wie die Natur für sich funktioniert, sowie den Wald als komplexen Lebensraum zu erfahren, womöglich sich selbst auch darin zu definieren als Teil des Ganzen, fördert die Sinnhaftigkeit des eigenen Seins. Diese persönliche Erkenntnis in und mit der Natur lösten beispielsweise bei Alexander von Humboldt seine glücklichsten Lebensmomente aus.

Somit könnte das Anleiten einer tiefen Naturverbundenheit neben Bildung und Einkommen als ein wichtiges Stellglied für das allgemeine und emotionale Wohlbefinden interpretiert und als eine natürliche Lebensstil-Intervention betrachtet werden, da Gesundheitsprogramme mit Naturverbundenheits-Aspekten besser angenommen und somit einfacher implementiert werden könnten (Haluza et al. 2014).

Die Natur wird dem Menschen immer fremder

Ein Bilderrahmen liegt auf einem moosigen Stück Untergrund, im Bilderrahmen wächst ein FichtensämlingZoombild vorhanden

Abb. 3: Wald als Museum – Inspiration durch Naturkunstwerke (Foto: Thomas Dashuber)

Die Wiege des Menschen ist das Leben in und mit der Natur, welche den Menschen in seiner Entwicklung prägte. Erst in den letzten 200 Jahren macht sich der Mensch mehr und mehr unabhängig von natürlichen Vorgaben wie Tages- und Nacht- zeit und separiert sich zusehends von der Natur. Erstmals beschreibt der amerikanische Journalist Louv (2005) die gesellschaftliche Naturentfremdung als Natur- Defizit-Syndrom. Das Ergebnis dieser gesellschaftlichen Entwicklung – weg von der Natur – sind motorische und kognitive Entwicklungsdefizite bei Kindern, Übergewicht, Bewegungsmangel sowie psychische und mentale Probleme und eine neuartige Angststörung, die Ökophobie (Brämer 2019).

Aufgrund langjähriger naturpsychologischer Forschungen in den USA konnte Louv belegen, dass eine Renaturierung ju- gendlicher Umwelten die Defizite beheben könne. Dies führte in den USA zu großangelegten nationalen Programmen, die Kinder und Jugendliche wieder mehr in und an die Natur heranführen wollen. Aber nicht nur auf der anderen Seite des Atlantiks wird die Umwelterziehung in den letzten Jahrzehnten erforscht und umgesetzt: Bereits in den 1980er Jahren werden erste Waldpädagogikthemen in Deutschland aufbereitet.

Im Laufe der Jahre wurden in die bayerische Waldpädagogik explizit Erkenntnisse aus Pädagogik und Psychologie implementiert. Heute umfasst die bayerische Waldpädagogik ein komplexes Bildungsziel, bei dem es nicht mehr primär um Wissensvermittlung geht, sondern auch die seelische und geistige Gesundheit der Kinder thematisiert. Dieses übergreifende Umweltbildungsziel spiegelt sich im bayerischen Schulplan für Grundschulen sowie in der Weiterentwicklung einer Kompetenz-orientierten Frühpädagogik im Rahmen des Bayerischen Bildungsund Erziehungsplan für Kitas (Staatsinstitut für Frühbildung 2019) wider.

Basierend auf der zunehmenden Naturentfremdung der Kinder wäre im Sinne der Nachhaltigkeit eine zeitliche Ausdehnung von regelmäßig vermittelten waldpädagogischen Bildungsinhalten über alle Grundschulklassen wünschenswert.

Zusammenfassung

Es wird immer deutlicher, dass der Aufenthalt in die Natur evolutionsbedingt ein Grundbedürfnis des Menschen ist. Jedoch verliert der Mensch augenscheinlich durch die immer weiter fortschreitende Industrialisierung und Digitalisierung seine ursprünglich emotionale Beziehung und Verbundenheit zur Natur. Bereits Alexander von Humboldt postulierte vor 200 Jahren die Einheit in der Vielheit der Natur und dass alles mit allem verbunden ist. Diese Verbindung zwischen Natur und Mensch ist fundamental, denn sie initiiert die Haltung, ein Teil eines größeren Ganzen innerhalb der Natur zu sein, und ermöglicht durch Wertschätzung der Natur neben dem Wohlfühlaspekt auch ein positives Umweltverständnis.

Die wissenschaftliche Erforschung der Gesundheitswirkung von Waldaufenthalten hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Bereits deutlich früher hat die Waldpädagogik neben der Wissensvermittlung das sensorische Naturerleben bei Kindern in den Fokus gerückt. Neue gesundheitsförderliche Konzepte zur Stressreduktion im Wald (waldtherapeutische Angebote) vermitteln eine tiefe Naturverbundenheit und versuchen einen emotionalen Gegenpol zur digitalen Welt zu ermöglichen, um den Menschen wieder sich selbst in und mit der Natur zu (er)spüren.
Literatur
  • Literatur Brämer, R. (2019): Naturentfremdung. https://www.natursoziologie.de/NS/natur/naturentfremdung.html
  • Camfield, L.; Skevington, S.M. (2008): On subjective well-being and quality of life. J Health Psychol 13: S. 764–775
  • Capaldi, C.A.; Dopko, R.L.; Zelenski, J.M. (2014): The relationship between nature connectedness and happiness: a meta-analysis. Front Psychol. 5: Artikel 976
  • Haluza, D.; Simic, S.; Höltge, J.; Cervinka, R.; Moshammer, H. (2014): Connectedness to nature and public (skin) health perspectives: results of a representative, population-based survey among Austrian residents. Int J Environ Res Public Health. 2014 Jan 20;11(1): S. 1176–91
  • Howell, A.J.; Dopko, R.L.; Passmore, H.A.; Buro, K. (2011): Nature connectedness: Associations with well-being and mindfulness. Personal Indiv Differenc 51(2): S. 166–171
  • Louv, R. (2005): Last Child in the Woods. Saving Our Children from Nature-Deficit Disorder. Atlantic Books, London
  • Lumber, R.; Richardson, M.; Sheffield, D. (2017): Beyond knowing nature: Contact, emotion, compassion, meaning, and beauty are pathways to nature connection. PLoS One 12(5):e0177186
  • pathways to nature connection. PLoS One 12(5):e0177186 McMahan, E.A.; Estes, D. (2015): The effect of contact with natural environments on positive and negative affect: A meta-analysis. J Pos Psychol 2015; 10: S. 507–519
  • Richardson, M.; McEwan, K. (2018): 30 Days Wild and the relationships between engagement with nature’s beauty, nature connectedness and well-being. Front Psychol. 9:1500
  • Staatsinstitut für Frühbildung (2019): Der Bayerische Bildungsplan. https://www.ifp.bayern.de/projekte/curricula/BayBEP.php
  • Wulf, A. (2016): Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur. Penguin Verlag, London.
  • Zelenski, J.M.; Nisbet, E.K. (2012): Happiness and feeling connected: The distinct role of nature relatedness. Environ Behav 46(1): S. 3–23

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