Nachrichten aus dem AWG - LWF-aktuell 130

Das Bayerische Amt für Waldgenetik (AWG) verfolgt das Ziel die Vielfalt der Genressourcen in Bayerns Wäldern zu erhalten. Zu den zentralen Aufgaben des Amtes gehören demzufolge die Herkunftssicherung, die Umweltvorsorge und die Erhaltung der genetischen Vielfalt.

Die neuesten Erkenntnisse und Informationen aus der Landesstelle, den Bereichen Herkunftsforschung, Forschung und allgemeine Nachrichten des AWG finden sie auf dieser Seite. Die Nachrichten aus dem AWG erscheinen auch stets in der jeweiligen Ausgabe von LWF-aktuell.

Alternative Baumarten und ihre geltenden FoVG-Vorschriften

Baumkeimlinge in AnzuchtsubstratZoombild vorhanden

Abb. 1: Keimlinge der Elsbeere (Foto M. Luckas)

Klimatolerante Baumarten sind in aller Munde. Die Baumschulen werden mit der zunehmenden Nachfrage nach Libanonzeder und Baumhasel, nach Schwarzkiefer und Edelkastanie, nach Elsbeere, Feldahorn oder Flatterulme konfrontiert.

Der zeitliche Druck des Klimawandels sollte aber nicht dazu verleiten, bewährte Standards und forstvermehrungsgutrechtliche Vorschriften zu missachten.

Eine tabellarische Zusammenstellung der geltenden Vorschriften des Forstvermehrungsgutrechts (FoVG) soll die Anwendung erleichtern.
Tabelle 1: Geltende Vorschriften des Forstvermehrungsgutrechts (FoVG)
Alternative Baumarten Beispielegeltende FoVG-Vorschriften
die dem
FoVG unter-
liegen
mit ausgewiese-
nem HKG*
(Anlage zu § 2 Nr. 1 FoVG Tabelle 3 a)
Schwarzkiefer
Robinie
Edelkastanie
alle Bestimmungen des FoVG zu Erzeugung und Inverkehrbringen sind einschlägig
ohne ausgewie-
senem HKG*
(Anlage zu § 2 Nr. 1 FoVG Tabelle 3 b)
Libanonzeder
Atlaszeder
Zerreiche
Saatguternte aus deutschen Beständen nicht bzw. nur mit Ausnahmegenehmigung durch die
BLE** unter Einhaltung der Vorschriften des FoVG möglich
In Deutschland
bisher ohne
forstwirtschaftliche
Bedeutung
bei Saatgut/Pflanzen aus anderen EU-Ländern sind alle Vorschriften des FoVG zu Erzeugung und Inverkehrbringen einschlägig
bei Vermehrungsgut aus Nicht-EU-Staaten zusätzlich: Einfuhranzeige bei der BLE nötig und nur
möglich bei Staaten, die die EU-Rahmenbedingungen bei der Saatguterzeugung anerkennen
(OECD-Zertifikat) wie USA oder Türkei
nur vom AWG empfohlene Bestände/Samenplantagen verwenden
die nicht
dem FoVG
unterliegen
selten
und heimisch
Elsbeere
Flatterulme
Feldahorn
keine FoVG-Vorschriften und damit kein Verbraucherschutz!
geeignete Bestände wurden in Bayern erfasst und genetisch untersucht; baldige Aufnahme ins FoVG ist angestrebt
fremdBaumhasel
Bornmüller-Tanne
keine FoVG-Vorschriften und damit kein Verbraucherschutz!
nur vom AWG empfohlene Bestände/Samenplantagen verwenden

In diesem Zusammenhang sei unbedingt einmal mehr auf die Praxishilfe »Klima – Boden – Baumartenwahl« Band 1 und 2 der LWF und auf die Leitlinie »Baumarten für den Klimawald« des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als wichtige Entscheidungsstützen bei der Baumartenfrage hingewiesen. Beide stehen als Download auf der entsprechenden Homepage zur Verfügung.

Es muss gerade beim Aufbau klimatoleranter Mischwälder im Interesse des Waldbesitzers liegen, zukunftsfähiges Vermehrungsgut zu erhalten. Dabei ist die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben unerlässlich, weil sie dem Verbraucherschutz dienen. Auch bei seltenen oder fremden Baumarten, die nicht dem FoVG unterstellt sind, sollte analog zu den Vorschriften vorgegangen werden. Es gilt nämlich auch hier, auf die geeignete Herkunft, die ausreichende Diversität der Bestände oder Samenplantagen und die Vollständigkeit der Angaben in den Lieferpapieren zu achten.

Michael Luckas und Gert Günzelmann, AWG

Erhaltung und Nutzung seltener heimischer Baumarten

Ein hoher und gerader Baum, der mit einem blauen Band um den Stamm gekennzeichnet wurdeZoombild vorhanden

Abb. 2: Im Rahmen des Projekts beprobter Speierling in Gerolzhofen (Foto: M. Šeho)

Die Folgen des Klimawandels werden immer deutlicher und erhöhen das Ausfallrisiko heimischer Baumarten. Durch den Verlust von Nadel- und Laubbaumarten wie Fichte, Kiefer, Buche, Bergahorn oder Esche rücken zunehmend seltene heimische Baumarten wie Flatterulme, Feldahorn, Speierling und Eibe als mögliche Alternativen in den Fokus. Eine große Herausforderung bei diesen Baumarten stellt die Saatgutversorgung Versorgung mit hochwertigem und herkunftssicherem Vermehrungsgut dar. Da diese seltenen Baumarten nicht dem FoVG unterliegen und meist eine waldbauliche Nebenrolle gespielt haben, wurden bisher keine geeigneten Saatguterntebestände ausgewählt. Bei einer Berücksichtigung seltener Baumarten bei Waldumbaumaßnahmen sollte jedoch die Verwendung geeigneten Vermehrungsgutes eine zentrale Rolle spielen.

Das Ziel im Rahmen des Projekts »P034 Erarbeitung von Herkunftsempfehlungen und Verbesserung der Erntebasis für Feldahorn, Flatterulme, Speierling und Eibe in Bayern auf genetischer Grundlage« war es, geeignete Bestände phänotypisch und genotypisch zu identifizieren und ihre Eignung als Saatguterntebestände und Erhaltungsbestände zu bewerten. Durch die rasche Änderung der Umweltbedingungen ist es von enormer Bedeutung, dass die vorgeschlagenen Saatguterntebestände eine hohe Anpassungsfähigkeit aufweisen. Die genetische Vielfalt spielt dabei eine entscheidende Rolle und ist der wichtigste Maßstab für die zukünftige Anpassung und das Überleben von Baumarten.

Um die Ergebnisse zu Auswahl, Beprobung, Genetik und Erhaltung forstlicher Genressourcen bei den vier seltenen Baumarten vorzustellen, soll am 13. und 14. Oktober 2021 die für 2020 geplante Abschlussveranstaltung nachgeholt werden. Ein besonderer Fokus wird auf die Exkursionen in Bestände mit dem Feldahorn, Speierling, Elsbeere und Flatterulme sowie den Erfahrungsaustausch beim Anbau und der Bewirtschaftung von seltenen Baumarten gerichtet. Als Veranstaltungsort wurde bewusst Schweinfurt ausgewählt. Diese Region Bayerns gilt als die wärmste und trockenste und wird auch als Referenzregion im Klimawandel bezeichnet. Die Umsetzung der Veranstaltung erfolgt durch die fachliche und organisatorische Unterstützung vom AELF Schweinfurt.

Dr. M. Šeho und Dr. Alwin Janßen, AWG

Aufnahme seltener Baumarten ins EZR

Baum mit Apparatur am StammfußZoombild vorhanden

Abb. 3: »Plusbaum« einer Flatterulme bei Erlangen (Foto: B. Rau)

Die Saatgutversorgung mit hochwertigem und herkunftssicherem Vermehrungsgut stellt gerade bei seltenen Baumarten eine große Herausforderung dar. Viele seltene Baumarten unterliegen nicht dem Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG), so dass die Erzeugung und das Inverkehrbringen nicht klar geregelt sind.

Das vom Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten finanzierte Projekt »Erarbeitung von Herkunftsempfehlungen und Verbesserung der Erntebasis für die vier seltenen Baumarten in Bayern auf genetischer Grundlage« schafft Grundlagen für den Erhalt und die Nutzung seltener Baumarten sowie Förderung der Biodiversität in den Wäldern. Zur Verbesserung der Erntebasis der seltenen Baumarten Flatterulme und Feldahorn wurden durch die Landesstelle am AWG geeignete Bestände ins Erntezulassungsregister (EZR) eingepflegt.

Weitere Bestände werden nach der Freigabe durch die Waldbesitzer ergänzt. Des Weiteren ist es geplant, für die Baumarten Eibe und Speierling ebenfalls geeignete Bestände ins Erntezulassungsregister aufzunehmen.

Dr. M. Šeho, AWG

Sachstandsbericht zur Erhaltung und Nutzung forstlicher Genressourcen

Cover einer zeitschriftZoombild vorhanden

Abb. 4: Der Zustandsbericht

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe »Forstliche Genressourcen und Forstsaatgutrecht« (BLAG-FGR) koordiniert seit 1985 im Auftrag der Forstchefkonferenz bzw. der Waldbaureferenten des Bundes und der Länder die Umsetzung aller Maßnahmen zur Erhaltung und Nutzung forstgenetischer Ressourcen und Forschungsaktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist eine Voraussetzung für die Anpassungs- und Leistungsfähigkeit unserer Baum- und Straucharten. Der vorliegende Sachstandsbericht erfasst alle in Deutschland durchgeführten Arbeiten für den Zeitraum von 2014 bis 2018.

Die Arbeiten basieren auf der im Jahr 2000 verabschiedeten und 2010 aktualisierten Neufassung des »Konzeptes zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung forstlicher Genressourcen in der Bundesrepublik Deutschland« (Nationales Fachprogramm forstlicher Genressourcen, PAUL et al. 2010) und sieht eine regelmäßige Festlegung spezifischer Arbeitsschwerpunkte zu dessen Umsetzung vor.

Der Klimawandel mit seiner Zunahme von Extremereignissen, Trockenheit und Stürmen stellt dabei die Erhaltung und Nutzung forstgenetischer Ressourcen vor neue Herausforderungen. Im Berichtszeitraum war die Arbeit auf folgende Schwerpunkte ausgerichtet:
  • Genetisches Monitoring
  • Handlungsempfehlungen zur Ausweisung von Generhaltungseinheiten
  • Zusammenführung der Ergebnisse zur genetischen Diversität
  • Herausforderungen bei der Verwendung von forstlichem Vermehrungsgut im Klimawandel
  • Zusammenarbeit auf europäischer Ebene
  • Berichterstattung und Öffentlichkeitsarbeit
Für den Berichtszeitraum wurden für die In-situ-Erhaltung mehr als 10.000 Bestände dokumentiert. Dafür wurden rund 150 Baum- und Straucharten auf einer Fläche von mehr als 34.600 ha erhalten. Darüber hinaus wurden über 90 Ex-situ-Maßnahmen durchgeführt: Auf einer Fläche von knapp 1.500 ha betraf dies rund 75 Baum- und Straucharten.

Dr. Alwin Janßen, AWG

Broschüre zum Download Externer Link

Genetische Variation des Feldahorns in Bosnien und Herzegowina

Karte von Bosnien und Herzogowina mit Kreisen daraufZoombild vorhanden

Abb. 5: Geografische Verteilung der beiden Cluster K1 und K2 beim Feldahorn in Bosnien und Herzegowina (Grafik: LWF)

Baumarten von geringer kommerzieller Bedeutung werden sowohl bei groß angelegten genetischen Untersuchungen als auch bei der Erhaltung forstlicher Genressourcen meist vernachlässigt. Erhaltungsmaßnahmen bei Waldbäumen konzentrieren sich auf die Erhaltung der genetischen Variabilität innerhalb der Arten. Die genetische Diversität ist die Voraussetzung für das adaptive Evolutionspotenzial der Arten, um ungünstige Bedingungen zu überstehen. Daher muss die genetische Variation innerhalb und zwischen Populationen unter verschiedenen geografischen und evolutionären Gesichtspunkten bewertet werden. Wir untersuchten die genetische Variation des weit verbreiteten, aber subdominanten Feldahorns (Acer campestre) in 25 Populationen in Bosnien und Herzegowina an zehn nuklearen Mikrosatelliten-Genorten. Die genetische Differenzierung innerhalb dieser Region war sehr schwach, was auf einen Mangel an starken Barrieren für den Genfluss hinweist, trotz einer Fragmentierung der Vorkommen. Erklärt werden kann dieses Phänomen durch eine »phänologische Isolation« aufgrund der Temperatur. Die Vorkommen nahe dem Mittelmeer weichen von den zentralbosnischen Populationen ab. Sie weisen eine höhere genetische Diversität auf und bilden eine separate Gruppe (höherer Anteil des roten Clusters). Da sich das untersuchte Gebiet in der Nähe mehrerer wichtiger Eiszeit-Refugien befindet, könnte eine Rückwanderung aus mehreren Refugien für das beobachtete Bild verantwortlich sein. Diese genetischen Unterschiede zwischen sub-mediterranen und zentral-bosnischen Populationen müssen bei Erhaltungsprogrammen berücksichtigt werden.

Literatur

  • Kvesić, St.; Hodčć, M.; Ballian, D.; Gömöry, D.; Fussi, B. (2020): Genetic variation of a widespread subdominant tree species (Acer campestre L.) in Bosnia and Herzegovina. Tree Genetics & Genomes 16, 82. https://doi.org/10.1007/s11295-020-01473-9
Dr. Barbara Fussi, AWG

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