Türkische Universität besucht AWG
Zoombild vorhanden
Abb. 1: An zahlreichen Exkursionspunkten informierten Dr. Barbara Fussi und Dr. Muhidin Šeho ihren türkischen Gast, Prof. Dr. Sezgin Ayan (li.), über die Arbeiten und Forschungsschwerpunkte des AWG. (Foto: Dr. D. Kavaliauskas, AWG)
Die wissenschaftliche Zusammenarbeit und der Wissenstransfer des AWG verfolgt das Ziel, relevante Themen zwischen Bayern und dem jeweiligen Partnerland detailliert zu untersuchen und durch die gegenseitigen Erfahrungen zu bereichern. In Zeiten des Klimawandels besteht ein hoher Bedarf vor allem bei der Suche nach trockenheitstoleranten Baumarten und Herkünften, die zur Stabilisierung der Wälder beitragen können. Die Fragen der Herkunftsforschung und der angewandten genetischen Forschung wurden von beiden Seiten als besonders wichtig bewertet und bearbeitet. Die Finanzierung erfolgte durch die Bayerische Staatskanzlei.
In der Türkei gibt es zahlreiche vielversprechende Baumarten, die als Alternativbaumarten in Bayern getestet werden sollten. Zunächst sollte eine langfristige Zusammenarbeit beim Thema Alternativbaumarten für bayerische Wälder im Klimawandel etabliert werden. Um die Beschaffung von Saatgut zu erleichtern, sollte der Kontakt zu den einzelnen Forstämtern sowie Behörden weiter ausgebaut werden. Dazu hat die AWG den damaligen Vizerektor der Universität in Kastamonu, Prof. Dr. Sezgin Ayan, nach Teisendorf eingeladen.
Bei seinem Besuch im Juni 2019 stellte Prof. Ayan die Universität Kastamonu sowie den türkischen Forstsektor vor. Er verdeutlichte die Entwicklung des Klimawandels und dessen Auswirkungen in der Türkei. Dann stellte er die Baumarten vor, die in der Türkei als Zukunftsbaumarten gelten.
Bei nichtheimischen Baumarten ist die Erfahrung der Kollegen im Ausland von hoher Bedeutung. Aufbau von bayernweiten Praxisanbauversuchen mit nichtheimischen Baumarten (Kiefernarten, Libanonze- der, Tannenarten, Eichenarten und Orientbuche) türkischer Herkunft wäre dabei der erste Schritt. Da- für sollte ausreichend qualitativ hochwertiges Saatgut verschiedener Baumarten türkischer Herkunft zur Verfügung gestellt werden. Seitens des AWG wurden die genetischen Labore (Isoenzymund DNA-Labor) vorgestellt und relevante Themen wie Herkunftsforschung, forstgenetisches Monitoring und Erhaltung forstlicher Genressourcen diskutiert.
Im Rahmen von Fachexkursionen wurden die Themen aus dem Labor am Beispiel der Beobachtungsflächen demonstriert. Auf einer weiteren Exkursion informierte das AWG Prof. Ayan über das bayerische Samenplantagenprogramm und einzelnen Samenplantagen. Es wurde aufgezeigt, welches Potenzial diese Flächen bei der Sicherung der Saatgutversorgung sowie Generhaltung aufweisen.
Der Besuch von Prof. Ayan war sehr erfolgreich, Ziele wurden auf beiden Seiten erreicht und die Kooperation soll zukünftig fortgesetzt und verstärkt werden. Bei einem Gegenbesuch sollten Flächen für das forstgenetische Monitoring geplant, die Anlage von Samenplantagen sowie Herkunftsversuchen in der Türkei und Bayern weiterentwickelt werden.
Dr. Muhidin Šeho und Dr. Barbara Fussi, AWG
Waldbewirtschaftung und genetische Vielfalt
Zoombild vorhanden
Abb. 2: Buchennaturverjüngung: Die Art der Verjüngung beeinflusst entscheidend die genetische Vielfalt der Nachfolgebestände. (Foto: Dr. D. Kavaliauskas, AWG)
Die Erhaltung und nachhaltige Nutzung von Wäldern und forstgenetischen Ressourcen (FGR) ist eine Herausforderung für Wissenschaftler und Förster. Die Art der Waldbewirtschaftung kann die Vielfalt auf allen drei Ebenen (Genetik, Arten und Ökosystem) beeinflussen. Das Verständnis der Dynamik früherer natürlicher Störungen und ihrer Abhängigkeit von menschlichen Störungen ist von wesentlicher Bedeutung. Die waldbaulichen Konzepte/Richtlinien sind für die Erhaltung und Nutzung der forstgenetischen Ressourcen unter sich ändernden Bedingungen, insbesondere angesichts des Klimawandels, besonders wichtig. Daher wurden im Rahmen des Projekts LIFEGENMON die Waldbewirtschaftungspraktiken und ihre Auswirkungen auf die genetische Zusammensetzung in einer Literaturstudie näher beleuchtet.
Der Einfluss der Waldbewirtschaftung auf die genetische Variation in Wäldern hängt von zahlreichen Faktoren ab, wie z. B. dem angewandten Bewirtschaftungssystem/ Betriebsart, der Bestandsstruktur, der Artenbiologie, der Verbreitung und der Demografie. Einige Waldbewirtschaftungsszenarien wirken sich neutral oder negativ auf die genetische Variation aus. Abhängig von der Betriebsart, der Intensität und den angewandten Auswahlkriterien kann die genetische Vielfalt aber auch erhalten oder sogar verbessert werden.
Unterschiedliche Verjüngungsformen eines Bestandes tragen ebenso zur genetischen Vielfalt bei. So kann ein Bestand beispielsweise ausschließlich natürlich verjüngt sein, natürlich in Kombination mit künstlicher Pflanzung (An- reicherungspflanzen) oder reine künstliche Verjüngung durch Pflanzung oder Saat enthalten. Die genetische Struktur natürlich verjüngter Bestände wird von der Anzahl und der räumlichen Verteilung der sich vermehrenden Bäume, dem Pollenfluss, der Samenverteilung usw. beeinflusst. Daher hat die Holzernte einen direkten Einfluss auf die genetische Vielfalt der Populationen durch Veränderungen der Populationsgröße, Altersverteilung, Dichte und der räumlichen Verteilung von Bäumen und Genotypen.
Die beleuchteten Studien zeigten unterschiedliche Ergebnisse. Verschiedene Baumarten reagierten sowohl demografisch als auch genetisch unterschiedlich auf die Waldbewirtschaftung. In 29 von 50 Studien wurden keine Hinweise auf Auswirkungen des Managements auf die genetische Vielfalt gefunden, während in 16 der verbleibenden 21 Studien signifikante Hinweise auf eine Verringerung der genetischen Variation aufgrund des Managements gefunden wurden. Acht Studien beobachteten Veränderungen im Paarungssystem (Genfluss, Inzucht) und acht Studien fanden signifikante Veränderungen in der räumlichgenetischen Struktur.
Ein Teil der Studien kommt auch zu widersprüchlichen Ergebnissen. So berichten einige Autoren über eine verringerte genetische Vielfalt aufgrund von selektivem Holzeinschlag, gleichzeitig aber eine erhöhte Anzahl wirksamer Pollenspender. Alle Studien stellen jedoch nur eine Momentaufnahme in bestehende Situationen dar und die Ergebnisse beruhen nicht auf einer Langzeitforschung. Waldbauliche Eingriffe können bei den Nachkommen zu einem allmählichen Verlust der genetischen Vielfalt führen, was bei Baumarten oft erst Jahrzehnte später detektiert werden kann.
Um die Auswirkung natürlicher und menschlicher Störungen (Auswirkungen der Bewirtschaftung) auf die genetische Variation von Waldbaumpopulationen im Laufe der Zeit zu erfassen, sind daher Daten aus mehreren Wiederholungen von entsprechend beprobten Versuchsparzellen (z. B. bewirtschaftet gegen nicht bewirtschaftet) erforderlich. Um zu verstehen, wie sich Managementsysteme langfristig auf die nachhaltige Nutzung von Wäldern und deren Erhaltung auswirken, kann das forstgenetische Langzeitmonitoring ein geeignetes Instrument sein. Dafür ist es jedoch zunächst erforderlich, die Basisdaten und genetischen Strukturen einer Population zu erfassen, um genetische Veränderungen aufgrund anthropogener Faktoren erkennen zu können. Diese können als Frühwarnsystem genutzt werden.
Dr. Darius Kavaliauskas, AWG
Die Literaturstudie wurde im Projekt LIFEGENMON durchgeführt. Die Originalveröffentlichung: www.mdpi.com/1999-4907/9/3/133
Internationale Zusammenarbeit AWG und Rumänien
Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit lag im Jahr 2019 auf der genetischen Charakterisierung von Samenplantagen der Tanne in Rumänien, der Weiterführung der Arbeiten an adaptiven Markern und der Arbeit an einer gemeinsamen Veröffentlichung zur Weißtanne. Die Zusammenarbeit wurde durch die Bayerische Staatskanzlei finanziert.
Im Klimawandel spielt die Tanne eine wichtige Rolle. Herkünfte aus Rumänien (wärmeres Klima als in Bayern) könnten eventuell als Ergänzung des heimischen Genpools im Klimawandel für Bayern interessant sein. Genetische Analysen zur Herkunftskontrolle und zur Abschätzung des Anpassungspotenzials sollten durchgeführt werden. Zudem sollen adaptive Marker entwickelt und getestet werden. Durch die Zulassung der Ersatz- Herkunft »Samenplantage Avrig« war es bis Ende 2018 möglich, Saatgut nach Deutschland zu importieren und Pflanzmaterial zu produzieren.
Die hohe Qualität dieser Samenplantage rechtfertigt deren Verbreitung auch außerhalb Rumäniens, natürlich unter strikter Einhaltung des forstlichen Vermehrungsgutgesetzes (FoVG). Damit die Herkunft überprüft werden kann, muss der genetische Fingerabdruck der Klone mit dem auf dem Markt angebotenen Saatgut verglichen werden. Dadurch wird der Herkunftskontrolle nachgegangen und der Verbraucher geschützt.
Der Besuch von Frau Dr. Teodosiu war sehr erfolgreich, die gemeinsame Publikation ist bereits erschienen; die genetischen Daten der Samenplantagen müssen noch ausgewertet werden. Bei den adaptiven Markern konnten Teilziele erreicht werden. Der Tannenherkunftsversuch Nordhalben, auf dem auch Rumänische Tannenherkünfte angebaut sind, wurde besucht. Bei einzelnen Herkünften sind bereits erste Unterschiede bezüglich der Frosttoleranz erkennbar. Die Kooperation soll in Zukunft hinsichtlich Samenplantagen und alternativer Tannenherkünfte für Bayern fortgesetzt werden. Die rumänischen Samenplantagen sollten besichtigt und wissenschaftlich beschrieben werden, damit bei einer Eignung eine Zulassung als mögliche Ersatzherkunft vorgenommen werden kann.
Dr. Barbara Fussi und Dr. Muhidin Šeho, AWG
Versuchsserie mit trockentoleranten Nadelbaumarten
Zoombild vorhanden
Abb. 4: Zweijährige Zedern vor der Ausbringung auf die Versuchsflächen (Foto: Dr. M. Šeho, AWG)
Der im Frühjahr 2018 angelegte bayerisch-baden-württembergische Anbauversuch setzt sich zusammen aus den Tannenarten Abies bornmuelleriana und Abies alba, den Zedernarten Cedrus atlantica und Cedrus libani sowie der Douglasie (Pseudotsuga menziesii).
Ziel des Versuchs ist die Untersuchung der Anbaueignung und Wuchsleistung möglicher Alternativbaumarten, die im Klimawandel eine hohe Plastizität aufweisen. Zugleich sollen erste praktische Anbauerfahrungen mit Zedern und Türkischer Tanne auf verschiedenen Standorten gesammelt und mit weiteren Praxisanbauversuchen verglichen werden. Dabei wird das Augenmerk auf die Anlage sowie das verwendete Pflanzmaterial gerichtet.
Durch die Auswahl der Versuchsflächen nahe Freiburg (BW), Zusmarshausen (BY) und Eichstätt (BY) wird ein Gradient an Umweltbedingungen abgedeckt, der eine Bewertung und Ableitung von orientierenden Empfehlungen für die Anlage zulässt. Die Versuchsanlage ermöglicht langfristig einen Vergleich daraus resultierender Erkenntnisse mit weiteren Praxisanbauversuchen der gleichen Baumarten in ganz Bayern.
Je Versuchsstandort wurde je Baumart eine Parzelle von 0,1 ha Größe im Pflanzverband 2 x 2 m mit einer Wiederholung angelegt. Die Weißtannen wurden wurzelnackt im Sortiment 10–20 cm als 2-3jährige Pflanzen ausgebracht. Zedern (2-jährig) und Douglasien (3-jährig) wurden als Containerpflanzen im Sortiment 20–40 cm angebaut.
Im Jahr nach der Pflanzung musste bei den Tannen- und Zedernarten nachgebessert werden. Das auf die Pflanzung folgende Frühjahr war sehr trocken. Mittels Traktor und Güllewagen wurden die Pflanzen einmalig bewässert. Zudem hinterließ ein Spätfrostereignis Ende April seine Spuren. Neben den Witterungsereignissen spielte für die Ausfallzahl auch das Pflanzensortiment eine große Rolle. Große Sortimente nahe 40 cm hatten eine höhere Überlebensquote als die Sortimente von 20 cm Pflanzengröße. Es wurden alle Baumarten gegen den Rüsselkäfer behandelt, der somit keinen Schaden anrichten konnte.
Die ersten Ergebnisse dieser Anbauserie zeigen die Bedeutung der Pflanzenqualität und des Pflanzensortiments für den Anbauerfolg. Eine sehr zeitige Pflanzung mit hochwertigen Pflanzen von 30–40 cm Größe und gut entwickelter Wurzel erhöht die Überlebensrate auch in schwierigen Umweltbedingungen. Auch die als trockentolerant geltenden Baumarten sind in der Anwuchsphase auf ausreichende Wasserversorgung angewiesen.
Martin Tubes, AWG
Die Serbische Fichte – Genetik einer gefährdeten Baumart
Zoombild vorhanden
Abb. 5: Serbische Fichten: typisch sind ihre schmal-kegligen Kronen. (Foto: Vanja Dancic)
In einem von der Bayerischen Staatskanzlei mitfinanzierten Projekt wurde die genetische Vielfalt der Serbischen Fichte (Picea omorika) untersucht. Die Serbische Fichte ist eine seltene Nadelbaumart, die im Grenzbereich zwischen Serbien und Bosnien-Herzegowina endemisch ist. Das derzeitige Erhaltungskonzept für die Baumart verbietet jeglichen künstlichen Eingriff in die etwa 30 Restpopulationen im gesamten Verbreitungsgebiet. Das derzeit bestehende Netzwerk aus sieben genetischen Erhaltungseinheiten wird wahrscheinlich nicht ausreichen, um die genetische Vielfalt des Genpools abzubilden.
Daher war das Ziel der Zusammenarbeit zwischen der Universität Banja Luka (Bosnien & Herzegowina) und dem AWG die Neubewertung der Vorgehensweise der Restpopulationen, die für die Generhaltung notwendig sind. Eine umfassende Feldstudie in 14 Populationen im westlichen Verbreitungsgebiet der Art wurde mit der Genotypisierung von insgesamt knapp 700 Bäumen kombiniert.
Die Ergebnisse zeigen, dass die genetische Vielfalt der westlichen Populationen der Serbischen Fichte vergleichbar ist mit den Werten für Populationen aus dem östlichen Verbreitungsgebiet. Die genetische Vielfalt der Serbischen Fichte ist geringer als die der Gemeinen Fichte, jedoch ist die Serbische Fichte viel stärker differenziert. Für eine dynamische in-situ Erhaltung der westlichen Bestände der Serbischen Fichte wird ein größeres Netz an Erhaltungsbeständen vorgeschlagen.
Der sicherste Ansatz wäre, alle 14 Populationen zu sichern, um die genetische Variation der Art zu erhalten. Aufgrund von Ressourcenknappheit musste jedoch auch eine Priorisierung gemacht werden. Angesichts der raschen globalen Erwärmung und der Besonderheiten der Verbreitung, des Lebensraums und der biologischen Merkmale der Serbischen Fichte wäre dennoch die Erhaltung aller natürlichen Populationen notwendig. Diese Vorgehensweise kann als Beispiel dienen, wie unsere heimischen gefährdeten Baumarten wirkungsvoll in-situ erhalten werden können.
Dr. Barbara Fussi, AWG