Alois Zollner
Gemeinsam für die Eichen-Lebensraumtypen – LWF aktuell 119

Eichenwald-Lebensraumtypen, vor allem Eichen-Hainbuchenwälder, unterscheiden sich von allen anderen heimischen Wald-Lebensraumtypen (LRT) dadurch, dass sie vom Menschen gemachte Ökosysteme sind, die es hierzuland so in der Natur sonst nicht gäbe. Mit dieser gemeinsamen Kernerkenntnis endete vor drei Jahren ein Workshop von Forstund Naturschutzexperten des BMEL der BLAG »Natura 2000 und Wald« in Bad Windsheim. Wie geht es nun weiter? Eine Multiplikatoren-Tagung brachte Waldbewirtschafter und Naturschützer ins Gespräch.

Aufbauend auf dem 2015 in Bad Windsheim durchgeführten Expertenworkshop fand 2018 eine Multiplikatoren-Tagung für Experten aus dem Naturschutz und der Forstwirtschaft zu FFH-Eichenwaldtypen statt. Wie drei Jahre zuvor, war man in Bad Windsheim zusammengekommen. Die damals gemeinsam erarbeiteten und abgestimmten Ergebnisse sollten nun Multiplikatoren aus dem gesamten Bundesgebiet, die mit der Umsetzung von Natura 2000 im Wald befasst sind, näher gebracht werden.

Pilze an einer EicheZoombild vorhanden

Abb. 1: Eiche (Foto: S. Müller-Kroehling, LWF)

120 Förster, Naturschützer und Landschaftsplaner aus Deutschland tauschten sich an drei Tagen (vom 26. bis 28. Juni 2018) über das Erhaltungsmanagement von Eichenwald-Lebensraumtypen aus. Ziel der Veranstaltung war es, zu einem besseren gemeinsamen Verständnis von Eichen-Lebensraumtypen und ihres Managements zu finden.

Dahinter steht die Notwendigkeit, durch ein entsprechend angepasstes Management Eichenwald- Lebensraumtypen in den FFH-Gebieten, aber auch insgesamt landesweit in ihrer Flächensubstanz und in einem günstigen Erhaltungszustand zu erhalten.

Sowohl die Waldbewirtschafter als auch die für den Naturschutz Verantwortlichen sind zu diesem Thema gefordert, bisherige Sichtweisen und Ansätze kritisch zu hinterfragen, weiterzuentwickeln und neuen Erkenntnissen anzupassen.

Forstwirtschaft und Naturschutz: gemeinsam unterwegs

Die Veranstaltung gab genügend Raum, um die komplexen naturschutz- und forstfachlichen Aspekte mit den Teilnehmern eingehend zu diskutieren. Dies war erforderlich, um ein gemeinsames Verständnis für die Thematik zu erreichen und damit eine deutlich verbesserte Grundlage für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Waldbewirtschaftern zu schaffen.

Wie 2015 wurde die Tagung vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) veranstaltet und von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BLAG) »Natura 2000 im Wald« zusammen mit dem Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung vorbereitet. Eröffnet wurde die Tagung am 26. Juni 2018 im Rahmen einer besonderen Abendveranstaltung.

Mit einem »Edutainment« stimmten Professor Michael Suda (TU München) als »Arbeitsvermittler« und Beatrix Enzenbach (LWF) als »stellensuchende Eiche« die Teilnehmer in lockerer und informativer Weise auf die kommenden Fachdiskussionen humoristisch ein. Im Fokus stand dabei, welche Rolle und welche »Nische« die Eichen früher, heute und in Zukunft in unseren Wäldern einnahmen bzw. einnehmen.

Die Knackpunkte

Eichen-Lebensraumtypen

Die in Deutschland vorkommenden Eichen-Lebensraumtypen sind auf den über Jahrhunderte hinweg die Wälder nutzenden und gestaltenden Menschen zurückzuführen und somit hierzulande praktisch immer ein Produkt menschlichen Wirtschaftens. Diese Erkenntnis gilt vor allem für Eichen-Hainbuchenwälder und auch Eichenreiche Ausprägungen der Hartholzauwälder, während auf trockenen und feuchten Sandebenen Eichen-Birkenwälder wohl auch von Natur aus eine große Rolle gespielt haben dürften.

Mit der Nutzung als Weidewald und Hutung, später als Stockausschlagwald und als Mittelwald hat der wirtschaftende Mensch die Eiche beharrlich vor der deutlich stärkeren Konkurrentin Buche geschützt. Um im größeren Umfang Eichen-LRT in Deutschland zu erhalten und zu fördern, sind daher auch weiterhin Maßnahmen notwendig, die mehr oder weniger auch »gegen die Natur« gerichtet sind.

Dabei geht es aber nicht um »grobe Eingriffe«, sondern um das richtige Maß. Dieses galt es auf der Tagung auszuloten. Eine Orientierung ausschließlich an der kleinstmöglichen Eingriffsstärke verkennt, dass unsere Eichen- Hainbuchenwälder so auch nicht entstanden sind.

Verjüngung

Das größte Problem unserer Eichenwälder ist ihre Verjüngung. Die Eiche sorgt zwar durchaus regelmäßig für Nachwuchs. In Mastjahren produzieren Eichenwälder sogar überreichlich Samen, die sich auch in meist ausreichender Stückzahl zu Keimlingen entwickeln. Ist der Energievorrat der Eicheln aufgezehrt, werden die lichthungrigeren Jungeichen jedoch innerhalb weniger Jahre ausgedunkelt und von schattenverträglicheren Baumarten verdrängt. Auch Verbiß kann den im Halbschatten verhockenden Eichen besonders stark zusetzen.

Erhaltungszustand der Eichen-LRT

Die Eichen-LRT befinden sich laut FFH-Bericht 2013 nicht in einem günstigen Erhaltungszustand (Ssymank 2016). Kritisch sind vor allem auch die »Zukunftsaussichten«, da zu wenig Eichen-LRT‘en neu entstehen, während auf erheblichen Flächen Eichen-LRT‘en aufgrund der Konkurrenzüberlegegenheit der Buche und der Schattenverträglichkeit von Edellaubbaum-Verjüngung sich schleichend von ihrem jetzigen Eichen-Charakter wegentwickeln.

Durch die FFH-Richtlinie bestehen Verpflichtungen, sowohl die Flächensubstanz insgesamt, aber auch konkret in den einzelnen FFH-Gebieten zu erhalten. Ebenso soll ein günstiger Erhaltungszustand gesichert oder angestrebt werden, wo er noch nicht besteht. Dies umfasst unter anderem eine ausreichende Ausstattung mit charakteristischen Arten, mit allen Alters- und Entwicklungsphasen sowie mit Totholz und Biotopbäumen.

Beispielbestände

Kleinflächige Eichenverjüngung

Eichennaturverjüngung über Lochhieb-Verfahren nach gesichertem Eichenaufschlag

Großflächige Eichenverjüngung

Eichennaturverjüngung über flächige Lichtstellungen nach gesichertem Eichenaufschlag

Edellaubbaumdynamik

Eichenaltbestand mit flächig etablierter Edellaubbaum-Vorausverjüngung

Umbau von Nadelbaumbeständen hin zu Eichen-Lebensraumtypen

Umbau eines Nadelbaumbestandes mit einzelnen Alteichen aus ehemaliger Mittelwaldüberführung in einen Eichenwald-LRT

Mit Vorträgen und Diskussionen eine gemeinsame Basis bauen

Eine Frau und ein Mann sitzen auf einer Bühne und diskutierenZoombild vorhanden

Abb. 2: Während der Tagung (Foto: A. Stöger, LWF)

Am Vormittag des zweiten Tages informierten Experten aus dem Naturschutz und der Forstwirtschaft die Teilnehmer mit ihren Fachvorträgen unter anderem über die naturschutzfachliche Bedeutung der Eichenwald-Lebensraumtypen, wesentliche waldbauliche Grundlagen zur Eichenwirtschaft, wichtige ökonomische Aspekte bei der Bewirtschaftung von Eichenwäldern und den Umgang mit natürlichen Störungen.

Die verschiedenen Fachbeiträge wurden jeweils anschließend intensiv und ausführlich diskutiert und trugen ganz wesentlich dazu bei, die fachlichen Grundlagen, aber auch offene und klärungsbedürftige Punkte zum Thema Eiche bei allen Teilnehmern noch einmal herauszuarbeiten.

Der Mittelwald: Vater vieler Eichenwald-Lebensraumtypen

Kleine und mittlere Bäume stehen in einem LochhiebZoombild vorhanden

Abb. 3: Verjüngung in Lochhieb. (Foto: K. Schreiber, LWF)

Am Nachmittag wurde den Teilnehmern in einem »revitalisierten« Mittelwaldkomplex der Stadt Bad Windsheim, der historische Ursprung vieler unserer Eichenwald- Lebensraumtypen vor Augen geführt. Der zuständige Stadtförster Sven Finnberg, der Schmetterlingsexperte Dr. Matthias Dolek und Spezialisten der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) erläuterten den Teilnehmern wichtige Aspekte der Artenvielfalt in Mittelwäldern, aber auch in Eichenwäldern ganz allgemein. Dabei wurde auch insbesondere die Entstehungsgeschichte und wirtschaftliche Bedeutung von Mittelwälder näher beleuchtet.

Ortstermine: Maßnahmen gefragt

Der dritte Tag stand ganz im Zeichen der praktischen Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen in Eichen-Lebensraumtypen. An vier Beispielsflächen (s. Kasten, S. 24 oben) konnten sich die Teilnehmer mit konkreten waldbaulichen Ausgangssituationen und naturschutzfachlichen Fragestellungen (wie z.B. Habitattradition) auseinandersetzen, miteinander intensiv diskutieren, den Erhaltungszustand bewerten und daraus geeignete Handlungsoptionen erarbeiten. Dabei wurden nicht nur waldbauliche Verjüngungsverfahren der Eiche ausführlich erörtert, sondern auch Möglichkeiten zum Erhalt bzw. zur Förderung der Artenvielfalt in Eichenwäldern aufgezeigt.

Resümee: Es gibt noch viel zu tun

Eine Gruppe Menschen steht im Wald und guckt auf den BodenZoombild vorhanden

Abb. 4: Fachdiskussion zum Thema »Heckenwollafter«, Mittelwald und Biodiversität (Foto: P. Gilbert, LWF)

Am Ende der Tagung wurde noch einmal zusammengefasst, dass die Vorgaben der FFH-Managementplanung grundsätzlich ausreichend Spielraum für die Erhaltung von Eichenwald-Lebensraumtypen gestatten. Trotzdem werden auch Verluste von Lebensraumfläche aufgrund der natürlichen Verjüngungsdynamik nicht in allen Gebieten zu verhindern sein.

Insbesondere gilt das in sehr klein abgegrenzten Gebieten, in denen vor allem alte LRT-Phasen vorkommen, weil dort häufig stärkere Eingriffe in die Altbestände aus Gründen des Artenschutzes probelmatisch sein können. Es dürfte aber gelingen, diese Flächenverluste in einzelnen FFH-Gebieten durch Waldumbaumaßnahmen im Zuge des Klimawandels zumindest regional auszugleichen. Insgesamt bestand Einigkeit darüber, dass das Erhaltungsmanagement der Eichenwald- Lebensraumtypen fachlich sehr anspruchsvoll, in seinen Facetten vielschichtig und wirtschaftlich wie auch organisatorisch mit einem erheblichen zusätzlichen Aufwand verbunden ist. Diese anspruchsvolle Aufgabe lässt sich nur gemeinsam bewältigen.

Daher müssen Waldbewirtschafter und Naturschützer offen und auf Augenhöhe miteinander zusammenarbeiten. Ein gemeinsames Verständnis auch für die entscheidende Rolle des Waldbesitzers ebenso wie die Zielvorgaben der FFH-Richtlinie aller Beteiligten ist notwendig. Ohne aktives Mitwirken des Waldbesitzers ist ein Erhalt von Kulturhabitaten nicht möglich.

Damit der Waldbesitzer im LRT-konformen Management alle Trümpfe in der Hand hat, ist ein funktionsfähiger Nebenbestand aus Hainbuchen und Winterlinden von entscheidender Bedeutung. Hierauf sollten daher künftig die Schwerpunkte bei der Beratung und Förderung gelegt werden. Der erhöhte Aufwand bei der Etablierung und Pflege eines Eichenmischbestandes gegenüber kostengünstigeren Bestockungsvarianten sollte ebenfalls in der Förderung stärker berücksichtigt werden.

Expertenworkshop zu FFH-Eichenwaldtypen Ergebnisse aus Bad Windsheim 2015

Eichenwälder gehören zu den einheimischen Waldtypen mit der höchsten Bedeutung für die Biodiversität:
  • Der Anhang 1 der FFH-Richtlinie enthält deshalb auch vier Lebensraumtypen (LRT) von Eichenwäldern mit Vorkommen in Deutschland, drei davon sind flächenbedeutsam und weit verbreitet.
    -- LRT 9160 Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald
    -- LRT 9170 Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald
    -- LRT 9190 Alte bodensaure Eichenwälder auf Sandböden
  • Insgesamt sind rund 97.000 ha Eichenwald-LRT in Deutschland im europäischen Schutzgebietssystem Natura 2000 verbindlich gemeldet und flächenmäßig erfasst.
  • Gemäß dem letzten bereits vorliegenden FFH-Bericht für Deutschland aus dem Jahr 2013 befinden sich die Eichenwald-LRT‘en nicht in einem günstigen Erhaltungszustand. Insbesondere im Hinblick auf die spezifischen Strukturen, Funktionen und die Flächenentwicklung besteht Handlungsbedarf.
  • Vor allem Eichen-Hainbuchenwald-Lebensraumtypen umfassen auf den meisten Standorten Eichenwälder, die tatsächlich Ersatzgesellschaften natürlicher Buchenwäldern sind und daher keine natürlichen Schlusswaldgesellschaften darstellen. Bei kleinflächigen Eingriffen und bei »naturnaher« Behandlung neigen sie dazu, sich praktisch Eichen-frei zu verjüngen. - Die vorhandenen Eichen-Lebensraumtypen sind nachweislich auch nicht auf diesem Wege entstanden.
  • Eichenwald-Lebensraumtypen sind also in den weit überwiegenden Fällen Kulturprodukte, d.h. durch menschliche Nutzung entstanden. Dass für solche LRT‘en spezielle Konzepte notwendig sind, hat auch die EU-Kommission in ihrem Auslegungsleitfaden zu Natura 2000 und Wald klargestellt.
  • Als bedeutendes Kulturgut bedürfen sie eines speziellen Managements, das gemeinsam von Naturschutz und Forstwirtschaft (Waldbau) geleistet werden muss.
  • In Überführungs- und Hochwäldern hat sich die Verjüngung der Eiche mit ausreichend großen Lochhieben (je nach Klimaregion) bewährt, während kleinflächige Eingriffe einen sehr großen, und meist unverhältnismäßigen Pflegeaufwand nach sich ziehen, mit dem zudem insgesamt die Flächenziele nicht erreicht werden können.
  • Ein funktionsfähiger Nebenbestand aus LRT-typischen Halbschattbaumarten ist der Garant und die wichtigste Voraussetzung für die Möglichkeit zur gezielten Steuerung der Verjüngung hin zu einem Eichen-Lebensraumtyp. Wo ein solcher Nebenbestand fehlt, sollte möglichst umgehend unterbaut werden.
  • Ohne aktives Mitwirken des Waldbesitzers ist ein Erhalt von Kulturhabitaten nicht möglich.
  • Die Erhaltung sekundärer Eichenwälder erfordert einen erhöhten Aufwand für den Waldbesitzer, der entsprechend ausgeglichen werden sollte.

Links

Literatur

  • Bußler, H. (2016): Eichenwälder und Biodiversität in der Windsheimer Bucht. AFZ/Der Wald 20: S. 33–34
  • Drachenfels, O. v. (2016): Eichenwald-Lebensraumtypen in Deutschland. AFZ/Der Wald 20: S. 20–23
  • Hauck, J. (2016): Die Forstwirtschaft und die Eichen – ein Überblick. AFZ/Der Wald 20: S. 14–16
  • Küster, H. (2016): Die Eiche in der Waldgeschichte und ihre historische Nutzung. AFZ/Der Wald 20: S. 24–27
  • Mosandl, R. (2016): Waldbauverfahren in Eichenwäldern gestern und heute. AFZ/Der Wald 20: S. 28–32
  • Müller-Kroehling, S. (2016): Eichenwälder und der Leitfaden »Natura 2000 und Wald«. AFZ/Der Wald 20: S. 17–19
  • Ssymank, A. (2016): Biodiversität und Naturschutz in Eichen-Lebensraumtypen. AFZ/Der Wald 20: S. 10–13

Beitrag zum Ausdrucken

Weiterführende Informationen

Autor

  • Alois Zollner