Ralf Petercord
Invasiv, gebietsfremd, oder was? - LWF aktuell 114
Invasive Arten können einheimische verdrängen, Schäden verursachen oder unsere Gesundheit gefährden. Seit Jahren steigt ihre Zahl rasant an. Wer sich mit den »neuen Arten« beschäftigt, stößt aber bereits in der Terminologie auf erste Schwierigkeiten. Der uneinheitliche Gebrauch vieler Begriffe sowie der Versuch einer politisch korrekten Wortwahl erschweren eine sachdienliche Diskussion.
Abb.1: Weinreben stehen in Gefahr, großflächig von der Kirschessigfliege befallen zu werden. (Foto: eyetronic, fotolia.de)
Dies ist im Übrigen auch kein Zeichen von Rückwärtsgewandtheit oder Verhaften am Ewiggestrigen, wie Schraml (2017) vermutet. Blauäugige Zukunftsgläubigkeit war und ist niemals eine zielführende Strategie, ebenso wenig wie Fatalismus im Sinne von »Wir können es doch sowieso nicht ändern«, »Die Natur hilft sich selbst« oder des philosophischen »Panta rhei«. Gerade in der Diskussion um neue, nicht-heimische Arten sind entsprechende Beiträge ausschließlich kontraproduktiv.
Es handelt sich eben nicht einfach um einen »spannenden Prozess« (May 2017), vielmehr stellen »nicht-einheimische Arten … weltweit eine erhebliche Bedrohung für die Gesundheit und die Vielfalt der Ökosysteme dar« (IUCN 2012; Fettig & Delb 2017). Sicherlich kann man über die Frage der Bedeutung für den Natur- und Artenschutz in Relation zu anderen Bedrohungen (Klimawandel, Eutrophierung, Zersiedelung der Landschaft, usw.) in Mitteleuropa diskutieren (Schmidt 2017a/b) und über die Frage der Bedeutung einer hohen »Resilienz der mitteleuropäischen Naturausstattung « spekulieren (BfN 2005; Schmidt 2017 a/b).
Dies darf aber nicht zu einer pauschalen Verharmlosung und »laissez-fairem« Umgang bei der Einschleppung oder Einführung von Arten führen. Aktionismus und Panikmache sind umgekehrt genauso abzulehnen. Zielführend kann nur die differenzierte Einzelfallbeurteilung auf wissenschaftlicher Basis durch anerkannte Fachexperten sein, wie sie Schmidt (2017 a/b) zu Recht fordert.
Archäobiota und Neobiota
Arten, die vor 1492 eingeschleppt wurden oder eingewandert sind, werden als Archäobiota bezeichnet. Sie werden in Mitteleuropa traditionell den einheimischen Arten gleichgestellt (Nehring et al. 2013). Neobiota sind folglich die Arten, die nach 1492 in Europa erschienen sind.
Invasive Arten
Im Bundesnaturschutzgesetz wird eine invasive Art definiert als »eine Art, deren Vorkommen außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets für die dort natürlich vorkommenden Ökosysteme, Biotope oder Arten ein erhebliches Gefährdungspotenzial darstellt« (§ 7 Abs. 2 Nr. 9 BNatSchG).
Quarantäneschadorganismen
Abb.2: Die Kirschessigfliege Drosophilia suzukii stellt eine große Bedohung für den europäischen Obst- und Weinbau dar. (Foto: LWG)
Die Analyse der pflanzengesundheitlichen Risiken (Pflanzengesundheitliche Risikoanalyse PRA) von Quarantäneschadorganismen erfolgt in Deutschland durch das Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit des Julius Kühn-Institutes (siehe Beitrag Schrader und Pfeilstetter, s. S. 8–9 in diesem Heft). Sie unterliegen im Einklang mit internationalen Normen grundsätzlich amtlichen Überwachungs-, Ausrottungs- bzw. Bekämpfungsmaßnahmen (phytosanitären Maßnahmen), die eine weitere Verbreitung verhindern sollen.
Herausforderungen der Zukunft
Abb.3: Heimisch oder fremd? (Foto: geoffkuchera, fotolia.com)
Dazu wurden bereits vor Jahrzehnten durch die Internationale Pflanzenschutzkonvention (IPPC) und deren regionale Pflanzenschutzorganisation für Europa EPPO (European and Mediterranean Plant Protection Organization) die notwendigen internationalen Grundlagen geschaffen. Nationale Regelungen finden sich im Pflanzenschutzgesetz und der Pflanzenbeschauverordnung, die von den zuständigen Behörden auf Bundes- und Landesebene umgesetzt werden.
Gebietsfremde Arten tragen entsprechend der fehlenden koevolutionären Entwicklung im unmittelbaren Vergleich mit den einheimischen Arten nicht oder weniger zur Artenvielfalt bei (Nehring et al. 2013), dies muss allen Akteuren bewusst sein. In Folge des Klimawandels und der sich daraus ergebenden Anpassungnotwendigkeit des Waldes und seiner Bewirtschaftung wird der Anbau gebietsfremder Baumarten zwangsläufig erforderlich sein.
Diesen Prozess gilt es, entsprechend den Anforderungen der Forstwirtschaft, des Pflanzenschutzes und des Naturschutzes, ideologiefrei zu begleiten und zu steuern. Bei der Baumartenwahl können potenzielle Zuwachsleistung und Ertragspotenzial einer Baumart daher nur zwei von vielen zu berücksichtigenden Eigenschaften sein. Hier eröffnen sich Fragestellungen, mit denen sich die forstwissenschaftliche Forschung zwangsläufig viel intensiver beschäftigen wird müssen, um ihrer Verantwortung im Sinne der Nachhaltigkeitskriterien auch zukünftig gerecht zu werden.
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Autor
- Dr. Ralf Petercord