04.11.2024
Borkenkäferjahr 2024 – endlich Entspannung oder besser doch nochmal suchen? - Blickpunkt Waldschutz Nr. 14/2024
von Cornelia Triebenbacher, Karin Bork, Tobias Frühbrodt und Andreas Hahn

In der ersten Oktoberwoche endete wie jedes Jahr das Borkenkäfermonitoring 2024 der LWF. Die Witterung in diesem Schwärmjahr war durch hohe Niederschläge, aber auch durch hohe Temperaturen gekennzeichnet. Die bisher gemeldeten Schadholzmengen liegen mit ca. 3,5 Mio. fm um rund ein Drittel unter den Mengen des Vergleichszeitraums im Vorjahr (Stand: 30.9.24). Das Ausmaß der Schäden war jedoch nach wie vor hoch, so dass auch in diesem Jahr von einem „Buchdruckerjahr“ gesprochen werden muss.

Schwärmgeschehen 2024: Erst Frühsommer – dann Regen

Zwei schlechte Vorzeichen prägten die Ausgangslage für das Borkenkäferjahr 2024: Zum einen waren bayernweit sehr hohe Überwinterungspopulationen vorhanden. Zum anderen gab es zum Schwärmstart reichlich besiedelbares Schadholz aus den Schnee- und Sturmbrüchen des vergangenen Winters. Die Käfersaison startete zudem sehr früh mit teils sommerlichen Temperaturen bereits ab Anfang April. Bayernweit registrierten wir in unserem dichten Netz aus Pheromonfallen ein sehr konzentriertes Schwärmen mit ungewöhnlich hohen Anflugzahlen. An einigen Monitoringstandorten, insbesondere in den Regionen Bayerischer Wald, Frankenwald und in Teilen des Fichtelgebirges, lagen diese bereits frühzeitig über der Warnschwelle für Stehendbefall von 3.000 Käfern/Falle/Woche. Aber auch in den tieferen Lagen in Niederbayern entlang von Inn und Donau, in der südlichen Oberpfalz und in Teilen Mittel- und Unterfrankens gab es wiederholt hohe Fallenfänge. Bis in die mittleren Lagen hinein wurden v. a. die noch liegenden Resthölzer vom Sturm- und Schneebruch aus dem Winter befallen. Aufgrund der intensiven Schwarmtätigkeit der Buchdrucker waren die noch liegenden Schadhölzer rasch besetzt und der Befall ging auf die stehenden Fichten in der näheren Umgebung über. Anfang Mai kam es vielerorts erneut zu einem konzentrierten Schwärmen zur Anlage der ersten Geschwisterbrut. Bis Mitte Mai wurden so viele Bohrmehlfunde gemeldet wie seit 2019 nicht mehr (vgl. Abb.1).
Die im Mai folgenden langanhaltenden Regenfälle beeinträchtigten die Brutentwicklung wenig. Die bereits unter der Rinde sitzenden Käfer setzten weiter ihre Bruten an, die sich ebenfalls zügig entwickelten. Die vielen Niederschläge machten die Fichten zwar wehrhafter, aber sie erschwerten auch die Bohrmehlsuche. Wer in diesem Zeitraum die Bäume der ersten Befallswelle ebenso wie das noch liegende Schadholz finden und aufarbeiten konnte, schaffte es, den weiteren Befallsdruck deutlich zu reduzieren.

Zeitschiene zeigt die Meldung von Bohrmehl im direkten Umkreis der Monitoring-Fallen

Abb. 1: Meldung von Bohrmehl im direkten Umkreis der Monitoring-Fallen (absolute Zahlen). Bohrmehl war vor allem im April und Mai (ab KW 14) sehr gut sichtbar. Der regnerische Sommer erschwerte im Vergleich zu den Vorjahren die Bohrmehlsuche erheblich. Quelle: LWF, Borkenkäfermonitoring.

Trotz hoher Niederschläge Entwicklung von drei Generationen

Diagramm zeigt Schwärmverläufe der Buchdrucker in den Jahren 2020 bis 2024Zoombild vorhanden

Abb. 2: Die Schwärmverläufe der Buchdrucker in den Jahren 2020 bis 2024. 2024 flog der Buchdrucker sehr früh und intensiv aus. Der konzentrierte Ausflug der ersten Jungkäfergeneration in Verbindung mit der ersten Geschwisterbrut – unterbrochen von der ausgeprägten Schafskälte Mitte Juni – zeigte eine nie dagewesene Höhe an Fangzahlen seit 2015. Die rote Linie markiert die Schwelle von 3.000 Buchdruckern/Falle/Woche, ab der mit Stehendbefall gerechnet werden muss.

Mitte Juni begannen die Jungkäfer der 1. Generation mit einem massiven Ausflug und der Anlage einer 2. Generation (Abb. 2). Dabei erreichten die Anflüge bayernweit Spitzenwerte von bis zu 16.000 Käfern/Falle/Woche. Der Befallsdruck war aufgrund dieser hohen Schwarmaktivität sehr hoch. Die Fichten konnten sich aufgrund der guten Wasserversorgung (Abb. 3) durch Ausharzen gegen einen Befall wehren. Es ist aufgrund der schieren Menge an Buchdruckern aber nicht klar, in welcher Größenordnung die Fichten hier erfolgreich waren. Es gibt jedoch folgende Faustregeln: Bei trockengestressten Fichten reichen wenige hundert Käfer für einen erfolgreichen Befall aus, bei gut mit Wasser versorgten Fichten sind es etwa 1.000 Käfer.

Mitte Juli begann der Schwärmflug der Jungkäfer der 1. Geschwisterbrut zur Anlage einer 2. Brut. Bereits Ende Juli/Anfang August begann die Anlage der 3. Generation in Lagen von bis zu rund 800 m ü. NN. Es überlagerten sich die Schwärmflüge mehrerer Bruten, so dass in diesen Wochen mit erheblichem Stehendbefall gerechnet werden musste.


Auffällig war, dass durch die verbesserte Wasserversorgung im Frühjahr befallene Fichten erst spät mit Kronenverfärbung und Nadelverlust zeichneten. Häufig kam es zu Rindenabfall bei noch grüner Krone, so dass ein Großteil der Buchdrucker bereits ausgeflogen war, als der Befall festgestellt wurde.

Die Kältewelle in der zweiten Septemberwoche brachte das Schwärmen der Fichtenborkenkäfer im Gegensatz zu den letzten Jahren verhältnismäßig früh zum Erliegen. Auch die erneuten höheren Temperarturen Mitte September änderten daran nichts mehr. Neue Eiablagen wurden im September kaum noch gemeldet. Die 3. Generation hat sich bis zum Ende des Monitorings in vielen Regionen an sonnigen Standorten bereits zu fertigen Jungkäfern entwickelt. Die 3. Geschwisterbrut befindet sich derzeit in den Bruthölzern im Larven- bis Puppenstadium und hat in weiten Teilen Bayerns damit gute Chancen, sich bis zum Wintereinbruch weitestgehend fertig zu entwickeln.
Bayernkarte zeigt Abweichungen der Temperatur und Niederschläge an den Waldklimastationen Bayerns

Abb. 3a: Abweichungen der Temperatur

Grafik zeigt Abweichungen der Temperatur und Niederschläge an den Waldklimastationen Bayerns

Abb. 3b: Abweichungen der Niederschläge

In den höheren Lagen (>800 m ü. NN) der Alpen ist dieses Jahr etwas anders zu bewerten. Eine verhältnismäßig geringe Ausgangspopulation traf schon im Frühjahr auf gut wasserversorgte Fichten. Wir gehen in den höheren Lagen von einer 2. Generation und 2 Geschwisterbruten aus.
Der Kupferstecher war lokal und vor allem im Norden Bayerns zunehmend wieder am Befall beteiligt, entsprechend der guten Wasserversorgung nur an durchmesserschwachen Fichten und Resthölzern.

Grafik zeigt die 2024 gemeldeten Schadholzmengen bis zum 3. Quartal

Abb. 4: Die 2024 gemeldeten Schadholzmengen bis zum 3. Quartal (schraffierte Säule) liegen weiterhin auf hohem Niveau. Eine Einordnung der Populationsentwicklung des Buchdruckers ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend möglich, da die Meldung der Schadmengen des 4. Quartals noch aussteht.

Zusammenfassung und Ausblick

Bayernkarte zeigt die Gefährdungseinschätzungen für Buchdrucker durch die ÄELF 2024Zoombild vorhanden

Abb. 5: Die Gefährdungseinschätzungen Buchdrucker durch die ÄELF 2024 zum Ende des Monitorings am 30.09.2024. Der akute Befall durch Buchdrucker ist 2024 verstärkt auf Nord- und Ostbayern konzentriert (https://www.fovgis.bayern.de/borki/).

Die 2024 gemeldeten Schadholzmengen bis zum 3. Quartal liegen weiterhin auf hohem Niveau, allerdings nehmen wir bei den Schadholzmengen im Vergleich zum Vorjahr einen deutlichen Rückgang wahr (Abb. 4). Schwerpunkte in der Buchdruckeraktivität waren die nördlichen Teile Unter- und Oberfrankens, der Süden Mittelfrankens, Teile Niederbayerns einschließlich des bayerischen Waldes sowie im westlichen Schwaben - dort insbesondere in den Gebieten mit vorjährigen Hagelschäden (vgl. auch Abb. 5). Auch wenn die Schadholzmengen dieses Jahr rückläufig sind, ist noch kein Ende der 2015 begonnen bayernweiten Buchdrucker-Kalamität in Sicht.

Zu bedenken ist auch, dass im letzten Jahr von insgesamt 6,3 Mio. fm Borkenkäferschadholz in der Fichte 1,5 Mio. Festmeter erst im vierten Quartal gemeldet wurden. Insofern ist die Einordnung der Populationsentwicklung des Buchdruckers für dieses Jahr noch nicht abschließend. Dies wird erst nach Vorliegen aller Schadholzmengen möglich sein. Letztlich ist ausschlaggebend, wie stark sich die oben diskutierten, gegenläufigen Faktoren (hohe Temperaturen, hohe Ausgangspopulationen, bessere Wasserversorgung) ausgewirkt haben und wie gut die rechtzeitige Befallssanierung geglückt ist.

Umso wichtiger ist es, jetzt im Herbst und Winter die Weichen zu stellen, um für das kommende Frühjahr eine möglichst günstige Ausgangslage zu schaffen. Nur im Herbst und Winter kann man die Population mit weniger Zeitdruck effizient absenken! Jetzt stellt man die Weichen für die Ausgangspopulation im Frühjahr!

Sauber in den Winter! – Jetzt Überwinterungsbäume suchen

  • Überwinterung unter und in der Rinde: Auch wenn es nicht so scheinen mag, sind der Herbst und der Frühwinter wichtige Zeitfenster für eine effektive Borkenkäferbekämpfung. Eine aktuelle Literaturzusammenstellung der Waldschutzabteilung der FVA Baden-Württemberg bestätigt die bisherige Einschätzung, dass der größte Teil der Buchdrucker in unseren Breiten unter bzw. in der Rinde überwintern (d.h. > 70%; vgl. Waldschutz-Info 02/2024, online unter https://www.fva-bw.de/fileadmin/publikationen/wsinfo/2024/wsinfo_2024_02.pdf und https://www.lwf.bayern.de/borkenkaefer-faq) und nicht im Boden. Dabei bleiben sie entweder einfach im Brutbild, verkriechen sich in tiefere Schichten der Borke oder es werden neue Bäume aufgesucht. Dort legen die Buchdrucker dann kurze, wellenartig geformte Überwinterungsgänge an. Diese Überwinterungsbäume gilt es in den kommenden Wochen zu finden und aus dem Wald zu fahren. Sie sind aktuell erkennbar durch herabfallende Rinde (bei zum Teil noch grüner Krone), Nadelverfärbung und -verlust sowie Spechtabschläge (vgl. Abb. 6 und Infobox)
  • Kein Entwicklungsstopp im Winter: Die zeitnahe Entnahme ist wichtig, denn junge Entwicklungsstadien (Eier, Larve, Puppe) und Jungkäfer entwickeln sich auch im Spätherbst und Winter bei Temperaturen > 8 °C weiter. Erreichen sie dabei das Erwachsenenstadium, sind sie weitestgehend frostunempfindlich. Außerdem löst sich nach den ersten Frösten vermehrt die Rinde der Überwinterungsbäume ab. Die fertig entwickelten Käfer verbleiben dann in der abgefallenen Rinde oder ziehen sich an milden Tagen aktiv in die Bodenstreu zurück und entziehen sich damit einer weiteren Entnahme. Das ist unbedingt zu vermeiden!
  • Befallsbaum oder Dürrständer? Vor der Fällung lohnt sich ein stichprobenartiger Blick unter und vor allem in die Rinde: Ist der Befall zu alt und sind alle Buchdrucker bereits ausgeflogen, dann kann der Baum aus Waldschutzsicht im Bestand verbleiben. Brechen Sie dabei die Rinde auf, denn Käfer ziehen sich auch in tiefere Zwischenschichten zurück.
  • Die aufgearbeiteten Überwinterungsbäume machen den Unterschied: Durch konsequente Aufarbeitung der Überwinterungsbäume in den kommenden Monaten möglichst bis zum ersten starken Frost können Sie also effizient die Buchdruckerdichte absenken. Je früher Sie Überwinterungsbäume erkennen und aus dem Bestand entfernen, desto wirksamer ist die Maßnahme. Nur so kann ein Großteil der Buchdrucker aus dem System abgeschöpft werden, um mit einer möglichst geringen Ausgangspopulation in die neue Saison zu starten. Im Zweifelsfall kann eine übersehene befallene Fichte mit überwinternden Buchdruckern im Frühjahr zum Befall von 20 weiteren Bäumen führen. Gehen Sie daher auf die Suche - Jeder Überwinterungsbaum zählt!
Fichtenstamm mit abgeschlagenen Rindenbereichen, wo das blanke Holz sichtbar ist

Wie erkenne ich jetzt Überwinterungsbäume der Buchdrucker?
• starker Harzfluss
• Nadelverfärbung in der Krone
• Nadelverlust und grüne oder braune Nadeln am Boden („Nadelteppich“)
• Rindenabfall, teilweise durch Spechte verursacht auf der Suche nach Larven und Käfern
(in diesem Jahr häufig noch bei grüner Krone)
• Bei näherem Blick: Ein- und ggf. Ausbohrlöcher auf der Rinde

Abb. 6: Spechtabschläge mit deutlich erkennbaren Buchdrucker-Brutbildern bei noch grüner Krone. In den intakten Rindenbereichen befinden sich überwinternde Borkenkäfer. Solche Überwinterungsbäume gilt es jetzt aufzuarbeiten. (© F. Maier, AELF Weilheim)