LWF aktuell 151
Geschlechterunterschiede bei der forstlichen Berufswahl
von Andrea Skiba, Anne Stöger, Kathrin Böhling und Friederike Roth
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Abb. 1: Teilnehmende des ersten Runden Tisches des Fem2forests Projektes (© J. Hiller, ZWFH)
Wie kann der Frauenanteil in der forstlichen Berufswelt bis 2030 erhöht werden? Im Interreg-Projekt Fem2Forests geht ein Verbund aus Forschung und Praxis dieser Fragestellung nach. Für die Projektregion (Länder des Donauraums) werden Konzepte und Handlungsempfehlungen entwickelt, die eine Erhöhung des Frauenanteils in der Branche unterstützen können.
Fem2forests verfolgt das Ziel, den forstlichen Arbeitsmarkt attraktiver für Mädchen und Frauen zu gestalten. Dabei gilt es innovative Angebote für junge Frauen zu formulieren, um die forstliche Ausbildung zielgruppengerecht weiterzuentwickeln. Dazu arbeiten 15 Partnerinstitutionen aus 9 Ländern des Donauraums seit dem 1. Januar 2024 im Projekt zusammen – denn das Thema ist nicht nur in Deutschland oder Bayern, sondern in allen beteiligten Ländern aktuell. Die LWF leitet im Projekt Fem2Forests das Arbeitspaket zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit in forstlichen Bildungseinrichtungen. Hierfür wird erstmalig eine länderübergreifende Verbleibstudie von Absolventinnen forstlicher Bildungseinrichtungen im Donauraum durchgeführt. Die LWF unterstützt die Projektpartner außerdem bei der Planung und Umsetzung von Pilotaktionen auf Länderebene. Dabei geht es beispielsweise um innovative Ansätze für die Berufsorientierung an Schulen oder die Weiterentwicklung der Öffentlichkeitsarbeit für forstliche Karrierewege. Praxispartner für Fem2Forests in Bayern sind die Bayerische Waldbauernschule, die Bayerischen Staatsforsten und die Forstschule Lohr.
Umfragen und Runde Tische zur forstlichen Berufsorientierung
Die Einbeziehung von Betroffenen und Berufssuchenden spielt eine wichtige Rolle im Fem2Forests Projekt. Im Frühjahr 2024 führte die LWF dazu zwei Runde Tische zum Thema „Einbeziehung von Mädchen und jungen Frauen in den Forstsektor und forstliche Berufsorientierung" durch. Die Teilnehmenden kamen von Bayerischen Hochschulen, forstlichen Ausbildungsstätten und Arbeitgebern. In den Runden Tischen ging es um bereits bestehende Strategien und Programme für Forststudentinnen und angehende Försterinnen bzw. Forstwirtinnen an forstlichen Bildungseinrichtungen. Dabei wurden Verbesserungsvorschläge für diese Programme erarbeitet. Darüber hinaus wurden Hemmnisse bei der Berufswahl junger Frauen identifiziert und Verbesserungsvorschläge für die Berufsorientierung und Ausbildung im forstlichen Bereich entwickelt.
Parallel wurden zwei Online-Umfragen bei Studierenden forstlicher Studiengänge, forstlichen Auszubildenden sowie bei Schülerinnen und Schülern durchgeführt. Der Fokus dieser Umfragen lag auf den Themen Berufsentscheidung, Berufswahl und dem forstlichen Bildungsweg. An den Umfragen beteiligten sich insgesamt 267 Studierende und Auszubildende und 129 Schülerinnen und Schüler aus Bayern. Der vorliegende Artikel stellt die Ergebnisse zu Motivationen für die Berufswahl und das Bild der Forstwirtschaft beim Nachwuchs dar und legt dabei den Fokus auf signifikante Unterschiede im Antwortverhalten der weiblichen und männlichen Studierenden (n = 187, m: 88 / w: 99).
Die wichtigsten Ergebnisse der Fem2forest Studie im Überblick
Zugang zu Forstberufen: Die Aspekte „Leidenschaft für die Natur und den Wald", „sinnhafte Arbeit" und „im Bewusstsein von Klimaproblemen" sind für junge Menschen als Motivation für den Einstieg in Forstberufe besonders wichtig. Dabei legen Frauen besonderen Wert darauf, durch die Wahl eines Forststudiums aktiv etwas für den Klimawandel zu tun und entscheiden sich für das Studium, weil die Forstbranche als nachhaltiger und ökologisch orientierter Wirtschaftszweig gilt.
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Abb. 2: Motivation für forstliche Karrierewege - Zustimmung und Geschlechterunterschiede (n =187 Studenten und Studentinnen; signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind mit Sternchen markiert.) (© LWF)
Die Auswertung der Frage „Wie haben Ihre Familie und Freunde reagiert, als Sie Ihnen erzählt haben, dass Sie eine forstliche Ausbildung machen wollen?" zeigt, dass es bei den Reaktionen von Freunden und Familie keine erkennbaren Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei der Entscheidung für eine forstliche Ausbildung gibt. Außerdem geht aus den Ergebnissen hervor, dass Forstberufe im gesellschaftlichen Umfeld der Studierenden überwiegend positiv wahrgenommen werden.
Bei den zusätzlich zur Online-Befragung durchgeführten Runden Tischen wurde als wesentliches Hindernis für den Zugang zu Forstberufen für Schülerinnen und Schüler das fehlende „Marketing" der Forstberufe genannt. Das Berufsfeld ist vielen jungen Menschen, die vor der Berufswahl stehen, weitgehend unbekannt und im Gegensatz zu anderen Berufen auch im Alltag wenig präsent. Eine bessere Werbung wurde als wirksame Maßnahme für die Nachwuchsgewinnung identifiziert und soll die beruflichen Möglichkeiten in der Forstbranche zielgruppenorientiert aufzeigen. Ein Geschlechterunterschied wurde bei dieser Frage nicht festgestellt und der Maßnahmenvorschlag gilt daher generell.
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Abb. 3: Signifikant unterschiedliche Interessen von Studentinnen und Studenten im Studium (n =187 Studenten und Studentinnen; signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind mit Sternchen markiert.) (© LWF)
Interessen in Studium und Beruf: Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Interessen im Studium geschlechtsspezifisch variieren. Frauen finden umweltwissenschaftliche Themen deutlich interessanter (+21 % im Vergleich zu Männern). Bei forstwirtschaftlichen Innovationen interessieren sich Frauen stärker für Gesundheit und Erholung im Wald, während Männer eher an technologischen Neuerungen interessiert sind. Praktische Lehrveranstaltungen sind für beide Geschlechter besonders wertvoll und fast gleich viele (48 % Frauen, 49 % Männer) finden den Austausch untereinander wichtig. Beide Geschlechter teilen das Interesse an der Holzproduktion.
Die Umfrageergebnisse zeigen geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Karrierewegen nach dem Forststudium: Männer bevorzugen Themen wie Waldbewirtschaftung, Holzernte und Forsttechnik, während Frauen sich stärker für Naturschutz und ökologische Aspekte begeistern. Männer streben eher in die Waldbewirtschaftung, Frauen in den Naturschutz, Klimaschutz und -anpassung. Forschungskarrieren werden häufiger von Frauen in Betracht gezogen. Für beide Geschlechter ist berufliche Weiterbildung wichtig, jedoch legen Männer mehr Wert auf Möglichkeiten zum beruflichen Aufstieg.
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Abb. 4: Immer mehr Försterinnen arbeiten im Forstbetrieb – dennoch halten sich manche Klischees über den Forstberuf hartnäckig. (© R. Pehlke)
Verbesserung der forstlichen Ausbildung und beruflicher Einstieg: Die Befragungsergebnisse zeigen, dass die meisten Studierenden zuversichtlich sind, nach dem Studium einen Arbeitsplatz in der Forstbranche zu finden. Bei der Frage, ob sich die Studierenden nach Abschluss des Studiums gut auf den Einstieg in den Forstbereich vorbereitet fühlen, bestätigen mehr Männer als Frauen (–21%) diese Aussage. Das heißt Frauen fühlen sich deutlich unsicherer und weniger gut auf den Berufseinstieg vorbereitet. Die Ergebnisse der Runden Tische bestätigen diese Aussagen zu den „Unsicherheiten" und unterstreichen damit die Umfrageergebnisse. Genannte Gründe für die „Unsicherheit" sind dabei zu theoretische Ausbildungsprogramme, das Fehlen von praktischer Erfahrung und Praktikumsmöglichkeiten sowie weniger Selbstbewusstsein der weiblichen Studierenden.
52 % der Studierenden beider Geschlechter sehen in einem Ausbau der praktischen Erfahrung im Gelände Verbesserungspotential für das Forststudium. Bei anderen Verbesserungsaspekten gibt es deutliche Geschlechterunterschiede: Mentoring durch Forstfachleute ist für die befragten Frauen der wichtigste Aspekt für die Verbesserung der forstlichen Ausbildung und den Berufseinstieg. Bei den Männern steht das Kennenlernen von modernen Holzernteverfahren an erster Stelle. Aktuell gibt es für forstliche Studierende nur ein Mentoring-Programm für Forststudentinnen der HSWT. Die Ergebnisse der Runden Tische haben gezeigt, dass die bestehenden Programme ausbaufähig sind. Außerdem gibt es aktuell in forstlichen Ausbildungsstätten keine Programme zur Förderung von Frauen.
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Abb. 5: Klassische Situation im Forststudium: Nicht ganz leicht, hier als Frau ein Versteck zu finden, wenn die Blase drückt. (© R. Pehlke)
Klischees und Hindernisse: Die Umfrageergebnisse zeigen, dass Forstberufe klischeebehaftet sind. Nur 1 % der befragten Frauen und 2 % der befragten Männer gaben an, dass es keine Klischees über forstliche Berufe gibt. Davon sind die meisterwähnten Klischees bei Studierenden, dass Forstberufe nur ein begrenztes Tätigkeitsfeld abdecken („Es geht nur um das Fällen von Bäumen") und dass es anstrengende körperliche Arbeit ist. 75 % der befragten Frauen geben an, dass die Aussage „Forstberufe sind nicht für Frauen geeignet" für sie das bedeutendste Klischee ist, während nur 36 % der befragten Männer dieses Klischee nennen. Ein Mangel an weiblichen Vorbildern und Klischees über Frauen und Männer in der Forstwirtschaft werden als Haupthindernisse für Frauen bei der Entscheidung für ein Forststudium angesehen. Bei den Runden Tischen wurden von den Teilnehmenden ergänzend folgende Hindernisse identifiziert: Vereinbarkeit von Beruf und Familie, männlich-dominiertes Umfeld und Sexualisierung, fehlende weibliche Vorbilder und geringe Vernetzung.
Geschlechterspezifische Herausforderungen: In der Studie geben 68 % der befragten Frauen und 28 % der Männer an, mit geschlechterspezifischen Herausforderungen konfrontiert worden zu sein. Die befragten Frauen gaben bspw. an, dass sie Erfahrungen mit sexistischem Verhalten gemacht haben (z. B. unangemessene Kommentare, körperliche Annäherungsversuche usw.) und betonen, dass sie von ihren männlichen Kommilitonen sowie Ausbildern nicht ernst genommen werden. Weitere geschlechtsspezifische Herausforderungen sind Aspekte der weiblichen Hygiene wie die Menstruation oder der Gang zur Toilette, die immer noch von vielen Ausbildern/Betreuern während der Exkursionen oder der Feldarbeit nicht respektiert oder sogar belächelt werden.
Diskussion und Ausblick
Aus der Studie geht hervor, dass ein Mangel an Informationen über Forstberufe und damit einhergehende Klischees eine wesentliche Hürde für die Wahl einer forstlichen Laufbahn darstellen. Es wäre daher wichtig, im Zuge der forstlichen Nachwuchsgewinnung Schülerinnen und Schüler besser über das breite Spektrum an beruflichen Möglichkeiten in der Forstbranche zu informieren und Praktikumsmöglichkeiten anzubieten.
Die Ergebnisse zeigen, dass Mentoring in der forstlichen Ausbildung stärker gefördert werden sollte. Es ermöglicht jungen Menschen, das Berufsfeld praxisnah kennenzulernen und bietet Unterstützung durch erfahrene Experten, was auch beim Berufseinstieg hilfreich ist. Für Frauen kann Mentoring dazu beitragen, das Selbstbewusstsein in einem männerdominierten Umfeld zu stärken. Eine zentrale Koordination der Mentoring-Angebote würde das bestehende System verbessern, indem ein größerer Pool an Mentoren und Mentees erreicht wird.
Zudem wünschen sich Studierende mehr praktische Erfahrungen im Gelände. Forstliche Studiengänge werden oft als zu theoretisch empfunden und bereiten aus Sicht der Befragten nur begrenzt auf die Berufspraxis vor.
Klischees beeinflussen die Wahl von forstlichen Berufen. Um die Branche attraktiver und moderner zu gestalten, sollten Berufsorientierung, Ausbildung und Arbeitsumfeld gezielt darauf abzielen, Vorurteile durch Sensibilisierung abzubauen und Frauen in Forstberufen besser sichtbar zu machen.
Die vorliegende Fem2forests Studie belegt, dass Frauen und Männer häufig unterschiedliche Interessen am Studium und für ihre berufliche Laufbahn verfolgen und zeigt geschlechterspezifische Herausforderungen auf. Der unterschiedliche Umgang und das subjektive Empfinden dieser Tatsache bei Frauen sind Realität und konnten durch die Studie erstmals auch bestätigt werden. 68 % der Frauen und 28 % der Männer geben das unabhängig voneinander an. Daher sollten spezifische Angebote in die forstliche Ausbildung integriert werden, um die Studierenden für diese Themen zu sensibilisieren und Vielfalt als Chance für die Forstbranche zu sehen. Wünschenswert wären beispielsweise Plattformen, die Frauen und Männer an einen Tisch bringen und Kommunikation und Austausch bei der Ausbildung sowie beim Arbeitgeber fördern.
Zusammenfassung
Im Rahmen des Projektes Fem2forests wurde bei Forststudierenden sowie Schülerinnen und Schülern eine Studie zum Thema Berufsbild und forstliche Berufsorientierung durchgeführt. Ein zentrales Ergebnis ist, dass mangelnde Informationen über Forstberufe und damit einhergehende Klischees die Nachwuchsgewinnung für forstliche Berufe erschweren. Die Öffentlichkeitsarbeit sollte weiterentwickelt werden. Schülerinnen und Schüler wünschen sich aussagekräftigere Informationen über Berufe in der Forstbranche und Praktikumsmöglichkeiten. Im Forststudium haben sich Mentoringprogramme bewährt, um Selbstbewusstsein zu stärken und geschlechterspezifische Hürden abzubauen. Diese Programme sollten weiter ausgebaut werden.
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Weiterführende Informationen
Autoren
- Andrea Skiba
- Dr. Kathrin Böhling
- Anne Stöger
- Friederike Roth