Ulrich Stetter und Roland Schörry
Was kann der Wald? – LWF aktuell 128

Waldfunktionspläne und Waldfunktionskarten zeigen, was der Wald in Bayern für die Gesellschaft leistet

Der Wald hat besondere Bedeutung für den Schutz von Klima, Wasser, Luft, Boden, Tieren und Pflanzen, für die Landschaft und den Naturhaushalt. Er hat ferner landeskulturelle, wirtschaftliche, soziale sowie gesundheitliche Aufgaben zu erfüllen. So steht es sinngemäß in Art. 1 des Bayerischen Waldgesetzes. Die Waldfunktionspläne der Bayerischen Forstverwaltung stellen die Wälder mit besonderer Bedeutung für den Schutz der lebenswichtigen Ressourcen Wasser, Boden, Klima, für die Erholung und die biologische Vielfalt dar.

Bis in die 1970er Jahre war der Wald begehrte, weil preiswerte Flächenreserve für Siedlungen, Industrie, Gewerbe und Infrastrukturen. Der Verlust großer Waldgebiete vor allem in Ballungsräumen rief schließlich den Widerstand engagierter Bürger hervor, weil die Wohlfahrtswirkungen des Waldes zunehmend ins Bewusstsein der modernen Gesellschaft rückten. Schließlich schuf das Bayerische Waldgesetz die Grundlagen für einen besseren Schutz der Wälder und etablierte die Waldfunktionsplanung.

Waldfunktionsplanung

Das übergeordnete Ziel der Waldfunktionsplanung ist die Erhaltung und erforderlichenfalls Mehrung der Waldfläche. Seit der Änderung des Planungsrechts und der Anpassung des Bayerischen Waldgesetzes (BayWaldG) im Jahr 2005 hat die Waldfunktionsplanung den Rang einer internen Fachplanung der Forstverwaltung (Art. 5 und 6 BayWaldG). Sie ist eine wichtige Grundlage für die Erstellung forstfachlicher Stellungnahmen bei der Inanspruchnahme von Wald. Waldfunktionspläne wurden für die 18 Planungsregionen Bayerns erstellt und sollen auch in Zukunft fortgeschrieben werden.

Waldfunktionskartierung

Balkendiagramm mit grünen Balken in horizontaler AusrichtungZoombild vorhanden

Abb. 1: Viele Wälder erfüllen mehrere Funktionen auf ein und derselben Fläche. Stand: August 2020 (Grafik: LWF)

Die Schutz- und Erholungsfunktionen der Wälder sowie ihre Bedeutung für die biologische Vielfalt wurden erstmals in den Jahren nach 1973 kartiert. In der Folge sind die Waldfunktionskarten in den Jahren nach 1992 und erneut im Wesentlichen zwischen den Jahren 2007 und 2017 aktualisiert worden.

Die Waldfunktionskarten stehen der Öffentlichkeit über das Geoportal Bayern (BayernAtlas) zur Verfügung. Digitale Daten können von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft bezogen werden. Die Waldfunktionskartierung der Forstverwaltung wird ergänzt durch Flächendaten anderer Verwaltungen. Dabei handelt es sich vor allem um Schutzgebiete nach dem Wald-, Wasser- und Naturschutzrecht.

In den Waldfunktionskarten wird die Nutzfunktion nicht eigens dargestellt. Sie wird – von Ausnahmen abgesehen (i. W. Naturwaldreservat, Nationalpark, Naturwald) – grundsätzlich überall, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, ausgeübt.

Nutzfunktion

Die Nutzfunktionen umfassen die Rohstoff-, Arbeits- und Vermögensfunktion. Wald liefert Holz und andere Naturgüter. Die dritte Bundeswaldinventur von 2012 weist für Bayern einen Holzvorrat von 987 Millionen Vorratsfestmetern (fm) aus. Das sind fast 400 fm/ha. Genutzt wurden im Betrachtungszeitraum rund 28 Millionen Festmeter pro Jahr (LWF 2014).
Wald stellt Arbeitsplätze für alle bereit, die ständig oder vorübergehend, haupt- oder nebenberuflich im Dienste der Waldbesitzer, von Unternehmern oder Käufern von Walderzeugnissen oder als Selbständige im Wald tätig sind. Im Jahr 2013 umfasste der Cluster Forst, Holz und Papier in Bayern knapp 200.000 erwerbstätige Personen (Knauf et al. 2016).

Wasserschutz

Wald mit besonderer Bedeutung für den Wasserschutz sichert und verbessert die Qualität des Grundwassers sowie stehender und fließender Oberflächengewässer. Grundwasser, das unter Wald gebildet wird, ist qualitativ häufig so gut, dass eine Aufbereitung im Rahmen der Trinkwasserversorgung nicht mehr notwendig ist. Waldböden mit ihren ausgeprägten Porensystemen und der intensiven Durchwurzelung weisen eine hohe Infiltrations- und Wasserspeicherkapazität auf. Dadurch gelangt Wasser auch in tiefere Bodenschichten und legt einen längeren Weg bei der Versickerung zurück. Auf diese Weise erhöht der Wald die Stetigkeit der Wasserspende und vermindert die Gefahr von Hochwasser (Projektgruppe WFK 2015).

Wald mit besonderer Bedeutung für den Wasserschutz ist Wald in Trinkwasserund Heilquellenschutzgebieten, in Vorrang- und Vorbehaltsgebieten der Wasserversorgung sowie in Wildbacheinzugsgebieten. Hinzugerechnet wird Wald in Überschwemmungsgebieten und wassersensiblen Bereichen. Dort beeinflusst der Wald den Wasserrückhalt in der Regel positiv. Etwa ein Viertel der Waldfläche Bayerns (ca. 684 Tsd. Hektar) erfüllt so die Waldfunktion Wasserschutz.

Boden- und Lawinenschutz

Wald mit besonderer Bedeutung für den Bodenschutz schützt gefährdete Standorte sowie benachbarte Flächen vor den Auswirkungen von Wasser- und Winderosion, Rutschungen, Steinschlag, Aushagerung und Humusabbau. In den Hoch- und Kammlagen der Alpen und der Mittelgebirge dient er darüber hinaus auch der Waldregeneration. Etwa 19 % der Wälder in Bayern haben besondere Bedeutung für den Bodenschutz. Naturgemäß ist der Flächenanteil in den Bayerischen Alpen (WG 15) aufgrund des ausgeprägten Reliefs besonders hoch. Dort sind es etwa 78 %, während der mittlere Anteil im übrigen Bayern bei etwa 11 % liegt.

Wälder mit besonderer Bedeutung für den Lawinenschutz gibt es in Bayern nur in den Alpen (WG 15). Sie vermindern die Gefahr von Lawinenanrissen und schützen damit Siedlungen und Infrastrukturen, aber auch tiefer gelegene Wälder. Sie hemmen zudem das Schneekriechen und -gleiten, welche die Waldverjüngung erheblich erschweren. In lichten Schutzwäldern sind daher zur Sanierung vorübergehende aufwändige technische Verbauungen erforderlich. Als Lawinenschutzwald wurden kartiert: Wälder in Hanglagen mit mehr als 30 Grad Neigung und im Bereich von Lawinengassen.

Klimaschutz, Immissions- und Lärmschutz

Der Klimawandel und seine Auswirkungen gehören zu den wesentlichen Herausforderungen unserer Zeit. Wälder sollen als Kohlenstoffspeicher und als Produzenten des nachwachsenden klimaneutralen Rohstoffs Holz zur Lösung des Problems beitragen. Daneben haben die Wälder eine weitere wichtige Aufgabe zu erfüllen:

Aufgrund ihrer Transpiration und Schattenbildung bleiben Wälder auch bei hohen sommerlichen Temperaturen verhältnismäßig kühl. Daher erwartet man vor allem von großen zusammenhängenden Waldgebieten, dass sie das Klima in einer für den Menschen positiven Weise beeinflussen (Latif 2009 in Projektgruppe WFK 2015). Wald mit besonderer Bedeutung für den regionalen Klimaschutz soll in Verdichtungsräumen das Klima durch großräumigen Luftaustausch verbessern. Davon profitieren die Wohnund Erholungsgebiete großer Städte. Wald mit besonderer Bedeutung für den lokalen Klimaschutz verbessert das Klima in der Nähe von Siedlungen und empfindlichen Kulturen durch den Ausgleich von Temperaturextremen, Wind- bremsung und indem er das Abfließen von Kaltluft aus Hanglagen hemmt.

Lokaler Immissionsschutzwald mindert schädliche Einwirkungen und Belastungen durch Gase, Stäube oder Aerosole. Er verbessert dadurch die Luftqualität für Siedlungen, Erholungsgebiete sowie land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen. Er liegt zwischen den Emittenten und schutzbedürftigen Objekten.

Lärmschutzwald schützt Objekte wie Wohn-, Arbeits- und Erholungsbereiche sowie Krankenhäuser vor Lärmbelästigung. Er dämpft den Lärm durch Absenken des Schalldruckpegels.

Rund 14 % Prozent der bayerischen Waldfläche erfüllen in besonderem Maße mindestens eine dieser Funktionen.

Erholung

Frau geht mit Hund im Schnee im Wald auf einem Forstweg spazierenZoombild vorhanden

Abb. 2: Der Wald ist Erholungsund Erlebnisraum für vielfältige Ansprüche. (Foto: R. Schörry)

Das Betreten des Waldes zum Zweck des Genusses der Naturschönheiten und zur Erholung ist jedermann unentgeltlich gestattet (Art. 13 BayWaldG). Damit ist im Grunde genommen jeder Wald, soweit es keine ausdrücklichen Beschränkungen des Betretungsrechts gibt, potenzieller Erholungswald.

Die Waldfunktionskartierung stellt diejenigen Wälder dar, die in besonderem, also überdurchschnittlichem Maße der Erholung dienen. Dabei werden zwei Intensitätsstufen unterschieden: Stufe I wird vor allem in der Umgebung und im Siedlungsbereich von Städten, Fremdenverkehrs- und Kurorten sowie an Schwerpunkten des Erholungsverkehrs erfasst. Stufe II wird ebenfalls stark, jedoch nicht in gleichem Maße wie Stufe I besucht.

Laut einer Erhebung in Deutschland geht etwa die Hälfte der Bevölkerung (Alter > 20 Jahre) mindestens einmal im Monat in den Wald, rund ein Viertel sogar mindestens einmal wöchentlich (Kleinhückelkotten et al. 2009). Eine Studie aus der Schweiz untersuchte, wie lange sich bestimmte Besuchergruppen jährlich im Wald aufhielten. Auf ca. 760 Stunden kam die Aktivität »Hund ausführen«, gefolgt von »Natur beobachten« 430 h, »Reiten « 330 h, »Spazierengehen« 230 h, »Joggen« 140 h, »Wandern« 140 h und »Radsport betreiben« 120 h (Bernasconi & Schroff 2008).

Bayernweit ist knapp ein Viertel der Waldfläche Erholungswald i. S. der Waldfunktionsplanung. 4 % der Waldfläche sind der Stufe I, 19 % der Stufe II zuzuordnen. Der Anteil der Stufe I ist in den Planungsregionen München und Nürnberg mit deutlich über 10 % besonders hoch.

Lebensraum, biologische Vielfalt und Landschaftsbild

Abgestorbene, stehende Buche mit PilzenZoombild vorhanden

Abb. 3: Wälder haben große Bedeutung als Lebensraum und für die biologische Vielfalt. Vor allem Totholz steckt voller Leben. (Foto: R. Schörry)

Eine möglichst naturnahe Waldbewirtschaftung ist ein wichtiger Beitrag für die biologische Vielfalt, weil sie verschiedenartige Lebensräume für unterschiedlichste Arten zur Verfügung stellt. Von großer Bedeutung sind Wälder in NATURA 2000-Gebieten, Nationalparken, Naturschutzgebieten, Naturdenkmälern, geschützten Landschaftsbestandteilen, Na- turwaldreservaten und die Naturwälder.

Die Waldfunktionskartierung stellt außerhalb dieser Schutzgebiete weitere Waldlebensräume dar, die aufgrund ihrer standörtlichen Voraussetzungen oder ihrer Struktur dem Erhalt schützenswerter Lebensräume und seltener Arten dienen. Eine flächenscharfe Abgrenzung geschützter Biotope ist damit nicht beabsichtigt und wäre im Kartierungsmaßstab 1:50.000 auch nicht möglich. Auch historische Forstnutzungen wie Nieder-, Mittel- und Plenterwald gehören in diese Kategorie, weil sie einen Beitrag zur Diversität der Wälder leisten.

Darüber hinaus prägt der Wald das Landschaftsbild unserer Heimat ganz wesentlich mit. Von besonderer Bedeutung sind Waldränder, exponierte Wälder in Kuppenlagen oder Hanglagen, Auwälder und andere Wälder, die prägende Elemente charakteristischer Landschaften sind. Etwa 770.000 ha und etwa ein Drittel der Wälder Bayerns haben in diesem Sinne besondere Bedeutung als Lebensraum und für die biologische Vielfalt oder sind von besonderer Bedeutung für das Landschaftsbild.

Zusammenfassung

Es gibt in Bayern rund 2,5 Millionen Hektar Wald. Das entspricht einem Waldanteil von gut einem Drittel der Gesamtfläche. Wälder haben Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen und sie bereichern die biologische Vielfalt. Die Bayerische Forstverwaltung erstellt Waldfunktionspläne als interne Fachplanung für alle 18 Planungsregionen. Sie sind eine wichtige Grundlage für Stellungnahmen der Forstbehörden zu Planungen und Maßnahmen, die den Wald betreffen.

Die Waldfunktionskarten stellen abgesehen von der Nutzfunktion die Waldfunktionen in ganz Bayern dar. Die Waldfunktionskarten können von jedermann im Geoportal Bayern (BayernAtlas) eingesehen werden. Die größten Anteile an der Waldfläche Bayerns haben der Reihe nach die Funktionen Lebensraum einschließlich Landschaftsbild, Wasserschutz, Erholung, Bodenschutz.

Dabei erfüllen viele Wälder mehrere Funktionen auf ein und derselben Fläche. Auf 36 % der Waldfläche sind keine besonderen Waldfunktionen kartiert. Die Erläuterungen der Waldfunktionen im Text folgen der Arbeitsanweisung für die Aktualisierung der Waldfunktionspläne (BayStMELF Stand 2015) und dem Leitfaden zur Kartierung der Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes der Projektgruppe Waldfunktionenkartierung der AG Forsteinrichtung (2015).

Literatur

  • LWF - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (2014): Nachhaltig und naturnah. Wald und Forstwirtschaft in Bayern. Ergebnisse der dritten Bundeswaldinventur. Freising
  • Bayerische Landesamt für Statistik (2020): GENESIS-Online Datenbank, Tabelle 33111-001r mit dem Stand 31.12.2018. Abgerufen im Juli 2020 von https://www.statistikdaten.bayern.de/genesis/online/logon
  • StMELF - Bayerisches Staatsministerium für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (2015): Arbeitsanweisung für die Aktualisierung der Waldfunktionspläne. München
  • Bernasconi, A.; Schroff, U. (2008): Freizeit und Erholung im Wald. Grundlagen, Instrumente, Beispiele. Umwelt-Wissen Nr. 0819. Bundesamt für Umwelt, Bern. 69 S.
  • Kleinhückelkotten, S.; Calmbach, M.; Glahe, J.; Neitzke, H.-P.; Stöcker, R.; Wippermann, C.; Wippermann, K. (2009): Kommunikation für eine nachhaltige Waldwirtschaft. Forschungsverbund Mensch & Wald, M&W-Bericht 09/01, Hannover
  • Knauf, M.; Hunkemöller, R.; Friedrich, S.; Mai, W.; Borchert, H.; Bauer, J. (2016): Clusterstudie Forst, Holz und Papier in Bayern 2015. Abschlussbericht. Langfassung. Juni 2016, Freising
  • Projektgruppe WKF – Waldfunktionenkartierung der AG Forsteinrichtung (Hrsg.) (2015): Leitfaden zur Kartierung der Schutzund Erholungsfunktionen des Waldes. Waldfunktionenkartierung (WFK), Freiburg

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