Jürgen Kircher
Ausgezeichnete Erholung - LWF-aktuell 111
Augsburger Stadtwald ist Deutschlands erster Erholungswald mit PEFC-Zertifikat
Mit circa 280.000 Einwohnern ist Augsburg die drittgrößte Stadt Bayerns. Umgeben von großen Waldgebieten, die sich z.T. bis in die Stadt hineinziehen, sind die Stadtwälder Anziehungspunkte für jährlich vier Millionen Besucher. Erholung wird in der Städtischen Forstverwaltung daher ganz groß geschrieben. Seit dem Jahr 2015 trägt der Stadtwald nun auch das Prüfsiegel »Erholungswald«.
Die Stadt Augsburg ist mit rund 7.700 ha größter kommunaler Waldbesitzer in Bayern. Ihr Forstbetrieb unterscheidet sogenannten Landwald von Auwald. Im 5.200 ha großen Landwald werden, ohne ökologische und soziale Funktionen außer Acht zu lassen, ökonomische Gewinne verfolgt. Dies gelingt in den fünf Revieren in Schwaben, Oberbayern und der Oberpfalz aufgrund vorratsreicher Wälder außerordentlich gut. Die Erträge kommen zu 83 % ehemals waldbesitzenden Stiftungen zu Gute, die damit in erster Linie Altenhilfe in Augsburg finanzieren.
Der Auwald für Trinkwasser, …
… Naturschutz
Die Landschaft um Augsburg gilt in ihrem Bewuchs als reich gegliedert: Große, gemischte Waldteile wechseln sich mit offenen Heideflächen ab, die von vielen kleineren und größeren Bächen durchzogen werden. Seltene, bayernweit einmalig vorkommende Pflanzenarten sind hier zuhause. Nebeneinander besteht ein kleinstflächiges Mosaik, das von trockensten bis feuchten, von mageren bis zu nährstoffreichen Böden reicht.
Herausgebildet hat sich dieses Kleinod aus der ständigen natürlichen Verlagerung des Lechbetts. Heute besteht dort ein Übergangsauwald immenser Vielfalt.
… und Erholung
Abbildung 1: Radfahrer nutzen
gerne die zahlreichen Rad- und Fußwege (Foto: Stadt Augsburg,
LPV)
Ein geregeltes, auskömmliches Nebeneinander aller Interessengruppen soll von der städtischen Forstverwaltung möglichst reibungsarm bewerkstelligt werden. Das ist nicht immer einfach, da die Ansprüche, z. B. an die Ausstattung der Wege, zwischen den einzelnen Nutzern sehr unterschiedlich sind. Mountainbiker wünschen knackige »Singletrails«, Mütter mit Kinderwagen möglichst ebene Strecken ohne Reiter und springende Hunde.
Forstwirtschaft im Auwald
Die Stadt Augsburg investiert in eine umfangreiche Infrastruktur. Zu erkennen ist dies beispielsweise an dem rund 200 km langen Waldwegenetz, das – rein forstwirtschaftlich betrachtet – in diesem Umfang nicht notwendig wäre. Dafür wird ein betriebseigener Wegeinstandhaltungszug vorgehalten. Aktuell 215 Ruhebänke und 110 Abfallkörbe werden vom Forstbetrieb unterhalten.
Die Verantwortlichen der Stadt Augsburg machen sich seit langem Gedanken, wie Forstwirtschaft und Waldbesucher vor Ort gut nebeneinander und miteinander auskommen können. So versuchen sie durch Aufklärung sicherzustellen, dass Erholungswald nicht nur in seiner Kulissenfunktion für den Freizeitbetrieb wahrgenommen wird, sondern zu vermitteln, dass darin gleichzeitig auch gewirtschaftet werden muss (Schraml 2015). Dazu gibt es verschiedene Ansätze.
Forstbetrieb und Öffentlichkeitsarbeit
Darüber hinaus finden jährlich zahlreiche Führungen zu speziellen Waldthemen statt. Förster der Stadt informieren beispielsweise über den Klimawandel, über lichte Wälder, Mittelwald und Stockausschlag, über Eschentriebsterben oder Beweidungsprojekte u.v.a.m. Sie zeigen dem Bürger den Reichtum ihres Stadtwaldes auf.
Im Forstbetrieb der Stadt Augsburg bilden ein kluges Konfliktmanagement und ein modernes Informations- und Bildungsangebot neben der nachhaltigen Waldbewirtschaftung wichtige Säulen der täglichen Arbeit (Schraml 2015).
Die Zertifizierung
Abbildung 2: Bürgermeisterin
Eva Weber und Jürgen Kircher aus der Forstverwaltung (Foto: Stadt Augsburg, S. Kerpf)
Ziel war unter anderem, die vielfältigen Möglichkeiten für Erholungssuchende des Augsburger Stadtwaldes auch prominent nach außen zu tragen. Unterstützt und begutachtet wurde die Forstverwaltung dabei von der Zertifizierungsstelle »hw-Zert GmbH« aus Attenkirchen. Das Zertifikat wird in zwei Schritten erworben: 1. das Erholungswald-Konzept und 2. die Umsetzung des Konzepts.
Erholungskonzept
Das Wegenetz
Sollten Änderungen der Wegesysteme nötigwerden, wird dies umfassend vorher mit betroffenen Ämtern und Behörden besprochen. Ein Gesamtkonzept wird anschließend von der Forstverwaltung vollzogen, die für den Unterhalt der Wege zuständig ist. Vorhandene Bänke, Laufwege, Straßen (asphaltiert und wassergebunden), Waldkindergärten, Lehr- pfade und Rundwanderwege sind kartiert.
Forstwirtschaft mit Augenmaß
Der Forstbetrieb selbst regelt ästhetische Belange bestandsweise im Detail. Markante Einzelbäume oder Biotopbaumgruppen bleiben stehen, Hiebsmaßnahmen und Instandhaltung des Wegenetzes geschehen in der Regel außerhalb der stark frequentierten Ferienzeit.
Entscheidend ist, dass Betriebs- und Revierleitung sensibel mit dem Thema Erholung umgehen und diese Einstellung an die im eigenen Betrieb ausgebildeten Forstwirte weitergeben.
Kommunikation und Partizipation
Abbildung 3: Lichte Kiefernwälder und blumenreiche Heideflächen prägen weite Teile des Augsburger Auwaldes. (Foto: Stadt Augsburg, LPV)
Öffentlichkeitsarbeit wird groß geschrieben. Wünsche, Anregungen oder Kritik werden, an wen immer sie innerhalb der Stadtverwaltung adressiert sein mögen, unmittelbar an die Forstverwaltung weitergeleitet. Hier hat die Beantwortung hohe Priorität. Oftmals treffen sich die Förster mit den Betroffenen »am Objekt«, um vor Ort vermeintliche oder tatsächliche Probleme zu diskutieren.
Die Frage nach Ressourcen, die in dem Konzept nachgewiesen werden müssen, ist in Augsburg gelöst. Forstleute müssen ausreichend vorhanden sein. Auch die finanziellen Mittel sind in Augsburg vorhanden, da die Wichtigkeit der Wassergewinnung, aber auch des Naherholungsgebiets Auwald in Stadt und Bürgerschaft sehr positiv gesehen wird.
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Aktuell läuft ein vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gefördertes Projekt, bei dem die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) die vielfältigen Ökosystemdienstleistungen der Wälder in Augsburg erfasst (Schulz und Meyer 2016).
Das Erholungskonzept wird durch den Auditor geprüft. Dabei hat der Forstbetrieb in Stufe 1 Nachweise oder Zertifikate zu den einzelnen, vorgeschriebenen Punkten zu erbringen.
Die Umsetzung
Im Zuge der Überprüfung wurden einige Standorte angesteuert, die von forstlichen Maßnahmen betroffen waren. Der Auditor prüfte hier, wie beispielsweise Wege oder Ruhebänke nach dem Eingriff gepflegt wurden. Vielfältige Waldbilder und Waldstrukturen waren genauso Aspekte, wie ein vorsichtiger Umgang mit der Spraydose: Stichwort Waldästhetik. Über allem steht im Vor- Ort-Audit die Frage, ob der Betrieb in Dialog mit seinen Besuchern tritt.
Eine Zertifizierung kostet auch Geld. Im ersten Jahr 2015 fielen für das Dokumenten- Audit der Stufe 1, dem Vor-Ort-Audit Stufe 2 und einer PEFC-Gebühr Kosten in Höhe von 2.350 Euro an. Im zweiten und in den Folgejahren hat ebenfalls eine Überprüfung im Wald stattzufinden, um das Zertifikat halten zu können. Das bedeutet einen jährlichen Begang durch den Gutachter, der dafür 1.300 Euro in Rechnung stellt.
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Weil Augsburg den ersten PEFC-zertifizierten Erholungswald in Deutschland besitzt, erfuhr die Aushändigung der Urkunde ein überregionales und überdurchschnittliches Presseecho. Eine Fülle an Veröffentlichungen in Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen, Internetforen und Sozialmedien beschäftigten sich mit dem hohen Freizeitwert im Augsburger Stadtwald. Darunter auch Medien, die gewöhnlich nicht unbedingt über Forstwirtschaft berichten, wie Wanderzeitungen oder Fachmagazine für Garten- und Landschaftsbau.
Für die Augsburger Forstverwaltung ist das Zertifikat ein Aushängeschild. Vorgegebene Standards und eine jährliche Überprüfung durch Dritte zeigen den Verantwortlichen wichtige Schritte auf. Dies gilt sowohl für die innerbetriebliche Organisation als auch – und vor allem – für die Kommunikation mit einer urbanen Nutzergesellschaft, deren Akzeptanz der Waldbewirtschaftung immer wichtiger wird.
Zusammenfassung
Mit einem durchdachten Erholungskonzept, mit erfolgreicher Öffentlichkeitsarbeit und mit geeigneten forstwirtschaftlichen Maßnahmen hat die Stadt Augsburg ein bedeutendes Ziel erreicht: Sie bewirtschaftet Deutschlands ersten zertifizierten Erholungswald.