LWF Wissen 87
Die Moorbirke im bayerischen Staatswald
von Sebastian Höllerl, Sabrina Thoma, Heinrich Wimmer, Rasmus Ettl, Kay Müller, Sharon Rakowski, Kilian König, Axel Reichert und Markus Kölbel
Abb. 1: Einzelne starke Moorbirke (BHD von 80 cm) am FB Selb, Revier Weißenstadt mit Revierleiter Patrick Lehmann. (© A. Reichert)
Die Moorbirke ist im Bayerischen Staatswald auf knapp 7.000 Hektar in unterschiedlichen Anteilen von einzeln bis führend beteiligt. Über die Hälfte dieser Flächen sind als Moorstandorte kartiert. Sie hat eine hohe Bedeutung für die Biodiversität in Moorwäldern und bereichert das Landschaftsbild. Waldbaulich hat sie vor allem aufgrund ihrer Pioniereigenschaften eine Bedeutung, die aufgrund von zunehmenden Störungen im Rahmen des Klimawandels noch steigen wird. Vor allem auf feuchten Standorten kann sie nach Kalamitäten einen Vorwald bilden, der den nachfolgenden Baumarten Schutz gegen Frost oder Wind bietet und eine zu starke Vergrasung des Waldbodens verhindert. Die Bayerischen Staatsforsten streben an, die derzeit relativ knappe Saatguterntebasis zu verbessern, indem sie zulassungsfähige Erntebestände suchen und Erntemöglichkeiten ausnutzen. Dies wird künftig die Möglichkeiten zur Neubegründung mittels Saat erweitern. Im Rahmen der Moorrenaturierung bei den Bayerischen Staatsforsten wird die Moorbirke angemessen berücksichtigt.
Verbreitung der Moorbirke im bayerischen Staatswald
Mancherorts finden sich Moorbirken als markante einzelne Besonderheiten im Waldbild (Abbildung 1).
Nach den Ergebnissen der regelmäßigen Inventur im Rahmen der Forsteinrichtung beträgt die Netto-Fläche der Moorbirken in der Oberschicht 432 Hektar, zudem kommen rund 140 Hektar im Unter- und Zwischenstand vor. In der Vorausverjüngung (bis 5 m) stocken etwa 120 Hektar Moorbirke.
Tabelle 1 zeigt das flächenmäßige Vorkommen der Moorbirke im Vergleich zur Sandbirke und zur Vogelbeere nach Altersklassen. Hier wird zum einen der Pionierbaumcharakter der Moorbirke offenkundig. Das Vorkommen beschränkt sich im Wesentlichen auf die erste bis vierte Altersklasse mit einem leichten Schwerpunkt in der dritten Altersklasse. Ab der vierten Altersklasse nehmen die Vorkommen deutlich ab. Zum anderen wird klar, dass die Moorbirke insgesamt wesentlich seltener ist als die anderen beiden Pionierbaumarten.
Baumart/Fläche (ha) | Altersklasse I | AK II | AK III | AK IV | AK V | AK VI | AK VII | AK VIII | AK IX | Summe |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Sandbirke | 3230 | 5621 | 1942 | 2175 | 1182 | 543 | 146 | 44 | 16 | 15299 |
Vogelbeere | 3913 | 1482 | 202 | 91 | 42 | 15 | 2 | 1 | 0 | 5749 |
Moorbirke | 85 | 83 | 136 | 83 | 38 | 8 | 0 | 0 | 0 | 432 |
Abb. 2: Verteilung der Moorbirke auf Flächen der BaySF (links) und Verteilung aller Moorflächen in Bayern laut Standortskartierung (rechts). Nachdem zum Sichtbarmachen der Vorkommen stark überzeichnet werden muss, können die Grafiken nicht verschnitten werden. (© S. Rakowski, BaySF)
Etwa 33 % (ca. 2.250 Hektar) der Bestände mit Moorbirkenbeteiligung sind außer regelmäßiger Bewirtschaftung (a. r. B). Es handelt sich um Sonderstandorte (überwiegend geschützte Biotope) wie Moore, Bruchwälder oder Bestände an der Baumgrenze. Dort sieht die Planung der Forsteinrichtung zumeist Hiebsruhe vor und die Bestände werden nicht bewirtschaftet. Zusätzlich liegen diese Flächen oftmals in Naturwäldern und Naturwaldreservaten.
Bedeutung der Moorbirke bei den Bayerischen Staatsforsten
Die waldbauliche Bedeutung der Moorbirke
»Weichlaubholz« der Moorbirke – härter als gedacht
Naturschutzfachliche und landschaftsökologische Bedeutung
Abb. 3 (links): Moorbirke mit »Hexenbesen«. Verursacher ist der Schlauchpilz Taphrina betulina, der abnorme Triebanhäufungen an Birken induziert. Gut erkennbar ist die typische glatte Rinde und die aufrechte Verzweigung des Feinreisigs bei der Moorbirke. (© A. Reichert, BaySF)
Abb. 4 (rechts): Natürlich angeflogene Samen der Moorbirke auf den letzten Schneeresten. Davon wurde vermutlich die Schneesaat abgeleitet. (© H. Wimmer, BaySF)
Die Laubkrone der Moorbirke ist sehr lichtdurchlässig und damit ein hervorragender Lebensraum für Insekten. An ihr finden sich xylobionte und phytophage Käfer, diverse Zikaden, seltene Pflanzenwespen und eine Vielzahl an Schmetterlingen (Müller-Kroehling 2019a, 2019b, Müller-Kroehling und Schmidt 2023). Zahlreiche spezielle Pilzarten besiedeln das wenig dauerhafte Holz. (Müller-Kroehling und Schmidt 2023). Die besondere Bedeutung für die biologische Vielfalt soll durch den bestmöglichen Schutz von Einzelbäumen und durch die Etablierung von Moorbirkenbeständen in Form der Sukzession oder durch gezielte Maßnahmen (Saat oder Pflanzung) gefördert werden.
Darüber hinaus bereichern einzelne, oft eindrucksvolle Exemplare von Moorbirken das Landschaftsbild. Dabei können auch besondere Erscheinungen wie Hexenbesen bewundert werden (Abbildung 3).
Neubegründung von Moorbirkenbeständen
Naturverjüngung und Saat
Dabei muss es aber – auch wenn das Wort in der forstlichen Welt sehr gebräuchlich ist – nicht unbedingt eine »Schnee«-Saat sein. Der letzte Schnee ist nicht unbedingt erforderlich zur Aussaat, aber der Zeitpunkt (unmittelbar vor, während oder unmittelbar nach der Schneeschmelze) und insbesondere die gute und anhaltende Durchfeuchtung der oberen Bodenschichten sind zwingend für die nachfolgende Keimung im zeitigen Frühjahr. Reicht die Feuchtigkeit im Boden nicht aus, ist dieser Zeitpunkt unter Umständen allerdings nicht geeignet für eine Saat (siehe Ausführungen zu Hindernissen bei der Saat und Praxisbeispiel des Forstbetriebs Allersberg unten). Konkurrenzflora sollte die ersten beiden Jahre nicht übermäßig vorhanden sein, denn das würde den Keimlingen bzw. Sämlingen schnell das nötige Licht nehmen. Insofern ist es im Fall von größeren Kalamitätsflächen wichtig, eine Saat rechtzeitig anzulegen, bevor sich die Grasvegetation zu etablieren beginnt.
Im Zusammenhang mit Wiederaufforstungen nach größeren Kalamitäten werden inzwischen auch andere Techniken der Saat angewandt. Es kommen beispielsweise Scheibenräumgeräte als Anbaugeräte an Harvestern zum Einsatz. Anstelle des reinen Saatguts oder der Mischung aus Saatgut und Sand wird das Saatgut z. T. mit natürlichen Materialien pelletiert (ummantelt). Dies hat zum einen den Vorteil der besseren Handhabung, zum anderen aber auch den einer gewissen Feuchtigkeitsspeicherung. Auch Drohnen werden derzeit für die Ausbringung solchen pelletierten Saatguts getestet. Hier kommen z. T. Saatgutmischungen unterschiedlicher Baumarten, auch in der Mischung mit Sträuchern (z. B. Hirschholunder) oder krautigen Pflanzen (Weidenröschen) als sogenannte »Notfallmischung« zum Einsatz (Meinhold und Göttlein 2022).
Hindernisse bei der Bestandesbegründung
Abb. 5: Sämlinge der Moorbirke (hier Stockausschlag) sind für das Rehwild besondere Leckerbissen. (© H. Wimmer, BaySF)
Eine weitere Hürde ist klimatischer Natur und durch den Klimawandel hervorgerufen. Umfangreiche Schneefälle sind inzwischen seltener geworden, sodass eine klassische Schneesaat zunehmend schwieriger wird. Stattdessen gibt es im Frühjahr immer häufiger ausgeprägte Trockenperioden, welche die jungen Keimlinge empfindlich schädigen können.
Ein drittes Hindernis ist der Verbiss durch Schalenwild (Abbildung 5). Die Moorbirke wird häufig und massiv verbissen. Sie ist deutlich attraktiver für Schalenwild als die Sandbirke. Dies ist oft selbst bei reduzierten Rehwildbeständen problematisch. Deshalb ist es unerlässlich, die Verjüngungsflächen groß genug auszuwählen (mindestens 0,1 bis 1,0 ha) und eine Zäunung ist oft nicht vermeidbar. Ab dem dritten Jahr nach der Ansamung ziehen die jungen Pflanzen im Wachstum stark an und entwachsen dem verbissgefährdeten Bereich schnell.
Beispiel der gelungenen Begründung von Moorbirken- beständen am Forstbetrieb Allersberg
Abb. 6: Moorbirke mitherrschend in Wuchshülle, umgeben von Sandbirken in Wuchskonkurrenz. Die Wuchshülle wurde zugunsten einer schnellen Erkennung bei der Mischwuchsregulierung noch belassen. Revier Roth, Distrikt Abenberger Wald, Abteilung Nutzung. (© K. König, BaySF)
- Ganzjährig intensiver Wildverbiss. Auch bei einem weitgehend angepassten Wildstand waren die Moorbirken massiv gefährdet und wurden deshalb zum Teil mit Wuchshüllen geschützt.
- Konkurrenz durch andere Pioniergehölze wie Sandbirke, Aspe und Kiefer auf der Freifläche (Abbildung 6). Eine Mischwuchsregulierung zugunsten der Moorbirke war unerlässlich.
- Erkennen der Moorbirke im unbelaubten, jungen Stadium beim Einzelschutz und bei der Mischwuchsregulierung. Ein hilfreiches Merkmal sind die behaarten jungen Triebe im Vergleich zu den warzigen rauhen Trieben der Sandbirke.
Waldbauliche Behandlung: Rechtzeitige Pflege tut Not
Abb. 7: Gelungene Moorbirkensaat mit natürlich angeflogenen Sandbirken. Saatguteinsatz von 1 kg/ha; Revier Hilpoltstein, Distrikt Schweinszucht, Abteilung Kirchbügel. (© K. König, BaySF)
Bei einer Oberhöhe von 12 bis 15 m lässt das Höhenwachstum der Moorbirke nach. Baumarten wie Fichte, Kiefer und evtl. Spirke, welche sich auf solchen Standorten unweigerlich auch angesamt haben, ziehen in den Kronenraum der Birken nach. Die Birke benötigt aber jetzt zunehmend mehr Kronenfreiheit. Bei zu erwartenden Baumhöhen von 25 bis 30 m werden die Moorbirken ab ca. 12 m Höhe kontinuierlich umlichtet und von Kronenspannung freigehalten, um später einen Kronenanteil von ca. 50 % zu erhalten. D. h. alle Konkurrenten und alle von unten in die Krone drängenden Bäume müssen binnen eines Jahrzehnts kontinuierlich und dauerhaft entfernt werden. Kronenberührungen zur Birke sollen künftig vermieden werden. Um zur Risikostreuung im Klimawandel gemäß dem Vier-Baum-Konzept der BaySF auch auf diesen nassen, stets sturmwurfgefährdeten Standorten, möglichst 4 Baumarten zu etablieren, muss bei dieser Höhe die Entscheidung gefällt werden, wo welche Baumart weiter gefördert wird. Die Moorbirke darf dabei nicht zu kurz kommen. Bis zu 50 Moorbirken je Hektar können ausgewählt und zügig freigestellt werden. Dabei ist es sinnvoll, die Moorbirken gruppen- bis kleinflächenweise auszuwählen und vorhandene Mischbaumarten nebenan zu fördern.
Abb. 8: Bei fortgeschrittenen Baumhöhen ist die zweifelsfreie Unterscheidung zwischen Sand- und Moorbirke nicht einfach. (© H. Wimmer, BaySF)
Naturverjüngung von Moorbirke unter Moorbirke funktioniert nur, wenn durch einen dichten Unter- und Zwischenstand (i. d. R. bestehend aus Fichte) eine massive Bodenverwilderung verhindert wurde. Dieser Nebenbestand wird komplett entnommen, sobald der Bestand verjüngt werden soll. Weitaus häufiger gelingt die Naturverjüngung der Moorbirke auf Sturmwurfflächen von ehemals dichten Fichtenbeständen, wenn Moorbirken in der Nähe stehen. Auf wechselfeuchten Standorten kam es allerdings in den trockenen Sommern der vergangenen Jahre zum Absterben der Birken. Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass künstliche Moorbirken-Bestandsgründungen nur auf echten Nassböden erfolgen.
Abb 9: Kleinflächiger Moorbirkenbestand ohne Nebenbestand mit Kennzeichnung der Elitebäume. (© A. Reichert, BaySF)
Zukunftsperspektiven für die Moorbirke im Bayerischen Staatswald
Abb 10: Kulturneubegründungen (Saat und Pflanzung) der Baumarten Moor-, Sandbirke und Vogelbeere in den Geschäftsjahren 2015 bis 2022. (© LWF)
Die Moorbirke wird insgesamt im Bayerischen Staatswald in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen. Angesichts zunehmender Kalamitäten im Zusammenhang mit dem Klimawandel werden ihre Eigenschaften als Pionierbaumart vor allem auf feuchten und nährstoffarmen Standorten für die Bildung von Vorwäldern immer wichtiger werden. Auf organischen Böden (Moorböden) und weiteren feuchten Sonderstandorten wird sie auch Teil der Schlusswaldgesellschaft sein. Wegen ihrer hohen ökologischen Bedeutung sollten einzeln oder in geringen Anteilen beigemischte Moorbirken unbedingt erhalten und gefördert werden. Bei der Renaturierung von Mooren wird sie im Rahmen umfangreicher Erhebungen zu Vegetation, Hydrologie und ggf. zur Fauna berücksichtigt werden. Die aus diesen Erhebungen abgeleiteten Planungen werden eine angemessene Beteiligung der Moorbirke fördern.
Literatur
- Brandl, S.; Mette, T. (2021): ANALOG - Waldzukunft zum Anfas- sen. Klimawandel und Baumartenwahl: Beispiel Frankenwald. LWF Aktuell 3/2021, S. 42-45
- Fachagentur für nachhaltige Rohstoffe (FNR) (2022): Laubholz. Über die Nutzung und Verwendung einheimischer Laubhölzer
- Meinhold, A.; Göttlein, A. (2022): Schadflächen im Franken- wald - Herausforderung in neuer Dimension. LWF Aktuell 6/ 2022, S. 17-19
- Müller-Kroehling, S. (2019a): In Dubio pro Betula - Plädoyer für mehr Toleranz gegenüber der Moorbirke in Mooren. Anliegen Natur 41(1), S. 136-144
- Müller-Kroehling, S. (2019b): Birken in Mooren: Plädoyer für eine forstliche Neubewertung. AFZ-Der Wald, 4/2019, S. 11-13
- Müller-Kroehling, S.; Schmidt O. (2023): Die Moorbirke - wichti- ger Bestandteil der Biodiversität in Mooren. LWF-Wissen 87, S. 34-53
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Weiterführende Informationen
Autoren
- Dr. Sebastian Höllerl
- Sabrina Thoma
- Heinrich Wimmer
- Rasmus Ettl
- Kay Müller
- Scharon Rakowski
- Kilian König
- Axel Reichert
- Markus Kölbel