Gregor Aas
Die Rotbuche: Verwandtschaft, Morphologie, Verbreitung und Ökologie - LWF Wissen 86

Die Rotbuche (Fagus sylvatica, Familie Fagaceae) ist in Mitteleuropa die häufigste und von Natur aus konkurrenzstärkste Baumart. Dargestellt werden die Verbreitung, Morphologie, nacheiszeitliche Rückwanderung, Ökologie und Reproduktionsbiologie der Rotbuche.

Die Gattung Fagus

Ein Zweig der Amerikanischen Buche Fagus grandifoliaZoombild vorhanden

Abb. 1: Fagus grandifolia, die einzige neuweltliche Art der Gattung (© G. Aas)

Fagus (Buche) ist eine Gattung der Familie der Buchengewächse (Fagaceae), die in den temperaten, laubabwerfenden Wäldern der Nordhemisphäre mit zehn Arten (Jiang et al. 2020) weit verbreitet ist und große ökologische Bedeutung hat. In Nordamerika ist als einzige Art der Gattung die Amerikanische Buche (F. grandifolia, Abb. 1) in den östlichen Laubwäldern beheimatet.

Ihr großes Areal erstreckt sich vom Südosten Kanadas bis nach Florida und Nordmexiko. Sieben Fagus-­Arten kommen in Ostasien, vor allem in China (z. B. Englers Buche, F. engleriana) und Japan (z. B. Japanische Buche, F. japonica) vor. In Europa ist neben der Rotbuche (F. sylvatica) die Orient­-Buche (F. orientalis) beheimatet (siehe Kasten).
Fagus orientalis, Orient-Buche
Fagus orientalis, Orient-Buche
Fagus orientalis, die Orient-Buche, ist mit der Rotbuche nahe verwandt. Beide werden auch als Unterarten einer Art (F. sylvatica subsp. orientalis und subsp. sylvatica) angesehen. Beheimatet ist die Orient-Buche im Elbursgebirge im nördlichen Iran, im Kaukasus und in Anatolien bis zum Balkan (Abb. 8). Hier überschneidet sich das Verbreitungsgebiet mit dem von F. sylvatica und es kommt durch Hybridisierung zu Übergangsformen beider Sippen (Fagus × taurica Popl.). F. orientalis unterscheidet sich von F. sylvatica durch etwas größere Laubblätter (Abb. 14), die meist oberhalb der Mitte am breitesten sind und 7 – 12 Paar Seitennerven haben, sowie durch spatelig verbreiterte Schuppen an der Basis des Fruchtbechers (Abb. 15). Aktuell wird diskutiert, ob die Orient-Buche bei uns als Alternative für den Waldumbau in Zeiten des Klimawandels geeignet ist.
Ein beblätterter Zweig der Orient-Buche

Abb. 14: Fagus orientalis:

Ein Fruchtstand der Orientbuche an einem beblätterten Zweig

Abb. 15: Fruchtstand

Morphologie

Freistehende Buchen auf einer Wiese an einem Hang vor einem weiß-blauen HimmelZoombild vorhanden

Abb. 2: Freistehende Rotbuchen am Monte Baldo (© G. Aas)

Fagus sylvatica (Abb. 2) kann bis 35 m (max. 45 m) hoch und bis zu 1,5 m (max. 2,5 m) dick werden (BHD = Durchmesser in 1,3 m Stammhöhe). Typisch ist die dünne, silbergraue und bis ins hohe Alter glatt bleibende Stammrinde (ein Periderm, Abb. 3). Auf ihr bleiben Narben nach Verletzungen oder Astabbrüchen (Überwallungen) lange Zeit gut sichtbar erhalten.

In seltenen Fällen kommt es vor allem am Stammanlauf, aber auch immer wieder bei einzelnen Individuen, den sog. »Steinbuchen«, am gesamten Stamm zur Bildung einer rissig­schuppigen Borke.
Unterer Stamm einer mittelalten Rotbuche im WinterZoombild vorhanden

Abb. 3: Die Rinde der Rotbuche bleibt durch ein bis ins hohe Alter aktives Periderm dünn und glatt. (© G. Aas)

Für Fagus sylvatica sind eine streng zweizeilige Beblätterung, Knospenstellung und Verzweigung charakteristisch (Abb. 4, 5) sowie eine deutliche Differenzierung des Sprosssystems in Lang­ und Kurztriebe. Beide Phänomene (life history traits) ermöglichen die hohe Schattentoleranz und damit die Konkurrenzstärke der Art. Langtriebe sind durch Streckung der Internodien mehrere Zentimeter lang, so dass Blätter und Seitenknospen deutlich voneinander entfernt stehen.

Kurztriebe sind im Unterschied dazu nur einige Millimeter bis wenige Zentimeter lang. Die zwei bis fünf Laubblätter stehen durch die extreme Stauchung der Internodien nahe, fast wirtelig beieinander. Die einzige gut ausgebildete Knospe des Kurztriebs ist die endständige, aus der das Wachstum im nächsten Jahr ohne seitliche Verzweigung fortgesetzt wird. So entstehen über mehrere Jahre unverzweigte Kurztriebketten, die gut und gerne 10 – 15 Jahre alt werden können (Abb. 6).
Ein Zweig einer RotbucheZoombild vorhanden

Abb. 4: Schattenzweig einer Rotbuche (© G. Aas)

Langtriebe generieren vor allem in der Jugend das Höhenwachstum, aber auch den Ausbau der Krone bei älteren Bäumen (Explorationstriebe). Kurztriebe ermöglichen es, dem Baum im Schatten und im Inneren der Baumkrone möglichst viele Blätter auszubilden, ohne dass dafür große Sprosslängen erforderlich sind (= hohe Zahl von Blättern bei geringer Investition in dauerhaftes Zweiggerüst).

Im Zuge der Alterung von Buchen, aber auch bei Vitalitätsverlusten infolge von Stress, z. B. Trockenheit, vollzieht sich ein Umbau der Krone. Langtriebe werden immer weniger gebildet, Kurztriebe dagegen vermehrt. Bei alten oder geschädigten Bäumen kann bei weitgehendem Fehlen von Langtrieben der allergrößte Teil der Laubblätter an Kurztrieben stehen.
Ein noch kahler Zweig der Rotbuche mit Knospen kurz vorm AufgehenZoombild vorhanden

Abb. 5: Winterknospen der Rotbuche(© G. Aas)

An Lang-­ wie an Kurztrieben lassen sich die Grenzen einzelner Jahrestriebe gut an den sog. Triebbasisnarben (= Knospenspur) erkennen (Abb. 6). Nach dem Austreiben der Knospe zum neuen Spross fallen die zahlreichen Schuppen der Knospe ab und hinterlassen an der Basis des neuen Triebes eine dichte Ringelung.

Da die Rinde der Buche lang glatt bleibt, markiert diese Knospenspur viele Jahre die Grenzen aufeinanderfolgender Jahrestriebe, so dass man das Höhen­ bzw. Längenwachstum bis zu 30 Jahre zurückverfolgen kann.
Zweig mit braunen herbstlichen Blättern. Am Zweig ist die beschriebene Ringelung zu erkennenZoombild vorhanden

Abb. 6: Vier Jahre alte Kurztriebkette im Winter. Die Grenzen der einzelnen Jahrestriebe sind gut an der Ringelung, der sog. Knospenspur oder Triebbasisnarbe zu erkennen. (© G. Aas)

Bedingt durch die Zweizeiligkeit bilden die Seitenzweige der Rotbuche mit ihren Blättern (Abb. 7) geschlossene, mehr oder weniger waagrechte Flächen (Abb. 4). So kann möglichst viel von dem wenigen Licht, das durch das dichte Kronendach nach unten dringt, aufgefangen werden. Der Austrieb erfolgt im Frühjahr aus den in den Knospen präformierten Trieben. Die jungen Langtriebe, deren Streckung bereits nach etwa vier Wochen abgeschlossen ist, hängen zunächst schlaff bogenförmig über und richten sich erst durch die einsetzende Verholzung auf.

Bei jungen, im Licht stehenden Pflanzen kann Syllepis (= Verzweigung eines Triebes ohne vorheriges Knospenstadium) vorkommen, mitunter auch Johannistriebbildung (= vorzeitiger Knospenaustrieb), wenn gleich viel seltener als bei Eichen.

Aus lichtökologischer Sicht bemerkenswert ist die Phänologie der Belaubung im Frühjahr: Buchenkronen ergrünen von unten nach oben, im Bestand die unterständigen Individuen vor den höheren. Diese frühere Belaubung optimiert die Lichtausbeute im Unterstand, geschützt vor Spätfrösten, bevor das Kronendach des Buchenwaldes voll belaubt ist.­

Dicht beblätterter Zweig der Rotbuche

Abb. 7: Laubblätter der Rotbuche. (© G. Aas)

Nacheiszeitliche Rückwanderung

Fagus sylvatica überdauerte die letzte Eiszeit in mehreren, weit voneinander entfernten Refugien: Auf der nördlichen Iberischen Halbinsel, in Südfrankreich, in Süditalien, dem Balkan, in einem Gebiet vom Rande der Ostalpen bis Slowenien und Istrien sowie wahrscheinlich auch im südlichen Böhmen und Mähren (Magri et al. 2006). Nach der Eiszeit breitete sie sich erst relativ spät aus. Die Besiedelung Mitteleuropas nördlich der Alpen begann vor etwa 8000 Jahren an der Wende vom Boreal zum Atlantikum ausgehend vor allem aus den Refugien am Rande der Ostalpen sowie aus den in Böhmen und Mähren gelegenen und wahrscheinlich auch aus einem Rückzugsgebiet an den Westalpen (Magri et al. 2006). Refugialpopulationen im Mittelmeergebiet waren nicht an der Rückwanderung nach Mitteleuropa beteiligt. Vor 7000 Jahren hatte die Buche Österreich und die nördliche Schweiz erreicht. Im Subboreal, vor etwa 4000 Jahren, erfolgte dann eine rasche Ausbreitung nach Norden, im Mittel mit Geschwindigkeiten von 270 m/Jahr, maximal bis zu 600 m/Jahr (Saltré et al. 2013). Vor etwa 3000 Jahren erreichte F. sylvatica die Nord­ und Ostsee, kurz danach England und den Süden Skandinaviens.

Nicht sicher geklärt ist, zu welchen Anteilen die Ausbreitung durch ein humides, buchenfreundliches Klima, durch das Ausbreitungspotenzial der Art (z. B. Effektivität der Samenvektoren) oder durch den Menschen bestimmt bzw. limitiert war (Saltré et al. 2013). Durch ein zunehmend gemäßigteres, humides Klima im Subboreal und im Subatlantikum (vor etwa 2500 Jahren) wurde die Konkurrenzkraft der Buche gegenüber den Arten der zu dieser Zeit vorherrschenden Eichenmischwälder gestärkt. Möglicherweise aber wurde die Buchenausbreitung auch anthropogen gefördert. Schon zur Zeit der Ankunft der Buche in Mitteleuropa hat der Mensch immer wieder den Wald zugunsten von Landwirtschaft aufgelichtet oder gerodet, danach aber das Land wieder verlassen (Wanderwirtschaft, shifting cultivation). Die daraufhin einsetzende sukzessive Wiederbewaldung könnte, so die Annahme (Küster 1997, Bradshaw et al. 2010), die Ausbreitung der Buche begünstigt haben.

Verbreitung und Ökologie

Landkarte von Europa, die das Areal der Rot- bzw. Orientbuche zeigtZoombild vorhanden

Abb. 8: Areal von Fagus sylvatica (grün) und Fagus orientalis (orange) (verändert nach EUFORGEN)

Fagus sylvatica hat ihren Verbreitungsschwerpunkt in West­ und Mitteleuropa. In Südeuropa sind ihre Vorkommen auf submediterran­montane Lagen beschränkt. Das Areal (Abb. 8) erstreckt sich von der Iberischen Halbinsel, Sizilien und dem Balkan im Süden über West­ und Mitteleuropa bis nach Südengland, Südskandinavien und Nordostpolen im Norden und zu den Karpaten im Osten. Im Norden ist sie eher eine Baumart tieferer Lagen, im Süden ein typischer Gebirgsbaum. Die ungefähren Grenzen ihrer Höhenverbreitung liegen im Harz bei 750 m, im Bayerischen Wald bei 1300 m, im Schwarzwald bei 1450 m, in den Bayerischen Alpen bei 1500 m und in den Südalpen bei 1800 m.

Die Ausbreitung der Rotbuche ist im Norden und Osten ihrer aktuellen Verbreitung wahrscheinlich noch gar nicht abgeschlossen. Fraglich ist deshalb, ob die tatsächliche Buchenverbreitung der ökologisch und klimatisch möglichen Verbreitung entspricht (Czajkowski et al. 2006). In vielen Randgebieten ihres Areals erweist sich die Buche als »expansiv«. Pollenanalytische Belege zeigen zudem, dass sie an ihrer Nordostgrenze ehemals weiter im Osten vorkam, dann aber, wahrscheinlich durch den Menschen, zurückgedrängt wurde. Wichtig sind diese Befunde, wenn es um die Einschätzung der Toleranz der Buche gegenüber stärker kontinentalem, trockenerem Klima geht, konkret bei der Frage nach ihrer Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel.
Die Rotbuche ist die von Natur aus häufigste Baumart Mitteleuropas. Entscheidend für ihre Konkurrenzstärke ist die hohe Schattentoleranz, ihre Fähigkeit durch ihre dichte Krone beschattend auf den Unterwuchs zu wirken und ihr bis ins hohe Alter anhaltendes Wachstum (Fähigkeit zum »Lichtungszuwachs« nach Freistellung). Auf vielen Waldstandorten gelangt die Buche im Zuge einer natürlichen Sukzession zur Dominanz (Klimaxbaumart, K­Stratege). Unter günstigen Bedingungen bildet sie annähernd reine Bestände oder ist die dominierende Baumart in Mischbeständen mit anderen Baumarten.

Günstig für die Vitalität von Fagus sylvatica sind ein ausgeglichen humides Klima, tiefgründige, nachhal­tig frische, ausreichend basenversorgte, gut durchlüftete und drainierte Böden. Unter geeigneten Klimabedingungen gelangt sie weitgehend unabhängig vom geologischen Untergrund zur Vorherrschaft. Die Spannbreite von Standorten mit Buchenwäldern reicht von stark sauren, nährstoffarmen Böden (z. B. Hainsimsen­Buchenwald, Luzulo-Fagetum) über mäßig saure, basenhaltige Substrate (z. B. Waldmeister­Buchenwald, Galio odorati-Fagetum) bis zu flachgründigen Kalkstandorten (z. B. Seggen­Buchenwald, Carici-Fagetum, Walentowski et al. 2013). In Bayern würden von Natur aus neun Buchen­ und Buchenmischwald­Gesellschaften rund 85 % der Waldfläche einnehmen. Unter natürlichen Bedingungen könnten sich in weiten Teilen Mitteleuropas andere Baumarten auf Dauer nur dort mehr oder weniger gut gegenüber der Klimaxbaumart Buche durchsetzen, wo das Klima oder andere Standortfaktoren deren Vitalität einschränken oder sie ganz ausschließen. Limitierend für die Buche sind (Durrant et al. 2016, Felbermeier und Mosandl 2011, Gayer 1882):
  • die Länge der Vegetationszeit von mindestens etwa 140 Tagen; dadurch bedingt ist die Höhengrenze im Gebirge und die Verbreitungsgrenze im Norden;
  • hohe Sommertemperaturen, Trockenheit (Jahresniederschläge unter 500 – 600 mm), starke Kontinentalität des Klimas (Spätfröste!);
  • Sauerstoffmangel im Boden (Überflutung, hochanstehendes Grund­ oder Stauwasser, wechselfeuchte und insbes. dicht gelagerte Tonböden);
  • durch Hangschutt und blockreiche Standorte bewegte Böden im Gebirge mit häufigem Steinschlag.
Gegenwärtig ist F. sylvatica zwar unsere häufigste Laubbaumart, ist aber mit einem Anteil an der Waldfläche von 16 % in Deutschland und von 14 % in Bayern (Bundeswaldinventur 3) erheblich seltener als von Natur aus möglich. Grund dafür ist der über Jahrhunderte währende Einfluss des Menschen. Da die Buche nur mäßig stockausschlagfähig ist, wurde sie durch die auf großen Flächen betriebene Niederwaldwirtschaft nach und nach durch Eichen, Linden und Hainbuchen ersetzt. Mit Beginn einer »geregelten« Forstwirtschaft, etwa ab dem 18. Jhdt. und bis weit in die Gegenwart, wurden dann vielerorts gezielt Fichten­ und Kiefernforste auf Buchenstandorten etabliert. Erst in den letzten Jahren findet eine Trendwende im Waldbau hin zu mehr Buche statt.

Reproduktion

Ein beblätterter Zweig der Rotbuche mit weißen, männlichen BlütenZoombild vorhanden

Abb. 9: Männliche Blütenstände. (© G. Aas)

Rotbuchen beginnen erst relativ spät zu blühen und zu fruktifizieren (Abb. 9, 10), im geschlossenen Bestand mit etwa 40 – 50 Jahren. Sie zeigen ein ausgeprägtes Mastfruktifikationsverhalten (engl. masting, mast seeding). Alle zwei oder mehr Jahre kommt es innerhalb und zwischen Populationen synchronisiert zur Bildung großer Mengen Samen. So wechseln sich in unregelmäßigen Abständen Jahre mit starker Samenproduktion (Mastjahre) mit solchen geringerer oder ganz ausbleibender ab.

Wie häufig es zu Mastjahren kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Klimaerwärmung bei der Buche zwar zu verstärkter Samenbildung führt, aber die Jahr­zu­Jahr­Variation in der Intensität der Fruktifikation sich abschwächt, d. h. das Mastverhalten weniger stark ausgeprägt ist (Bogdziewicz et al. 2020).

Dadurch können sich die vorteilhaften populationsbiologischen Effekte der Mastfruktifikation – höherer Reproduktionserfolg durch erhöhte Effizienz der Bestäubung und Sättigung der Samenprädatoren – längerfristig abschwächen. Samenprädatoren hingegen könnten so vom erhöhten Nahrungsangebot profitieren.
Ein Ast der Rotbuche bestückt sehr vielen FrüchtenZoombild vorhanden

Abb. 10: Starke Fruktifikation, sog. Vollmast, bei der Rotbuche. (© G. Aas)

Die einsamigen Nussfrüchte (Bucheckern, Abb. 11) enthalten bis zu 45 % fettes Öl, ca. 40 % Stärke und Eiweiß. Weitere Inhaltsstoffe sind das Trimethylamin Fagin, Alkaloide, Oxalsäure und Saponine, die beim Menschen nach Verzehr roher Früchte zu Unverträglichkeit führen können (Fleischhauer et al. 2013).

Der Samen wird vor allem von den zwei fleischigen, gefalteten Keimblättern (Speicherkotyledonen) ausgefüllt. Bucheckern haben eine endogene Keimhemmung (Samenruhe), die in der Natur den Winter über abgebaut wird, so dass die Samen im Frühjahr nach ihrer Reife epigäisch keimen (Abb. 12). Die beiden nierenförmigen Keimblätter sind für kurze Zeit photosynthetisch aktiv, ehe sie von zwei gegenständigen Primärblättern in der Blattfolge abgelöst werden.

F. sylvatica treibt nur mäßig gut durch proventive (schlafende) und adventive (neu gebildete) Knospen aus dem Stock aus (Abb. 13). Gelegentlich kann sie nahe am Stock und an den Wurzelanläufen auch Wurzelsprosse (Wurzelbrut) bilden. Interessanterweise sind diese Formen der vegetativen Reproduktion in den Südalpen und im Apennin häufiger zu beobachten als nördlich der Alpen.

Ein Zweig der Rotbuche mit 4 Bucheckern in Nahaufnahme

Abb.11: Die Nussfrüchte der Buche, die Bucheckern, reifen zu zweit im Fruchtbecher (Cupula), der sich mit vier Klappen öffnet, um die Früchte zu entlassen. (© G. Aas)

Keimlinge der Rotbuche sprießen aus dem Waldboden

Abb. 12: Dicht auflaufende Keimlinge im Frühjahr nach einer Vollmast. (© G. Aas)

Eine Buche bildet neue Triebe aus einem Stock heraus

Abb. 13: Fagus sylvatica treibt weniger gut aus dem Stock aus als viele andere Laubbaumarten. Auf der Alpensüdseite jedoch, im Bild eine Buche im schweizerischen Tessin, ist eine Regeneration durch Stockausschläge aus schlafenden Knospen häufig zu beobachten. (© O. Holdenrieder)

Steckbrief Rotbuche (Fagus sylvatica)
Gestalt
Bis 35 (max. 45) m hoher, sommergrüner Laubbaum mit dicht verzweigter, ausladender Krone, Brusthöhendurchmesser (BHD) bis 1,5 m, selten bis 2,5 m; Äste meist schräg nach oben gerichtet, im Freistand kurzstämmig mit weit ausladender Krone, im geschlossenen Bestand mit ± astfreiem Stamm und schmaler Krone; Sprosssystem deutlich gegliedert in Lang- und Kurztriebe

Knospen
Zweizeilig angeordnet; von der Sprossachse abstehend, spindelförmig, lang und dünn, mit zahlreichen braunen Schuppen; Blütenknospen deutlich dicker, ± elliptisch

Blätter
Zweizeilig angeordnet; Blattstiel 0,5 – 1 (– 1,5) cm lang, Spreite eiförmig bis elliptisch, 5 – 10 (– 15) cm lang, mit 5 – 9 Paar Seitennerven, am Rand etwas wellig, ganzrandig oder entfernt schwach gezähnt, anfangs seidig behaart, später kahl

Rinde
Silbergrau, bis ins hohe Alter glatt; keine oder nur selten Bildung einer Borke

Blüten
Ende April und Mai, mit dem Laubaustrieb; eingeschlechtig und einhäusig verteilt, die männlichen in lang gestielten, schlaff hängenden, vielblütigen Knäueln (Kätzchen); jede Blüte mit 5 – 15 Staubblättern; die weiblichen paarweise in einem unscheinbaren, aufrechten, kurz gestielten Blütenstand, dieser bis auf die Narben von einem dicht weichstacheligen Fruchtbecher (Cupula) umgeben; Bestäubung durch den Wind

Früchte
Reife im September, Oktober; je zwei scharf dreikantige, 1 – 2 cm lange, braune, meist einsamige Nüsse (Bucheckern) in einem anfangs geschlossenen, braunen, verholzten, weichstacheligen Fruchtbecher (Cupula), der sich zur Reifezeit mit vier Klappen öffnet; Ausbreitung durch Schwerkraft (Barochorie, »Plumpsfrüchte«) sowie durch Vögel und Kleinsäuger

Bewurzelung
Herzwurzelsystem mit hohem Feinwurzelanteil, dichte Bodenerschließung vor allem im Nahbereich des Stocks; oft Wurzelverwachsungen

Höchstalter
300 bis 400 Jahre

Chromosomenzahl
2n = 24

Literatur

  • Bartels, H. 1993: Gehölzkunde. Stuttgart: Ulmer, 336 S.
  • Bogdziewicz, M. et al. 2020: Climate warming disrupts mast seeding and its fitness benefits in European beech. Nature Plants 6: 88–94
  • Bradshaw, R.H.W.; Kito, N.; Giesecke, T. 2010: Factors influencing the Holocene history of Fagus. Forest Ecology and Management 259: 2204–2212
  • Czajkowski, T.; Kompa, T.; Bolte, A. 2006: Zur Verbreitungsgrenze der Buche (Fagus sylvatica L.) im nordöstlichen Mitteleuropa. Forstarchiv 77: 203–216
  • Durrant, T.H., de Rigo, D., Caudullo, G., 2016: Fagus sylvatica and other beeches in Europe: distribution, habitat, usage and threats. In:
  • San-Miguel-Ayanz, J. et al. (Eds.): European atlas of forest tree species. Publ. Off. EU, Luxembourg: 94-95
  • Felbermeier, B.; Mosandl, R. 2011: Die Buche. Nue Perspektiven für Europas dominierende Laubbaumart. LWF aktuell 85: 25-27
  • Fleischhauer, S.G.; Guthmann, J.; Spiegelberger, R. .2013: Enzyklopädie Essbare Nutzpfklanzen. Aarau: AT Verlag. 682 S.
  • Gayer, K. 1882: Der Waldbau. 2. Aufl. Berlin: Parey, 592 S.
  • Jiang, Lu et al. 2020: Phylogeny and biogeography of Fagus (Fagaceae) based on 28 nuclear single/low‐copy loci. Journal of Systematics and Evolution: 1-14. D, D.oi: 10.1111/jse.12695
  • Küster, H. 1997: The role of farming in the postglacial expansion of beech and hornbeam in the oak woodlands of central Europe. The Holocene 7: 239-242
  • Magri, D. et al. 2006: A new scenario for the Quaternary history of European beech populations: palaeobotanical evidence and genetic consequences. New Phytologist: 1-23. Doi : 10.1111/j.1469-8137.2006.01740.x
  • Saltré, F. et al. 2013: Climate or migration: what limited European beech post-glacial colonization? Global Ecol. Biogeogr. 1-11. DOI: 10.1111/geb.12085
  • Walentowski, H.; Ewald, J.; Fischer, A.; Kölling, C.; Türk, W. 2013: Handbuch der natürlichen Waldgesellschaften Bayerns. 3. Aufl. Freising: Geobotanica, 441 S.

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