Stefan Tretter, Ottmas Ruppert und Wolfram Rothkegel
Zwischen Leistung und Risiko – Die Fichte in der waldbaulichen Beratung – LWF Wissen 80

Die Fichte ist trotz sinkender Anteile die wichtigste Baumart in Bayern. Durch den Klimawandel wird jedoch das Risiko für Fichtenbestände steigen. Bei der Behandlung der Fichte sollte daher in allen Altersphasen die Beurteilung des künftigen Anbaurisikos Grundlage für das waldbauliche Vorgehen sein.

Hierfür werden Vorschläge für die Beratung der privaten und kommunalen Waldbesitzer gemacht. Das Ziel, die Fichte möglichst im Rahmen von Mischbeständen zu erziehen, ist dabei zentrale Leitlinie bei der waldbaulichen Beratung der Bayerischen Forstverwaltung.

Die große Bedeutung der Fichte in den privaten und kommunalen Wäldern Bayerns hat viele Ursachen und Gründe. Für den Waldbesitzer spielt ihre unkomplizierte und einfache Behandlung vor allem in der Phase der Kulturbegründung oder der natürlichen Verjüngung, bei der Pflege und der Durchforstung eine wesentliche Rolle. Hinzu kommen die gute Verwertungssituation und die über Jahrzehnte erlebte hohe Wüchsigkeit. Das überlieferte praktische Wissen zum Umgang mit dem Brotbaum Fichte, in Verbindung mit dem hohen Ertrag, waren die Grundlagen für ein zum Teil sehr starkes Festhalten an hohen Fichtenanteilen – oft in Verbindung mit Reinbeständen. Die bei der Fichtenwirtschaft bestehenden Waldschutzrisiken wurden dabei billigend in Kauf genommen.

Im Zuge der Hinwendung zu einem naturnahen Waldbau werden in Bayern aber seit rund 40 Jahren verstärkt Fichtenreinbestände in Mischwälder umgebaut. Hinzu kommt seit fast 20 Jahren das Wissen um den Klimawandel und dessen sicht- und spürbaren Auswirkungen auf die Fichte. Sie ist die Baumart, die in Bayern aufgrund ihrer Eigenschaften, Ansprüche und Gefährdungspotentiale am stärksten auf die Temperatur- und Niederschlagsänderungen und die Zunahme von Extremereignissen reagiert. Risiken, die aber durch die Erziehung in Mischbeständen reduziert werden können.
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Obwohl im Zuge dieser Entwicklungen der Anteil der Fichte an der Waldfläche kontinuierlich abnimmt, ist sie mit 41,8 % nach wie vor die häufigste Baumart in unseren Wäldern. Zugleich ist die Fichte aktuell mit einem Anteil von 33 % in der Vorausverjüngung vertreten (LWF 2014). Dies bedeutet zum einen, dass die manchmal geäußerten Befürchtungen, es wachse keine Fichte mehr nach, so nicht zutreffen. Es bedeutet zum anderen aber auch, dass dort wo die Fichte in der Verjüngung vertreten ist, sie so behandelt werden muss, dass zukunftsfähige Bestände entstehen können. Die sachgerechte Pflege und Durchforstung dieser Bestände und ihre Vorbereitung auf eine Verjüngung hin zu Mischbeständen ist also von hoher Flächenrelevanz.

In diesem Umfeld spielt die Beratung der privaten und kommunalen Waldbesitzer durch die Bayerische Forstverwaltung in Form praktischer Waldbauberatung vor Ort eine wichtige Rolle. Die Aufgabe für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bayerischen Forstverwaltung ist es, Waldbesitzer dabei zu unterstützen, stabile, naturnahe, leistungsfähige und zukunftssichere Mischwälder zu erhalten oder neu zu begründen. Beratung bedeutet, dem Waldbesitzer überzeugende Lösungen für die Waldbehandlung vorzuschlagen. Die Entscheidung liegt aber beim Waldbesitzer, denn letztendlich muss er bereit und in der Lage sein, sie umzusetzen. Die Erarbeitung der Lösungsvorschläge muss also in enger Zusammenarbeit mit dem Waldbesitzer und den beteiligten Akteuren z. B. den forstlichen Zusammenschlüssen erfolgen.

Um dies zu gewährleisten, ist ein systematisches und methodisches Vorgehen notwendig. Auf Grundlage von erhobenen Daten soll dies zu nachvollziehbaren und transparenten Beratungsergebnissen führen. In der Abfolge von Analyse der Ausgangssituation, Klärung der Ziele, Interessen und Möglichkeiten des betroffenen Waldbesitzers werden konkrete waldbauliche Maßnahmen formuliert. Für die waldbauliche Behandlung der Fichte spielt im Zuge der Analyse, neben den waldbaulichen, naturschutzfachlichen und betriebswirtschaftlichen Zielen des Waldbesitzers, das Risiko der Baumart im Klimawandel aber auch die Risikobereitschaft des Waldbesitzers eine zentrale Rolle.

Die Fichte braucht Partner

Die Schaffung von Mischbeständen ist das zentrale Leitbild bei der waldbaulichen Beratung der Bayerischen Forstverwaltung. Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen weisen alle in die gleiche Richtung – Mischbestände haben gegenüber Reinbeständen sehr viele Vorteile für den Waldbesitzer. Dies gilt ganz besonders für die Fichte. In inniger Mischung mit weiteren Baumarten ist sie weitaus stabiler. Der Bodenraum und damit der Wasservorrat und das Nährstoffpotential werden in Mischbeständen besser genutzt. Somit ist langfristig eine bessere Verankerung und geringere Anfälligkeit gegenüber Sturm, Trockenheit und Insektenkalamitäten zu erwarten. Geeignete Mischbaumarten als Partner zur Fichte wie Buche und Tanne führen zu einer höheren Resistenz, Resilienz und damit Betriebssicherheit für den Waldbewirtschafter.

Diese Partner verhelfen der Fichte auch zu mehr Zuwachs. Je nach Standort und klimatischer Gegebenheit sind in gemischten Beständen deutliche Mehrzuwächse gegenüber Reinbeständen zu erwarten, weil sich die Nutzung der vorhandenen Wasser- und Nährstoffvorräte, die Humusformen und damit die unmittelbare Verfügbarkeit von Nährstoffen verbessern (Klemmt 2017). Außerdem steigt die Lichtnutzung im Kronenraum durch die unterschiedlichen Kronenformen der Baumarten. Damit wird mehr Biomasse produziert und mehr für die Vitalität und Stabilität des Einzelbaums getan. Durch die bessere Ausformung der grünen Krone, die für das Mehr an Biomasse verantwortlich ist, wird als Nebeneffekt auch eine höhere Einzelbaumstabilität erzielt, da der Schwerpunkt des Baums nach unten rückt. Partnerschaft mit Mischbaumarten zahlt sich hier in vielfältiger Weise aus. Zugleich werden bei der Erziehung der Fichte in Mischwäldern auch die ökologische Wertigkeit des Waldes und seine Schutz- und Erholungsfunktionen verbessert. Positive Wirkungen also auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext.

In fast jeder Phase eines Bestandslebens kann man durch aktive und vorausschauende waldbauliche Maßnahmen dem Ziel Mischwald näher kommen. Jede Ausgangslage bietet Chancen für die Beteiligung von Mischbaumarten zur vorhandenen Fichtenbestockung.

Verjüngung: Weichenstellung für die Zukunft

Dichter Mischwald.Zoombild vorhanden

Abb. 1: Erfolgreicher Voranbau von Mischbaumarten in einem Fichtenbestand (Foto: L. Steinacker)

Bei der Verjüngung eines Bestands werden die entscheidenden Weichenstellungen für die Zukunft getroffen. Der Verjüngungszeitpunkt und das Verjüngungsverfahren bestimmen, wie die nächste Waldgeneration aufgebaut und zusammengesetzt ist. Die Fichte verjüngt sich unter den heutigen Standortverhältnissen bei angepassten Wildständen bereits in mittelalten Beständen leicht und reichlich über Naturverjüngung. Deshalb ist es wichtig, bei der Verjüngung von Fichtenbeständen rechtzeitig damit zu beginnen, Mischbaumarten einzubringen, bevor sich flächige Fichtennaturverjüngung einstellt und dauerhaft etablieren kann. Je höher das Anbaurisiko der Fichte ist, desto früher sollte mit der Einbringung von Mischbaumarten begonnen werden und desto höher sollten ihre Anteile im Folgebestand sein.

So sollte auf kritischen Standorten, z. B. bei wechselfeuchten Böden oder in Regionen mit bereits heute hohem Anbaurisiko der Fichte, wie etwa in den trocken- warmen Bereichen Mittelfrankens, sehr früh mit dem Voranbau von Schattbaumarten begonnen werden. Damit kann der Gefahr vorgebeugt werden, dass sich der Altbestand durch Trockenheit oder Borkenkäferschäden vorzeitig auflöst, ohne dass ausreichend Mischbaumarten vorhanden sind. Auf bisher gut wüchsigen Standorten kann damit bei geeigneter Bestandsstellung (passende Lichtverhältnisse, noch nicht etablierte Fichten-Naturverjüngung) bereits ab Ende der Jungdurchforstungsphase mit dem Voranbau von Mischbaumarten begonnen werden. Voraussetzung für das femelartige Einbringen von Schattbaumarten in Gruppenschirmstellungen ist ein ausreichend stabiler Ausgangsbestand. Vor diesem Hintergrund sind die später beschriebenen Pflegeeingriffe zur Stabilisierung besonders wichtig.
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Neben der Pflanzung bietet sich auch die Saat – sowohl der Buche als auch der Tanne – als geeignetes Verjüngungserfahren an. Ein wesentlicher Vorteil der Saat ist die deutlich bessere, weil ungestörte, Wurzelentwicklung und damit höhere Stabilität. Wenn sie gelungen ist, bringt sie höhere Stückzahlen und lässt damit bessere Stammqualitäten erwarten. Die Saat ist jedoch nicht für alle waldbaulichen Ausgangssituationen geeignet und der Erfolg ist stärker witterungsabhängig als bei der Pflanzung. Der Voranbau von Mischbaumarten sollte idealerweise in Gruppengröße erfolgen. Ist dies nicht mehr möglich, weil sich bereits zu viel Fichtennaturverjüngung eingefunden hat, sollten Buche und Tanne nur noch dort eingebracht werden, wo der Wuchsvorsprung der Fichte nicht zu stark ist oder eine intensive Pflege durch den Waldbesitzer sichergestellt ist. Ist dies der Fall, aber nur dann, können nach Erfahrungen aus dem bayerischen Privatwald auch Weißtannen einzeln beigemischt werden.

Der rechtzeitige Voranbau von Schattbaumarten in Fichtenbeständen ist auf großer Fläche in Bayern eine wichtige waldbauliche Aufgabe. Allerdings gibt es auch Bereiche, in denen die Fichte in der Verjüngung gegenüber anderen Baumarten zurückfällt oder zum Teil ganz ausbleibt. Hier sind gezielte waldbauliche Maßnahmen zur Sicherung der Fichte in der Verjüngung notwendig. Sind nämlich Buche oder auch Edellaubholz in den Altbeständen vorhanden, verjüngen sich diese bei angepassten Wildbeständen schon bei geringer Auflichtung des Altbestands reichlich. Gerade die Buche kann auf geeigneten Standorten bei geringem Verbissdruck im Halbschatten eine so große Verjüngungspotenz entfalten, dass die Fichte nicht mehr mithalten kann. Um in solchen Beständen, bei entsprechender Eignung, auch in Zukunft Nadelholzanteile zu sichern, kann hier waldbaulich gegen gesteuert werden.

Dafür ist neben der Möglichkeit einer Pflege unter Schirm in erster Linie die Lichtsteuerung entscheidend. Schwache, schirmschlagartige Verfahren oder »Entrümpelungshiebe« (nur Entnahme abgehender oder schlecht veranlagter Einzelbäume) führen meist über eine gleichförmige Schirmstellung zur Dominanz der Buche und zum Verlust der Mischbaumarten. Eine stärkere Differenzierung bei der Lichtsteuerung mit einem betont femelartigen Vorgehen zur Sicherung der lichtbedürftigeren Mischbaumarten ist in solchen Situationen notwendig. Auch wenn die Buche auf vielen Standorten in Bayern künftig ein geringes Anbaurisiko hat, sollte es nicht das waldbauliche Ziel sein, Buchenreinbestände zu erziehen. Denn der Grundsatz der Risikostreuung gilt auch in Bezug auf die Buche: Mischbaumarten erhöhen die Resilienz und den Ertrag von Wäldern. Dies gilt auch für die Beteiligung von Nadelholz, sofern sich ihr Anteil am Anbaurisiko orientiert.

Jungbestandspflege: Mischung und Stabilität

Im Rahmen der Jungbestandspflege wird der Grundstein für die künftige Mischung und Stabilität der Bestände gelegt. Auch in Jungbeständen mit Fichte ist daher eine Beurteilung des künftigen Anbaurisikos eine wichtige Basis für waldbauliche Entscheidungen. Denn je höher das Anbaurisiko der Fichte, desto wichtiger ist es, Mischbaumarten mit einem geringeren Anbaurisiko als dem der Fichte zu erhalten und zu fördern. Sind Mischbaumarten aus Naturverjüngung vorhanden, sollten sie bei der Pflege durch Entnahme von Bedrängern, bei hohen Fichtenanteilen auch zu deren Lasten, gefördert werden.

In den Fällen, in denen die gewünschten Klimaxbaumarten (z. B. Weißtanne, Rotbuche) in Fichtenjungbeständen nicht vorhanden sind, ist es gerade bei hohem Anbaurisiko der Fichte sinnvoll, vorhandenes Weichlaubholz gezielt zu fördern und in das Bestandsgefüge zu integrieren und keinesfalls vollständig im Zuge einer Pflege zu entnehmen. Denn Weichlaubholz kann bereits in geringer Beimischung zur Stabilisierung des Bestands beitragen und den Humuszustand verbessern. Ganz abgesehen davon ist es als Nahrungsgrundlage für viele Tierarten sowie teilweise als Bienenweide auch gesamtökologisch wertvoll. Insbesondere Birke aber auch Vogelbeere, die anders als Salweide und Aspe weniger verdämmend wirken, können vielmehr frühzeitig durch positive Pflege gefördert werden, denn durch ihr rasches Jugendwachstum sind diese Baumarten in der Lage, in wenigen Jahrzehnten erntereifes Holz zu produzieren. Die Stammholzerlöse dieser Baumarten – bei guter Qualität – werden vielfach noch unterschätzt.

Darüber hinaus ist es in der Jungwuchsphase gerade bei der Fichte wichtig, bereits auf eine ausreichende Differenzierung und damit auf Stabilität und Vitalität der Einzelbäume zu achten. Da die Fichte heute in den meisten Fällen aus Naturverjüngung entsteht, sollte bereits in dieser Phase, soweit dies die Stabilität des Altbestands zulässt, über gezielte Lichtsteuerung dafür gesorgt werden, dass die Fichtenverjüngung ausreichend differenziert aufwächst. Differenzierung bedeutet, dass gleichmäßig über die Fläche verteilt etwa alle 6 bis 10 m eine vitale also vorwüchsige und gut bekronte Fichte vorhanden ist, die sich durch ihre herrschende oder vorherrschende Stellung deutlich von ihren Nachbarn abhebt. Sie sollte mindestens die 1,5-fache Höhe der umgebenden Fichten haben (Rothkegel und Ruppert 2015).

Ist eine natürliche Differenzierung in der Fichtenverjüngung nicht gegeben und auch nicht zu erwarten, sollten gezielte Pflegeeingriffe zur Erhöhung der Stabilität erfolgen. Hierbei sind je nach Ausgangssituation verschiedene technische Verfahren möglich. Entscheidend ist es in diesen jungen Beständen, die Eingriffe früh (ideal bei Hüft- bis Brusthöhe) durchzuführen. Grund hierfür ist nicht nur, dass dies deutlich kostengünstiger und effektiver ist, sondern sich auch waldwachstumskundliche Vorteile erzielen lassen.

Zugleich entscheidet sich in der Phase der Jungbestandspflege häufig auch das Schicksal von Mischbaumarten, die bei frühen Eingriffen oft noch erfolgreich begünstigt werden können. Ist der Jungbestand geschlossen und nicht mehr zu überblicken, steigt der Pflegeaufwand stark an und das Schicksal der Mischbaumarten ist damit nicht selten besiegelt. Die Pflege von Mischbeständen ist anspruchsvoll und in der Umsetzung meist schwieriger als die von Reinbeständen. Jedoch gilt auch hier der Satz: »Wer streut, rutscht nicht«. Dies bedeutet: durch die Beteiligung mehrerer Baumarten können die Risiken für den Bestand gesenkt werden.

Beispiel für das Vorgehen in der Jungbestandspflege: Das Optionen-Modell der LWF

Im Zuge des internen Waldbautrainings der Bayerischen Forstverwaltung wurde eine strukturierte Vorgehensweise bei der Beurteilung, Zielsetzung und Maßnahmenplanung in der Pflege entwickelt, die im Grundsatz auch auf die weiteren Durchforstungseingriffe angepasst werden kann (Rothkegel et. al. 2012; LWF 2016). Sie basiert auf der punktuellen Beurteilung der gewünschten Baumarten in Bearbeitungszellen in der Jungbestandspflege-Phase. Angewandt auf die Pflege von Fichten- oder Fichtenmischbeständen ist dieses Vorgehen durch folgende drei Abschnitte gekennzeichnet:

1. Analyse des Ausgangsbestandes

Schema eines WaldbestandesZoombild vorhanden

Abb. 2: LWF- Optionenmodell: Auswählen einer Option (Grafik: LWF)

Grundlage des Vorgehens ist eine sorgfältige und umfassende Analyse der Ausgangssituation. Dazu gehören die Aspekte der Standorteignung, des Klimarisikos und der allgemeinen Gefährdungslage der jeweils vorhandenen Baumarten. Das Bayerische Standortinformationssystem BaSIS liefert hierzu zentrale Informationen für die Beratung der Waldbesitzer (Taeger et al 2016; Klemmt et al. in diesem Heft).

Ferner sind baumartenbezogen die Aspekte von Vitalität, Stabilität und Qualität Kriterien, die für die nachfolgende Erarbeitung der Pflegeziele wichtige Grundlagen liefern. Im Zusammenhang mit dem Anbaurisiko ist vor allem der Flächenanteil der jeweiligen Baumart ausschlaggebend und somit eine weitere Information die zur Bestandsanalyse zählt. In Fichten- bzw. Fichtenmischbeständen ist auch ein Augenmerk auf einzeln beigemischte oder seltene Baumarten zu lenken.

2. Erarbeiten der Zielsetzung (Pflegeziel)

Schema eines WaldbestandesZoombild vorhanden

Abb. 3: LWF- Optionenmodell: Konkurrenzsituation beurteilen (violette Kreuze stellen Bedränger dar) (Grafik: LWF)

Auf Basis der Bestandsanalyse werden gemeinsam mit dem Waldbesitzer die Pflegeziele für den Bestand festgelegt. Hierzu muss zunächst Klarheit über die betrieblichen Ziele und Wünsche des Waldbesitzers hergestellt werden. Grundsätzliche Beratungsziele der Bayerischen Forstverwaltung in Fichten- oder fichtendominierten Beständen sind die ausreichende Beteiligung von Mischbaumarten und die Verbesserung von Vitalität und Stabilität der Fichte.

Darauf aufbauend wird für die Fichte und evtl. vorhandene Mischbaumarten festgelegt, wie diese in der Pflege behandelt werden. Konkret geschieht dies über die Priorisierung, indem festgelegt wird, welche Baumarten bei der Pflege in ihren Anteilen zurückgefahren bzw. gefördert werden.

So müssen beispielsweise auf Standorten, auf denen das Risiko der Fichte künftig deutlich ansteigt, die vorrangigen Ziele sein, für stabile und vitale Einzelbäume zu sorgen und möglichst viele Mischbaumarten zu beteiligen. Hierzu muss eine ausreichende Zahl von »Optionen« festgelegt sein. Die Optionen oder zielgerechte Kandidaten fungieren als Stellvertreter für die erwünschten und über die Zielsetzung priorisierten Baumarten. Diese Optionen können Fichten, aber auch andere Baumarten sein. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die ausgewählten Optionen auch eine waldbaulich realistische Chance haben, um langfristig am Bestandsaufbau beteiligt zu sein.

3. Umsetzung (Arbeitsauftrag)

Schema eines WaldbestandesZoombild vorhanden

Abb. 4: LWF- Optionenmodell: Konkurrenzsituation beurteilen (violette Sterne stellen Superprotze dar) (Grafik: LWF)

Die Umsetzung erfolgt auf Basis einer systematischen Vorgehensweise (Abbildung 2 bis 4). An maximal 100 bis 150 Punkten pro Hektar (Optionen) wird die Eingriffsnotwendigkeit im Bestand beurteilt. In der Bestandssituation wird innerhalb einer über die Mindestabstände definierten Pflegezelle von ca. 8 – 12 m Kantenlänge im Quadrat eine Option ausgewählt, welche die Kriterien Vitalität, Stabilität, Qualität und Rarität (Seltenheit) der Baumartenzielsetzung erfüllt. An dieser Option wird die Eingriffs- oder Pflegnotwendigkeit geprüft.

Hierzu wird beurteilt, ob ein Eingriff zugunsten der Option für deren Überleben bis zum nächsten Pflegeeingriff notwendig ist und ob im Umfeld (Pflegeparzelle) der Option Bedränger vorhanden sind, die langfristig das Überleben oder die positive Entwicklung der Option beeinträchtigen. Nur wenn beide Fragen mit ja beantwortet werden können und dabei auf Grundlage des Wuchsverhaltens der Bäume eine reale Chance besteht, die o. g. Ziele zu erreichen, wird die jeweilige Entnahme durchgeführt.

Beim Auszeichnen ist eine Markierung sowohl positiv als auch negativ hilfreich, da eine Orientierung im Bestand erleichtert wird und leichter nachvollziehbar ist, ob die gewünschte Baumartenverteilung damit erreicht werden kann.

Durchforstung: Stabilität und Produktivität

Diagramm Beziehung zwischen BHD und Kronenbreite mit steigender KurveZoombild vorhanden

Abb. 5: Beziehung zwischen Brusthöhendurchmesser und Kronenbreite bei vorherrschender Fichte. (Grafik: Klädtke 2004)

Wichtigste Ziele bei der Durchforstung von Fichtenbeständen sind die Stabilität und die Sicherung der gewünschten Anteile der Mischbaumarten. Auch hier gilt: je höher das künftige Anbaurisiko der Fichte, desto stärker sollten Mischbaumarten beteiligt werden. Sind in Durchforstungsbeständen bei hohem Risiko nur geringe Anteile von Mischbaumarten vorhanden, sollten diese auch unabhängig von ihrer Qualität gefördert werden. Denn sie erhöhen die Stabilität und Resilienz von Fichtenbeständen.

Sie können bei der späteren Verjüngung als Samenbäume dienen und mildern die Folgen, wenn die Fichte durch Schädlinge oder Trockenheit vorzeitig ausfällt. Dies gilt wie bereits oben erwähnt auch für Weichlaubholz. Umgekehrt gilt der Mischungsgedanke auch in laubholzreichen Beständen für die Fichte. Denn auch bei höherem Anbaurisiko muss nicht ganz auf die Fichte verzichtet werden, da sich auch hier über eine gezielte Durchforstung die Fichtenanteile so steuern lassen, dass Risiken durch vorzeitige Ausfälle abgepuffert werden.

Beim zweiten wichtigen Ziel der Durchforstung der Fichte liegt der Fokus auf der Stabilisierung von Einzelbäumen. Sie ist die Voraussetzung dafür, das Risiko von Schneebruch und Sturmwurf zu senken und führt im Ergebnis dazu, die Vitalität der Fichten zu erhöhen. Sie ist aber auch die entscheidende Voraussetzung für längere Überschirmungszeiträume. Regelmäßige Durchforstungen schaffen die Voraussetzung für das Einbringen von Schattbaumarten mittels langfristiger Verjüngungsverfahren, weil der Fichtenaltbestand dann stabil genug ist, den längeren Verjüngungsgang ohne Schaden zu überstehen.

Konkretes Ziel ist es hierbei, Fichten mit langen grünen Kronen und einem guten Verhältnis von Brusthöhendurchmesser zu Gesamtlänge des Baumes (h/d-Verhältnis) zu erreichen. Als Zielwerte dieser Stabilitätskriterien gelten ein Bekronungsgrad von über 50 % und h/d-Werte unter 0,7. Entsprechend gefördert werden dadurch auch der Zuwachs des Einzelbaumes und seine spätere Fruktifikationsmöglichkeit.
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Die für die Stabilisierung notwendigen Eingriffe in der Fichte werden als Hochdurchforstung ausgeführt. Hier wird gezielt in die herrschende Bestandsschicht eingegriffen. Dies bedeutet in der Regel, dass auch der zu entnehmende Baum ein herrschender oder mitherrschender ist. Erst hierdurch tritt der Erfolg der Durchforstung ein. Eine erfolgreiche Stabilisierung von Einzelbäumen kann nicht über die Entnahme von unter- oder zwischenständigen Bäumen erreicht werden!

Gerade in der Privatwaldberatung ist die Vermittlung des Prinzips der Hochdurchforstung nicht immer einfach. Waldbesitzer neigen häufig zu zurückhaltenden und niederdurchforstungsartigen Eingriffen. Aus diesem Grund sollte die Anzahl der Auslesebäume in der Durchforstungsphase nicht zu hoch gewählt werden, denn eine hohe Anzahl von Auslesebäume verleitet dazu, weniger echte hauptständige Bedränger, als vielmehr unter- und zwischenständige Bäume zu entnehmen. Wie Klädtke (2004) zeigt, steht bei vorherrschenden Fichten das Verhältnis zwischen Kronenbreite und Brusthöhendurchmesser in einer sehr engen Beziehung.

So liegt die Kronenbreite bei einem Brusthöhendurchmesser von 60 cm im Schnitt bei rund 7,5 m, was rund 200 Auslesebäumen pro ha entspricht. Eine höhere Anzahl von Auslesebäumen führt zwangsläufig zum Verlust von Struktur und Stabilität des Bestands. Ist es jedoch dezidiertes Ziel, langfristig strukturreiche Fichtenbestände zu entwickeln, sind niedrigere Zahlen von Auslesebäumen notwendig, wie sie z. B. das Konzept »Bewirtschaftung von Fichten- und Fichtenmischbeständen im Bayerischen Staatswald« (Bayerische Staatsforsten AöR 2009) vorsieht.

In den Bereichen zwischen den geförderten Auslesebäumen, also in den »Zwischenfeldern« sind keine Eingriffe erforderlich. Wichtig ist dabei, mit den Durchforstungen nicht zu spät zu beginnen, da sonst bei der Fichte die gewünschte Stabilität der Einzelbäume gefährdet ist. Dies zeigt sich in einem steigenden h/d-Verhältnis und einem sinkenden Bekronungsgrad und kann aufgrund des geringen Kronenausbauvermögens der Fichte mit zunehmendem Alter immer langsamer ausgeglichen werden. Zugleich führt eine zu späte Durchforstung auch zu Ertragsverlusten, denn der Zuwachs verteilt sich auf ein größeres Baumkollektiv und die gewünschten Zielstärken werden später erreicht.

Der Zeitpunkt für den ersten Jungdurchforstungseingriff ist erreicht, wenn bei der Fichte die unteren Astquirle auf einer Höhe von 2 – 3 m abgestorben sind. Je nach Produktivität des Standorts wird dieser Zeitpunkt im Alter von 20 – 25 Jahren und bei einer Oberhöhe von 10 – 12 m, auf Hochleistungsstandorten auch schon früher, erreicht. Die Auslesebäume sollten dauerhaft markiert und pro Eingriff ein bis zwei Bedränger im Herrschenden entnommen werden. Die Eingriffsstärke sollte nicht über (40) – 60 Efm pro ha und Jahrzehnt liegen, wobei hier von einem bereits feinerschlossenen Bestand ausgegangen wird. Zu Beginn der Jungdurchforstung sollte der Turnus zwischen den Eingriffen bei fünf bis maximal acht Jahren liegen. Später genügt ein Eingriff pro Jahrzehnt und die Zahl der zu entnehmenden Bäume geht zurück. Dennoch sollte sichergestellt werden, dass die Auslesebäume weiter begünstigt bleiben und Bedränger entnommen werden.

In mittelalten Fichtenbeständen mit niedrigerem Anbaurisiko, in denen die Auslesedurchforstung versäumt, verspätet oder zu schwach geführt wurde und daher die Einzelbaumstabilität gering ist, müssen Durchforstungen vorsichtig geführt werden. Auch hier sollten die am besten bekronten Fichten als Auslesebäume und Stabilitätsträger für das gesamte Bestandskollektiv festgelegt und begünstigt werden. Aufgrund der geringen Kronenausbaufähigkeit der Fichte in höherem Alter, ist es nur noch eingeschränkt möglich, die Stabilität der Bestände zu erhöhen. Die Eingriffe müssen hier zunächst deutlich schwächer, dafür aber öfter wiederholt und vorsichtig geführt werden, um die Stabilität des Bestands nicht zu gefährden. Das kann bedeuten, dass nur ein Bedränger pro Auslesebaum entnommen wird. Die zeitlichen Abstände zwischen den Durchforstungen sollten dann nicht zu lang sein.

Fichte auf Zeit – (k)eine tragfähige Option?

Standorte, die bisher für den Fichtenanbau gut geeignet sind, bei denen das Anbaurisiko aber in Zukunft deutlich steigt (Biermayer und Tretter 2016), stellen eine besondere Herausforderung für die waldbauliche Beratung dar. In diesen Situationen neigen Waldbesitzer z. T. dazu, das zukünftige Risiko auszublenden bzw. zu unterschätzen und äußern öfter den Wunsch, weiterhin auf hohe Fichtenanteile zu setzen. Ist dies der Fall, bietet sich die Möglichkeit, über eine Verkürzung der Umtriebszeit bzw. über eine Reduktion der Zieldurchmesser das Risiko zu minimieren (Brang et. al. 2016). Gerade dann sind jedoch frühzeitige, konsequente und in der Regel stärkere Pflege- und Durchforstungseingriffe eine zwingende Voraussetzung, um zumindest späteren Bewirtschaftern die Möglichkeiten für die Schaffung von Mischbeständen zu geben. Denn nur gepflegte und damit ausreichend stabile Wälder bieten die Voraussetzung für ein späteres Einbringen von Schattbaumarten.

Eine wichtige Frage, der derzeit auch in waldbaulichen Versuchen nachgegangen wird, ist, ob mit Durchforstungen in Fichtenreinbeständen die Wasserverfügbarkeit verbessert und so Trockenschäden vorgebeugt werden kann. Erste Ergebnisse deuten an, dass in jüngeren Beständen positive Wirkungen durch regelmäßige Durchforstungen zu erwarten sind (Gebhardt et al. 2014). Aufgrund der noch zu kurzen Untersuchungszeiträume ist es zu früh, um gesicherte Praxisempfehlungen geben zu können.

Es ist jedoch zu erwarten, dass durch Durchforstungen ein hohes Anbaurisiko der Fichte zwar leicht gesenkt, aber nicht vollkommen ausgeschaltet werden kann. Die beste Risikovorsorge zur Fichte bleibt damit die Beteiligung eines ausreichenden Anteils klimatoleranter Mischbaumarten. Erstes Ziel der Beratung sollte es daher immer sein, Waldbesitzer – nicht nur bei hohem Anbaurisiko – vom Vorteil von Mischbeständen zu überzeugen. Denn die Arbeit mit der Fichte auf Zeit ist die zweitbeste Lösung und kann leicht zu einem Vabanque- Spiel werden.

Was bringt die Zukunft? – ein Fazit

Soviel ist in den letzten Jahren deutlich geworden: die Rahmenbedingungen für den Anbau der Fichte in Bayern befinden sich in einem Änderungsprozess. Umso mehr ist es wichtig, sich den Veränderungen zu stellen und durch waldbauliche Maßnahmen vorzubeugen, anstatt sich Borkenkäfern und Trockenperioden auszuliefern. Aktive Waldpflege ist hierfür über alle Bestandsphasen wichtig, denn sie hilft, Flexibilität bei der Gestaltung der Wälder zu erhalten. Die Basis hierfür sollte eine standortsbezogene Analyse des künftigen Anbaurisikos der Baumarten sein.

Zweifellos wird der Klimawandel auf vielen Standorten zu einem weiteren Rückgang der Fichtenanteile führen. Die seit den 1970er Jahren in Bayern kontinuierlich steigenden Laubholzanteile sprechen hier eine deutliche Sprache. Das Waldland Bayern zeichnet sich durch eine große Vielfalt an Standorten und Klimabereichen aus. Entsprechend vielfältig sind auch die Bedingungen, unter denen künftig die Fichte in den Wäldern ihren Platz finden kann. Ausgehend von dem Wissen, dass Mischbestände auch ohne Klimawandel betriebssicherer, leistungsfähiger und stabiler sind, ist die Beteiligung von klimatoleranten Mischbaumarten zur heimischen Fichte der Königsweg (Biermayer 2016).

Zugleich ist es auch möglich, hierbei andere Nadelbaumarten am Bestandsaufbau zu beteiligen. Hier sollte vor allem die Tanne als wirtschaftlich attraktive und naturnah zu bewirtschaftende Baumart verstärkt im Focus sein. Leider verhindern überhöhte Schalenwildbestände auf immer noch zu großer Fläche die Einbringung und Verjüngung der Tanne. Aber auch bewährte nichtheimische Baumarten wie die Douglasie können ihren Platz als Mischbaumarten in den Wäldern der Zukunft finden.

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