Stefan Tretter, Ottmas Ruppert und Wolfram Rothkegel
Zwischen Leistung und Risiko – Die Fichte in der waldbaulichen Beratung – LWF Wissen 80
Die Fichte ist trotz sinkender Anteile die wichtigste Baumart in Bayern. Durch den Klimawandel wird jedoch das Risiko für Fichtenbestände steigen. Bei der Behandlung der Fichte sollte daher in allen Altersphasen die Beurteilung des künftigen Anbaurisikos Grundlage für das waldbauliche Vorgehen sein.
Hierfür werden Vorschläge für die Beratung der privaten und kommunalen Waldbesitzer gemacht. Das Ziel, die Fichte möglichst im Rahmen von Mischbeständen zu erziehen, ist dabei zentrale Leitlinie bei der waldbaulichen Beratung der Bayerischen Forstverwaltung.
Im Zuge der Hinwendung zu einem naturnahen Waldbau werden in Bayern aber seit rund 40 Jahren verstärkt Fichtenreinbestände in Mischwälder umgebaut. Hinzu kommt seit fast 20 Jahren das Wissen um den Klimawandel und dessen sicht- und spürbaren Auswirkungen auf die Fichte. Sie ist die Baumart, die in Bayern aufgrund ihrer Eigenschaften, Ansprüche und Gefährdungspotentiale am stärksten auf die Temperatur- und Niederschlagsänderungen und die Zunahme von Extremereignissen reagiert. Risiken, die aber durch die Erziehung in Mischbeständen reduziert werden können.
In diesem Umfeld spielt die Beratung der privaten und kommunalen Waldbesitzer durch die Bayerische Forstverwaltung in Form praktischer Waldbauberatung vor Ort eine wichtige Rolle. Die Aufgabe für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bayerischen Forstverwaltung ist es, Waldbesitzer dabei zu unterstützen, stabile, naturnahe, leistungsfähige und zukunftssichere Mischwälder zu erhalten oder neu zu begründen. Beratung bedeutet, dem Waldbesitzer überzeugende Lösungen für die Waldbehandlung vorzuschlagen. Die Entscheidung liegt aber beim Waldbesitzer, denn letztendlich muss er bereit und in der Lage sein, sie umzusetzen. Die Erarbeitung der Lösungsvorschläge muss also in enger Zusammenarbeit mit dem Waldbesitzer und den beteiligten Akteuren z. B. den forstlichen Zusammenschlüssen erfolgen.
Um dies zu gewährleisten, ist ein systematisches und methodisches Vorgehen notwendig. Auf Grundlage von erhobenen Daten soll dies zu nachvollziehbaren und transparenten Beratungsergebnissen führen. In der Abfolge von Analyse der Ausgangssituation, Klärung der Ziele, Interessen und Möglichkeiten des betroffenen Waldbesitzers werden konkrete waldbauliche Maßnahmen formuliert. Für die waldbauliche Behandlung der Fichte spielt im Zuge der Analyse, neben den waldbaulichen, naturschutzfachlichen und betriebswirtschaftlichen Zielen des Waldbesitzers, das Risiko der Baumart im Klimawandel aber auch die Risikobereitschaft des Waldbesitzers eine zentrale Rolle.
Die Fichte braucht Partner
Diese Partner verhelfen der Fichte auch zu mehr Zuwachs. Je nach Standort und klimatischer Gegebenheit sind in gemischten Beständen deutliche Mehrzuwächse gegenüber Reinbeständen zu erwarten, weil sich die Nutzung der vorhandenen Wasser- und Nährstoffvorräte, die Humusformen und damit die unmittelbare Verfügbarkeit von Nährstoffen verbessern (Klemmt 2017). Außerdem steigt die Lichtnutzung im Kronenraum durch die unterschiedlichen Kronenformen der Baumarten. Damit wird mehr Biomasse produziert und mehr für die Vitalität und Stabilität des Einzelbaums getan. Durch die bessere Ausformung der grünen Krone, die für das Mehr an Biomasse verantwortlich ist, wird als Nebeneffekt auch eine höhere Einzelbaumstabilität erzielt, da der Schwerpunkt des Baums nach unten rückt. Partnerschaft mit Mischbaumarten zahlt sich hier in vielfältiger Weise aus. Zugleich werden bei der Erziehung der Fichte in Mischwäldern auch die ökologische Wertigkeit des Waldes und seine Schutz- und Erholungsfunktionen verbessert. Positive Wirkungen also auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext.
In fast jeder Phase eines Bestandslebens kann man durch aktive und vorausschauende waldbauliche Maßnahmen dem Ziel Mischwald näher kommen. Jede Ausgangslage bietet Chancen für die Beteiligung von Mischbaumarten zur vorhandenen Fichtenbestockung.
Verjüngung: Weichenstellung für die Zukunft
Abb. 1: Erfolgreicher Voranbau von Mischbaumarten in einem Fichtenbestand (Foto: L. Steinacker)
So sollte auf kritischen Standorten, z. B. bei wechselfeuchten Böden oder in Regionen mit bereits heute hohem Anbaurisiko der Fichte, wie etwa in den trocken- warmen Bereichen Mittelfrankens, sehr früh mit dem Voranbau von Schattbaumarten begonnen werden. Damit kann der Gefahr vorgebeugt werden, dass sich der Altbestand durch Trockenheit oder Borkenkäferschäden vorzeitig auflöst, ohne dass ausreichend Mischbaumarten vorhanden sind. Auf bisher gut wüchsigen Standorten kann damit bei geeigneter Bestandsstellung (passende Lichtverhältnisse, noch nicht etablierte Fichten-Naturverjüngung) bereits ab Ende der Jungdurchforstungsphase mit dem Voranbau von Mischbaumarten begonnen werden. Voraussetzung für das femelartige Einbringen von Schattbaumarten in Gruppenschirmstellungen ist ein ausreichend stabiler Ausgangsbestand. Vor diesem Hintergrund sind die später beschriebenen Pflegeeingriffe zur Stabilisierung besonders wichtig.
Der rechtzeitige Voranbau von Schattbaumarten in Fichtenbeständen ist auf großer Fläche in Bayern eine wichtige waldbauliche Aufgabe. Allerdings gibt es auch Bereiche, in denen die Fichte in der Verjüngung gegenüber anderen Baumarten zurückfällt oder zum Teil ganz ausbleibt. Hier sind gezielte waldbauliche Maßnahmen zur Sicherung der Fichte in der Verjüngung notwendig. Sind nämlich Buche oder auch Edellaubholz in den Altbeständen vorhanden, verjüngen sich diese bei angepassten Wildbeständen schon bei geringer Auflichtung des Altbestands reichlich. Gerade die Buche kann auf geeigneten Standorten bei geringem Verbissdruck im Halbschatten eine so große Verjüngungspotenz entfalten, dass die Fichte nicht mehr mithalten kann. Um in solchen Beständen, bei entsprechender Eignung, auch in Zukunft Nadelholzanteile zu sichern, kann hier waldbaulich gegen gesteuert werden.
Dafür ist neben der Möglichkeit einer Pflege unter Schirm in erster Linie die Lichtsteuerung entscheidend. Schwache, schirmschlagartige Verfahren oder »Entrümpelungshiebe« (nur Entnahme abgehender oder schlecht veranlagter Einzelbäume) führen meist über eine gleichförmige Schirmstellung zur Dominanz der Buche und zum Verlust der Mischbaumarten. Eine stärkere Differenzierung bei der Lichtsteuerung mit einem betont femelartigen Vorgehen zur Sicherung der lichtbedürftigeren Mischbaumarten ist in solchen Situationen notwendig. Auch wenn die Buche auf vielen Standorten in Bayern künftig ein geringes Anbaurisiko hat, sollte es nicht das waldbauliche Ziel sein, Buchenreinbestände zu erziehen. Denn der Grundsatz der Risikostreuung gilt auch in Bezug auf die Buche: Mischbaumarten erhöhen die Resilienz und den Ertrag von Wäldern. Dies gilt auch für die Beteiligung von Nadelholz, sofern sich ihr Anteil am Anbaurisiko orientiert.
Jungbestandspflege: Mischung und Stabilität
In den Fällen, in denen die gewünschten Klimaxbaumarten (z. B. Weißtanne, Rotbuche) in Fichtenjungbeständen nicht vorhanden sind, ist es gerade bei hohem Anbaurisiko der Fichte sinnvoll, vorhandenes Weichlaubholz gezielt zu fördern und in das Bestandsgefüge zu integrieren und keinesfalls vollständig im Zuge einer Pflege zu entnehmen. Denn Weichlaubholz kann bereits in geringer Beimischung zur Stabilisierung des Bestands beitragen und den Humuszustand verbessern. Ganz abgesehen davon ist es als Nahrungsgrundlage für viele Tierarten sowie teilweise als Bienenweide auch gesamtökologisch wertvoll. Insbesondere Birke aber auch Vogelbeere, die anders als Salweide und Aspe weniger verdämmend wirken, können vielmehr frühzeitig durch positive Pflege gefördert werden, denn durch ihr rasches Jugendwachstum sind diese Baumarten in der Lage, in wenigen Jahrzehnten erntereifes Holz zu produzieren. Die Stammholzerlöse dieser Baumarten – bei guter Qualität – werden vielfach noch unterschätzt.
Darüber hinaus ist es in der Jungwuchsphase gerade bei der Fichte wichtig, bereits auf eine ausreichende Differenzierung und damit auf Stabilität und Vitalität der Einzelbäume zu achten. Da die Fichte heute in den meisten Fällen aus Naturverjüngung entsteht, sollte bereits in dieser Phase, soweit dies die Stabilität des Altbestands zulässt, über gezielte Lichtsteuerung dafür gesorgt werden, dass die Fichtenverjüngung ausreichend differenziert aufwächst. Differenzierung bedeutet, dass gleichmäßig über die Fläche verteilt etwa alle 6 bis 10 m eine vitale also vorwüchsige und gut bekronte Fichte vorhanden ist, die sich durch ihre herrschende oder vorherrschende Stellung deutlich von ihren Nachbarn abhebt. Sie sollte mindestens die 1,5-fache Höhe der umgebenden Fichten haben (Rothkegel und Ruppert 2015).
Ist eine natürliche Differenzierung in der Fichtenverjüngung nicht gegeben und auch nicht zu erwarten, sollten gezielte Pflegeeingriffe zur Erhöhung der Stabilität erfolgen. Hierbei sind je nach Ausgangssituation verschiedene technische Verfahren möglich. Entscheidend ist es in diesen jungen Beständen, die Eingriffe früh (ideal bei Hüft- bis Brusthöhe) durchzuführen. Grund hierfür ist nicht nur, dass dies deutlich kostengünstiger und effektiver ist, sondern sich auch waldwachstumskundliche Vorteile erzielen lassen.
Zugleich entscheidet sich in der Phase der Jungbestandspflege häufig auch das Schicksal von Mischbaumarten, die bei frühen Eingriffen oft noch erfolgreich begünstigt werden können. Ist der Jungbestand geschlossen und nicht mehr zu überblicken, steigt der Pflegeaufwand stark an und das Schicksal der Mischbaumarten ist damit nicht selten besiegelt. Die Pflege von Mischbeständen ist anspruchsvoll und in der Umsetzung meist schwieriger als die von Reinbeständen. Jedoch gilt auch hier der Satz: »Wer streut, rutscht nicht«. Dies bedeutet: durch die Beteiligung mehrerer Baumarten können die Risiken für den Bestand gesenkt werden.
Beispiel für das Vorgehen in der Jungbestandspflege: Das Optionen-Modell der LWF
1. Analyse des Ausgangsbestandes
Abb. 2: LWF- Optionenmodell: Auswählen einer Option (Grafik: LWF)
Ferner sind baumartenbezogen die Aspekte von Vitalität, Stabilität und Qualität Kriterien, die für die nachfolgende Erarbeitung der Pflegeziele wichtige Grundlagen liefern. Im Zusammenhang mit dem Anbaurisiko ist vor allem der Flächenanteil der jeweiligen Baumart ausschlaggebend und somit eine weitere Information die zur Bestandsanalyse zählt. In Fichten- bzw. Fichtenmischbeständen ist auch ein Augenmerk auf einzeln beigemischte oder seltene Baumarten zu lenken.
2. Erarbeiten der Zielsetzung (Pflegeziel)
Abb. 3: LWF- Optionenmodell: Konkurrenzsituation beurteilen (violette Kreuze stellen Bedränger dar) (Grafik: LWF)
Darauf aufbauend wird für die Fichte und evtl. vorhandene Mischbaumarten festgelegt, wie diese in der Pflege behandelt werden. Konkret geschieht dies über die Priorisierung, indem festgelegt wird, welche Baumarten bei der Pflege in ihren Anteilen zurückgefahren bzw. gefördert werden.
So müssen beispielsweise auf Standorten, auf denen das Risiko der Fichte künftig deutlich ansteigt, die vorrangigen Ziele sein, für stabile und vitale Einzelbäume zu sorgen und möglichst viele Mischbaumarten zu beteiligen. Hierzu muss eine ausreichende Zahl von »Optionen« festgelegt sein. Die Optionen oder zielgerechte Kandidaten fungieren als Stellvertreter für die erwünschten und über die Zielsetzung priorisierten Baumarten. Diese Optionen können Fichten, aber auch andere Baumarten sein. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die ausgewählten Optionen auch eine waldbaulich realistische Chance haben, um langfristig am Bestandsaufbau beteiligt zu sein.
3. Umsetzung (Arbeitsauftrag)
Abb. 4: LWF- Optionenmodell: Konkurrenzsituation beurteilen (violette Sterne stellen Superprotze dar) (Grafik: LWF)
Hierzu wird beurteilt, ob ein Eingriff zugunsten der Option für deren Überleben bis zum nächsten Pflegeeingriff notwendig ist und ob im Umfeld (Pflegeparzelle) der Option Bedränger vorhanden sind, die langfristig das Überleben oder die positive Entwicklung der Option beeinträchtigen. Nur wenn beide Fragen mit ja beantwortet werden können und dabei auf Grundlage des Wuchsverhaltens der Bäume eine reale Chance besteht, die o. g. Ziele zu erreichen, wird die jeweilige Entnahme durchgeführt.
Beim Auszeichnen ist eine Markierung sowohl positiv als auch negativ hilfreich, da eine Orientierung im Bestand erleichtert wird und leichter nachvollziehbar ist, ob die gewünschte Baumartenverteilung damit erreicht werden kann.
Durchforstung: Stabilität und Produktivität
Abb. 5: Beziehung zwischen Brusthöhendurchmesser und Kronenbreite bei vorherrschender Fichte. (Grafik: Klädtke 2004)
Sie können bei der späteren Verjüngung als Samenbäume dienen und mildern die Folgen, wenn die Fichte durch Schädlinge oder Trockenheit vorzeitig ausfällt. Dies gilt wie bereits oben erwähnt auch für Weichlaubholz. Umgekehrt gilt der Mischungsgedanke auch in laubholzreichen Beständen für die Fichte. Denn auch bei höherem Anbaurisiko muss nicht ganz auf die Fichte verzichtet werden, da sich auch hier über eine gezielte Durchforstung die Fichtenanteile so steuern lassen, dass Risiken durch vorzeitige Ausfälle abgepuffert werden.
Beim zweiten wichtigen Ziel der Durchforstung der Fichte liegt der Fokus auf der Stabilisierung von Einzelbäumen. Sie ist die Voraussetzung dafür, das Risiko von Schneebruch und Sturmwurf zu senken und führt im Ergebnis dazu, die Vitalität der Fichten zu erhöhen. Sie ist aber auch die entscheidende Voraussetzung für längere Überschirmungszeiträume. Regelmäßige Durchforstungen schaffen die Voraussetzung für das Einbringen von Schattbaumarten mittels langfristiger Verjüngungsverfahren, weil der Fichtenaltbestand dann stabil genug ist, den längeren Verjüngungsgang ohne Schaden zu überstehen.
Konkretes Ziel ist es hierbei, Fichten mit langen grünen Kronen und einem guten Verhältnis von Brusthöhendurchmesser zu Gesamtlänge des Baumes (h/d-Verhältnis) zu erreichen. Als Zielwerte dieser Stabilitätskriterien gelten ein Bekronungsgrad von über 50 % und h/d-Werte unter 0,7. Entsprechend gefördert werden dadurch auch der Zuwachs des Einzelbaumes und seine spätere Fruktifikationsmöglichkeit.
Gerade in der Privatwaldberatung ist die Vermittlung des Prinzips der Hochdurchforstung nicht immer einfach. Waldbesitzer neigen häufig zu zurückhaltenden und niederdurchforstungsartigen Eingriffen. Aus diesem Grund sollte die Anzahl der Auslesebäume in der Durchforstungsphase nicht zu hoch gewählt werden, denn eine hohe Anzahl von Auslesebäume verleitet dazu, weniger echte hauptständige Bedränger, als vielmehr unter- und zwischenständige Bäume zu entnehmen. Wie Klädtke (2004) zeigt, steht bei vorherrschenden Fichten das Verhältnis zwischen Kronenbreite und Brusthöhendurchmesser in einer sehr engen Beziehung.
So liegt die Kronenbreite bei einem Brusthöhendurchmesser von 60 cm im Schnitt bei rund 7,5 m, was rund 200 Auslesebäumen pro ha entspricht. Eine höhere Anzahl von Auslesebäumen führt zwangsläufig zum Verlust von Struktur und Stabilität des Bestands. Ist es jedoch dezidiertes Ziel, langfristig strukturreiche Fichtenbestände zu entwickeln, sind niedrigere Zahlen von Auslesebäumen notwendig, wie sie z. B. das Konzept »Bewirtschaftung von Fichten- und Fichtenmischbeständen im Bayerischen Staatswald« (Bayerische Staatsforsten AöR 2009) vorsieht.
In den Bereichen zwischen den geförderten Auslesebäumen, also in den »Zwischenfeldern« sind keine Eingriffe erforderlich. Wichtig ist dabei, mit den Durchforstungen nicht zu spät zu beginnen, da sonst bei der Fichte die gewünschte Stabilität der Einzelbäume gefährdet ist. Dies zeigt sich in einem steigenden h/d-Verhältnis und einem sinkenden Bekronungsgrad und kann aufgrund des geringen Kronenausbauvermögens der Fichte mit zunehmendem Alter immer langsamer ausgeglichen werden. Zugleich führt eine zu späte Durchforstung auch zu Ertragsverlusten, denn der Zuwachs verteilt sich auf ein größeres Baumkollektiv und die gewünschten Zielstärken werden später erreicht.
Der Zeitpunkt für den ersten Jungdurchforstungseingriff ist erreicht, wenn bei der Fichte die unteren Astquirle auf einer Höhe von 2 – 3 m abgestorben sind. Je nach Produktivität des Standorts wird dieser Zeitpunkt im Alter von 20 – 25 Jahren und bei einer Oberhöhe von 10 – 12 m, auf Hochleistungsstandorten auch schon früher, erreicht. Die Auslesebäume sollten dauerhaft markiert und pro Eingriff ein bis zwei Bedränger im Herrschenden entnommen werden. Die Eingriffsstärke sollte nicht über (40) – 60 Efm pro ha und Jahrzehnt liegen, wobei hier von einem bereits feinerschlossenen Bestand ausgegangen wird. Zu Beginn der Jungdurchforstung sollte der Turnus zwischen den Eingriffen bei fünf bis maximal acht Jahren liegen. Später genügt ein Eingriff pro Jahrzehnt und die Zahl der zu entnehmenden Bäume geht zurück. Dennoch sollte sichergestellt werden, dass die Auslesebäume weiter begünstigt bleiben und Bedränger entnommen werden.
In mittelalten Fichtenbeständen mit niedrigerem Anbaurisiko, in denen die Auslesedurchforstung versäumt, verspätet oder zu schwach geführt wurde und daher die Einzelbaumstabilität gering ist, müssen Durchforstungen vorsichtig geführt werden. Auch hier sollten die am besten bekronten Fichten als Auslesebäume und Stabilitätsträger für das gesamte Bestandskollektiv festgelegt und begünstigt werden. Aufgrund der geringen Kronenausbaufähigkeit der Fichte in höherem Alter, ist es nur noch eingeschränkt möglich, die Stabilität der Bestände zu erhöhen. Die Eingriffe müssen hier zunächst deutlich schwächer, dafür aber öfter wiederholt und vorsichtig geführt werden, um die Stabilität des Bestands nicht zu gefährden. Das kann bedeuten, dass nur ein Bedränger pro Auslesebaum entnommen wird. Die zeitlichen Abstände zwischen den Durchforstungen sollten dann nicht zu lang sein.
Fichte auf Zeit – (k)eine tragfähige Option?
Eine wichtige Frage, der derzeit auch in waldbaulichen Versuchen nachgegangen wird, ist, ob mit Durchforstungen in Fichtenreinbeständen die Wasserverfügbarkeit verbessert und so Trockenschäden vorgebeugt werden kann. Erste Ergebnisse deuten an, dass in jüngeren Beständen positive Wirkungen durch regelmäßige Durchforstungen zu erwarten sind (Gebhardt et al. 2014). Aufgrund der noch zu kurzen Untersuchungszeiträume ist es zu früh, um gesicherte Praxisempfehlungen geben zu können.
Es ist jedoch zu erwarten, dass durch Durchforstungen ein hohes Anbaurisiko der Fichte zwar leicht gesenkt, aber nicht vollkommen ausgeschaltet werden kann. Die beste Risikovorsorge zur Fichte bleibt damit die Beteiligung eines ausreichenden Anteils klimatoleranter Mischbaumarten. Erstes Ziel der Beratung sollte es daher immer sein, Waldbesitzer – nicht nur bei hohem Anbaurisiko – vom Vorteil von Mischbeständen zu überzeugen. Denn die Arbeit mit der Fichte auf Zeit ist die zweitbeste Lösung und kann leicht zu einem Vabanque- Spiel werden.
Was bringt die Zukunft? – ein Fazit
Zweifellos wird der Klimawandel auf vielen Standorten zu einem weiteren Rückgang der Fichtenanteile führen. Die seit den 1970er Jahren in Bayern kontinuierlich steigenden Laubholzanteile sprechen hier eine deutliche Sprache. Das Waldland Bayern zeichnet sich durch eine große Vielfalt an Standorten und Klimabereichen aus. Entsprechend vielfältig sind auch die Bedingungen, unter denen künftig die Fichte in den Wäldern ihren Platz finden kann. Ausgehend von dem Wissen, dass Mischbestände auch ohne Klimawandel betriebssicherer, leistungsfähiger und stabiler sind, ist die Beteiligung von klimatoleranten Mischbaumarten zur heimischen Fichte der Königsweg (Biermayer 2016).
Zugleich ist es auch möglich, hierbei andere Nadelbaumarten am Bestandsaufbau zu beteiligen. Hier sollte vor allem die Tanne als wirtschaftlich attraktive und naturnah zu bewirtschaftende Baumart verstärkt im Focus sein. Leider verhindern überhöhte Schalenwildbestände auf immer noch zu großer Fläche die Einbringung und Verjüngung der Tanne. Aber auch bewährte nichtheimische Baumarten wie die Douglasie können ihren Platz als Mischbaumarten in den Wäldern der Zukunft finden.
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