Kathrin Einzmann, Christoph Straub und Rudolf Seitz
Dem Wald auf der Spur – mit den »Wächtern« aus dem All - LWF aktuell 132
Abb. 1: Die Sentinel-2 Satelliten umkreisen kontinuierlich die Erde (Foto: LWF).
Durch das europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus stehen kostenfreie optische Satellitendaten zur Verfügung. An der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) werden diese Daten für verschiedene Anwendungsgebiete eingesetzt.
Einerseits für die schnelle Detektion von Flächenveränderungen in Wäldern, beispielsweise nach einem Sturmereignis oder nach Borkenkäferbefall. Andererseits werden die Daten auch für die großflächige Erstellung forstlicher Karten verwendet, wie beispielsweise einer Laub und Nadelholzkarte für Bayern.
Sentinel-2
Dieses besteht aus zwei identischen, optischen Satelliten – Sentinel-2A und Sentinel-2B – und ermöglicht eine hohe temporale Abdeckung der Erdoberfläche. Die Satelliten umkreisen die Erde in einer Höhe von 786 Kilometern und ermöglichen bei wolkenfreien Bedingungen alle fünf Tage eine neue Aufnahme. Multispektralkameras nehmen das von der Erdoberfläche reflektierte sichtbare Licht sowie das nahe und kurzwellige Infrarotspektrum auf. So können die Sentinel-2 Bilder auch genutzt werden, um Veränderungen in der Landnutzung und von Waldflächen zu kartieren (ESA 2017). Beispielweise werden aus den Sentinel-Daten europaweite freiverfügbare Landbedeckungskarten abgeleitet (sog. »High Resolution Layers«) (Copernicus 2021).
Vor- und Nachteile der Sentinel-2 Bilder
Aktuelle Anwendungen an der LWF
Laub- und Nadelholzkarte für Bayern
Abb. 2: Mittels Sentinel-2 Daten und Stichprobenkreisen der Forsteinrichtung im Staatswald modellierte Karte (Grafik: LWF).
Zusätzlich wurden amtliche Höhenmodelle der Bayerischen Vermessungsverwaltung verwendet, um damit Waldflächen mit geringer Überschirmung (< 50 %) auszuweisen. Das Endprodukt der Modellierung mit den Klassen:
a) laubholzdominiert (d.h. Laubholzanteil > 50 %),
b) nadelholzdominiert (d.h. Nadelholzanteil > 50 %) und
c) Überschirmung < 50 % zeigt Abbildung 2.
Die erstellte Laub- und Nadelholzkarte (Abbildung 2) kann für weiterführende Vegetationsanalysen genutzt werden, um beispielsweise Ergebnisse getrennt für Laub- und Nadelholzflächen darzustellen.
Schaddetektion
Für diese Analysen werden Vegetationsindizes berechnet. Hierbei macht man sich das spektrale Reflexionsverhalten von Vegetation zunutze. Bei der Berechnung der Indizes werden einzelne Spektralbänder miteinander kombiniert. Als Ergebnis erhält man Bilddaten, in denen die Vegetation bzw. ihre unterschiedliche Vitalität leichter erkennbar ist.
Abhängig von der Verfügbarkeit von wolkenfreien Sentinel-2 Daten können auch kurzfristig Auswertungen durchgeführt werden, um einen Überblick über geschädigte Flächen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu bekommen. Im Folgenden werden zwei aktuelle Anwendungsbeispiele zur Schaddetektionen vorgestellt:
Borkenkäferschäden im Frankenwald
Abb. 3: In der Vergrößerung ist das Ergebnis der Veränderungsanalyse mit den betroffenen Landkreisen dargestellt, im Hintergrund die Sentinel-2 Szene vom 8. September 2020 (Grafik: LWF)
Für den Frankenwald (ÄELF Kulmbach und Münchberg) wurde eine Veränderungsanalyse für den Zeitraum September 2019 bis September 2020 durchgeführt (Abbildung 3), um die vom Borkenkäfer geschädigten Flächen zu detektieren. Theoretisch wird auch durch reguläre Hiebsmaßnahmen die Spektralinformation in den Satellitendaten verändert. Allerdings fanden im Frankenwald in diesem Zeitraum aufgrund der Borkenkäferkalamität und des historisch geringen Holzpreises nahezu keine normalen Holznutznutzungen statt.
Abb. 4: Links: Ausschnitt aus der Sentinel-2 Szene von einem Gebiet östlich von Rosenheim vom 12. Juli 2021 als ColorInfrarot-Darstellung. Vitale Vegetation erscheint in dieser Darstellung in verschiedenen Rottönen. Rechts: Ausschnitt vom 11. August 2021 überlagert mit den Ergebnissen der Veränderungsanalyse. Die Sturmschäden können anhand der veränderten Spektralinformation gut identifizert werden. Die Flächen mit einer starken Veränderung sind in Grün gezeigt, Flächen mit einer geringen Veränderung in Gelb (Grafik: LWF).
Anschließend wurden die beiden Schadklassen »starke Veränderung« und »geringe Veränderung« definiert. Bei der Klasse »starke Veränderung« handelt es sich meist um Bereiche, bei denen im September 2019 eine vitale Vegetation in der Oberschicht vorherrschte und im September 2020 eine starke spektrale Veränderung festgestellt wurde. Dies können sowohl entstandene Kahlflächen als auch Flächen mit stehenden, abgestorbenen Nadelbäumen sein.
Bei der Klasse »geringe Veränderung« ist die spektrale Veränderung weniger deutlich ausgeprägt, beispielsweise wenn nur einzelne Bäume entnommen wurden. Und auch bei Verfärbungen der Baumkronen fallen die Flächen in diese Klasse. Teilweise wurden aber auch Flächen als »geringe Veränderung« klassifiziert, wenn die komplette Oberschicht entnommen wurde, aber diese Flächen einen vitalen Unterwuchs haben. Hier fällt die spektrale Veränderung weniger kräftig als bei Flächen ohne Unterwuchs aus (Einzmann et al. 2021).
Um potenzielle Schadholzmengen im betrachteten Analysezeitraum zumindest grob abschätzen zu können, wurde zusätzlich der Holzvorrat zum Zeitpunkt vor den Schadereignissen modelliert. Dafür wurden Modellierungstechniken genutzt, mit denen vorhandene Stichprobendaten einer Forstinventur mittels Hilfsinformationen aus Fernerkundungsdaten (insbesondere Höhendaten) auf die gesamte Waldfläche übertragen werden können.
Unwetterschäden bei Rosenheim
Bayernweite Veränderungsanalyse
Abb. 5: Lage der Laub (links) und Nadelwaldflächen (rechts) mit einer geringen bzw. starken Veränderung zwischen September 2019 und September 2020 (Grafik: LWF).
Veränderungen im Nadelwald wurden vor allem im vom Borkenkäferbefall betroffenen Frankenwald und in weiteren Bereichen von Unter-, Mittel- und Oberfranken festgestellt. Auch in Niederbayern zeigen sich Veränderungen im Nadelwald, hier vor allem in den Waldgebieten, welche 2017 von Sturm »Kolle« geschädigt wurden.
Im Laubwald zeigen sich wesentlich weniger flächige Veränderungen, außer in Bereichen von Unter- und Mittelfranken. Dort machte die Trockenheit der vergangenen Jahre vor allem den Rotbuchen Probleme, genauso wie die vereinzelte Ausbreitung des Schwammspinners in Eichenbeständen.
Verwendbarkeit für Monitoringsansätze
Abb. 6: Zeitliche Veränderung eines Waldgebietes dargestellt mit Sentinel-2 Bildern (als ColorInfrarot Darstellung) vom 4. Juni bis 24. Juli 2019. Eichen in diesem Gebiet waren von Schwammspinnerfraß betroffen (Grafik: LWF).
Ein möglicher Einsatz der Sentinel-2 Daten für ein regelmäßiges Monitoring wäre auch eine Freiflächendetektion oder die Beobachtung und »Überwachung« von Borkenkäferschäden. Das Forschungsprojekt »FNEWs« (Fernerkundungsbasiertes Nationales Erfassungssystem Waldschäden), an dem die LWF beteiligt ist, hat zum Ziel, die Voraussetzungen für die Implementierung eines fernerkundungsbasierten, bundesweiten Erfassungssystems für großflächige Waldschäden zu schaffen und zu erproben.
Diskussion und Ausblick
Zukünftig wird ein bundesweites, kontinuierliches Monitoring der Waldflächen mittels Zeitreihenanalyse basierend auf Sentinel-1 und -2 Daten angestrebt, um auf Veränderungen in Waldgebieten schneller reagieren zu können. Im oben genannten Projekt FNEWs werden derzeit von einem Projektkonsortium mit Partnern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die dafür notwendigen Voraussetzungen geprüft.
Literatur
- Breiman, L. (2001): Random forests. – Machine learning 45 (1): 5–32.
- Einzmann, K.; Straub, C.; Seitz, R. (2021): Erfassung von Borkenkäferflächen mittels Fernerkundung. AFZ – Der Wald (eingereicht).
- ESA (2017): Sentinel-2 Factsheet. Colour vision for Copernicus. Herausgeber: Europäische Weltraum Agentur.
- Copernicus Land Monitoring Service (2021): Pan-European High Resolution Layers, Online: https://land.copernicus.eu/pan-european/high-resolution-layers (Stand 24.05.20121).
- Straub, C.; Seitz. R. (2017): Satellitenbilder kostenfrei für die forstliche Forschung. LWF aktuell 115. S. 10-13.