Beatrix Enzenbach, Helena Löffler, Kristine Mayerhofer und Hannes Müller
Habitatveränderungen mit Luftbildern erfassen - LWF-aktuell 130
Moderne Methoden aus der Fernerkundung liefern rasch wichtige Informationen zu Lebensraumveränderungen in Wald
Der Zustand der Wald-Schutzgüter wurde mittlerweile in fast allen bayerischen Natura 2000-Gebieten erfasst und die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen wurden in Managementplänen festgeschrieben. Allerdings verändern biotische und abiotische Störungsprozesse, aber auch die forstliche Nutzung diese Wälder. Wie können nun Veränderungen, insbesondere diejenigen, die Natura 2000-Schutzziele gefährden können, schnell erkannt werden, um gegebenenfalls Gegenmaßnahmen rechtzeitig einzuleiten? Im Vogelschutzgebiet »Donauauen zwischen Lechmündung und Ingolstadt« wurde dies nun in einem Pilotprojekt mit einer Wiederholungskartierung und amtlichen Luftbildern untersucht.
»Nichts ist beständiger als der Wandel«
Abb. 1: Die Auwälder entlang unserer Flüsse sind wichtige Lebensräume für zahlreiche schutzbedürftige Tier- und Pflanzenarten. (Foto: Kirsten Joas)
Die Donauauwälder mit ihren zahlreichen Altbeständen aus starken Eschen und Eichen sind bayerische Vorkommensschwerpunkte von Mittelspecht und Halsbandschnäpper. Dabei ist gerade der Mittelspecht vom Vorhandensein starker rauborkiger Baumarten, wie alten Eschen und Eichen, und von starkem Kronentotholz abhängig. Bei den Populationserhebungen im Jahr 2009 wurde auch der Grauspecht als weitere gebietstypische Art erfasst. Allen drei Vogelarten wurde dabei im Managementplan ein guter Erhaltungszustand bestätigt. Die Bestände von Halsbandschnäpper und Mittelspecht erhielten aufgrund der hohen Siedlungsdichten eine sehr gute Bewertung (A), der Grauspecht eine gute Bewertung (B). Das Habitat wurde für alle drei Arten mit »gut« bewertet.
Dennoch findet sich bereits im Jahr 2009 in der Kategorie »Beeinträchtigungen« ein Hinweis auf den Verlust von alten Eichen und dass damit längerfristig mit einer Verringerung der Siedlungsdichte des Mittelspechts zu rechnen ist. Zusätzlich sind die Donauauwälder, wie andere flussbegleitende Wälder auch, stark vom Eschentriebsterben betroffen.
Veränderungen im SPA werden genau wahrgenommen
In ihrer Sorge um mögliche Habitatverschlechterungen wandten sie sich an die zuständigen Forstbehörden. Es folgten Begänge durch das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), das wiederum die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) hinzuzog. Die LWF, zuständig für die Managementplanung der Wälder in den Vogelschutzgebieten, entschloss sich, sowohl mutmaßliche Populationsänderungen als auch die Habitatveränderungen im Gebiet genauer zu untersuchen.
Gibt es Populationsveränderungen?
Die Populationdichte des Halsbandschnäppers hatte um 9 % zugenommen, beim Grauspecht wurde sogar eine Verdoppelung der Reviere festgestellt. Die Populationen von Grauspecht und Halsbandschnäpper werden demnach weiterhin mit »gut« eingeschätzt. Dagegen konnten beim Mittelspecht im Jahr 2018 nur 65 % der Revierfeststellungen von 2008 bestätigt werden. Bei diesem Specht hat sich also der Populationszustand geändert und kann nur noch mit »mittel« bewertet werden.
Warum verändern sich die Populationen?
Wie können wir Habitatveränderungen mittels Fernerkundung feststellen?
- Auswertungen von Differenzhöhenmodellen
- Stereo-Luftbildinterpretationen
Digitale Oberflächenmodelle
Abb. 2: Der Halsbandschnäpper konnte von den Habitatveränderungen im Vogelschutzgebiet profitieren. (Foto: Christoph Moning)
Diese Modelle geben die Höhe der oberste Kronenschicht in 40 cm räumlicher Auflösung an. »Substrahiert« man nun die Oberflächenmodelle der verschiedenen Jahre, erhält man sogenannte Differenzhöhenmodelle für den Zeitraum 2010–2016 und 2016–2018. Um unbedeutende Veränderungen auszuschließen, wurden dabei nur Höhendifferenzen berücksichtigt, die größer als 8 m waren. Der Vergleich der Oberflächenmodelle ermöglicht also, entstandene »Löcher in der Kronenschicht« zu identifizieren.
Die Veränderungsanalysen zeigen, dass in den Donauauen die Oberschicht im Kronendach zwischen 2010 und 2016 um 92 ha und zwischen 2016 und 2018 um weitere 175 ha abgenommen hat. Dies bedeutet, dass in dem 2.963 ha großen Untersuchungsgebiet nach acht Jahren auf mehr als 12 % der Waldfläche die Oberschicht abgenommen hat.
Stereo-Luftbilder
Abb. 3: Mittelalte Eichen sind im Orthophoto von der Luftbildbefliegung im Jahr 2010 deutlich zu erkennen. (Grafik: LWF)
Die Stereo-Luftbildinterpretation (Abbildung 3) zeigte, dass der größte Teil der Veränderungen auf das Verschwinden von Baumarten der Klasse »sonstiges Laubholz« zurückzuführen war (39 % im ersten bzw. 36 % im zweiten Beobachtungszeitraum). Zu dieser Sammelklasse gehören Weiden, Pappeln, Ahorne, Buchen, Linden und andere Laubbaumarten, die nicht direkt einer Klasse zugeordnet werden konnten. Hierunter können sich auch vitale Eschen oder jüngere Eichen befinden.
Ein Viertel der Kronendachreduktion geht auf die Entnahme vitaler oder das Zusammenbrechen toter Eschen zurück – sowohl im ersten als auch im zweiten Untersuchungszeitraum. Kranke und abgestorbene Eschen, die noch im Bestand stehen, deren Kronen aber aufgrund des Eschentriebsterbens deutlich an Größe eingebüßt haben, verursachen zusätzlich 6 % (2010–2018) bzw. 20 % (2016–2018) der Differenzflächen.
Auf 14 % im ersten und 5 % im zweiten Zeitraum der Flächen mit markant niedrigerem Kronendach stockten ursprünglich Eichen mittleren oder älteren Alters. Holzerntemaßnahmen von Nadelholz fand auf 13 % (2010–2018) bzw. 10 % (2016–2018) der Veränderungsflächen statt.
Veränderungen: »Des einen Leid, des andern Freud«
Abb. 4: Der Mittelspecht benötigt in seinem Habitat starke, rauborkige Baumarten wie Eschen und Eichen, wo er
den größten Teil seiner Beutetiere findet. (Foto: M. Lauterbach)
Die Auflichtung der Bestände kommt den Habitatansprüchen des Grauspechtes zugute und könnte seine Populationszunahme erklären. Die Vielzahl neu entstandener Biotopbäume (insb. abgestorbene Eschen) kann der Halsbandschnäpper für seine Kleinhöhlen nutzen, was ein Grund für dessen Populationszunahme sein könnte. Außerdem wird die Population des Halsbandschnäppers durch Nistkästen gestützt.
Dagegen ist der Mittelspecht besonders bei der Nahrungssuche auf alte rauborkige Bäume angewiesen. Die Abnahme der Mittelspechtreviere dürfte daher überwiegend auf die Verschlechterung dieser Nahrungshabitate zurückzuführen sein, ist doch der Mittelspecht als Standvogel gerade im Winter auf rauborkige Bäume angewiesen, wo er seine Nahrung findet.
Zusammenfassung
Eine Wiederholungskartierung ergab, dass die Populationen von Grauspecht und Halsbandschnäpper zugenommen hatten, wohingegen die Population des Mittelspechts deutlich abgenommen hatte. Grund hierfür dürften Habitatveränderungen sein, die mit einem fernerkundlich unterstützten Verfahren quantifiziert werden konnten:
So konnten wir in einem Zeitraum von acht Jahren eine markante Absenkung des oberen Kronendachs auf etwa 12 % der Fläche feststellen. Eine ergänzende Stereo-Luftbildinterpretation ergab, dass diese Abnahme unter anderem auf den Verlust alter Eichen und Eschen sowie auf absterbende und tote Eschen zurückzuführen ist.
Literatur
- Ackermann, J.; Adler, P.; Aufreiter, C.; ... Zielewska-Büttner, K. (2020): Oberflächenmodelle aus Luftbildern für forstliche Anwendungen. Leitfaden AFL 2020. WSL Berichte, 87, 60 S.
- Hirschmüller, H. (2008): Stereo processing by semi-global matching and mutual information. Pattern Analysis and Machine Intelligence, IEEE Transactions on 30, S. 328–341
- LWF – Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (2010): Natura2000 Kartieranleitungen für waldrelevante Vogelarten
- LWF – Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (2016): Arbeitsanweisung zur Erfassung und Bewertung von Waldvogelarten in Natura2000 Vogelschutzgebieten (SPA)
Beitrag zum Ausdrucken
Weiterführende Informationen
Autoren
- Beatrix Enzenbach
- Helena Löffler
- Kristine Mayerhofer
- Hannes Müller