Beatrix Enzenbach, Helena Löffler, Kristine Mayerhofer und Hannes Müller
Habitatveränderungen mit Luftbildern erfassen - LWF-aktuell 130

Moderne Methoden aus der Fernerkundung liefern rasch wichtige Informationen zu Lebensraumveränderungen in Wald

Der Zustand der Wald-Schutzgüter wurde mittlerweile in fast allen bayerischen Natura 2000-Gebieten erfasst und die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen wurden in Managementplänen festgeschrieben. Allerdings verändern biotische und abiotische Störungsprozesse, aber auch die forstliche Nutzung diese Wälder. Wie können nun Veränderungen, insbesondere diejenigen, die Natura 2000-Schutzziele gefährden können, schnell erkannt werden, um gegebenenfalls Gegenmaßnahmen rechtzeitig einzuleiten? Im Vogelschutzgebiet »Donauauen zwischen Lechmündung und Ingolstadt« wurde dies nun in einem Pilotprojekt mit einer Wiederholungskartierung und amtlichen Luftbildern untersucht.

»Nichts ist beständiger als der Wandel«

Auwald mit dichtem UnterwuchsZoombild vorhanden

Abb. 1: Die Auwälder entlang unserer Flüsse sind wichtige Lebensräume für zahlreiche schutzbedürftige Tier- und Pflanzenarten. (Foto: Kirsten Joas)

In Bayern gibt es 84 Vogelschutzgebiete mit einer Waldfläche von 307.000 Hektar, in denen nach der Bayerischen Natura 2000-Verordnung 42 Vogelarten mit Waldbezug als Schutzgüter gelistet sind. Alle diese Wälder sind ständig biotischen und abiotischen Veränderungsprozessen ausgesetzt. Dies soll hier am Beispiel des Europäischen Vogelschutzgebiets »Donauauen zwischen Lechmündung und Ingolstadt« aufgezeigt werden:

Die Donauauwälder mit ihren zahlreichen Altbeständen aus starken Eschen und Eichen sind bayerische Vorkommensschwerpunkte von Mittelspecht und Halsbandschnäpper. Dabei ist gerade der Mittelspecht vom Vorhandensein starker rauborkiger Baumarten, wie alten Eschen und Eichen, und von starkem Kronentotholz abhängig. Bei den Populationserhebungen im Jahr 2009 wurde auch der Grauspecht als weitere gebietstypische Art erfasst. Allen drei Vogelarten wurde dabei im Managementplan ein guter Erhaltungszustand bestätigt. Die Bestände von Halsbandschnäpper und Mittelspecht erhielten aufgrund der hohen Siedlungsdichten eine sehr gute Bewertung (A), der Grauspecht eine gute Bewertung (B). Das Habitat wurde für alle drei Arten mit »gut« bewertet.

Dennoch findet sich bereits im Jahr 2009 in der Kategorie »Beeinträchtigungen« ein Hinweis auf den Verlust von alten Eichen und dass damit längerfristig mit einer Verringerung der Siedlungsdichte des Mittelspechts zu rechnen ist. Zusätzlich sind die Donauauwälder, wie andere flussbegleitende Wälder auch, stark vom Eschentriebsterben betroffen.

Veränderungen im SPA werden genau wahrgenommen

Das untersuchte Vogelschutzgebiet, insbesondere der Bereich um Neuburg an der Donau und Ingolstadt, ist ein beliebtes Erholungsgebiet. Erholungssuchende ebenso wie Naturschutzverbände nahmen daher Veränderungen, die durch Eschentriebsterben, Holzernte und Verkehrssicherungsmaßnahmen entstanden, sehr kritisch wahr.

In ihrer Sorge um mögliche Habitatverschlechterungen wandten sie sich an die zuständigen Forstbehörden. Es folgten Begänge durch das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), das wiederum die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) hinzuzog. Die LWF, zuständig für die Managementplanung der Wälder in den Vogelschutzgebieten, entschloss sich, sowohl mutmaßliche Populationsänderungen als auch die Habitatveränderungen im Gebiet genauer zu untersuchen.

Gibt es Populationsveränderungen?

Um eine Ab- oder Zunahme der Populationen von Grauspecht, Mittelspecht und Halsbandschnäpper einschätzen zu können, wurde ein ornithologisches Büro beauftragt, die Populationserfassung im Jahr 2018 zu wiederholen. Da dieselbe Methodik wie bei der Ersterhebung von 2008 zur Anwendung kam, sind die Zahlen der Brutpaare und damit der Populationszustand direkt miteinander vergleichbar. Die zum Teil überraschenden Ergebnisse:
Die Populationdichte des Halsbandschnäppers hatte um 9 % zugenommen, beim Grauspecht wurde sogar eine Verdoppelung der Reviere festgestellt. Die Populationen von Grauspecht und Halsbandschnäpper werden demnach weiterhin mit »gut« eingeschätzt. Dagegen konnten beim Mittelspecht im Jahr 2018 nur 65 % der Revierfeststellungen von 2008 bestätigt werden. Bei diesem Specht hat sich also der Populationszustand geändert und kann nur noch mit »mittel« bewertet werden.

Warum verändern sich die Populationen?

Es stellt sich nun die Frage, welche Gründe für die Populationsveränderungen verantwortlich sind. Bekannt ist, dass der Anteil älterer grobborkiger Bäume, das Höhlenangebot und die Anzahl der Biotopbäume für den Mittelspecht eine wichtige Rolle spielen. Eine flächige terrestrische Erhebung dieser Habitatparameter könnte aufzeigen, wie sich der Lebenraum der drei Vogelarten geändert hat. Allerdings bedeutet eine derartige Kartierung der Habitate und Lebensraumparameter einen erheblichen Aufwand. Daher wurde auf die Methoden der Fernerkundung zurückgegriffen, um die Habitatmerkmale zu erfassen.

Wie können wir Habitatveränderungen mittels Fernerkundung feststellen?

Die Frage, in welchem Umfang Habitatveränderungen stattgefunden haben und welche Baumarten betroffen waren, haben wir mit Hilfsmitteln und Methoden der Fernerkundung in zwei Schritten bearbeitet:
  • Auswertungen von Differenzhöhenmodellen
  • Stereo-Luftbildinterpretationen

Digitale Oberflächenmodelle

Foto eines schwarz-weißen VogelsZoombild vorhanden

Abb. 2: Der Halsbandschnäpper konnte von den Habitatveränderungen im Vogelschutzgebiet profitieren. (Foto: Christoph Moning)

Im ersten Schritt verwendeten wir Differenzhöhenmodelle, mittels denen verortet werden kann, wo das Kronendach lichter oder dichter wird (Ackermann et al. 2020). Für die Berechnung der Differenzhöhenmodelle benötigt man Oberflächenmodelle (Hirschmüller 2008), die in unserem Fall aus den amtlichen Stereo-Luftbildern des Bayerischen Landesvermessungsamtes der Jahre 2010, 2016 und 2018 abgeleitet wurden.

Diese Modelle geben die Höhe der oberste Kronenschicht in 40 cm räumlicher Auflösung an. »Substrahiert« man nun die Oberflächenmodelle der verschiedenen Jahre, erhält man sogenannte Differenzhöhenmodelle für den Zeitraum 2010–2016 und 2016–2018. Um unbedeutende Veränderungen auszuschließen, wurden dabei nur Höhendifferenzen berücksichtigt, die größer als 8 m waren. Der Vergleich der Oberflächenmodelle ermöglicht also, entstandene »Löcher in der Kronenschicht« zu identifizieren.

Die Veränderungsanalysen zeigen, dass in den Donauauen die Oberschicht im Kronendach zwischen 2010 und 2016 um 92 ha und zwischen 2016 und 2018 um weitere 175 ha abgenommen hat. Dies bedeutet, dass in dem 2.963 ha großen Untersuchungsgebiet nach acht Jahren auf mehr als 12 % der Waldfläche die Oberschicht abgenommen hat.

Stereo-Luftbilder

Luftbild, das rot und grün eingefärbt istZoombild vorhanden

Abb. 3: Mittelalte Eichen sind im Orthophoto von der Luftbildbefliegung im Jahr 2010 deutlich zu erkennen. (Grafik: LWF)

Im zweiten Schritt nutzten wir Stereo-Luftbilder. Dazu wurden die identifizierten Flächen mit negativer Höhendifferenz in Probeflächen näher untersucht. Aus den Stereo-Luftbildern, die vor der Veränderung aufgenommen wurden, konnten wir die Baumarten innerhalb dieser Differenzflächen ableiten. In den Luftbildern von 2016 und 2018 konnten wir zusätzlich erkennen, ob diese Baumarten wirklich verschwunden waren oder ob die Bäume teilweise oder ganz abgestorben, aber noch vorhanden waren.

Die Stereo-Luftbildinterpretation (Abbildung 3) zeigte, dass der größte Teil der Veränderungen auf das Verschwinden von Baumarten der Klasse »sonstiges Laubholz« zurückzuführen war (39 % im ersten bzw. 36 % im zweiten Beobachtungszeitraum). Zu dieser Sammelklasse gehören Weiden, Pappeln, Ahorne, Buchen, Linden und andere Laubbaumarten, die nicht direkt einer Klasse zugeordnet werden konnten. Hierunter können sich auch vitale Eschen oder jüngere Eichen befinden.

Ein Viertel der Kronendachreduktion geht auf die Entnahme vitaler oder das Zusammenbrechen toter Eschen zurück – sowohl im ersten als auch im zweiten Untersuchungszeitraum. Kranke und abgestorbene Eschen, die noch im Bestand stehen, deren Kronen aber aufgrund des Eschentriebsterbens deutlich an Größe eingebüßt haben, verursachen zusätzlich 6 % (2010–2018) bzw. 20 % (2016–2018) der Differenzflächen.

Auf 14 % im ersten und 5 % im zweiten Zeitraum der Flächen mit markant niedrigerem Kronendach stockten ursprünglich Eichen mittleren oder älteren Alters. Holzerntemaßnahmen von Nadelholz fand auf 13 % (2010–2018) bzw. 10 % (2016–2018) der Veränderungsflächen statt.

Veränderungen: »Des einen Leid, des andern Freud«

Specht mit roter Kappe sitzt an einem BaumstammZoombild vorhanden

Abb. 4: Der Mittelspecht benötigt in seinem Habitat starke, rauborkige Baumarten wie Eschen und Eichen, wo er
den größten Teil seiner Beutetiere findet. (Foto: M. Lauterbach)

Mit Hilfe der Fernerkundung konnte aufgezeigt werden, dass sich die Habitate der drei untersuchten Vogelarten in den letzten acht Jahren verändert haben: Das Kronendach wurde auf 12 % der Waldfläche abgesenkt, wodurch die Bestände lichter wurden. Zwar konnten im Untersuchungsgebiet nicht alle abgängigen und entnommenen Bäume eindeutig einer Baumarten-Klasse zugeordnet werden, allerdings ging definitiv ein Teil der vorhandenen Habitatbäume und ein Teil der potenziellen Habitatbäume (insb. Eschen und Eichen) im Gebiet verloren. Andererseits führte die starke Zunahme von absterbenden und toten Eschen offenbar zu einer Vielzahl neuer Biotopbäume.

Die Auflichtung der Bestände kommt den Habitatansprüchen des Grauspechtes zugute und könnte seine Populationszunahme erklären. Die Vielzahl neu entstandener Biotopbäume (insb. abgestorbene Eschen) kann der Halsbandschnäpper für seine Kleinhöhlen nutzen, was ein Grund für dessen Populationszunahme sein könnte. Außerdem wird die Population des Halsbandschnäppers durch Nistkästen gestützt.

Dagegen ist der Mittelspecht besonders bei der Nahrungssuche auf alte rauborkige Bäume angewiesen. Die Abnahme der Mittelspechtreviere dürfte daher überwiegend auf die Verschlechterung dieser Nahrungshabitate zurückzuführen sein, ist doch der Mittelspecht als Standvogel gerade im Winter auf rauborkige Bäume angewiesen, wo er seine Nahrung findet.
Grünes Netzwerk Naturwälder
Der Naturwald »Donau-Auwald zwischen Lechmündung und Neuburg a.d.Donau« ist Teil eines der größten zusammenhängenden Auwaldgebiete Mitteleuropas. Mit seinen 947 ha Größe ist der Naturwald auch Bestandteil des grünen Netzwerks Naturwälder in Bayern. Das grüne Netzwerk umfasst 58.000 ha naturnahe, ökologisch besonders wertvolle Staatswälder, die dauerhaft ohne lenkende Eingriffe des Menschen nach Art. 12a des Bayerischen Waldgesetzes unter Schutz gestellt wurden.

Grünes Netzwerk Naturwälder – 58.000 Hektar wilde Waldnatur Externer Link

Zusammenfassung

Im europäischen Vogelschutzgebiet »Donauauen zwischen Lechmündung und Ingolstadt« verursachte das Eschentriebsterben einen zunehmenden Ausfall starker Eschen. Mit dem Ausfall der Eschen und der gleichzeitigen Entnahme starker Eichen kam es zu Habitatveränderungen für die Verantwortungsarten Mittelspecht, Grauspecht und Halsbandschnäpper.

Eine Wiederholungskartierung ergab, dass die Populationen von Grauspecht und Halsbandschnäpper zugenommen hatten, wohingegen die Population des Mittelspechts deutlich abgenommen hatte. Grund hierfür dürften Habitatveränderungen sein, die mit einem fernerkundlich unterstützten Verfahren quantifiziert werden konnten:
So konnten wir in einem Zeitraum von acht Jahren eine markante Absenkung des oberen Kronendachs auf etwa 12 % der Fläche feststellen. Eine ergänzende Stereo-Luftbildinterpretation ergab, dass diese Abnahme unter anderem auf den Verlust alter Eichen und Eschen sowie auf absterbende und tote Eschen zurückzuführen ist.

Literatur

  • Ackermann, J.; Adler, P.; Aufreiter, C.; ... Zielewska-Büttner, K. (2020): Oberflächenmodelle aus Luftbildern für forstliche Anwendungen. Leitfaden AFL 2020. WSL Berichte, 87, 60 S.
  • Hirschmüller, H. (2008): Stereo processing by semi-global matching and mutual information. Pattern Analysis and Machine Intelligence, IEEE Transactions on 30, S. 328–341
  • LWF – Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (2010): Natura2000 Kartieranleitungen für waldrelevante Vogelarten
  • LWF – Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (2016): Arbeitsanweisung zur Erfassung und Bewertung von Waldvogelarten in Natura2000 Vogelschutzgebieten (SPA)

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