Lars T. Waser
Baumartenerkennung mit Luftbildern – LWF aktuell 115

Neueste Auswerteverfahren für digitale Luftbilder ermöglichen Baumartenkarten sehr großer Waldgebiete.

In den letzten zehn Jahren sind im Bereich der forstlichen Fernerkundung große Fortschritte erzielt worden. Die neuesten Luftbilder und Auswerteverfahren erlauben es, mit vernünftigem Aufwand aktuelle, flächendeckende, konsistente und reproduzierbare Baumartenkarten zu erstellen. Während sich flächige Daten zur Verteilung der Hauptbaumarten auf Bestandesebene inzwischen etabliert haben, bilden großflächige Anwendungen noch eher die Ausnahme.

Der Einsatz der Fernerkundung für forstliche Fragestellungen hat eine lange Tradition (Barett et al. 2016). In der Schweiz werden Luftbilder seit den 1980er Jahren im Wald eingesetzt, anfänglich insbesondere für Waldplanungszwecke und Kartierung von Schadenereignissen, später auch zur Luftbildinterpretation im schweizerischen Landesforstinventar (LFI) (Ginzler & Waser 2017).

Luftbild-basierte Baumartenklassifikationen waren vorerst die Ausnahme und beschränkten sich auf wenige Anwendungen und Fallstudien (z. B. Meyer et al. 1996; Key et al. 2001). Sie standen in Konkurrenz zu den kommerziell genutzten Erdbeobachtungssatelliten, die zwar eine grobe räumliche Auflösung haben, dafür aber großflächige Gebiete abdecken konnten (Gillis & Leckie 1996).

Die um die Jahrtausendwende aufkommenden flugzeuggestützten Airborne Laser Scanning (ALS)-Systeme mit noch nie dagewesenem Informationsgehalt (3D-Informationen) konnten sich aber erst in den letzten Jahren in Kombination mit digitalen Luftbildern (z. B. Heinzel & Koch 2012) oder hyperspektralen Sensoren zur Klassierung von Baumarten durchsetzen (z. B. Dalponte et al. 2014).

Digitale Luftbilder ebnen Weg zur Baumartenerkennung

Großformat-Kamera in einem FlugzeugZoombild vorhanden

Abb. 1: Digitale Großformat-Kameras sind in Flugzeugen eingebaut. (Foto: VBS)

Eine stetig steigende Nachfrage nach der Baumartenzusammensetzung sowie die Umstellung von analogen zu digitalen Luftbildern und die gleichzeitige Verfügbarkeit von 3D-Daten (z. B. Vegetationshöhenmodelle, Ginzler & Hobi 2016) und einer massiven Effizienzsteigerung bei der Datenprozessierung brachten das Thema Baumartenklassifikation auch in Forstkreisen auf den Tisch. Seit 2008 stehen in der Schweiz qualitativ hochwertige digitale Luftbilder vom Zeilensensor ADS80 mit einer räumlichen Auflösung von 25–50 cm und den Kanälen Rot, Grün, Blau und Nahinfrarot zur Verfügung (Abbildung 1).

Die Luftbilder werden während der Vegetationsperiode im 6-Jahresrhythmus landesweit aufgenommen (Waser 2013). Spätestens seit der Verfügbarkeit von landesweit regelmäßig durchgeführten amtlichen Luftbildbefliegungen interessiert sich auch die Forstpraxis für die Erkennung von Baumarten mit Hilfe von Luftbildern.

Die 4-Kanal- ADS80-Luftbilder bilden die Grundlage für flächige Produkte, die im Rahmen des Landesforstinventars entwickelt werden. Eine umfangreiche Literaturrecherche zu Studien über Baumartenklassifikation findet sich in Fassnacht et al. (2016). Eine Übersicht in Deutsch zu den am häufigsten verwendeten optischen Fernerkundungsdaten zur Baumartenklassifikation ist in Waser & Straub (2015) nachzulesen.

Erfolgreiche Baumartenklassifikation von zahlreichen Faktoren abhängig

Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, welche Baumarten sich mit welcher Genauigkeit mittels digitaler Luftbilder erfassen lassen? Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Viele Studien und Arbeiten haben gezeigt, dass einerseits das verwendete Bildmaterial (Anzahl Kanäle, räumliche Auflösung und Aufnahmezeitpunkt bezüglich Phänologie und Beleuchtung), andererseits aber auch äußere Einflüsse (geografische Lage des Gebietes, Artenzusammensetzung) eine entscheidende Rolle spielen. Für die meisten wissenschaftliche Studien sind die Rahmenbedingungen oftmals optimal bezüglich Testgebiet und Datenmaterial.

Es stehen für ein überschaubares relativ kleines Gebiet mit gut unterscheidbaren Baumarten qualitativ hochwertige Luftbilder vom geeignetsten Zeitpunkt und genügend Referenzdaten zur Verfügung. Oftmals lassen sich jedoch die in Fallstudien gesammelten Erfahrungen nicht 1:1 auf für die Forstpraxis relevanten (großflächigen) Gebieten umsetzen, was sich insbesondere in einer niedrigeren Genauigkeit und Detailwiedergabe von Baumarten widerspiegelt.

In diesem Artikel werden die Möglichkeiten und Grenzen von digitalen Luftbildern sowie die gängigen Verfahren zur Klassifizierung der Baumarten aufgezeigt. Zuerst werden die am häufigsten verwendeten Luftbilddaten vorgestellt sowie die wichtigsten Methoden erläutert. Anhand von Anwendungsbeispielen aus Forschung und Praxis werden einerseits die heutigen Möglichkeiten aufgezeigt, andererseits werden auch die Grenzen des Einsatzes von Luftbildern zur Klassifizierung von Baumarten erläutert. Empfehlungen für die Forstpraxis und ein Ausblick zukünftiger Arbeiten runden diesen Beitrag ab.

Datengrundlage

Zur Datengrundlage einer Baumartenklassifikation gehören neben den digitalen Luftbildern, die mit den Kanälen Nahinfrarot, Rot, Grün, Blau und meist im Stereoformat aufgenommen wurden, auch ein daraus berechnetes Oberflächenmodell oder ein Kronenhöhenmodell. Letzteres lässt sich durch Subtraktion eines digitalen Geländemodells (meist aus einer bestehenden ALS-Befliegung) vom digitalen Oberflächenmodell aus den Stereoluftbildern ableiten.

Daneben braucht es auch Referenzdaten, damit ein Klassifikationsmodell trainiert und die Ergebnisse validiert werden können. Hierzu zählen am Bildschirm digitalisierte Baumkronen der jeweiligen Baumart, die mittels Feldbegehungen exakt bestimmt werden, sowie auch direkt im Feld eingemessene Bäume. Terrestrische Aufnahmen aus Forstinventuren eignen sich dabei schlechter, da eine genaue Zuordnung der Felderhebung zur jeweiligen Baumkrone im Luftbild, vor allem bei Laubbäumen, sehr schwierig ist.

Klassifikationsverfahren

Ein Klassifikationsverfahren durchläuft verschiedene Prozessschritte, die in Waser et al. (2012) ausführlich beschrieben sind. Das Prinzip ist einfach und basiert darauf, dass mithilfe eines Klassifikators, z. B. eines logistischen Regressionsmodells, Maximum-Likelihood-Methode oder Random Forest, die Beziehung der Zielvariablen (hier Baumarten) von einer Auswahl erklärender Variablen (hier abgeleitete statistische Reflektanzwerte aus den Luftbildkanälen) bestimmt wird.

Heute gibt es viele verschiedene Klassifikationsverfahren, die alle ihre Vor- und Nachteile bezüglich Anwendbarkeit, Vorkenntnissen und Praxis haben. Entscheidend ist, einen ausreichend großen und zuverlässigen Referenzdatensatz zu haben und den Klassifikationsprozess schrittweise zu durchlaufen, nötigenfalls zu optimieren und richtig zu validieren.

Anwendungsbeispiele

Zwei Luftbilder eines WaldesZoombild vorhanden

Abb. 2: Beispiel einer Klassifikation von sieben Baumarten (rechts) mit dem dazugehörenden Echtfarben-Orthobild (links). (Fotos: LWF)

Im Rahmen eines Projekts der Deutschen Gesellschaft für Photogrammetrie, Fernerkundung und Geoinformation wurde 2010 eine Fallstudie im Raum Stuttgart durchgeführt mit dem Ziel, die Eignung von Farbinfrarotluftbildern der sechs gängigen Kamerasysteme ADS40, Quattro DigiCAM, DMC, JAS-150, Ultracam- Xp, und RMK-Top15 zur Klassifikation von acht Baumarten zu testen. Dabei wurden sensorspezifische Eigenschaften erläutert sowie die Stärken und Schwächen der einzelnen Systeme aufgezeigt. Die Gesamtgenauigkeiten für Ahorn, Buche, Eiche, Esche, Fichte, Kiefer, Pappel und Weide waren alle insgesamt gut bis sehr gut mit Werten von 75 bis 88 %. Genauigkeitsunterschiede waren weniger auf die einzelnen Kamerasysteme, sondern mehr auf die unterschiedlichen Aufnahmezeitpunkte und den daraus resultierenden abweichenden Beleuchtungsverhältnissen zurückzuführen (Waser et al. 2012).

Zwischen 2009 und 2013 wurden in der Schweiz in mehreren Untersuchungsgebieten verschiedene halb-automatische Verfahren zur Baumartenklassifikation getestet, die im Laufe der Jahre optimiert wurden. Alle basierten auf dem Zeilensensor ADS40/80 (Waser et al. 2011; Waser 2012; Engler et al. 2013) in Kombination mit logistischen Regressionsmodellen. Sowohl Gebietsgröße (wenige bis mehrere Hundert Quadratkilometer), Gelände (Flachland, Gebirge) und Baumartenzusammensetzung waren verschieden. Dabei wurden die Prozesskette den verschiedenen Gegebenheiten angepasst, wenn notwendig zusätzliche Variablen aus den Luftbildern, wie zum Beispiel Vegetationsindizes, abgeleitet, ausgeklügelte Variablenselektionsverfahren entwickelt und genügend Trainingsdaten erhoben. Gute Klassifikationsresultate wurden dabei vor allem für Nadelgehölze, insbesondere für Fichte, Weißtanne und Lärche erzielt.

Bei den Laubgehölzen traten immer dann Probleme auf, wenn selten vorkommende Arten (meist Ahorn, Weide, Erle, Eiche) gemischt oder in Kombination mit einer dominanten Art (meist Buche oder Esche) auftraten. Die Gesamtgenauigkeiten beliefen sich aber auch hier auf 70–85 % für fünf bis acht Baumarten. Abbildung 2 illustriert eine Baumartenklassifikation auf Einzelbaum- bzw. Baumgruppenniveau. Probleme zur Differenzierung von Laub- und Nadelgehölzen untereinander waren selten und konzentrierten sich auf beschattete, steile und nordexponierte Hänge.
Luftbild der SchweizZoombild vorhanden

Abb. 3: Landesweite Klassifikation der Laub- und Nadelgehölze. (Quelle: Swisstopo, NFI, 2017)

Basierend auf den 4-Kanal-ADS80-Luftbilddaten entstand kürzlich ein neuer, hochaufgelöster Datensatz zum Waldmischungsgrad der Schweiz (Abbildung 3) (Waser et al. 2017). Für eine Fläche von 41.285 km2 wurden sowohl Laub- als auch Nadelgehölze mit einer räumliche Auflösung von 3 m ausgeschieden. Das Verfahren ist bezüglich Datenvorverarbeitung, Klassifikation, Validierung und Erstellung der Karte automatisiert. Um die großen Datenmengen effizient verarbeiten zu können, wurde die Landesfläche in 220 kleinere Ausschnitte eingeteilt und einzeln klassiert.

Die früher gemachten Erkenntnisse aus kleineren Untersuchungsgebieten flossen dabei vollumfänglich mit ein und ermöglichten so einen optimierten und robusten Prozessablauf. Die erzielten Klassifikationsgenauigkeiten sind mit 97–99 % sehr hoch, was auch auf die hohe Anzahl an Trainingsdaten zurückzuführen ist. Ein Vergleich mit unabhängigen Referenzdaten aus dem LFI zeigte aber eine leichte Unterschätzung der Laubgehölze (–3.1%), welche auf reliefbedingte, beleuchtungsspezifische und phänologische Einflüsse in den Luftbilddaten zurückzuführen sind.

Einschränkung und Ausblick

Trotz hochentwickeltem Bildmaterial und optimierter Klassifikationsverfahren können manche Anwendungen in einigen Gebieten an ihre Grenzen stoßen. Dabei führen unterschiedliche Einstrahlungsverhältnisse, reliefbedingter Schattenwurf sowie phänologische Einflüsse tendenziell zu einer Überschätzung der Nadelgehölze. Solche Effekte können stark variieren und sind meistens Folge des Aufnahmedatums (Blattaustrieb) sowie des Aufnahmezeitpunkts (flache Sonneneinstrahlung).

Da die Anwender bei nationalen Befliegungskampagnen jedoch kaum einen Einfluss auf Aufnahmedatum und -zeit haben und für die Vollständigkeit der Datensätze Befliegungen nicht nur während optimaler Verhältnisse stattfinden, bietet sich lediglich die Möglichkeit, Schatten großzügig auszumaskieren. Potenzial bieten auch multitemporale Aufnahmen, welche die Phänologie der einzelnen Baumarten widerspiegeln und so zur besseren Trennung untereinander beitragen können. Luftbilder aus Winter- und Sommerbefliegungen eignen sich ebenfalls zur Trennung von Laub- und Nadelgehölzen.

Alter und Vitalität eines Baumes haben ebenfalls einen Einfluss auf die spektralen Eigenschaften der Baumkronen in den Luftbildern und können so zu Problemen bei der Klassifikation innerhalb der gleichen Baumart führen. Eine Einteilung in verschiedene Klassen mittels der Höheninformation aus Oberflächenmodellen aus den Stereoluftbildern ermöglicht eine separate Klassifikation der Jung-, Stangen- und Baumgehölze. Unterschiedlich vitale Bäume einer Art könnten ebenfalls als separate Klassen ausgeschieden werden. Bei beiden Ansätzen bedarf es aber eines Zusatzaufwandes zur Erstellung der benötigten Referenzdaten.

Luftbilder, aufgenommen von unbemannten Flugobjekten (Unmanned Aerial Vehicles, UAV), können zukünftig auch in der Baumartenklassifikation an Bedeutung gewinnen, da die Sensoren kleiner und leichter werden und mittlerweile auch größere Gebiete abdecken. Erwähnenswert sind auch Satellitenbilder von Sentinel-2, die zwar eine gröbere räumliche Auflösung von 10 bzw. 20 m haben, die aber sowohl zeitlich (wenige Tage) wie auch vom Informationsgehalt (gegenüber der Luftbilder gibt es vier zusätzlich geeignete Kanäle) ein großes Potenzial für landesweite Baumartenklassifikationen haben (Immitzer et al. 2016).

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