Rudolf Seitz und Christoph Straub
»FastResponse« – die schnelle Antwort nach dem Sturm – LWF aktuell 115
Optische Satellitendaten können die Informationsbasis für ein neues Forstliches Krisen-Informationssystem bilden
Im Verlauf des Forschungsprojekts »FastResponse« entwickelte ein Forschungskonsortium unter Leitung der LWF ein Systemkonzept als Grundlage für ein neues Forstliches Krisen-Informationssystem (FKIS). Am Beispiel der durch das Sturmtief »Niklas« am 31. März 2015 verursachten Schäden an Waldbeständen wurde die Verwendbarkeit optischer Satellitendaten für die rasche Informationsbereitstellung über die Lage und das Ausmaß der Sturmflächen getestet.
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Abb. 1: FastResponse
wertet Satellitenbilder aus und liefert zeitnah forstlich wichtige Informationen.(Foto: H. Lemme)
Stürme sind in Europa für circa 50 %. des Schadholzvolumens verantwortlich, das durch biotische oder abiotische Kalamitäten verursacht wird (Schelhaas 2008). In der Folge entstehen schwerwiegende ökologische, aber auch ökonomische Schäden – meist auf Seiten der Waldbesitzer. Ursache hierfür ist oft ein unzureichender Informationsfluss über die entstandenen Schäden in Bezug auf deren Lage und Ausmaß. Zuverlässige Informationen zu geschädigten Flächen stehen meist erst Wochen nach einer Kalamität zur Verfügung und basieren überwiegend auf subjektiven, terrestrischen, zeitintensiven Schätzungen bzw. Erhebungen.
Auch werden die Informationen in der Regel nicht zentral zusammengeführt, sondern verbleiben dezentral bei den jeweiligen Waldbesitzern und liegen in verschiedener Form (analog bzw. digital) sowie in verschiedenen Formaten vor. Dies verhindert einen raschen Überblick über die Größenordnung einer Kalamität in einer Region und erschwert oder verzögert die Schadensbewältigung. Zusätzlich steigt das Risiko für biotische Folgeschäden (z. B. Borkenkäferbefall bei Fichte), je länger mit der Aufarbeitung von Schadflächen gewartet wird.
Die schnelle Antwort nach dem Sturm
Unerlässlich für das forstliche Krisenmanagement ist daher eine zeitnahe Informationserfassung und -weitergabe nach abiotischen und biotischen Großkalamitäten, um Ressourcen und weiterführende Aktionen sinnvoll zu planen. Ein System, das Windwurfflächen zeitnah (d.h. innerhalb weniger Tage) nach einem Ereignis detektiert und diese Informationen zur Verfügung stellt, kann negative ökologische und ökonomische Folgen nach Sturmereignissen reduzieren. Umfangreiche Zusatzinformationen zu den Windwurfflächen, zum Beispiel über ihre Erreichbarkeit oder das Schadholzvolumen, fördern zusätzlich eine effiziente Aufarbeitung. Im Projekt »FastResponse« sollte daher mit fernerkundlichen Methoden das forstliche Krisenmanagement dahingehend unterstützt werden.
Die Detektion von Windwurfflächen mit Fernerkundungstechniken wurde in zahlreichen Studien getestet (Remelgado et al. 2014; Schwarz et al. 2003; Steinmeier et al. 2002). Auch wurden bereits im Rahmen des Copernicus Emergency Management Service erste fernerkundungsbasierte Kartierungen aufgrund von Sturmereignissen in Polen und Irland durchgeführt (EC 2017a und EC 2017b). An der Durchführung des Projekts waren neben der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) die Bayerischen Staatsforsten (BaySF), die Österreichischen Bundesforste (ÖBf), das Institut für Vermessung, Fernerkundung und Landinformation (IVFL) der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien sowie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen beteiligt. Die Finanzierung erfolgte durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2013) sowie durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Die »FastResponse«-Prozesskette
Die Verwendung von Satellitendaten im Projekt »FastResponse« ermöglicht die Erfassung von Schäden auf großer Fläche in begrenzter Zeit. Hierzu wurde eine Prozesskette entwickelt, die verfügbare Sensoren und bestehende Methoden der Datenanalyse miteinander verbindet. Ihre drei Hauptbestandteile sind die Sturmfrühwarnung, die Veränderungsanalyse und die Implementierung ins Geografische Informationssystem (GIS).
Sturmfrühwarnung
Über frei verfügbare Daten von Langzeitwettervorhersagemodellen aus dem Internet (z. B. das Global Forecast System – GFS) kann mehrere Tage im Voraus das Auftreten hoher Windgeschwindigkeiten vorhergesagt werden. Dadurch soll es den forstlichen Praktikern möglich werden, möglichst frühzeitig mit der Bereitstellung der erforderlichen forstlichen Infrastruktur zu beginnen.
Veränderungsanalyse: »change detection«
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Abb. 2: Prinzip der Veränderungsanalyse (change detection) mit optischen Daten. (Grafiken: LWF)
Nach dem Sturmereignis werden geeignete Satellitendaten von den betroffenen Gebieten beschafft. Dabei werden Daten akquiriert, die möglichst kurz vor und möglichst kurz nach dem Sturmereignis aufgenommen wurden (Abbildung 2). Im Verlauf des Projekts wurden hierzu sowohl Daten des kommerziellen Radarsatelliten TerraSAR-X getestet als auch Daten der kommerziellen optischen Satelliten RapidEye und WorldView-2.
Die notwendigen Algorithmen für die Veränderungsanalyse wurden am IVFL der BOKU in Wien entwickelt und getestet. Das Ergebnis wird in Form von Vektordaten (Polygonen) den Nutzern zur Verfügung gestellt.
Veränderungsanalyse: Implementierung und Visualisierung im GIS
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Abb. 3: Color-Infrarot-Orthophoto
mit dem NavLog-Wegenetz.. (Grafik: LWF)
Die erfassten Polygone der Sturmwurfflächen können von den Nutzern in den jeweiligen GIS-Systemen (z. B. in das Bayerische Wald-Informationssystem BayWIS) integriert und gegebenenfalls verteilt werden. Der Nutzer entscheidet dann, ob und mit welchen zusätzlichen geografischen Informationen die betroffenen Flächen dargestellt werden.
Sinnvoll erscheint eine Kombination mit Informationen über die Erreichbarkeit der Flächen (Abbildung 3) und – sofern verfügbar – mit Daten zur Baumartenzusammensetzung und Vorratsstruktur in den betroffenen Beständen sowie Aussagen über die Eigentumsverhältnisse.
Die entwickelte Prozesskette wurde im Rahmen von zwei Fallstudien getestet:
- Detektion eines forstlichen Eingriffs in Mariazell / Steiermark (Österreich) auf Flächen der Österreichischen Bundesforste (ÖBf)
- Erfassung von Sturmwurfflächen nach dem Sturm »Niklas« in zwei Testgebieten (Landsberg und München) auf Flächen der Bayerischen Staatsforsten (BaySF)
Ergebnis
Die drei dargestellten Bestandteile der FastResponse-Prozesskette (siehe oben) erwiesen sich in den beiden durchgeführten Fallstudien als zuverlässig und lieferten letztendlich das gewünschte Ergebnis. Eine Sturmfrühwarnung, die auf Langzeitwettermodellen basiert, kann demnach gefährdete Gebiete identifizieren und die Praktiker frühzeitig auf das potenzielle Eintreten hoher Windgeschwindigkeiten vorbereiten. So können bereits vor dem Sturmereignis zum Beispiel Überlegungen angestellt werden, ob (personelle und/oder technische) Ressourcen verlagert, ein Krisenstab eingerichtet oder Daten eingeholt, bereitgehalten oder aktualisiert werden müssen.
Die Veränderungsanalysen lieferten in den Fallstudien unterschiedliche Ergebnisse in Abhängigkeit der verwendeten Sensoren und bearbeiteten Testgebiete. Generell zeigten optische Daten höhere Genauigkeiten bei der Detektion von Windwurfflächen > 0,5 ha im Vergleich zur Auswertung von Radardaten. Letztere konnten lediglich »hot spots« der Sturmschäden aufzeigen. Optische Daten konnten, basierend auf einer Random Forest Klassifikation, Windwurfflächen > 0,5 ha eines realen Sturmereignisses mit einer Genauigkeit von über 90 % korrekt detektieren (Einzmann et al. 2017). Generell sind die angewendeten »change detection«-Methoden robust und praxistauglich.
Die Darstellung der »change detection«- Ergebnisse in einem GIS in Kombination mit weiteren thematischen Geodaten (Wegenetz, Eigentümerinformation etc.) wurde im Rahmen von Anwender-Workshops als sehr hilfreich bewertet.
Aus FastResponse kann »FKIS« werden
Das im Rahmen des Projekts FastResponse entwickelte Systemkonzept stellt eine unmittelbar umsetzbare Grundlage für die Etablierung eines Forstlichen Krisen- Informationssystems (FKIS) dar.
Die Einrichtung und Betreibung eines Sturmfrühwarnsystems auf der Grundlage meteorologischer Vorhersagemodelle wird als optional angesehen. Der Nutzen hierfür ist stark nutzerabhängig. Aus der Sicht der Detektion der Sturmwurfflächen mit Hilfe der Fernerkundung kann kein direkter Nutzen aus der vorzeitigen Information über die von einem Sturm potenziell betroffene Fläche gezogen werden, da die für die Analyse nach dem Sturmereignis relevanten Sensorsysteme in der Regel nicht programmierbar sind (Beispiel: RapidEye oder Sentinel-2). Für die forstliche Praxis kann das Wissen über die vom Sturm betroffene Fläche jedoch bezüglich der frühzeitigen Installation und Koordination von Logistikketten etc. von großer Bedeutung sein.
Eine erste Erfassung von Sturmwurfflächen mit Radardaten wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt bei großflächigen Windwurfereignissen nicht empfohlen. Eine relativ geringe Flächenabdeckung und systembedingte geometrische Einschränkungen in der exakten Verortung der betroffenen Sturmwurfflächen bei gleichzeitig hohen Kosten sowie nötiges Expertenwissen für die Auswertung werden nicht durch die Vorteile der Witterungs- und Tageszeitunabhängigkeit aufgewogen. Die Ergebnisse der Fallstudie »Niklas« bestätigten diese Einschätzung für großflächige Schadereignisse.
Die detaillierte Erfassung von Sturmwurfflächen mittels optischer Satellitendaten stellt derzeit das empfehlenswerte Verfahren und den Stand der Technik dar. Trotz der Witterungsabhängigkeit und der systembedingten semi-automatischen Komponenten (Trainingsgebietsauswahl etc.) hat die Fallstudie »Niklas« gezeigt, dass in circa vier Tagen nach Erhalt der notwendigen verwertbaren Satellitendaten (in diesem Fall nach 21 Tagen) verlässliche Aussagen vorlagen. Es ist zu erwarten, dass die ohnehin relativ geringen Kosten zukünftig durch die Verwendung kostenfreier Sentinel-2 Daten des Copernicus-Programms noch weiter sinken werden. Die Erfahrungen aus den Tests mit ersten Datensätzen dieses Sensorsystems weisen auf eine hervorragende Datenqualität bei ausreichender Auflösung von 10 m hin. Bei wolkenfreien Bedingungen ermöglichen die Sentinel- 2 Satelliten theoretisch alle fünf Tage eine aktuelle Aufnahme.
Die Daten der Sentinel-Missionen werden von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) über den öffentlichen ›Copernicus Open Access Hub‹ (https://scihub.copernicus. eu/) kostenfrei zur Verfügung gestellt. Zukünftig soll zusätzlich die Verwendbarkeit von Bilddaten der kommerziellen Dove Satelliten von Planet Labs getestet werden. Diese Satelliten können theoretisch tägliche Aufnahmen mit rund 3 m räumlicher Auflösung liefern. Durch diese hohe zeitliche Auflösung wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, nach einem Sturmereignis eine wolkenfreie Szene zu erhalten, wodurch die Bereitstellung von Sturmwurfpolygonen erheblich beschleunigt werden könnte. Optische Satellitendaten im Auflösungsbereich von 3 bis 10 m stellen auch zukünftig eine nachhaltige, verlässliche Informationsquelle dar. Ferner wird für die Analyse von optischen Daten, im Vergleich mit der Auswertung von Radardaten, weniger spezialisiertes Expertenwissen benötigt.
Die resultierenden Schadflächenpolygone der Veränderungsanalyse werden über GIS-Systeme (z. B. BayWIS) den Nutzern in den benötigten Koordinatensystemen zur Verfügung gestellt, d.h. es müssen keine weiteren Zwischenschritte der Digitalisierung erfolgen. Nach der Übergabe können die beteiligten Institutionen die Daten weiter aufbereiten und gegebenenfalls intern verteilen. Dies sichert die Vertraulichkeit der Daten, da die Analyse, Verschneidung und Überlagerung der Sturmwurfflächen im GIS der jeweiligen Nutzer stattfindet. Sollte ein Nutzer nicht über entsprechende Ressourcen der Aufbereitung und Visualisierung von GIS-Daten verfügen, könnten alternativ auch Dienstleister eingesetzt werden, die über webbasierte GIS-Plattformen die Ergebnisse in der gewünschten Form darstellen und anbieten können.
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