LWF aktuell 149
Viel Holz in Bayerns Wäldern - Ergebnisse der vierten Bundeswaldinventur
von Wolfgang Stöger, Michael Heym und Stefan Tretter
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Abb. 1: Mehr als ein Drittel Bayerns ist bewaldet. Mit 2,6 Mio. Hektar Wald hat Bayern die mit Abstand größte Waldfläche aller Bundesländer. Ein wertvoller Raum für Menschen, Tiere und Pflanzen. (© K. Stangl)
Alle 10 Jahre werden im Rahmen der Bundeswaldinventur (BWI) in ganz Deutschland Zahlen zum Zustand und zur Veränderung des Waldes erhoben. Sie sind eine zentrale Informationsbasis für Fachleute, Politik und Öffentlichkeit. Im Folgenden werden das Verfahren und die wichtigsten Ergebnisse der vierten Bundeswaldinventur für Bayern vorgestellt.
Wälder sind langlebige Ökosysteme. Veränderungen vollziehen sich dort in der Regel relativ langsam und sind auch für das geschulte Auge nicht immer zu erkennen. Wälder prägen unser Landschaftsbild, bieten Raum für Erholung und Sport, sind Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten und liefern den nachwachsenden Rohstoff Holz. Zudem sind sie von großer Bedeutung für Wasserschutz, Luftreinhaltung und zur Abwehr von Naturgefahren. Die emotionale Bindung vieler Menschen in Deutschland an den Wald ist deshalb stark. Fragen zum Zustand und zur Entwicklung unserer Wälder werden daher oft intensiv und häufig emotional in der Öffentlichkeit diskutiert. Deshalb werden im Rahmen der BWI seit über 35 Jahren umfangreiche und verlässliche Daten nach einem bundeseinheitlichen Verfahren erhoben, ausgewertet und veröffentlicht.
Wie funktioniert die Bundeswaldinventur?
Die BWI ist eine stichprobenbasierte Großrauminventur, die nach einem bundeseinheitlichen Verfahren durchgeführt wird. Die Inventurpunkte liegen auf einem Raster, das das gesamte Gebiet Bayerns abdeckt. Die Datenerhebung an diesen Punkten erfolgt terrestrisch, d. h. durch Messung im Gelände. Verfahren und Raster blieben über die Jahre dabei weitestgehend unverändert. Die Lage der fixen Inventurpunkte ist im Gelände nicht erkennbar, damit die Ergebnisse unbeeinflusst und unverzerrt sind. Somit sind Zeitreihen der BWI sehr gut vergleichbar und verlässlich. Da es sich bei der BWI um eine Stichprobe handelt, ist es notwendig, auch den Stichprobenfehler bzw. die Konfidenzintervalle zu berechnen und bei der Interpretation der Ergebnisse auch die Genauigkeit der Schätzung zu berücksichtigen.
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Abb. 2: Speziell geschulte Försterinnen und Förster der LWF sammelten Daten an rund 100.000 Bäumen. (© F. Stahl, LWF)
Die BWI wird zeitgleich in ganz Deutschland durchgeführt. Im Rahmen der mittlerweile vierten Bundeswaldinventur (BWI 2022) waren in den Jahren 2021 und 2022 in Bayern insgesamt 21 speziell geschulte Försterinnen und Förster der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft unterwegs. Sie erhoben Daten an rund 100.000 Bäumen. Insgesamt wurden dabei an über 8.000 Inventurpunkten rund 150 verschiedene Parameter aufgenommen: Angefangen von Höhe und BHD, eventuellen Schäden oder besonderen Baummerkmalen, wurden auch die Verjüngung, das Totholz oder auch Strukturparameter im Wald mit Toughbook vor Ort erfasst und online auf der zentralen Datenbank am Thünen Institut für Waldökosysteme in Eberswalde für die anschließende Weiterverarbeitung synchronisiert.
Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse der BWI 2022, die im Oktober 2024 veröffentlicht wurden, im Überblick vorgestellt. Dabei wird die Entwicklung der Holzvorräte, des Zuwachses und der Nutzungen intensiver beleuchtet. In der nächsten Ausgabe der LWF aktuell werden dann die Ergebnisse unter naturschutzfachlichen Aspekten betrachtet. Weitere Angaben finden Sie im Internet unter www.bundeswaldinventur.bayern.de. Unter anderem finden Sie dort auch die Broschüre LWF-Spezial zur BWI mit detaillierten Auswertungen zum Download.
www.bundeswaldinventur.bayern.de
Mehr Laubholz, mehr Mischwald, mehr Totholz
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Abb. 3: Fichte und Kiefer sind weiter die häufigsten Baumarten in Bayern, aber die Buche und alle anderen Baumarten holen auf. (© LWF)
Bayerns Forstwirtschaft befindet sich seit Jahrzehnten in einem Transformationsprozess hin zu naturnahen und klimaangepassten Wäldern. Dies bestätigen auch die Ergebnisse der Bundeswaldinventur 2022. Besonders eindrucksvoll ist die weitere Zunahme der Flächenanteile der Laubbaumarten, die mittlerweile bei rund 38% liegen. Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Naturnähe und wichtig für die Anpassung der Wälder an den Klimawandel. Denn obwohl auch bei den Laubbäumen Schäden in heißen und trockenen Jahren deutlich zugenommen haben, zeichnen sich viele Laubhölzer durch eine höhere Klimatoleranz aus. Zugleich ist der Anteil der Mischwälder und mehrschichtigen Bestände sowie die Verjüngungsfläche in den letzten 10 Jahren weiter angestiegen. Auch diese Entwicklungen sind ein wichtiger Schritt zur Klimaanpassung der Wälder. Ausfälle von Baumarten können so entweder durch andere Arten oder durch die darunterliegenden Baumschichten kompensiert werden und die Entstehung großflächiger Kahlflächen kann so gemindert oder sogar verhindert werden.
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Abb. 4: Die Laubholzanteile sind in Bayern kontinuierlich angestiegen. (© LWF)
Das Durchschnittsalter unserer Wälder hat sich weiter von 83 (2012) auf 88 Jahre (2022) erhöht. Dieser Trend der älter werdenden Wälder wurde bereits bei den letzten Bundeswaldinventuren festgestellt.
Der Totholzvorrat ist seit der letzten BWI deutlich auf nun durchschnittlich 29,9 Vfm/ha angestiegen. Totholz ist von hoher Bedeutung für die Biodiversität im Wald und wird daher gezielt erhalten und gefördert. Die gestiegenen Totholzvorräte sind jedoch auch eine Folge der durch Trockenheit und Hitze zunehmenden Schäden in den Wäldern.
Holzvorräte weiter angestiegen
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Abb. 5: Vorratsveränderung nach Baumartengruppen seit der letzten BWI (© LWF)
Der Holzvorrat in Bayerns Wäldern ist angestiegen. Er beträgt rund 1,011 Mrd. Vfm. Das entspricht einem durchschnittlichen Holzvorrat von 405 Vfm/ha. Damit liegt Bayern vor allen anderen Bundesländern und deutlich über dem deutschen Durchschnitt von 335 Vfm/ha. In allen Eigentumsarten ist der durchschnittliche Holzvorrat leicht angestiegen, doch die Durchschnittsvorräte sind nicht überall gleich: Während im Staatswald und im Körperschaftswald mit 359 bzw. 351 Vfm/ha die Vorräte nur leicht über dem Bundesschnitt liegen, wurde im Privatwald ein Durchschnittsvorrat von 444 Vfm/ha ermittelt. Besonders hohe Vorräte hat dabei der Kleinprivatwald (bis 20 Hektar) mit durchschnittlich 472 Vfm/ha.
Insgesamt entfallen 62,2 % des stehenden Holzvorrates auf den Privatwald, 25,5 % auf den Staatswald, 10,7 % auf den Körperschaftswald und 1,5 % auf den Bundeswald.
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Abb. 6: Bei allen Baumarten fielen die durchschnittlichen Zuwächse zwischen 2012 und 2022 geringer aus als in den zehn Jahren davor. (© LWF)
Rund 70 % des Gesamtvorrates entfällt auf Nadelhölzer. Die Nadelholzvorräte haben aber in den letzten 10 Jahren um 0,4 % (2,8 Mio. Vfm) abgenommen. Vor allem Fichte und Kiefer haben deutlich an Vorrat verloren. Die Laubholzvorräte sind dagegen um rund 13,4 % (35,4 Mio. Vfm) angestiegen. Dies gilt für alle Laubbaumarten mit Ausnahme der Esche. Dies ist eine deutschlandweit zu beobachtende Folge des Eschentriebsterbens.
Die Vorräte verschieben sich dabei zunehmend in die höheren Durchmesserklassen. Auch hier setzt sich der Trend der BWI 2012 fort. Die größten Holzvorräte liegen weiterhin in der Durchmesserklasse zwischen 30,0 und 39,9 cm. Der Laubholzvorrat nimmt in allen Durchmesserklassen zu, vor allem jedoch in den stärkeren Klassen ab 40 cm. Beim Nadelholz hat der Vorrat ausschließlich in den Durchmesserklassen unter 40 cm abgenommen. Ab der Durchmesserklasse über 40 cm nimmt auch der Nadelholzvorrat weiter zu und sogar bei der Fichte ist das Starkholz in den Klassen über 50 cm angestiegen. Es gibt also immer mehr stärkeres Holz. Dies gilt über alle Eigen-tumsarten und Eigentumsgrößenklassen hinweg.
Zuwächse und Nutzungen gehen zurück
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Abb. 7: Bayerns Holzvorrat ist gestiegen, vor allem im Starkholz. Insgesamt wächst mehr Holz nach als geerntet wird. (© T. Hase)
Der jährliche Zuwachs betrug zwischen 2012 und 2022 bayernweit 25,7 Mio. Vfm. Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von 10,4 Vfm/ha. Im Vergleich zur letzten BWI ging der jährliche bayernweite Zuwachs über 12 % zurück. Hierfür gibt es mehrere Gründe: Zum einen haben die klimatischen Extremjahre den Zuwachs gesenkt. Daneben haben aber auch der Rückgang der zuwachsstarken Fichte und die Zunahme des Laubholzes, das generell niedrigere Zuwächse als das Nadelholz hat, einen wesentlichen Einfluss. Hinzu kommt das gestiegene Durchschnittsalter der bayerischen Wälder. Jährlich wuchsen allein bei der Fichte im Vergleich zum Vorgängerzeitraum durchschnittlich 2,9 Mio. Vfm Fichtenholz weniger nach.
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Abb. 8: In den bayerischen Wäldern wächst mehr Holz nach als genutzt wird. Insbesondere im Privatwald stockt ein großes Potential. (© LWF)
Dem jährlichen Zuwachs von rund 25,7 Mio. fm stand zwischen 2012 und 2022 ein durchschnittlicher jährlicher Abgang von rund 25,4 Mio. Vfm gegenüber. Der Abgang setzt sich zusammen aus rund 22,1 Mio. Vfm aktiver Nutzung und dem nicht verwerteten Abgang (natürliche Mortalität) von jährlich rund 3,3 Mio. Vfm. Dieser nicht verwertete Abgang verbleibt im Wald als Totholz.
Circa 86 % des jährlichen Zuwachses wurden aktiv genutzt. Trotz der Häufung von klimatischen Extrem-jahren und der damit einhergehenden Schadholzproblematik ist die durchschnittliche jährliche Holznutzung bayernweit bei fast allen Baumarten und vor allem bei der Fichte im Vergleich zum Zeitraum der Vorgängerinventur deutlich zurückgegangen.
So übertraf auch der verminderte jährliche Holzzuwachs im Betrachtungszeitraum den jährlichen Abgang, die Vorräte stiegen an.
Risikopotential steigt
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Abb. 9: Kalamitäten nehmen zu. Regelmäßige Durchforstungen helfen die Wälder zu stabilisieren und das Risiko zu senken. (© G. Brehm, AELF Fürstenfeldbruck)
Der weitere Anstieg der Holzvorräte ist nicht uneingeschränkt positiv zu bewerten. Da die wenig klimatolerante Fichte nach wie vor den höchsten Anteil an den Holzvorräten hat und auch insgesamt die Vorräte in den höheren Altersklassen steigen, erhöht sich mit dem Vorratsanstieg auch das Risiko für Kalamitäten, vor allem durch Borkenkäfer. Hinzu kommt, dass bei der BWI 2022 an über 41 % der Inventurpunkte – das entspricht hochgerechnet knapp über 1 Mio. Hektar – gar keine Nutzung festgestellt werden konnte. Die BWI erfasst zwar keine Gesamtbestände, jedoch ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass auf größeren Flächen keine oder nur sehr extensive Eingriffe erfolgten. Diese Pflegeeingriffe sind aber gerade für die Klimaanpassung wichtig, denn über Durchforstungen werden Einzelbäume stabilisiert und Mischbaumarten gefördert. Auch die Einbringung klimatoleranter Mischbaumarten setzt entsprechende Hiebsmaßnahmen zur Einleitung der Verjüngung und Nachlichtung über gesicherter Verjüngung voraus. Die Zahlen der aktuellen Bundeswaldinventur zeigen also auch, dass weiterhin großer Handlungsbedarf für die Schaffung klimatoleranter Wälder besteht. Dies gilt ganz besonders für den kleineren Privatwald, der insgesamt die höchsten Vorräte pro Hektar aufweist.
Die waldbauliche Förderung durch den Freistaat Bayern, das Beratungsangebot der Forstverwaltung und die Unterstützung durch schlagkräftige Selbsthilfeorganisationen der Waldbesitzer spielen dabei eine zentrale Rolle und sollten im Sinne einer Risikovorsorge weiter ausgebaut werden.
Zusammenfassung
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Abb. 10: Naturverjüngung mit einem steigenden Anteil an Laubbaumarten schafft gute Voraussetzungen für die Wälder von morgen. (© K. Schreiber, LWF)
Die Ergebnisse der vierten Bundeswaldinventur für Bayern, die im Oktober 2024 veröffentlicht wurden, zeichnen ein insgesamt positives Bild unserer Wälder. Die Ergebnisse belegen eindrucksvoll die Erfolge einer jahrzehntelangen integrativen und naturnahen Forstwirtschaft. Laubholzanteile, gemischte, gestufte Wälder und Totholz nehmen weiter zu. Das Durchschnittsalter und die Fläche alter Wälder, insbesondere bei Laubholz, steigt. Die Holzvorräte sind auf Rekordniveau.
Hinsichtlich der künftigen Entwicklung muss die Situation jedoch differenzierter betrachtet werden. Durch die hohen Vorrätevor allem bei der Fichte steigt auch das Risiko für große Kalamitäten. Weitere Anstrengungen sind daher notwendig, um den Waldumbau und die Anpassung der Wälder an den Klimawandel weiter und schneller voranzubringen und die Risiken wieder zu senken.
Literatur
Beitrag zum Ausdrucken
Weiterführende Informationen
Autoren
- Wolfgang Stöger
- Michael Heym
- Stefan Tretter