Joachim Stiegler, Alfred Wörle, Lothar Zimmermann und Hans-Peter Dietrich
Es war einmal ein heißer Sommer … - LWF-aktuell 110
Ein laues Lüftchen am Morgen, wunderbare Fernsicht, lachende Gesichter am Badesee und romantische Sonnenuntergänge prägten den Sommer 2015. Aber, da war doch noch was? Genau: Unser Wald! Der hatte vielerorts augenscheinlich mit der extremen Trockenheit zu kämpfen. Doch nicht überall in Bayern wirkte sich die Trockenheit auf das Wachstum der Bäume gleichermaßen negativ aus. Dies zeigen die langfristigen Beobachtungen an den Waldklimastationen. Bei einigen Baumarten lag die Durchmesserentwicklung, trotz der extremen Wetterlage, sogar über dem Niveau der Vorjahre.
Abbildung: Auf den bayerischen Waldklimastationen, wie hier an der WKS Freising, wird an insgesamt etwa 2.800 Bäumen unter anderem die Durchmesserentwicklung beobachtet. Foto: J. Stiegler
Zwar ist die Durchmesserentwicklung mit Rinde nicht mit dem jährlichen Stammholzzuwachs gleichzusetzen, weil Quellen und Schwinden der Rinde zu einer größeren Ungenauigkeit der Jahresmesswerte führen. Die Messungen über einen bestimmten Zeitraum hinweg lassen aber gleichwohl eine Einordnung zu, wie die Bäume auf bestimmte Temperatur- und Niederschlagsereignisse reagieren.
In den Abbildungen 3 und 4 werden alle Bäume berücksichtigt, an denen im dargestellten Zeitraum lückenlos Durchmesser erhoben wurden. Bäume mit einem Brusthöhendurchmesser (BHD) unter 14cm wurden nicht gemessen. In Anlehnung an aktuelle Zuwachsanalysen zur Toleranz von Bäumen gegenüber Trockenheit (Dietrich et al. 2015) wird nachfolgend das Verhalten der Bäume im Extremjahr 2015 mit der Entwicklung in den Vorjahren verglichen.
Dazu werden die berechneten Grundflächenänderungen in 2015 den Vorjahreswerten gegenübergestellt. Der Vergleich lässt Rückschlüsse auf die Stärke des Witterungseinflusses zu und ist zugleich ein Indikator, wie gut oder schlecht die Bäume am jeweiligen Standort den extremen Wetterbedingungen standhalten können (Resistenz).
Hohe Temperaturen – wenig Niederschlag
Abbildung 2 informiert über Standort und Waldbestand der im Artikel aufgeführten 14 Waldklimastationen und die entsprechenden Wetterdaten der letzten drei Vegetationsperioden. Zum Vergleich werden auch die Werte des Trockenjahres 2003 aufgeführt. Es wird ersichtlich, dass die erhobenen Wetterdaten an den Waldklimastationen im Jahr 2015 deutlich von denen der vorangegangen Jahren abweichen und hinsichtlich Niederschlag im Vergleich zum Jahr 2003 zum Teil sogar neue »Negativrekorde« aufgestellt werden (Altötting, Höglwald und Riedenburg).
Die ausgewählten WKS-Standorte von Nordwestbayern bis in die Voralpen umfassen einen breiten Klimagradienten (Abbildung 2). Ein trocken-warmes Klima herrscht an den Standorten Würzburg, Riedenburg und Dinkelsbühl vor, am kühlsten ist es an den Standorten über 800 m ü. NN in Kreuth, Mitterfels, Flossenbürg und Bad Brückenau mit Werten unter 13 °C. Alle Standorte sind nicht nährstofflimitiert. Die tonreichen und flachgründigen Böden in Würzburg und Riedenburg reagieren jedoch besonders empfindlich auf Austrocknung.
Abbildung 2: Die dargestellten 14 Waldklimastationen mit Wetterdaten der forstlichen Vegetationsperioden (Mai–September) 2003, 2013, 2014 und 2015;
Baumartenvergleich in Riedenburg
Abbildung 3: Jährliche Veränderung der Grundflächenentwicklung vom
Durchschnittswert der Referenzperiode 2011 bis 2014 in % für Fichte, Tanne, Douglasie, Buche und Eiche an der WKS Riedenburg
Abbildung 3 lässt erkennen, dass der Sommer an der WKS Riedenburg bei der Durchmesserentwicklung von Fichte und Eiche seine Spuren hinterlassen hat. Vor allem die im Vergleich zur Referenzperiode (2011 bis 2014) mit 55% deutlich geringere Grundflächenzunahme bei Fichte fällt ins Auge. Nicht betroffen ist die Baumart Buche, hier liegt die im Jahr 2015 neu gebildete Grundfläche sogar um etwa15% höher als im Mittel der vier Vorjahre.
Der Zuwachs von Douglasie und Tanne nimmt 2015 im Vergleich zum Vorjahr zwar ab, bezogen auf die Referenzperiode liegt die Grundflächenentwicklung aber auf durchschnittlichem Niveau. Auf den flachgründigen und vergleichsweise warm-trockenen Jurastandorten in Riedenburg (vgl. Abbildung 2) wirken sich Trockenperioden relativ zeitnah und stark auf den pflanzenverfügbaren Bodenwasservorrat aus. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass im Jahr 2011 einzelne Buchen und im Jahr 2013 einzelne Fichten bzw. Tannen entnommen wurden. Im Vorfeld des Betrachtungszeitraums fanden keine relevanten Hiebsmaßnahmen statt.
Baumart | Douglasie | Fichte | Tanne | Buche | Eiche |
---|---|---|---|---|---|
Anzahl absolut | 17 | 105 | 30 | 88 | 54 |
Alter | 50 | 55 | 70 | 90 | 125 |
BHD Ø 2015 [cm] | 33,1 | 30,1 | 34,9 | 31,8 | 47,9 |
Ø GZ [cm2] | 28,2 | 16,4 | 21,4 | 13,6 | 28,5 |
Deutliche Reaktion bei Fichte – Ausnahmen bestätigen die Regel
An den kühl-feuchten Stationen in Nordost-Bayern (Flossenbürg, Rothenkirchen) hingegen sind im Jahr 2015 keine Einbußen bei der Grundflächenentwicklung erkennbar. Auffällig sind die relativ hohen Zuwachseinbußen über 35 % an der WKS Kreuth in den Voralpen, die ebenfalls eine kühl-feuchte Klimatönung aufweist. Eine Hiebsmaßnahme fand 2014 lediglich auf der WKS Flossenbürg statt.
Abbildung 4: Relative Veränderung des Grundflächenenzuwachses (GZ) 2015 im Vergleich zum Durchschnittswert der beiden Vorjahre (Referenzperiode) für die Baumarten Fichte, Buche, Kiefer und Eiche (Radialumfangmessung); Ausgangswert mittlerer GZ aller Stationen: Fichte: 15,29cm²; Buche: 12,65 cm2; Kiefer: 12,82cm²; Eiche: 24,06cm²; Ausgangswert mittlerer GZ einzelner Stationen und WKS-Stationsbezeichnungen: s. Abbildung 2;
Buche trotzt bislang der Trockenperiode
Abbildung: Beobachtung der Durchmesserentwicklung
Lediglich an der höher gelegenen Waldklimastation bei Kreuth wurde Gegenteiliges festgestellt. Hiebsmaßnahmen fanden im Vorfeld gar nicht und während des Betrachtungszeitraums nur an der WKS Freising (2015) statt. Die weitere Entwicklung der Buche in den Folgejahren muss genau beobachtet werden.
Kiefern in Mittelfranken können mithalten
Differenziertes Bild bei Eiche
von Eichenschädlingen angenommen werden, der an anderen Waldklimastationen nicht beobachtet wurde.
Keine nennenswerte Mortalität
Allerdings spiegelt die Situation an den Waldklimastationen im Herbst 2015 die derzeitige landesweite Borkenkäfersituation nicht wieder.
Vergleich mit dem Trockenjahr 2003
Abbildung: Relative Veränderung
der Grundflächenzuwächse im Jahr 2003 (Jahrringmessungen)
und im Jahr 2015 (Radialumfangmessungen) bei den Baumarten Fichte (7 WKS), Buche (5 WKS) und Eiche (3 WKS); Angabe in Prozent bezogen auf die Mittelwerte von jeweils zwei Vorjahren
wurde (Dietrich et al. 2015), erweist sich der Einfluss der Trockenheit 2015 als weniger gravierend (Abbildung 6). Im Jahr 2003 betrugen die Zuwachsrückgänge der Fichten und Buchen auf dem trockenen Jurastandort Riedenburg noch maximal 60%, im Mittel 40% (Fi) bzw. maximal 40%, im Mittel 15% (Bu).
In 2015 sind zwar die Grundflächenzuwächse der Fichten auf dem Standort Riedenburg mit über 50% annähernd so stark eingebrochen wie 2003, auf den besser wasserversorgten Flachlandstandorten sind die Zuwachsverluste mit 30–40% (Abbildung 3 und 4) aber etwas geringer wie 2003, im Mittel liegen sie etwa bei 20%. Auf kühl-feuchten Standorten in Nord- Ostbayern (Flossenbürg, Rothenkirchen) sind 2015 sogar Zuwachsgewinne nachweisbar, während dort 2003 noch Zuwachsminderungen auftraten.
War der Zuwachs der Buchen in 2003 auf nahezu allen Flachlandstandorten mehr oder minder stark beeinträchtigt, ist dieser Effekt 2015 mit einer Ausnahme (Kreuth) ausgeblieben. An vier der fünf Vergleichsstandorte sind die Buchen 2015 besser gewachsen als in den Vorjahren (Abbildungen 6 und 3).
Das Dickenwachstum der Eichen an dem trockenen Standort Würzburg ist in 2015 stärker eingeschränkt als 2003. Dies war unerwartet und bedarf weiterer Aufklärung. In allen Extremjahren des letzten Jahrhunderts (1947/1976/2003) hatte sich die Eiche jeweils als die Baumart mit höchster Trockenresistenz erwiesen.
2015 – ein Sommermärchen für den Wald?
Auch die Waldschutzsituation, vor allem die Borkenkäferproblematik an Fichten, wird eine große Rolle spielen und muss daher im Auge behalten werden. Aktuell für das Frühjahr 2016 wurde bereits starker Käferbefall an den Waldklimastationen in Rothenkirchen und Flossenbürg gemeldet, also an den Stationen, bei denen im Jahr 2015 keine Abstriche bei der Durchmesserentwicklung zu verzeichnen waren. Eine abschließende Einschätzung der Folgen der Trockenheit im Jahr 2015 ist damit erst in den kommenden Jahren möglich.
Zusammenfassung
Während die Fichte mit deutlichen Verlusten reagierte, konnten Buche und Kiefer ihren Zuwachs gegenüber den Vorjahren sogar noch steigern. Überraschend war auch, dass aufgrund der Trockenheit die Mortalität im Jahr 2015 nicht zugenommen hatte. Welche Auswirkungen die Trockenheit für den Wald nach 2015 haben wird, lässt sich erst in den nächsten Jahren bilanzieren.