Stephan Raspe, Lothar Zimmermann und Alexandra Wauer
Dem Wald den Puls gefühlt - LWF-aktuell 110

Der trocken-heiße Sommer 2015 war für die Vitalität und Leistungsfähigkeit der Wälder in Bayern von großer Bedeutung. Um die Auswirkungen solcher Umwelteinflüsse auf die Wälder quantifizieren zu können, wurde einst das Messnetz der Waldklimastationen eingerichtet. Hier werden erste Ergebnisse zur Trockenheit und Vitalität der Wälder an diesen Beispielsstandorten dargestellt.

Baumkrone bei der die Blätter gerade austreiben.Zoombild vorhanden

Abbildung 1: Unzeitiger Laubaustrieb bei Buchen. Foto: A. Schubert

Der Sommer des letzten Jahres ist uns allen noch durch seine extreme Hitze und Trockenheit in Erinnerung. Was Schwimmbadbetreiber und Eisverkäufer freute, machte jedoch der Natur zum Teil erheblich zu schaffen. Die Auswirkungen solcher Umweltphänomene auf die Wälder
werden an den Standorten des intensiven forstlichen Umweltmonitorings im ganzen Land untersucht.

Seit Jahren werden an 19 Waldklimastationen (WKS) nicht nur Witterung und Wasserhaushalt, sondern auch die Reaktionen der Waldbäume gemessen. Dadurch ist es möglich, die Folgen solcher Extremereignisse wie des Rekordsommers des letzten Jahres für die Wälder in Bayern abzuschätzen.

So viele heiße Tage gab es noch nie

Von der mittleren Temperatur her belegte der Sommer 2015 mit durchschnittlich 19,0°C zwar »nur« den 2. Platz, seitdem es flächenhaft meteorologische Messungen in Bayern gibt, Spitzenreiter bleibt der Jahrhundertsommer 2003, in dem die Durchschnittstemperatur sogar 20,1°C betrug. Die Anzahl sogenannter »heißer Tage« mit über 30°C war jedoch 2015 nochmal größer als 2003.

An den Waldklimastationen wurden im Sommer 2015 durchschnittlich 17,2 heiße Tage registriert, 2003 waren es nur 14,5 Tage. Es war aber nicht nur besonders heiß, sondern auch deutlich trockener als in einem normalen Jahr. Im Vergleich zur klimatologischen Normalperiode 1961–1990 fiel im letzten Sommer im Mittel rund 37% weniger Niederschlag (191 l/m²).

Hitze, Dürre und Wind drückten Wasserbilanz ins Minus

Aber nicht nur Regen und Lufttemperatur bestimmen, wieviel Wasser die Bäume bzw. ihre Blätter und Nadeln brauchen, um nicht zu vertrocknen oder zu überhitzen. Wie Menschen bei Hitze schwitzen, verdunsten Blätter und Nadeln Wasser über die Blattöffnungen, um nicht bei starker Einstrahlung und hohen Lufttemperaturen zu überhitzen.

Der Verdunstungsanspruch der Atmosphäre wird neben dem temperaturabhängigen Feuchtedefizit auch durch die Sonneneinstrahlung sowie den Wind bestimmt. Der Wind führt feuchtere Luft über den Spaltöffnungen wieder ab und tauscht diese gegen trockenere Luft aus, die dann von den Blättern wieder erneut angefeuchtet werden muss. Rechnet man die klimatische Wasserbilanz für den Sommer aus, d. h. die Differenz zwischen dem gefallenen Regen und der potenziellen Verdunstung, so ergibt sich im letzten Sommer ein Wasserdefizit von –170 l/m².
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Zum Vergleich: Im langjährigen Mittel liegt die klimatische Wasserbilanz im Sommer in Bayern bei knapp +70 l/m². Die sehr hohe Verdunstung ergab sich zum einen durch die höhere Sonneneinstrahlung, wie Messungen an den Waldklimastationen zeigten. Die Sonne schien bayernweit im letzten Sommer mit 734 Stunden 18% länger als normal. Zum anderen wurde der Hitzeund Trockenstress auch noch durch einen stärkeren warm-trockenen Wind gesteigert.

Nordbayern besonders betroffen

Wegen der ausbleibenden Niederschläge, den extremen Temperaturen und der dadurch deutlich höheren Verdunstung trockneten in vielen Regionen Bayerns die Böden frühzeitig aus. Entscheidend war dabei, wieviel Wasser vorher die Waldböden erhalten hatten und speichern konnten. Im Frühjahr 2015 fiel insgesamt nur etwas weniger Regen als normal in Bayern, allerdings verteilte er sich sehr unterschiedlich. Während im Stau der Alpen 50% mehr fielen, war es in Unterfranken nur ein Drittel der üblichen Menge.

Dementsprechend wies die klimatische Wasserbilanz nördlich der Donau im Gegensatz zum Süden schon zu Beginn des Sommers meist ein negatives Vorzeichen auf. Auf der Fränkischen Platte war die Bodenfeuchte bereits Ende Juni soweit gesunken, dass sich die Bäume nicht mehr ausreichend mit Wasser versorgen konnten, während in Oberbayern den Bäumen noch ausreichend Wasser in den Waldböden zur Verfügung stand.

Transpiration war eingeschränkt

Diagramm stellt den Trockenstress von Bäumen dar. In den Jahren 2003 und 2015 war dieser Besonders hoch.Zoombild vorhanden

Abbildung 2: In den Jahren 2003
und 2015 litten die Bäume an allen vier Waldklimastationen an
hohem Trockenstress.

Wenn das Wasser im Boden knapp wird, müssen die Bäume ihren Wasserverbrauch regulieren, um nicht zu vertrocknen. Dazu reduzieren sie die Transpiration über die Spaltöffnungen in den Blättern und Nadeln, indem sie diese langsam schließen.

Die Stärke der Transpirationseinschränkung ist daher ein Maß für den Trockenstress, unter dem die Bäume in den einzelnen Jahren stehen. In Abbildung 2 wird dieser Trockenstressindikator beispielhaft für vier Baumarten an vier Waldklimastationen durch die Größe der Punkte dargestellt. Je größer ein Punkt in der Grafik ist, desto größer war der Trockenstress in einem Jahr an dem jeweiligen Standort.

An allen vier Waldklimastationen standen die Bäume im letzten Jahr unter erheblichem Trockenstress. Selbst auf dem tonigen Boden an der WKS Würzburg, auf dem eine geringe Einschränkung der Transpiration regelmäßig vorkommt, litten die Eichen nur im Jahrhundertsommer 2003 unter einem noch größeren Trockenstress als im letzten Jahr.
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Die Buchen an der WKS Freising im Tertiärhügelland standen sogar nur in diesen beiden Extremsommern unter Trockenstress. Und auch die Fichten im Ebersberger Forst in der Münchner Schotterebene standen im Jahr 2015 unter besonderem Trockenstress. Selbst für die Kiefern auf den Sandböden im Nürnberger Reichswald an der WKS Altdorf, die fast in jedem Jahr ihre Transpiration mehr oder weniger stark einschränken müssen, war der letzte Sommer extrem trocken.

Aber natürlich gab es auch im letzten Jahr Standorte, an denen kein oder nur geringer Trockenstress vorkam. Diese lagen jedoch vor allem in den Hochlagen der Mittelgebirge oder den Alpen. Ansonsten kann man sicherlich von den hier dargestellten Beispielen schließen, dass in weiten Teilen Bayerns die Wälder in den unteren und mittleren Lagen unter einem zum Teil erheblichen Trockenstress gelitten haben.

Verfrühter Laubfall

Waldweg mit LaubZoombild vorhanden

Abbildung 3: Trockenes Laub auf
dem Waldboden am 15.08.2015 im Perlacher Forst bei München
Foto: S. Raspe, LWF

Wenn das Schließen der Spaltöffnungen nicht mehr reicht, um die Transpiration wirkungsvoll zu reduzieren, beginnen Laubbäume teilweise auch damit, ihr Laub vorzeitig abzuwerfen. Auch diese Reaktion war im letzten Sommer vielerorts zu beobachten. An manchen Standorten hatte man bereits Ende August den Eindruck, es wäre schon Herbst. Oftmals noch grünes Laub lag dort flächig auf dem Boden (Abbildung 3).

Um welche Laubmenge es sich dabei handelte, kann mit den monatlich gemessenen Streufalldaten der Waldklimastationen abgeschätzt werden. So fielen etwa im August und September an der WKS Ebrach im Steigerwald rund 300 kg/ha Buchenlaub auf den Waldboden (Abbildung 5). Das waren etwa 100 kg/ha mehr, als dies normalerweise der Fall ist. Auch an der WKS Würzburg fiel mit knapp 500 kg/ha deutlich mehr Eichenlaub in diesem Zeitraum verfrüht von den Bäumen.

An beiden Standorten betrug der verfrühte Laubfall damit rund 10% der gesamten Laubmenge eines normalen Jahres. In gleicher Größenordnung fiel auch die Veränderung der Blattverlustschätzung im Zuge einer Wiederholung der Kronenzustandserhebung an diesen beiden Waldklimastationen aus (Abbildung 6).
Abbildung 4: Schon an den Zweigen vertrockneten die grünen Blätter. Foto: S. Raspe, LWF

Abbildung 4: Vertrockneten Blätter. Foto: S. Raspe, L

Säulendiagramm zeigt den Laubfall: An den Waldklimastationen ebrach und Würzburg lag der Laubfall 2015 deutlich über dem Mittel.

Abbildung 5: Laubfall

Säulendiagramm zum Kronenzustand: Die zweite Untersuchung im Jahr 2015 zeigte nochmal einen deutlich höheren Blattverlust als die erste.

Abbildung 6: Blattverluste

Kronenverlichtung nahm zu

Bei der regulären Kronenzustandserhebung wird jährlich der Belaubungszustand aller Bäume jeder Waldklimastation im Juli im Vergleich zu einem optimal belaubten Idealbaum eingeschätzt. Im letzten Jahr fanden diese Aufnahmen in Ebrach und Würzburg zwischen dem 8. und 10. Juli statt und ergaben für die Buchen in Ebrach einen Wert von 28% und für die Eichen in Würzburg 16% Blattverlust.

Da der Trockenstress erst im August einsetzte, wurde die Kronenzustandserhebung auf diesen Waldklimastationen in der Zeit vom 22. bis 24. September wiederholt. Dabei wurde an beiden Standorten eine deutlich stärkere Kronenverlichtung festgestellt. In Ebrach stieg sie um 10% auf 38% und in Würzburg sogar um 14% auf 30% an. Bedenkt man, dass auch in einem »Normaljahr« etwa 7% der gesamten Laubmenge bereits im August und September von den Bäumen fällt (vgl. Abbildung 5), so beträgt der trockenheitsbedingte Blattverlust im letzten Jahr an diesen beiden WKS-Standorten immerhin noch 3 bis 7%.

Auf das Ausmaß auf der gesamten Waldfläche kann aus diesen Zahlen natürlich noch nicht geschlossen werden. Dennoch geben sie einen Hinweis, dass die Trockenheit des Sommers 2015 auch auf die Belaubung der Wälder einen Einfluss gehabt hat.

Das Wachstum geriet ins Stocken

Mann steht in einer Grube und befestigt etwas.Zoombild vorhanden

Abbildung 7: Ferry Grimmeisen
(LWF) beim Einbau von Temperatur- und Feuchtsensoren auf der Waldklimastation Würzburg. Foto: H.-J. Krause

Wenn die Bäume aufgrund von Trockenheit ihre Spaltöffnungen schließen müssen oder sogar verfrüht das Laub abwerfen, können sie auch weniger Fotosynthese betreiben. Die Aufnahme von CO2, das bei der Fotosynthese mit Hilfe der Lichtenergie im Blatt zu Zucker und Stärke verwandelt wird, erfolgt durch dieselben Spaltöffnungen, durch die der Baum auch das Wasser mit der Transpiration abgibt. Werden sie geschlossen, kann auch weniger CO2 aufgenommen und somit weniger Energie und Baustoffe für das Wachstum und die Abwehr von Schädlingen produziert werden.

Wie sich die Trockenheit im letzten Sommer auf die Durchmesserentwicklung von 16 ausgewählten, herrschenden Fichten an der WKS Ebersberg ausgewirkt hat, zeigt Abbildung 8. Ab Anfang Juli ging dort der von den Bäumen nutzbare Wasservorrat im Boden deutlich zurück. Gleichzeitig kam die an per manenten Umfangmaßbändern wöchentlich abgelesene Durchmesseränderung der Bäume zur Stagnation. Das heißt, die Bäume wurden nicht mehr dicker.
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Ab Mitte Juli herrschte dann starker Trockenstress vor. Nur nach stärkeren Gewitterniederschlägen wurde dann wieder eine Zunahme des Durchmessers gemessen, so dass am Ende des Jahres ein um gut 50% geringerer Durchmesserzuwachs resultierte. Auch an den Waldklimastationen Höglwald bei Augsburg und Riedenburg in der Südlichen Frankenalb wurden ähnliche Einbußen bei dem dort ausgewählten Fichtenkollektiv festgestellt. Sogar im Oberpfälzer Wald an der WKS Flossenbürg betrug der Rückgang der Durchmesseränderung in diesem Teilkollektiv noch 20%.

Auch die Eichen in Riedenburg, an denen wöchentliche Durchmessermessungen durchgeführt wurden, zeigten einen Rückgang der Durchmesseränderung von 15% und die intensiv untersuchten Kiefern an der Waldklimastation in Alt dorf im Nürnberger Reichswald sogar von 30%. Nur bei den Buchen konnten wir erstaunlicherweise auf keiner unserer Waldklimastationen mit wöchentlichen Durchmessermessungen einen Rückgang beobachten.

Diese ersten Auswertungen können natürlich auch hier wieder kein abschließendes Bild über das Ausmaß der Zuwachsrückgänge in den Wäldern Bayerns geben. Dennoch scheint es so zu sein, dass die extreme Hitze und Trockenheit im letzten Jahr ein deutliches Signal auch im Zuwachs einiger Baumarten hinterlassen haben dürfte.

Abzuwarten bleibt auch, wie die Wälder nach dem ebenfalls außergewöhnlich milden Winter in diesem Jahr weiter reagieren. Es bleibt also spannend, die Daten des forstlichen Monitorings weiter zu verfolgen.
Liniendiagramm zeigt die Durchmesseränderung im Verhältnis zum nutzbaren Wasservorrat: Mit sinkendem Wasservorrat sinkt auch das Wachstum der Bäume

Abbildung 8: Durchmesseränderung

Kasten mit technischen Geräten

Abbildung 9: Datenloggerkasten. Foto: H.-J. Krause

a110 Dem Wald auf den Puls gefühlt - 10

Abbildung 10: Sensoren. Foto: H.-J. Krause

Zusammenfassung

Die Untersuchungen an den Bayerischen Waldklimastationen zeigen auf, welche Auswirkungen Trockenheit und Hitze des Jahres 2015 auf die Bäumen und die Böden hatte. Mit meteorologischen Daten aus dem Wald wird das Ausmaß des Rekordsommers dargestellt. Die an verschiedenen Standorten untersuchten Bäume reagierten mit Zuwachsverlusten und vorzeitigem Laubfall. Die Untersuchungen zur Bodenwasserverfügbarkeit lassen vermuten, dass in weiten Teilen Bayerns die Wälder zum Teil erheblich unter Trockenstress litten.

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