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Stefan Pratsch und Ulrich Lieberth
Klimakrise erfordert neue Antworten! – LWF aktuell 123

Die Klimakrise ist allerorten spürbar, unsere Wälder in Bayern sind massiv in Mitleidenschaft gezogen, die Forstverwaltung soll Antworten geben – was tun?

Die Klimakrise stellt Waldbesitzer, Förster, BaySF und die Forstverwaltung vor neue noch nie dagewesene Herausforderungen. Diese Situation erfordert Antworten in der Forstwirtschaft. Naturnaher Waldbau, die Eignung der Baumarten im Klimawandel, die verfügbare Palette an standortheimischen Baumarten, die Fichte als Brotbaum der Forstwirtschaft und v.a.m. sind derzeit z.T. massiv in der Diskussion.

Allerdings ist für Bayerns Forstwirtschaft die Anpassung der Wälder an den Klimawandel kein neues Thema. Bereits seit dem ersten Klimaprogramm der Staatsregierung 2008 werden verstärkt Finanzmittel und Personal hierfür bereitgestellt. Dennoch stellt sich die Frage, ob das bisherige Vorgehen ausreicht, um (neue) Herausforderungen hinreichend zu beantworten. Es werden Antworten, sicher auch neue, benötigt und die gilt es, geordnet, aber so schnell wie möglich zu liefern. Was bedeutet dies für die Rolle der Bayerischen Forstverwaltung?

Ausgangssituation

Buchenwald mit einzelnen abgestorbenen BäumenZoombild vorhanden

Abb. 1: Trockenschäden an Buche, Steigerwald 2019 (Foto: S. Thierfelder

Die Klimakrise ist seit mehreren Jahren deutlich spürbar angekommen. Die Wälder sowie deren Waldbesitzende sind Leitragende. Bedauerlicherweise sind die Ursachen der Klimakrise kaum durch Maßnahmen der Forstwirtschaft aktiv beeinflussbar. Der rasant fortschreitende Takt des Klimawandels wird von anderen Faktoren bestimmt. Die Situation der Wälder in Bayern spitzt sich aufgrund des voranschreitenden Klimawandels immer weiter zu.
Es kommt zu großen Schadflächen durch Borkenkäferbefall und Stürme, Schäden an der Kiefer sind teilweise dramatisch und auch Ausfälle bei bisher bewährten Baumarten wie der Buche nehmen zu. Die Auswahl an heimischen Baumarten bzw. Herkünften, die den Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern zum Anbau empfohlen werden können, verringert sich aufgrund der sich ändernden Klimabedingungen. Die beiden großen wirtschaftlichen Säulen der bayerischen Waldbesitzer – die Kiefer und ganz besonders der »Brotbaum« Fichte – drohen auf großer Fläche auszufallen.

Alternative und adadäquate »Wirtschaftsbaumarten« aus der Nadelholzpalette sind nur eingeschränkt in Sicht. Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer befinden sich seit mehreren Jahren in einem sich immer schneller drehenden »Hamsterrad« – Ausfälle von Bäumen bis hin zum flächigem Absterben, kleinere und größere Kahlflächen, Wiederaufforstung der Flächen, trockenheitsbedingte Ausfälle der neuen Kulturen, zu hoher Verbiss dieser etc. Sie sind dazu gezwungen, auf diese Rahmenbedingung zu reagieren. Es herrscht dabei mittlerweile zum Teil Ratlosigkeit bis hin zu Resignation.

Andererseits ist in Bezug auf die Baumartenwahl zur Wiederaufforstung nach Schadflächen eine gewisse »operative Hektik« entstanden. Allerorten werden neue, auch nichtheimische Baumarten ausprobiert. Die (staatlichen) Förster werden von Waldbesitzern gebeten, über bestehende Erfahrungen zu alternativen Baumarten aufzuklären. Zugleich arbeiten zahlreiche Institutionen in Bayern wie die LWF, das AWG, die TUM, die HSWT, die LWG und der ökologisch-botanische Garten der Uni Bayreuth, in zum Teil umfassenden Forschungsvorhaben zu alternativen Baumarten.

Zahlreiche Erkenntnisse liegen vor, vieles ist aber auch noch unbekannt. Ähnliche, teilweise umfangreiche Initiativen und Projekte bestehen auch in anderen Bundesländern und außerhalb Deutschlands. Es gibt schon seit vielen Jahren Expertenrunden wie z. B. die AG »Gastbaumarten« im DVFFA, geleitet von Dr. Bertram Leeder, das nationale Arbeitstreffen seltene Gehölze (ASG), unter der Leitung von Dr. Ludwig Albrecht, AELF Uffenheim. Die BaySF entwickelt derzeit eine Richtlinie zum Umgang mit neuen Baumarten. Diese Erkenntnisse gilt es zu bündeln und bezüglich ihrer Anwendbarkeit in der bayerischen Forstpraxis zu bewerten.

Rolle der Forstverwaltung

Schematische Darstellung in Kästen der HandlungsschritteZoombild vorhanden

Abb. 2: Handlungsschritte auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen Wald (Grafik: LWF)

Die Bayerische Forstverwaltung steht angesichts dessen vor einer besonderen Herausforderung. In Auftrag gegebene Forschungsvorhaben liefern wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse aber oft erst nach vielen Jahren. (Vor-)schnelle Antworten bergen wiederum das Risiko von Fehlentscheidungen. Die Waldbesitzer wollen aber rasche Antworten auf ihre waldbaulichen Fragen.

Diese Antworten sollten möglichst fundiert und wissenschaftlich abgesichert, einheitlich, koordiniert und abgestimmt sein. Deshalb sollte die Forstverwaltung auch heute schon Antworten auf Fragen über passende Baumarten, geeignete Herkünfte, die richtige Mischung, den passenden Pflanzverband geben – auch wenn diese Auskünfte angesichts der konkreten Folgen des Klimawandel zwangsläufig mit mehr oder weniger großen Unsicherheiten behaftet sind. Würden wir uns hier zurückhalten, werden sich die Waldbesitzer ohne unseren Beratungsinput selbst Antworten suchen und geben.

In diesem Dilemma befinden wir uns. Da es besser ist, eine risikobehaftete als keine Antworten zu geben, müssen wir offen darauf hinweisen, dass letztlich nicht immer gesicherte Erkenntnisse vorliegen und der Waldbesitzer beim Beschreiten neuer Wege Restrisiken in Kauf nehmen und selber tragen muss. Die Forstverwaltung ist gemeinsam mit ihren Partnern (BaySF, TUM, HSWT u. a.) in der Pflicht und fachlich auch am besten in der Lage, auch in dieser Situation die Deutungshoheit und das Heft des Handelns in der Hand zu behalten. Diesem Anspruch wollen wir gerecht werden.

Handlungsstategien

Junger Trieb einer RobinieZoombild vorhanden

Abb. 3: Nicht überall geeignet und nicht ohne Risiko - die Robinie (Foto: S. Tretter)

Die grundsätzliche Zielrichtung steht für uns bereits fest: Bevor wir uns mit alternativen Baumarten beschäftigen, müssen wir das volle Potenzial unserer heimischen Baumarten ausschöpfen. Räumlich wird sich deren Vorkommen in Zukunft insbesondere aufgrund der Abhängigkeit von Temperatur und Niederschlag verschieben. Wenn unter Einbeziehung der modellierten Anbaurisiken eine standortgerechte und zukunftsorientierte Entscheidung getroffen wird, werden wärmeliebende Arten neuen Raum gewinnen.
Es handelt sich dabei letztlich um eine »Wanderbewegung« hin zu einer neuen Baumartenzusammensetzung, die in Fachkreisen neuerdings auch mit «Assisted Migration « bezeichnet wird. Aus dieser Konsequenz ergibt sich der zweite wesentliche Handlungsschritt, nämlich die Stärkung seltener heimischer Baumarten. Alternative Herkünfte unserer heimischen Arten sind der naheliegende dritte Schritt in der Entscheidungskaskade.

Hier gilt es rasch den mutmaßlich höchsten Forschungs- und Wissensbedarf zu schließen. Erst wenn diese Optionen ausgeschöpft sind, muss der Blick auf alternative Baumarten gerichtet werden um den »Zukunftswald« zu gestalten. So sollen alle diese Entscheidungen auch stets in Beimischung, quasi als »Mitführen einer oder mehrerer Klimabaumarten « und damit mit entsprechender Risikostreuung erfolgen.

Wie gelangen wir zu diesen Antworten?

Krone eines grünen, gesunden LaubbaumesZoombild vorhanden

Abb. 4: Speierling - ein Baum mit Zukunft (Foto: K.P. Janitz)

Um dies zu gewährleisten, hat die Forstverwaltung Anfang September 2019 ein Projekt mit dem Arbeitstitel »(Alternative) Baumarten in der Klimakrise« ins Leben gerufen. Das Projekt verfolgt folgende Ziele: »Es werden die konzeptionellen und strategischen Grundlagen für Anbauempfehlungen zur Erweiterung der Baumartenpalette geschaffen, veröffentlicht sowie Umsetzungsschritte in die Wege geleitet.

Informationen über die Anbaueignung klimatoleranter einheimischer wie fremdländischer Baumarten, bzw. klimaresistenter Herkünfte etablierter Baumarten werden gebündelt. Diese werden den relevanten Zielgruppen (Wissenschaft, Waldbesitzer, BaySF, FoV, Baumschulen etc.) in kundenspezifischer Form zur Verfügung gestellt.« Damit sollen alle Beteiligten möglichst die gleiche praxistaugliche Informationsbasis erhalten. Waldbesitzer können sich umfassend und ohne größeres Suchen informieren. Beratung und Förderung bauen auf diesen Empfehlungen und Erkenntnissen auf. Risiken und Chancen können aufgezeigt und bewertet werden. Das Projekt soll ein umfassendes Maßnahmenpaket zu (alternativen) Baumarten bearbeiten. Nachfolgend eine Auswahl der wesentlichen Meilensteine:
  • Evaluierung bisheriger Forschungsprojekte zu klimaresistenten Baumarten (national, international, veröffentlicht, noch nicht veröffentlicht);
  • Analyse vorliegender Erkenntnisse zu klimaresistenten Baumarten innerhalb und außerhalb Bayerns (national, international, veröffentlicht, noch nicht veröffentlicht, Praxisanbauten);
  • Entwicklung einer Fachstrategie zur Baumartenwahl für die forstliche Beratung;
  • Verabschiedung von Leitlinien zum Umgang mit alternativen Baumarten im Klimawandel;
  • Entwicklung einer Informations- und Entscheidungsmatrix für Waldbesitzer (»Baumexperte«) zu wichtigen heimischen und nichtheimischen Baumarten und deren Herkünfte mit Informationen zu ihrer Eignung im Klimawandel sowie standörtlich und waldbaulich
    relevanten Parametern (z. B. in Form eines Ampelsystem). Hieraus soll eine Online-Plattform für alternative Baumarten entwickelt werden.
  • Erarbeitung eines Konzeptes zur internen und externen Kommunikation mit geeigneten Mitteln und Maßnahmen zur Gewährleistung eines möglichst optimalen Wissenstransfers nach innen wie nach außen (z. B. BIWA-Präsentation);
  • Organisation und Durchführung eines Fachsymposiums in Zusammenarbeit mit dem Zentrum Wald-Forst-Holz Weihenstephan;
  • Feststellen bestehender baumartenbezogener Erkenntnislücken sowie Anstoß/Vergabe relevanter Forschungsprojekte etc.;
  • Festlegung einer Handlungsstrategie (zur Dynamisierung) der Herkunftsempfehlungen in Bayern;
  • Identifizierung von möglichen Konsequenzen für die Rahmenbedingungen der Arbeit der Forstverwaltung, Waldbesitzer, BaySF etc. (Natura 2000, Waldgesetz, Naturschutzgesetz, forstliche Förderung …).
Ziel des Projektes ist es nicht, das Rad neu zu erfinden, sondern die auf der Fläche und in den Köpfen verborgenen »goldenen Schätze« zu bergen, zu vernetzen, für alle Beteiligten verfügbar zu machen und diese Informationen für die unterschiedlichen Zielgruppen in ansprechender Form aufzuarbeiten und laufend zu aktualisieren. Es braucht eine Art »Leitbild für die Wiederbewaldung«, aber es ist auch eine Art »Leitbild für die Waldpflege« bestehender noch intakter Waldflächen notwendig, das sich in die bestehenden rechtlichen Vorgaben und den Rahmen der »Waldumbauoffensive 2030« einfügt.

Das »Leitbild für die Wiederbewaldung« sollte eine Art Rezept beinhalten, anhand dessen sich Waldbesitzer und alle anderen Akteure (WBVn, kommunale und staatliche Förster, BaySF etc.) bei der Frage nach geeigneten Baumarten orientieren können. Das »Leitbild für die Waldpflege« zielt auf eine rasche Dimensionierung, wie sie bereits in der neuen LWF-Praxishilfe »Klima-Boden-Baumartenwahl« aufgenommen ist, und die aktive Förderung von seltenen Baumarten ab.

In Bezug auf die Verwendung nichtheimischer Baumarten ist eine Kategorisierung vonnöten, die Waldbesitzern und Förstern einen Überblick über Chancen und Risiken der Baumarten gibt. Ein von einer Arbeitsgruppe aus TUM, HSWT, LWF und AWG erstelltes Schema bietet einen ersten Ansatz (Abbildung 6). Es soll in Kürze für zunächst rd. 60 nichtheimische Baumarten veröffentlicht und laufend um neue Informationen und Erkenntnisse erweitert werden.

Projektorganisation und -zusammensetzung

Zedernzampfen am AstZoombild vorhanden

Abb. 5: Zeder aus Südfrankreich (Foto: S. Tretter, LWF)

Um all diese Maßnahmen anzugehen wird eine Steuerungs- und eine Projektgruppe mit dem Titel »(alternative) Baum- arten in der Klimakrise« etabliert. Die Steuerungsgruppe ist für strategische (Grundsatz-)Entscheidungen verantwortlich, die Projektgruppe erarbeitet Entscheidungsvorlagen und -vorschläge und setzt diese um. Mitglieder der Steuerungs- wie der Projektgruppe stammen aus der Forschung (LWF, AWG, HSWT, TUM, Uni Bayreuth), der BaySF, von kommunalen Waldbesitzern sowie Beschäftigte der Forstverwaltung aller Hierarchieebenen. Auftraggeber des Projekts ist MR Stefan Pratsch, Leiter des Referates F 3 des StMELFs, Projektleiter ist Ulrich Lieberth, StMELF. Die Dauer des Projekts ist zunächst bis zum Ende des Jahres 2020 ausgelegt.

Kommunikation mit dem Projektteam

Da sich bereits bei der Bestellung des Projektteams gezeigt hat, dass es in der Fläche innerhalb Bayerns vielfältigste Erfahrungen zum Thema »alternative« Baumarten gibt, wird schon jetzt auf diesem Wege der interessierte Leser gebeten, seine Vorschläge/Erfahrungen/Fragen/Kritik zu diesem Thema jederzeit an den Leiter des Projekts zu richten. Die Kontaktdaten sind dem Beitrag unten angefügt. Schon jetzt herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung!

Zusammenfassung

Schematische Darstellung in Kästen der Chancen und RisikenZoombild vorhanden

Abb. 6: Einordnung von Chancen und Risiken (Grafik: LWF)

Die Klimakrise ist allerorten spürbar und in aller Munde. Der Wald und die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer sind Leidtragende dieser Situation. Die Forstverwaltung kann dieser neuen Herausforderung nur mit neuen Antworten auf der Basis bewährter Waldbaurezepte begegnen. Letztere müssen jedoch weiterentwickelt werden. Das gilt für die geeignete Baumartenpalette für Waldumbau und zur Wiederbewaldung entstandener Freiflächen, das gilt aber gleichermaßen für die Pflege und Entwicklung bestehender Wälder. Die Forstverwaltung stellt sich gemeinsam mit ihren Partnern dieser Situation, um notwendige neue Antworten zeitnah geben zu können. Hierfür wurde ein Projekt »(alternative) Baumarten in der Klimakrise« initiiert, das dazu beitragen möchte, dass die Bayerische Forstverwaltung in möglichst allen relevanten waldbaulichen Fragen Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern zeitnah Orientierung geben kann.

Links

Literatur

  • Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (Hrsg.) (2019): Praxishilfe Klima–Boden–Baumartenwahl. 108 S.
  • Deutscher Verband Forstlicher Forschungsanstalten (2019): Anpassung der Wälder an den Klimawandel - Positionspapier des Deutschen Verbandes Forstlicher Forschungsanstalten (DVFFA). 7 S.
  • Janßen, A.; Šeho, M.; Schirmer, R.; Tretter, S.; Pratsch, S. (2019): Praxisanbauversuche: Bewertung alternativer Baumarten in Bayern. AFZ-Der Wald 5, S. 24–27

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Weiterführende Informationen

Autoren

  • Stefan Pratsch
  • Ulrich Lieberth