Eric Andreas Thurm und Richard Heitz
Anbaueignung der Edelkastanie in Deutschland – LWF Wissen 81
Die Edelkastanie oder auch Esskastanie [i]Castanea sativa[/i] MILL. ist ein typischer Baum des Mittelmeerraums. Ihre Verbreitung erstreckt sich von der Iberischen Halbinsel bis in den Kaukasus. Insgesamt nimmt die Art 2,5 Millionen Hektar in Europa ein (Conedera 2004).
Der Schwerpunkt davon befindet sich in Italien (788.000 ha – INFC 2007) und Frankreich (750.000 ha – IGN 2016), gefolgt von Spanien (180.000 ha – Vallejo und Sandoval 2013), Portugal (41.000 ha – ICNF) und der Schweiz (21.000 ha – Brändli 2010). Selbst in Großbritannien nehmen Edelkastanienwälder immerhin noch 10.800 ha ein (Smith und Gilbert 2003).
Edelkastanie in Deutschland
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Abb. 1: Klimahülle und klimatische Boxplots der Edelkastanie. (Grafik: LWF)
Auch in Deutschland findet man die Edelkastanie als Waldbaum. Ihr Anteil an der Baumartenzusammensetzung ist derzeit mit ca. 7.500 ha (Bouffier und Maurer 2009) vergleichsweise gering. Bedeutende Vorkommen der Edelkastanie befinden sich in der Region des Oberrheingrabens, am Ostabfall des Pfälzerwaldes und an den Flüssen Mosel, Saar, Main und Nahe. Verstreute Vorkommen von Edelkastanien in Wäldern sind jedoch in ganz Deutschland zu finden. So existieren Einzelbestände in den Wäldern des Spessarts, an der Elbe in Meißen und bis weit hinauf nach Mecklenburg- Vorpommern (vgl. Abbildung 4 wie auch Bouffier und Maurer 2009).
Die Edelkastanie besitzt trotz ihres mediterranen Fokus ein relativ großes Verbreitungsgebiet, hinein auch in die kühleren Bereiche Deutschlands. Dies lässt vermuten, dass sie im Klimawandel mit den steigenden Temperaturen und vergleichsweise stabilen Niederschlägen zu den Gewinnern gehören könnte. Dabei könnte sie, wie Abbildung 1 zeigt, die Klimatoleranz und -resilienz von Buchen und Eichenmischbeständen erhöhen. Wie kann jedoch beurteilt werden, ob die Art den erwarteten Ansprüchen überhaupt gerecht wird beziehungsweise, wie geeignet diese Art unter den Klimabedingungen außerhalb ihres Kernverbreitungsgebiets ist?
Die Herleitung von Anbaueignung
Die Herleitung der Anbaueignung für eine bis dato nicht vorkommende Art oder wie im Fall der Edelkastanie, einer sehr seltenen Art, kann über verschiedene Ansätze erfolgen:
A) Häufig wird die Anbaueignung deskriptiv aus Beobachtungen von Experten abgeleitet. Diese beschreiben zumeist die klimatischen Bedingungen einer Art in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet (z. B. Fernández-López und Alía 2003). Anhand der schriftlichen Charakterisierung der Art können dann die eigenen standörtlichen Bedingungen damit verglichen werden, um zu einer Einschätzung der Anbaueignung zu kommen. (Schon Plinius der Älter beschreibt sinngemäß: »Die Edelkastanie meidet vernässte Standorte. Sie braucht lockeren Boden, aber nicht zu sandig, vielmehr ein frisches Substrat, einen vulkanaschedurchsetzten Boden oder auch ein schluffiges Tuffsubstrat, vorzugsweise in schattiger, nordseitiger und recht kühler Lage, gerne auch am Hang. Verdichteten Boden mit Grobkies, rote Tonerde, kalkig Substrate und jede Art von übermäßigem Nährstoffangebot lehnt sie ab.« Plinius der Ältere 77, Übersetzung A. Heitz). Inwieweit damit Aussagen zur Anbaueignung im Klimawandel gemacht werden können, hängt von dem betrachteten Vorkommensgebiet der Art ab.
B) Ein anderer Ansatz ist, die Artansprüche über Freilandversuche im Interessengebiet zu erproben. Durch die standörtliche Repräsentativität der Versuchsfläche können somit auch für größere Bereiche (zumeist Wuchsgebiete) Anbaueignungen abgeleitet werden. Durch die bis dato geringe wirtschaftliche Bedeutung der Edelkastanie in Deutschland finden sich hierzulande nur wenige Versuchsanbauten. Diese sind vornehmlich im süd- und im südwestdeutschen Raum verortet (Maurer und Fernández-López 2001) und decken somit nicht den gesamten Standortgradienten Deutschlands ab. Flächige Aussagen für Deutschland sind mit den wenigen Versuchsflächen derzeit kaum möglich.
C) Eine weitere Möglichkeit ist die Modellierung bzw. Analyse der Standortansprüche anhand von bereits existierenden Waldbeständen. Dieses Vorgehen hat gegenüber der Anlage von Versuchsflächen den Vorteil, dass die Standortansprüche einer Art relativ kostengünstig und zeitnah ermittelt werden können.
In diesem Beitrag wurde der zuletzt genannte Ansatz angewendet: Um die klimatische Anbaueignung für Deutschland besser einschätzen zu können, wurden zum einen auf europäischer Ebene das Vorkommen der Edelkastanie klimatisch modelliert und zum anderen bestehende Vorkommen in Deutschland hinsichtlich Verbreitung und Höhenwachstum untersucht. Beide Ansätze und ihre Verschneidung werden im Folgenden beschrieben.
Europaweite Artverbreitungsmodellierung der Edelkastanie
[i]Artverbreitungsmodelle – und wie sie funktionieren[/i]
Artverbreitungsmodelle versuchen, anhand von Vorkommen und Nicht-Vorkommen einer Art deren Klimaansprüche abzuleiten. Grundannahme ist dabei die Theorie der Ökologischen Nische. Dort wo die Edelkastanie sehr häufig zu finden ist, befindet sie sich somit innerhalb ihrer ökologischen Nische. Klimatische und bodenkundliche Gegebenheiten bieten ihr gute Bedingungen zur Existenz. Dort wo sie nicht zu finden ist, sind wahrscheinlich die Standortbedingungen ungünstig – sie befindet sich außerhalb ihrer Nische.
Dieser Zusammenhang aus Vorkommen und Nicht-Vorkommen in Beziehung zu den standörtlichen Bedingungen wie z. B. Niederschlag und Temperatur kann mit Artverbreitungsmodellen modelliert werden. Die Ausgabegröße ist dann die sogenannte »Vorkommenswahrscheinlichkeit« – ein Wert, der sich zwischen 0 und 1 befindet. Werte nahe 1 entsprechen dabei einer sehr hohen Vorkommenswahrscheinlichkeit und damit einer hohen Anbaueignung.
Die tatsächlichen Vorkommen einer Art – besonders bei der Edelkastanie – sind schon länger vom Menschen geprägt. Besonders die bereits erwähnte Verbreitung der Edelkastanie in England, aber auch in Süddeutschland hängt stark mit der Ausdehnung des Römischen Reiches zusammen (Conedera et al. 2004). Die Römer griffen somit der natürlichen, nacheiszeitlichen Rückwanderung vor. Dennoch müssen die klimatischen Bedingungen geeignet gewesen sein, damit sich die Edelkastanie etablieren konnte.
Der Vorteil dieser vom Menschen beeinflussten Ausbreitung ist, dass die standörtliche Amplitude einer Art auch über ihr natürliches Verbreitungsgebiet hinaus ausgetestet wird. Durch Siedler gelangte die Edelkastanie beispielsweise auch nach Nord- und Südamerika (Avanzato 2009) und zeigte dort unter veränderten Klimabedingungen ihr Potenzial (Unterschied von Real- und Fundamental-Nische).
Auf einer großräumigen Skala wie Europa lassen sich die Standortansprüche durch die unterschiedlichen Vorkommen und Nicht-Vorkommen relativ gut beschreiben. Auch ermöglichen es die Modelle in gewissem Masse das Vorkommen vorherzusagen, ohne zwingend ein reales Vorkommen zu benötigen. Kommt die Art beispielsweise im Klimabereich von 7 – 8 °C und 10 – 11 °C sehr häufig vor, fehlt aber der Klimabereich von 9 °C gänzlich (bei sonst vergleichbaren Umweltbedingungen) interpoliert das Modell in diesem Bereich und geht von einer ähnlich hohen Vorkommenswahrscheinlichkeit aus. Dieses Muster ist beispielsweise dort zu finden, wo Baumarten zugunsten der Landwirtschaft auf die wärmeren und kälteren Randstandorte weichen mussten.
[i]Das Verbreitungsmodell der Edelkastanie[/i]
Das Artverbreitungsmodell, welches im Rahmen des vom StMELF geförderten Projekts »Seltene heimische Baumarten und nicht-heimische Baumarten im Klimawandel « an der LWF berechnet wurde, speist seine Information über das Vor- und Nicht-Vorkommen der Edelkastanie aus den Inventurdaten nahezu aller europäischen Länder (Abbildung 2, Thurm et al. 2018). Als klimatische Variablen zur Modellierung wurden die maximal Temperatur des wärmsten Monats, die Niederschlagmenge im wärmsten Quartal des Jahres und der Kontinentalitätsindex nach Conrad (1946) herangezogen. Der Kontinentalitätsindex wurde mit einbezogen, um in einem gewissen Maße auch der Spätfrostgefahr Rechnung zu tragen, die mit der Kontinentalität korreliert ist (vergleiche Winterhärtezonen für Gehölze aus Roloff und Bärtels 2006).
Hinter der Auswahl der drei Variablen steht der Gedanke, relevante klimatische Größen für die Artverbreitung zu berücksichtigen, die die Energiezufuhr, den Wasserbedarf und die Kälteverträglichkeit beschreiben und trotzdem das Modell nicht mit unnötigen oder gar gegenläufigen Klimafaktoren zu überfrachten.
Die Modellierung des Vorkommens durch die Klimavariablen erfolgt mit Hilfe eines generalisierten additiven Modells (abgekürzt GAM). Dieses bietet sich an, da es in der Lage ist, biologisch plausible Abhängigkeit nachzubilden, wie beispielsweise einen glockenkurvenartigen Zusammenhang ähnlich dem Verlauf der ökologischen Nische (Abbildung 3).
Im Fall der Edelkastanie, bestimmt vor allem die maximale Temperatur im Sommer die Verbreitung. Gebiete mit zu kalten (< 22 °C) aber auch zu heißen Sommern (> 30 °C) meidet die Edelkastanie. Dabei ergibt sich die Maximaltemperatur im Sommer aus dem 30-jährigen Mittel der durchschnittlichen Monatsmaxima und ist nicht gleichzusetzen mit der »maximalen« Maximaltemperatur. Der Niederschlag im wärmsten Vierteljahr wirkt nur in geringem Umfang beschränkend auf die Verbreitung der Art. Niederschlagssummen über 200 mm erhöhen hauptsächlich die Eignung: je mehr Niederschlag, desto besser. Der Kontinentalitätsindex besitzt wieder einen stärkeren Erklärungseinfluss und sorgt dafür, dass im atlantischen Klima die Edelkastanie besser zurechtkommt und schränkt ihr Vorkommen im kontinentalen Klima ein.
Die aus der Modellierung zustande kommende Karte (Abbildung 2), zeigt deutlich, in welchen Regionen die Edelkastanie schwerpunktmäßig vorkommt (Klassen 1 und 2): in Frankreich, Spanien und Italien, aber auch England und in Teilen Deutschlands findet sie vergleichbar gute Klimabedingungen.
Klimatische Anbaueignung der Edelkastanie in Deutschland – ein Blick auf’s Wachstum im heutigen Klima
[i]Der Ansatz[/i]
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Abb. 4: Vorkommen der Edelkastanie in Deutschland laut BWI3 und Einzelmeldungen der Länder. (Grafik: LWF)
Im Rahmen des laufenden Projekts C29 (Förderung BMEL /FNR) stellen wir unter anderem Daten zu Vorkommen, Standort und Wachstum der Edelkastanie in Deutschland zusammen und werten sie im Hinblick auf die Frage der Anbaueignung dieser Baumart aus. Die derzeitigen Zwischenergebnisse möchten wir in diesem Kontext vorstellen.
Das Wachstum, genauer gesagt die (Oberhöhen-) Bonität der Edelkastanie, nutzen wir hier als Indikator für ihre Vitalität und Klimatauglichkeit. Im Unterschied zur Häufigkeits- /Dichte-bezogenen Vorkommensmodellierung gestattet dieser Ansatz, den Erfahrungswert von Vorkommen mit gutem oder befriedigendem Wachstum auch ohne derzeit große flächenhafte Verbreitung stärker zu berücksichtigen. Von Vorteil ist dabei ferner, dass die Bonität eine auch standortkundlich etablierte und gut interpretierbare Größe darstellt. Insofern ergänzen sich die beiden in diesem Beitrag vorgestellten Herangehensweisen und bilden gemeinsam eine bessere Beurteilungsgrundlage für die sehr vielschichtige Frage der Anbaueignung.
[i]Die Datenbasis[/i]
Ergänzend zu den Daten der dritten Bundeswaldinventur (BWI3) konnten mit freundlicher Unterstützung seitens vieler Kollegen in den einzelnen Bundesländern Daten aus Landesinventuren, Forsteinrichtung und Einzelbeständen einbezogen und so das Verbreitungsbild und die Datengrundlage zur Edelkastanie in Deutschland erheblich erweitert werden (Abbildung 4).
In einem ersten Schritt haben wir die Vorkommen anhand von Alter und Höhe bonitiert und dadurch einen vergleichbaren, altersunabhängigen Wachstumsparameter gewonnen, mit dem wir die Standort- bzw. Klimaeignung der Edelkastanie an ihrem derzeitigen Verbreitungsrand analysieren und besser einschätzen möchten. Die Heterogenität der Daten erfordert dabei einige Kompromisse: Beispielsweise wurde aus den Daten der Bundeswaldinventur eine Oberhöhe anhand der Bäume der KRAFT’schen Klassen 1 und 2 angenähert, für Sachsen-Anhalt aus Mittelhöhen des Oberstandes. Durch die Definition eines Mindestalters (hier 30 Jahre) haben wir ferner versucht, störende Einflüsse der unterschiedlichen Wuchsdynamik von Kernwüchsen und Stockausschlagbeständen zu begrenzen, welche anhand der Daten nicht unterschieden werden konnten.
[i]Das (Höhen-)Wachstum der Edelkastanie im aktuellen Klima der BRD[/i]
Im Sinne eines klimatischen Wuchspotenzials zeigt Abbildung 5 die potenzielle Oberhöhe (Maximalwert) der Edelkastanie im Alter von 50 Jahren im Klimarahmen aus Temperatur und Niederschlag – Klimadaten hier jeweils im langjährigen Mittel des Zeitraums 1981 – 2010 (DWD). »Bessere« Bonitäten finden wir in einem weiten Klimabereich, hinsichtlich der Jahresmitteltemperatur ab etwa 8 °C, hinsichtlich des Jahresniederschlags vereinzelt bereits ab 550 mm, vermehrt ab 700 mm bis über 1.400 mm. Beide Befunde stehen im Einklang mit Literaturangaben (z. B.: Bourgeois et al. 2004; Conedera et al. 2016).
Mit Hilfe eines GAM (Generalisiertes Additives Modell) lässt sich diese Beziehung zwischen Temperatur, Niederschlag und Bonität modellieren und schließlich in die Fläche übertragen:
Höhere Jahresmitteltemperaturen wirken sich demnach im aktuellen Klimarahmen der BRD im Wesentlichen positiv auf das Wachstum der Edelkastanie aus (Abbildung 6 links). In puncto Niederschlag zeichnet sich ein Optimum bei etwa 800 bis 1.200 mm ab (Abbildung 6 rechts). Auch die als vergleichsweise trocknisertragend eingestufte Edelkastanie scheint komfortablere Niederschlagsverhältnisse durchaus zu schätzen und zu honorieren.
Die Varianzerklärung des Modells ist mit rund 25 % nicht sehr hoch, was aber für dieses erste, mit Jahresmitteln für Temperatur und Niederschlag bewusst »schlicht« gehaltene, rein klimatische Modell nicht überrascht und vor dem Hintergrund der hohen Signifikanzen der beiden Klimafaktoren vorerst akzeptabel erscheint.
[i]Auf dem Weg zur klimatischen Anbaueignungskarte anhand der Bonität[/i]
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Abb. 6: Partieller Einfluss von Temperatur und Niederschlag (Grafik: LWF)
Die Bonitätskarte (Abbildung 7) zeigt im Einklang mit der oben bereits vorgestellten Vorkommenskarte (Abbildung 4), dass die Edelkastanie in weiten Bereichen Deutschlands mit Ausnahme höherer Berglagen potenziell wachsen kann. Als sinnvolle »absolute« Untergrenze der Anbaueignung (orange) erscheint im Anhalt an die Hochwald-Ertragstafel nach Bondor (1986) deren unterer Bonitätsrahmen von 14 m Oberhöhe im Alter von 50 Jahren. Der gelbe Bereich (Ho 50 14 – 18 m) kann als »Grauzone« gelten, die grün gefärbten Flächen als klimatisch im Grundsatz geeignet.
Relativ günstige Bedingungen scheint die Edelkastanie in Deutschland besonders in der atlantisch geprägten Westhälfte in wärmebegünstigten Lagen vorzufinden. Im Nordostdeutschen Tiefland scheinen sich dagegen die geringeren Niederschläge – vermutlich in Verbindung mit zunehmender Kontinentalität – wachstumsbegrenzend auszuwirken.
[i]Und der Boden? – Ein Ausblick[/i]
Für die Frage der standörtlichen Anbaueignung der Baumart Edelkastanie sind neben dem Klima selbstverständlich auch Bodeneigenschaften von Bedeutung. Teilweise schließen edaphische Faktoren den Anbau der Edelkastanie auch aus oder schränken ihn zumindest stark ein. Gestützt auf Literaturangaben und Erfahrungswerte, die im Rahmen des Projekts analysiert wurden, müssen folgende Aspekte bei der Herleitung der Anbaueignung unbedingt mit berücksichtigt werden:
- die Empfindlichkeit der Edelkastanie gegenüber freiem Kalk im Oberboden
- das erhebliche Anbaurisiko durch Phytophthora- Befall (Tintenkrankheit) auf Grund- und Stauwasser- beeinflussten Böden.
Ein Ziel für die Schlussphase des Projekts C 29 wäre es daher, unsere bisherige Analyse durch die differenziertere Anwendung von Klimafaktoren – wie zum Beispiel einen Spätfrostindikator (Lüpke unveröff.), aber auch durch Einbeziehen des Faktors Boden zu erweitern. Dies setzt allerdings voraus, dass die Harmonisierung der bodenbezogenen Daten, welche wir zu den bundesdeutschen Vorkommen der Edelkastanie zusammentragen konnten, auf einen verwertbaren gemeinsamen Nenner gelingt.
Verschneidung von Vorkommen und Wachstum
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Abb. 7: Klimatisches Wachstumspotenzial der Edelkastanie in Deutschland. (Grafiken: LWF)
Im Folgenden wurden die Informationen aus der europaweiten Vorkommensmodellierung und der Wachstumsanalyse für Deutschland im gegenwärtigen Klima zusammengefasst (siehe Abbildung 8). Dabei wurde bewusst eine konservative Einschätzung gewählt. Geringe Einwertungen der untersten Klassen 5 und 4 erhalten daher stets den Vorrang vor günstigeren Bewertungen.
Das bedeutet: Kommt die Edelkastanie europaweit unter einer bestimmten Klimakonstellation nur in geringer Häufigkeit vor (Klasse 4), so wird die entsprechende Region auch in Deutschland der Klasse 4 zugeordnet, selbst wenn das Wachstumsmodell für die bestehenden Vorkommen ein gutes Wachstumspotenzial ausweist. Dadurch soll berücksichtigt werden, dass dem Erfahrungswert von kleinflächigen, wenn auch wuchskräftigen Vorkommen dennoch eine größere Unsicherheit anhaftet als bei großräumiger Anbauerfahrung.
Oberhalb des »kritischen Bereichs« der Klassen 5 und 4 werden die Klassenzuordnungen durch Mittelung einander angenähert: Klimaregionen mit europaweiter, mittlerer Vorkommenswahrscheinlichkeit, aber ersten guten oder sehr guten Wachstumserfahrungen in Deutschland, werden aufgewertet, gute oder sehr gute Wachstumserwartungen bei begrenzter Vorkommensbasis umgekehrt etwas relativiert. Ursachen für eine mäßige Vorkommensdichte trotz guter Wachstumserwartung können beispielsweise historische Nutzungspräferenzen, die sporadische Ausbringung einer Art außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes oder die überlegene Konkurrenzkraft anderer Baumarten (z. B. der Buche) unter diesen Vorzugsbedingungen sein.
Vorkommensmodellierung und Wachstumsanalyse geben zwei unterschiedliche Perspektiven auf die Frage der klimatischen Anbaueignung. Deren Harmonisierung stellt insofern einen Kompromiss mit gewissen Informationsverlusten dar. In Gebieten der Übereinstimmung bringen die beiden unterschiedlichen Ansätze aber auch eine höhere Aussagekraft.
Auf der Landschaftsebene tragen die klimatischen Bedingungen zum Großteil zur Etablierung und zum Wachstum einer Baumart bei. Dabei bestehen hinsichtlich des Einflusses von Klimaextremen noch Unsicherheiten: Sie sind derzeit allenfalls indirekt in den Modellierungen enthalten und können zudem nur schwerlich im Klimawandel prognostiziert werden. Darüber hinaus müssen für die Einschätzung der standörtlichen Eignung der Edelkastanie auf Bestandesebene stets weitere lokale Aspekte berücksichtigt werden wie beispielweise die Bodenverhältnisse. Besonders kritisch sollte gerade im Fall der Edelkastanie die Waldschutzsituation und ihre weitere Entwicklung gewürdigt und beobachtet werden.
Ausblick: Zukünftige Klimabedingungen
Die Edelkastanie findet schon heute in vielen Gebieten Deutschlands klimatische Bedingungen vor, die sie zur Etablierung und zum Wachstum grundsätzlich benötigt. Dies belegen auch die vielen vereinzelten Vorkommen der Art, weit nördlich ihres angenommenen Verbreitungsrandes. Aus den vorgestellten Klimabeziehungen kann unter Einbeziehung entsprechender Klimaszenarien auch die künftige Anbaueignung der Edelkastanie unter veränderten Klimabedingungen abgeleitet werden. Bereits die Klimahülle zeigt, dass die Klimaeignung der Edelkastanie in Deutschland in Zukunft noch zunehmen wird. Dies weiter zu konkretisieren ist noch Gegenstand beider Projekte.
Auf geeigneten Standorten kann daher eine Beteiligung der Edelkastanie am Waldaufbau in bemessendem Umfang zu einer Anpassung und Risikostreuung im Klimawandel beitragen. Generell sollten dabei aber auch für diese bereits regional etablierte Gastbaumart aus unserer Sicht strenge Maßstäbe angelegt werden.
Das Kuratoriumsprojekt B76 wurde gefördert durch das Bayerische Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Das Projekt C29 wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft unter dem Förderkennzeichen 22028614 gefördert.
Zusammenfassung
Die Edelkastanie findet sich in Deutschland, im Vergleich zum mediterranen Raum, derzeit nur auf einem geringen Anteil der Waldfläche. Die Einschätzung der Anbaueignung mit Hilfe der europaweiten Vorkommensmodellierung und der Analyse der Verbreitung und des Wachstums bestehender Vorkommen in Deutschland bestätigt die hohe Wärmetoleranz und -präferenz der Edelkastanie ebenso wie die wachstumsfördernde Wirkung einer guten Wasserversorgung. Geeignete klimatische Konstellationen sind schon heute in vielen Gebieten Deutschlands geben, wie zum Teil recht wuchskräftige Edelkastanien-Vorkommen weit nördlich ihres eigentlichen Ursprungsgebietes bestätigen.
Literatur
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