LWF aktuell 147
Mops-, Nymphenfledermaus & Co. - Bewohner bayerischer Naturwaldreservate
von Margret Frischhut, Anna-Katharina Zech und Markus Blaschke
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Abb. 1: Unverwechselbar sind die Ortungsrufe der in Bayern weit verbreiteten Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus). (© C. Mörtlbauer)
Fledermäuse gelten mit 1.100 Arten weltweit als eine der ältesten und vielfältigsten Säugetiergruppen. Für viele sind Wälder ein wichtiges Habitat. Sie werden als Jagdgebiet und als Sommer- oder Winterquartier genutzt. Wälder gelten somit als Zentren der Fledermausdiversität. Doch wie steht es um unsere bayerischen Fledermäuse?
Der Lebensraum Wald wird von fast allen in Mitteleuropa vorkommenden Fledermausarten genutzt. Baumhöhlen und vom Stamm abstehende Rindentaschen stellen wichtige Tagesverstecke dar und dienen der Jungenaufzucht. Strukturreiche Waldgesellschaften fördern ein vielfältiges Nahrungsangebot für die insektenfressenden Säugetiere.
In Bayern gibt es 22 reproduzierende Fledermausarten, die allesamt unter Schutz stehen. Über 2/3 davon sind eng an Wälder gebunden, wobei strukturreichen Wäldern mit hohem Tot- und Altholzanteil eine besondere Bedeutung zukommt. Solche Strukturen finden sich in vielen naturnah bewirtschafteten Wäldern, vor allem aber in den bayerischen Naturwaldreservaten.
Akustische Erfassung der Fledermausaktivität
Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) hat sich in dem vom Waldklimafonds geförderten Projekt „Lebendiges Totholz" u. a. mit der Diversität von Fledermäusen in seit mehreren Jahrzehnten unbewirtschafteten Wäldern beschäftigt. Dazu wurden 25 über ganz Bayern verteilte Naturwaldreservate (NWR) ausgewählt. Diese können vier Waldtypen mit folgenden dominierenden Baumarten zugeordnet werden: Buche (8 NWR), Eiche (7 NWR), Fichte (4 NWR) und Mischwälder (6 NWR).
Auf den Dauerbeobachtungsflächen dieser Naturwaldreservate wurden zur akustischen Ruferfassung der Fledermausaktivität Horchboxen der Firma ecoObs GmbH verwendet. Die Batcorder wurden dabei in den Monaten Mai bis August 2023 für jeweils eine Nacht installiert.
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Abb. 2: Ausschnitt einer typischen Sequenz der Ortungsrufe einer Mopsfledermaus im Naturwaldreservat Geige und Seewand am Großen Arber im Bayerischen Wald.
Durch die Auswertung der artspezifischen Rufe lassen sich zahlreiche Fledermausarten voneinander unterscheiden. Die Bestimmung erfolgte auf Grundlage spezifischer Rufmuster, die für einige Arten gut differenzierbar sind. Die Große und Kleine Bartfledermaus (Myotis brandtii/mystacinus) sowie das Graue und das Braune Langohr (Plecotus austriacus/auritus) lassen sich dagegen jeweils nur schwer voneinander unterscheiden. Daher wurden diese Arten zu den Artenpaaren Bartfledermaus und Langohrfledermaus zusammengefasst.
Trotz Unterstützung durch entsprechende Auswertungssoftware benötigt die Analyse der aufgezeichneten Fledermausrufe Fachkenntnis und Erfahrung. Mit der automatischen Rufanalyse-Software „batIdent" der Firma ecoObs GmbH wird jeder Ruf analysiert, klassifiziert und eine Wahrscheinlichkeit für den Artnachweis angegeben. Um diese Ergebnisse zu verifizieren, haben wir uns im nächsten Schritt die einzelnen Rufe der identifizierten Rufsequenzen genauer angeschaut, bis wir der vorgeschlagenen Artbestimmung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zustimmen konnten.
Manche Arten lassen sich dabei nur relativ schwer bestimmen oder werden vom Batcorder gar nicht erst aufgenommen. Ob der Ruf einer Fledermaus von diesem registriert wird, hängt maßgeblich von ihrer Entfernung zum Aufnahmegerät, dem Frequenzbereich ihrer Rufe und der Bestandesdichte ab. Darüber hinaus konnten nicht alle 11.048 Rufe manuell überprüft werden, weshalb manche Arten möglicherweise übersehen wurden. Die quantitativen Aussagen zu den einzelnen Arten sind daher nicht als absolute Zahlen zu verstehen, auch weil ein relativ großer Anteil der Sequenzen nicht auf Artniveau bestimmt werden kann. Grundsätzlich ermöglicht die akustische Erfassung und Auswertung von Fledermausrufen die Fledermausdiversität in einem Gebiet mit einem relativ geringen Arbeits- und Zeitaufwand zu untersuchen, ohne dabei die Arten in ihrem natürlichen Lebensraum zu stören.
Naturwaldreservate – Refugien für Fledermäuse
In den 25 untersuchten bayerischen Naturwaldreservaten konnten wir insgesamt 12 Fledermausarten und die beiden Artenpaare Bartfledermaus und Langohrfledermaus nachweisen (Abbildung 3). Dabei kamen die meisten Fledermausarten im Naturwaldreservat „Heilige Hallen" bei Ipsheim vor: Acht Artnachweise und der Nachweis beider Artenpaare gelangen uns dort. Fast genauso divers waren die Aufnahmen im Naturwaldreservat „Hofwiese" bei Rattelsdorf mit neun Arten. Insgesamt konnten in den sechs untersuchten fränkischen Naturwaldreservaten 11 Einzelarten und beide Artenpaare nachgewiesen werden. Ebenfalls als besonders artenreich erwiesen sich das Naturwaldreservat „Seeben" bei Günzburg mit acht Arten sowie das Naturwaldreservat „Leitenwies" bei Vilshofen an der Donau und das Naturwaldreservat „Teufelsgesperr" bei Maxhütte-Haidhof mit jeweils sechs Arten und einem Artenpaar. Deutlich weniger Arten fanden wir in den Alpen sowie in den Hochlagen der Mittelgebirge: Hier konnten wir im buchenreichen Naturwaldreservat „Totengraben" bei Rottach-Egern und im Naturwaldreservat „Geige und Seewand" am Großen Arber im Bayerischen Wald lediglich jeweils drei Arten nachweisen.
Die am weitesten verbreitete Art ist die Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus). Sie gilt als die anpassungsfähigste unserer Fledermäuse und kommt in weiten Teilen Bayerns vor (LfU, 2024). Zudem sind ihre spezifischen Ortungsrufe eindeutig erkennbar und führen zu einer hohen Trefferwahrscheinlichkeit bei der akustischen Rufanalyse (LfU, 2020). Ebenfalls unverwechselbar sind die Ortungsrufe der in Bayern weit verbreiteten Mopsfledermaus (LfU, 2020). Diese typische Waldfledermaus zeigte sich in unseren Untersuchungen vor allem in den mittleren und tiefen Höhenlagen unter 800 m ü. NN. Andere Untersuchungen berichten allerdings auch von Vorkommen dieser Art bis in die Hochlagen (LfU, 2024).
Seltene und gefährdete Fledermausarten
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Abb. 4: Mopsfledermauswochenstube in einer Rindentasche (© K. Schindlatz)
Von den 13 auf der Roten Liste für Bayern geführten Fledermausarten konnten wir sechs Arten in den Naturwaldreservaten wiederfinden (Abbildung 3). Besonders erfreulich ist der Nachweis der sehr seltenen Nymphenfledermaus (Myotis alcathoe) in drei Naturwaldreservaten. Als typische Waldart findet die Nymphenfledermaus in alten Buchen- und Eichenwäldern ihr bevorzugtes Habitat (LfU, 2024).
Während es bereits Nachweise in der Nähe des Naturwaldreservats „Stachel" bei Bamberg und des Naturwaldreservats „Heilige Hallen" bei Ipsheim gibt, ist der Nachweis im Naturwaldreservat „Hoher Knuck" bei Weibersbrunn der erste für den Spessart.
Strukturvielfalt fördert die Fledermausdiversität
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Abb. 5: Waldfledermäuse nutzen Baumspalten, Spechthöhlen oder abstehende Rindentaschen als Quartier. (© H. Heither)
In unseren Untersuchungen konnten wir einen positiven Zusammenhang zwischen der Artenvielfalt der Fledermäuse und der Strukturvielfalt der Bestände und ihrer Umgebung feststellen.
Das artenreiche NWR „Heilige Hallen" grenzt zum Beispiel direkt an offene Kulturlandschaften mit Grünwiesen, Viehweiden und Teichflächen. Der Waldrand und weitere gehölzreiche Linienstrukturen übernehmen wichtige Leitfunktionen, die von den Fledermäusen für den Transferflug in ihre Jagdhabitate genutzt werden. Somit werden bei der akustischen Erfassung sowohl die Arten erfasst, die überwiegend den südexponierten Eichenwald nutzen, als auch die Arten, die den Bereich als Flugroute nutzen oder aber im Übergangsbereich zwischen Wald und Offenland jagen.
Klima und Habitatstrukturen beeinflussen die Verbreitung unserer Fledermäuse
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Abb. 6: Dieser Buchen-Hallenbestand ist ein Jagdhabitat für verschiedene Fledermausarten. (© P. Gilbert)
Mit einer sogenannten nichtmetrischen multidimensionalen Skalierung (NMDS) wurde die Zusammensetzung der Artengemeinschaften zwischen den untersuchten Gebieten verglichen. Dabei werden Arten mit ähnlichen Habitatansprüchen gruppiert und können mit Umweltparametern verschnitten werden (Abbildung 7). Kontinuierliche Faktoren wie beispielsweise die Temperatur werden als Pfeile dargestellt, deren Wert in Pfeilrichtung zunimmt, wobei dieser aus Gründen der Übersichtlichkeit erst im Mittelpunkt beginnt. Je weiter links in der Graphik die Arten angeordnet sind, desto häufiger wurden sie zum Beispiel in wärmeren Gebieten nachgewiesen. Kategoriale Variablen wie die dominierende Waldgesellschaft (Bu, Ei, Fi, MW) werden ebenfalls in der Graphik angeordnet. So wurde die Wasserfledermaus beispielsweise insbesondere in buchendominierten Beständen gefunden. Die hier dargestellten Faktoren zeigen in den Untersuchungen einen signifikanten Zusammenhang mit der Artenzusammensetzung der Fledermäuse. Allerdings wirken diese Faktoren häufig im Zusammenspiel miteinander und weitere, hier in der Untersuchung nicht berücksichtigte Faktoren können die Artengemeinschaften ebenfalls beeinflussen.
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Abb. 7: Vergleich der Artengemeinschaften der untersuchten Gebiete. (© LWF)
Neben der durchschnittlichen Jahresmitteltemperatur, der durchschnittlichen Jahresniederschlagssumme (1991–2020) und den unterschiedlichen Waldtypen ist ein Zusammenhang mit der Baumartendiversität beim Totholz (Baumarten_TH) erkennbar. Weitere wichtige Strukturparameter waren die Verkehrswege (Straßen/ Bahnlinien) im Umkreis von 500 und 1.000 m (Verkehr_500 bzw. Verkehr_1000). Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) und Breitflügelfledermäuse (Eptesicus serotinus) jagen häufig entlang der Waldränder hoch über den Schneisen (BMDV, 2023). Kleinere Wege im Umkreis von 1.000 m dienen als Leitlinien und als Jagdhabitate (BMDV, 2023). Auch Siedlungsbereiche im Umkreis von 250 m zeigen einen leicht signifikanten Einfluss (Siedlung_250). Dachböden und Verschalungen dienen häufig als Quartierstandorte zum Beispiel für die Große Bartfledermaus und Gebäudespalten werden von der Mopsfledermaus als sekundäre Quartierstandorte angenommen (BMDV, 2023).
Auch der Kronenschlussgrad auf den ca. ein Hektar großen Untersuchungsflächen zeigt einen signifikanten Einfluss auf die untersuchten Fledermausarten. Geschlossene Wälder mit hohem Kronenansatz bilden einen freien Luftraum unter den Kronen, der von vielen Arten als Jagdhabitat genutzt wird. Darüber hinaus ermöglicht zum Beispiel eine gering ausgeprägte Bodenvegetation dem Großen Mausohr (Myotis myotis) die Jagd nach Laufkäfern im Laub auf dem Waldboden (LfU, 2024).
In 16 Naturwaldreservaten wurden Informationen über Baum-Mikrohabitate erhoben. Für diese Flächen konnten etwaige Zusammenhänge zwischen bestimmten Mikrohabitaten und den Artengemeinschaften für 13 Fledermäuse überprüft werden: Signifikante Zusammenhänge zeigten sich zu Insektenbohrlöchern, Konsolenpilzen, Krebsstellen im Zerfallsstadium, Bäumen mit Wasserreisern oder Flechten, Vogelnestern und Starkastabbrüchen. Diese Strukturen fördern die Insektendiversität und damit das Nahrungsangebot für Fledermäuse.
Zusammenfassung
Naturwaldreservate mit hohen Alt- und Totholzanteilen bieten wichtige Quartier- und Jagdhabitate für zwei Drittel der 22 in Bayern reproduzierenden Fledermausarten. Um die Fledermausartengemeinschaften in den Naturwaldreservaten und wichtige Einflussfaktoren auf deren Zusammensetzung zu untersuchen, hat die bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in dem vom Waldklimafonds geförderten Projekt „Lebendiges Totholz" im Sommer 2023 akustische Aufnahmen in 25 Naturwaldreservaten durchgeführt. Insgesamt konnten 14 verschiedene Arten nachgewiesen werden, von denen sechs auf der Roten Liste für Bayern geführt werden. Eine hohe Artenvielfalt scheint durch geeignete Waldstrukturen und vielfältige Landschaftsstrukturen in der Umgebung der Naturwaldreservate gefördert zu werden.
Literatur
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