Christoph Hübner, Kathrin Weber, Markus Blaschke, Thomas Kudernatsch und Bernhard Förster
Kleinod zwischen Sand und Granit – LWF aktuell 119
Das 1978 ausgewiesene Naturwaldreservat (NWR) hat nach seiner Erweiterung 1998 heute eine Größe von 69 ha und liegt zwischen 617 und 685 m ü. NN. Das NWR Gitschger ist Bestandteil des Naturschutzgebietes »Großer Teichelberg« und des FFH-Gebietes »Basaltkuppen der Nördlichen Oberpfalz«.
Nördlich angrenzend an das Reservat liegt ein Basaltsteinbruch. Nach aktuellem Stand endet der Basaltabbau zum Jahresende. Das NWR Gitschger stellt eines der 26 Schwerpunktreservate in Bayern dar und repräsentiert die Wälder auf Basaltstandorten. Regelmäßig werden hier im zehnjährigen Turnus die Entwicklung von Waldbeständen, Bodenvegetation, Kleinlebewesen und Vögeln dokumentiert.
Abb. 1: Das Naturwaldreservat (Foto: Chr. Hübner, LWF)
Die Entwicklung der Waldbestände im NWR Gitschger
Abb. 2: Umriss des NWR Gitschger. (Grafik: LWF)
Des Weiteren wurden in den meisten Naturwaldreservaten sogenannte Repräsentationsflächen angelegt. Dies sind Flächen von möglichst 1 ha Größe, in welchen Vollaufnahmen durchgeführt werden. Die Entwicklung des Reservats Gitschger wird im Folgenden auf Basis der zwei Datengrundlagen aufgezeigt.
Entwicklung des NWR nach den Ergebnissen der BaySF-Inventur
Abb. 3: Die Fichtenvorräte haben kontinuierlich abgenommen. (Grafik: LWF)
Im Zeitraum von 1982 bis 2007 ist in der Oberschicht vor allem der Rückgang der Fichte und die Häufung des Edellaubholzes ersichtlich (Abbildung 3). Die Zunahme des Edellaubholzes ist vor allem der Zunahme des Bergahornes geschuldet. Ebenso stieg der Gesamt-Vorrat in den Jahren 1982 bis 2007 von 342 Efm/ha auf 449 Efm/ha. Zudem hat ausgehend von den Inventurdaten die Mehrschichtigkeit von 1982 bis 1992 deutlich zugenommen.
Abb. 4: Die Naturverjüngung im NWR Gitschger. (Grafik: LWF)
Totholz ist erst seit 2007 Bestandteil der Inventur, so dass nur ein Ist-Stand und noch keine Entwicklung ablesbar ist. Demnach besitzt das NWR Gitschger ein Gesamt- Totholz-Volumen an starkem Totholz mit einer Mindeststärke von 20 cm Durchmesser von 35,1 m³/ha, wobei 12,7 m³ stehendes Totholz ist. Rund ein Drittel (11,5 fm) des gesamten Totholzes ist bereits stark zersetzt und wird der Stufe »vermodert« zugerechnet. Eine Zuteilung zu Baumarten ist hier nicht erfolgt.
Entwicklung auf der Repräsentationsfläche
Abb. 5: Stammzahlverteilung (Grafik: LWF)
Dabei zeigt sich das relativ typische Bild in reiferen Naturwaldreservaten: Bei weitestgehend konstanter Grundfläche und sinkender Stammzahl steigt der Vorrat von 635 über 670 auf 753 Festmeter (Vfm D m. R.) an (Abbildung 5).
Bei der Stammzahl macht sich das Absterben zahlreicher durch das Triebsterben vorgeschwächter Eschen deutlich bemerkbar. Auch bei der Fichte geht die Stammzahl zurück. Hingegen kann bei sonstigem Lauholz vor allem bei der Bergulme eine Zunahme der Exemplare verzeichnet werden (Abbildung 5).
Abb. 6: Höhenzuwachs auf den Repräsentationsflächen (Grafik: LWF)
Der Blick in die Zukunft – also auf die Verjüngung – verdeutlicht wie schon die Ergebnisse der Stichprobeninventur auf der Gesamt-Reservatsfläche die Bedeutung des Edellaubholzes auf den Basaltstandorten. In der Repräsentationsfläche kommt die Verjüngung mit einer durchschnittlichen Stückzahl von 11.400 Pflanzen/ ha vor. Dabei entfällt ein Großteil auf die Esche, während Buche und vor allem Fichte in der Verjüngung kaum mehr eine Rolle spielen, obgleich die Lichtverhältnisse vor allem die Buche begünstigen würden (Abbildung 7).
Auffällig ist die Rückkehr der Bergulme in die Bestände, welche sich durch zahlreiches Einwachsen in die Kluppschwelle von 7 cm zeigt.
Totholz: prägendes Element im NWR Gitschger
Abb. 7: Baumarten in der Verjüngung. (Grafik: LWF)
Der Totholzanteil (hier gemessen ab einem Mindestdurchmesser von 10 cm) stieg nach der ersten Aufnahme von 94 m³/ha über 102 m³/ha auf 115 m³/ha, wobei die liegenden Stammabschnitte mit über 80 m³ den Löwenanteil einnehmen. Auffällig ist aber auch der Anteil der Hochstubben mit gut 10 m³. Der Unterschied zu den Inventurergebnissen kann zum einen in der zeitlichen Differenz, zum anderen in der deutlich niedrigeren Kluppschwelle der Totholzaufnahme in der Repräsentationsfläche liegen.
Im Vergleich dazu gibt die BWI 3 für die gesamte Waldfläche Deutschlands einen durchschnittlichen Totholzvorrat von 20,6 m³/ha und für Bayern von 22 m³/ha an. Huss & Butler-Manning (2006) haben im buchenreichen Nationalpark Hainich (Thüringen) einen Totholzvorrat von im Schnitt 60 m³/ha ermittelt.
Das NWR Gitschger zeigt eindrucksvoll, wie sich das Edellaubholz auf entsprechenden Standorten – hier nährstoffreicher basaltischer Blockschutt – gegen die scheinbare Übermacht der Buche durchsetzen kann, ohne dass Pflegeeingriffe nötig sind. Erfreulich ist die Rückkehr der Bergulme in das Reservat. Die weitere Entwicklung im NWR Gitschger bleibt dabei vor allem im Hinblick auf das Eschentriebsterben und der weiteren Entwicklung der Bergulmen im Bezug auf das Ulmensterben spannend.
Vögel
Abb. 8: Zwergschnäpper (Foto: K. Weber, LWF)
Im Rahmen der Aufnahmen wurden auf 68 Rasterflächen insgesamt 33 Waldvogelarten nachgewiesen. Der Anteil höhlen- und nischenbrütender Vögel an dieser Brutvogelgemeinschaft betrug 42 %, was das große Höhlen- und Nischenangebot wiederspiegelt.
Besonders erfreulich war das Wiederauftauchen des Kleinspechts. Er wurde bei früheren Kartierungen im Naturwaldreservat (1991) festgestellt, aktuell sind aber im Landkreis Tirschenreuth keine weiteren Vorkommen in Wäldern bekannt, nur noch an den Weichholzgalerien der Flüsse (Liegl 2017).
Ein Uhupaar brütet seit Jahrzehnten im Reservat oder im angrenzenden Steinbruch. Die Beobachtungen während der Kartierung repräsentieren seinen Tageseinstand (Liegl 2017).
Als Besonderheit ist das Vorkommen des Zwergschnäppers (RL Bayern 2, stark gefährdet) zu nennen. 2017 konnte ein singendes Männchen nachgewiesen werden. Diese in Halbhöhlen und Nischen brütende Schnäpperart erreicht in Bayern ihren Arealrand. Der bayerische Bestand wird auf 140 bis max. 250 Brutpaare geschätzt (Rudolph et al. 2016). Der Zwergschnäpper brütet nur in sehr alten bzw. sehr totholz- und höhlenbaumreichen Wäldern, meist mit kühl feuchtem Innenklima und nur wenigen Lücken im Kronendach. Deshalb findet man den Zwergschnäpper überwiegend in alten Bergmischwäldern und sehr naturnahen Flachland-Laubmischwäldern.
Vor 1992 kam der Zwergschnäpper im Naturwaldreservat regelmäßig mit mindestens zwei bis drei Revieren vor. In den Jahren 2010 und 2012 konnte jeweils ein singendes Männchen nachgewiesen werden (Liegl 2017). Das aktuelle Vorkommen unterstreicht die ornithologische Bedeutung des Reservats, im Naturraum sind keine weiteren Vorkommen bekannt.
Fledermäuse
Abb. 9: Mopsfledermäuse (Foto: K. Weber, LWF)
Bei den Rufaufnahmen dominierten vor allem Zwergfledermäuse, die im Reservat ausgiebig jagen. Neben wenigen Aufnahmen von Fledermausarten der Myotis- Gruppe konnten auch ein paar Aufnahmen von Abendseglern gemacht werden. An fast allen Standorten wurden regelmäßig Mopsfledermäuse aufgenommen. Dass diese das Reservat nicht nur gerne zur Jagd nutzen, sondern hier auch ihre Quartiere haben, deckt sich mit den Kontrollen der Fledermauskästen.
Im Rahmen eines Oberpfalz-weiten Fledermaus-Projekts des Landesamts für Umwelt, der Bayerischen Staatsforsten und der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft im Juli 2017 wurden nämlich auch die über 100 Fledermauskästen im Naturwaldreservat kontrolliert. Hierbei konnten Zwergfledermaus, Braunes Langohr, Kleiner Abendsegler und Mopsfledermaus in den Fledermauskästen nachgewiesen werden. In einem Flachkasten fand sich auch eine Wochenstube der Mopsfledermaus mit insgesamt 35 Individuen (26 Alt- und 9 Jungtieren). Durch Nistkästen können Fledermauspopulationen erst oftmals sichtbar gemacht werden. Denn in ihren natürlichen Quartieren wie Höhlen oder Spalten sind sie nicht leicht zu finden oder nachzuweisen.
Das Vorkommen seltener Fledermausarten wie Kleiner Abendsegler (RL Bayern 2, stark gefährdet) und Mopsfledermaus (RL Bayern 3, gefährdet) zeigt auch hier die Bedeutung des Naturwaldreservats. Beide Arten leben als ausgesprochene Waldfledermäuse vor allem in alten, höhlen- und spaltenreichen Laubwäldern.
Pilze
Abb. 10: Der Zarte Stachelrindenpilz (Foto: M. Blaschke, LWF)
Im Vergleich zu anderen Naturwaldreservaten waren auf der Fläche allerdings nur zwei Mykorrhizapilze stetig zu finden, der Süßliche Milchling (Lactarius subdulcis) und der Rotfußröhrling (Xerocomus chrysenteron). Dieses Phänomen spricht für die sehr gute Nährstoffausstattung des Bodens. Im Vergleich dazu war die Artenausstattung bei den Zersetzerpilzen sowohl des Holzes als auch der Streu deutlich auffälliger.
Vegetation
In der Baumschicht dominiert die Buche, Edellaubbäume wie Bergahorn, Bergulme und Esche sind beigemischt. Die Feldschicht (Kraut- und Moosschicht) weist relativ hohe Deckungsgrade auf (zwischen 55 und 75 %), wobei im Durchschnitt 18 Arten je Aufnahmefläche dokumentiert werden konnten. Charakterarten der Klasse Querco-Fagetea (z. B. Rotbuche (Fagus sylvatica)), der Ordnung Fagetalia sylvaticae (z. B. Bergahorn (Acer pseudoplatanus), Echter Wurmfarn (Dryopteris filix-mas), Esche (Fraxinus excelsior), Gewöhnliche Goldnessel (Lamium montanum)) oder das Wald-Flattergras (Milium effusum) sowie des Verbandes Galio odorati-Fagion (z. B. Waldmeister (Galium odoratum)) sind mit hoher Stetigkeit in den Aufnahmen vertreten.
Als Trennart gegenüber dem Galio odorati-Fagetum und gleichzeitig Assoziationscharakterart ist die Waldgerste (Hordelymus europaeus) regelmäßig auf den Aufnahmeflächen zu finden. Das Vorkommen von Arten der Günsel- und Scharbockskrautgruppe (z. B. Wald-Frauenfarn (Athyrium filix-femina), Großes Hexenkraut (Circae lutetiana)) sowie von Arten stickstoffreicher Standorte (z. B. Große Brennnessel (Urtica dioica)) deutet auf eine Ausbildung des Waldgersten-Buchenwaldes auf eher hangfrischen, nährstoff- bis stickstoffreichen Standorten hin (vgl. Walentowski et al. 2013).
Zusammenfassung
Literatur
- BWI 3 – Dritte Bundeswaldinventur: Ergebnisse unter https://bwi.info/
- Blaschke, M. (2018): Pilzwelt in zwei Nordbayerischen Naturwaldreservaten. Der Tintling, (1), S. 39–43
- Huss, J.; Butler-Manning, D. (2006): Entwicklungsdynamik eines buchendominierten »Naturwald«-Dauerbeobachtungsbestands auf Kalk im Nationalpark Hainich/Thüringen. Waldoekologie online, Heft 3, S. 67–81
- Liegl, M. (2017): schriftl. Mitteilung
- Rudolph et al. (2016): Rote Liste und Liste der Brutvögel Bayerns. Bayerisches Landesamt für Umwelt, 30 S.
- Rudolph et al. (2017): Rote Liste und kommentierte Gesamtartenliste der Säugetiere (Mammalia) Bayerns. Bayerisches Landesamt für Umwelt, 84 S.
- Strunz, H. (1967): Die Basalte der Oberpfalz. Aufschluss, Sonderb. 16, S.315–25
- Walentowski, H.; Ewald, J.; Fischer, A.; Kölling, C.; Türk, W. (2013): Handbuch der natürlichen Waldgesellschaften Bayerns. Verlag Geobotanica, Freising, 441 S.