Markus Blaschke, Christoph Hübner und Bernhard Förster
Von großen Bäumen und kleinen Tieren – LWF aktuell 118
165 Naturwaldreservate: Das ist die stolze Bilanz, die Bayern 40 Jahre nach der Ausweisung der ersten Naturwaldreservate zu bieten hat. Damit verbunden sind auch 40 Jahre Waldforschung in diesen Schutzflächen. Begonnen hatten diese Forschungen damit, den Praktikern vor Ort zu zeigen, wie sich ungestörte Wälder natürlich entwickeln. Seit den 1990er Jahren rückten ökologische Fragestellungen in den Vordergrund. Auf Grundlage zahlreicher Untersuchungen werden im Folgenden die Entwicklung starker Bäume sowie Aspekte der Biodiversitätsforschung betrachtet.
Bereits im Zuge der Ausweisung der ersten Naturwaldreservate in den Jahren 1977 bis 1979 wurden zahlreiche rund einen Hektar große Repräsentationsflächen für die Forschung eingerichtet. Später kamen durch weitere ausgewiesene Reservate oder im Zuge von spezifischen Projekten noch einzelne Repräsentationsflächen hinzu. Inzwischen konnten die meisten dieser Repräsentationsflächen im Rahmen von Routinearbeiten oder auch in Projekten wiederholt aufgenommen werden. Für einige ausgewählte Flächen liegen sogar bereits bis zu fünf Wiederholungen der Aufnahmen vor.
Starke Bäume gesucht

Abb. 1: Starkes Totholz. (Foto: M. Mößnang, LWF)
Derzeit gibt es 19 Repräsentationsflächen, auf denen mindestens sechs sehr starke Bäume (BHD > 80 cm) erfasst wurden (Abbildung 2). Auf diesen Flächen hat sich die Zahl der sehr starken Bäume von der ersten Aufnahme von 7,7 Bäumen pro Hektar auf 12,0 bei der letzten Aufnahme der einzelnen Flächen erhöht. Aus dem Kreis dieser 19 Flächen wiederum gibt es zwölf Flächen mit sehr starken Buchen. Für diese zwölf Flächen ergibt sich ein Mittelwert von 6,1 sehr starker Bäume für die erste Aufnahme. Dieser steigt bei der letzten Aufnahme auf 9,2 Buchen/ha an. Die größte Zahl an starken Bäumen je Hektar weißt das Naturwaldreservat Gitschger in der nördlichen Oberpfalz mit 23 Starkbäumen auf. Auf Platz 2 und 3 folgen das NWR Brunnstube bei Ebrach mit 20 und das NWR Vogelspitz mit 17 Starkbäumen.

Abb. 2: Der Halsbandschnäpper. (Foto: Ch. Moning)
Verglichen mit einer aktuellen Studie aus Belgien wird jedoch klar, dass selbst diese beeindruckenden Zahlen noch hinter Beständen im Buchenoptimum zurückbleiben. So zählten Vandekerkhove et al. (2018) im Bestand Kersselaerspleyn im Sonian Forst südlich von Brüssel auf einer Fläche von über 10 ha im Schnitt über 34 sehr starke Buchen pro Hektar. Verglichen mit Werten aus noch vorhandenen Urwaldresten in der Tschechischen Republik und in Albanien liegen die bayerischen Spitzenwerte jedoch etwa im Bereich dieser Wälder (Vandekerkhove 2018).
Der harte Kampf um die Nachfolge

Abb. 3: Die Mönchsgrasmücke. (Foto: H.-J. Fünfstück)
Tabelle mit Entwicklung der starken Bäume
Durchmesser | BHD >80 cm | BHD >30 cm | ||||
Baumarten | Alle Bäume [N/ha] | Buchen [N/ha] | Alle Bäume [N/ha] | |||
Naturwaldreservat | Erste Aufnahme | Letzte Aufnahme | Erste Aufnahme | Letzte Aufnahme | Erste Aufnahme | Letzte Aufnahme |
Mitterteich | 6 | 10 | 133 | 170 | ||
Seeben | 2 | 15 | 169 | 98 | ||
Kienberg | 8 | 6 | 82 | 146 | ||
Totengraben | 5 | 7 | 173 | 161 | ||
Westerholz | 10 | 10 | 1 | 1 | 191 | 185 |
Schlapbach | 4 | 10 | 260 | 221 | ||
Vogelspitz | 4 | 17 | 217 | 226 | ||
Geige und Seewand | 15 | 13 | 4 | 153 | 148 | |
Gailenberg | 2 | 10 | 2 | 8 | 197 | 182 |
Rusler Wald | 7 | 16 | 2 | 9 | 165 | 144 |
Rehberg | 6 | 11 | 236 | 217 | ||
Hecke | 11 | 11 | 2 | 5 | 184 | 112 |
Leitenwies | 1 | 7 | 1 | 20 | 7 | 177 |
Gitschger | 119 | 22 | 23 | 22 | 95 | 107 |
Schwarzenwihrberg | 3 | 7 | 2 | 6 | 269 | 236 |
Waldhaus | 16 | 14 | 16 | 14 | 152 | 132 |
Brunnstube | 11 | 20 | 11 | 20 | 122 | 104 |
Platzer Kuppe | 8 | 13 | 8 | 13 | 176 | 147 |
Elsbach | 7 | 8 | 5 | 6 | 139 | 138 |
Tabelle 1: Entwicklung der starken Bäume (BHD >80 bzw. >30 cm) auf 19 Repräsentationsflächen zwischen der ersten und der letzten Aufnahme
Artenvielfalt im Fokus der Wissenschaft

Abb. 4: Der Marmorierte Rosenkäfer. (Foto: H. Bußler, LWF)
Der alte Buchenwald bietet zahlreiche Strukturen für Vogelvielfalt

Abb. 5: Der Nagelfleck. (Foto: M. Wich)
In den Untersuchungen zeigte sich aber überraschend deutlich, dass auch Buchenwälder – teils mit geringen Eichenanteilen – durchaus sehr wertvoll sein können, wenn sie in die Starkholzklasse einwachsen und dann für viele Waldvogelarten wertvolle Strukturen wie rauhe Borke und Höhlenreichtum anbieten. Ganz deutlich zeigte sich hierbei, wie wichtig es für die Avifauna ist, bei der Bewirtschaftung von Waldflächen Strukturen alter Laubwälder zum Beispiel in Form von Altholzinseln und Biotopbäumen auf der Gesamtfläche zu integrieren.
Aus dem Reich der Käfer: Urwaldreliktarten in Naturwaldreservaten

Abb. 6: Nachweise von Naturnähezeigern bei mykologischen Aufnahmen in Naturwaldreservaten in Bayern. (Grafik: LWF)
In 30 bayerischen Naturwaldreservaten konnten bisher 40 Reliktarten der deutschen und mitteleuropäischen Liste nachgewiesen werden. Von 33 Arten der deutschen Liste (Müller et al. 2005) gelten 26 Arten auch in Mitteleuropa als Reliktarten (Eckelt et al. 2017). Im NWR Eichhall wurden zwölf dieser Reliktarten gefunden, im NWR Wettersteinwald bei Mittenwald sieben Arten. Hier gelang 2014 auch der Erstnachweis einer Reliktart für Deutschland (Bussler et al. 2015). Im NWR Fasanerie sind sechs Reliktarten nachgewiesen, in den Reservaten Waldhaus und Brunnstube bei Ebrach und im NWR Rehberg bei Regen jeweils fünf Arten.
Von Schmetterlingen, Waldlebensraumtypen und Waldmonitoring

Abb. 7: Der Ästige Stachelbart. Foto: (M. Blaschke, LWF)
Pilze als Zeiger für Naturnähe

Abb. 8: Der Schwarzsamtige Dachpilz. (Foto: M. Blaschke, LWF)

Abb. 9: Der Eichenmosaik-Schichtpilz. (Foto: M. Blaschke, LWF)

Abb. 10: Camerops tubulina. (Foto: M. Blaschke, LWF)
Die Ergebnisse zeigen, dass gerade die Na- turnähezeiger eine ausgesprochen enge Beziehung zu vielfältigen Totholzstrukturen besitzen. Aus vergleichenden Untersuchungen in Wirtschaftswäldern lässt sich aber auch folgern, dass durch ein genügendes Angebot an Totholz im Wirtschaftswald für viele dieser Arten ein ausreichender Lebensraum in genutzten Wäldern geschaffen werden kann.
Zusammenfassung und Ausblick

Abb. 11: Das Naturwaldreservat Gitschger. (Foto: M. Blaschke)
In vielen Forschungen werden die Naturwaldreservate als Vergleichsflächen für zahlreiche Fragestellungen herangezogen. In der Klimafolgenforschung sind die Naturwaldreservate inzwischen ein wichtiger Indikator (Meyer et al. 2017). Für Fragestellungen bei Natura 2000 bringen die Zeitreihen in der Naturwaldforschung verlässliche Daten (Meyer et al. 2015). Aber auch unsere Naturwaldreservate sind keine Urwälder und werden wohl noch die eine oder andere Überraschung in der Zukunft bereithalten.
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Weiterführende Informationen
Autoren
- Markus Blaschke
- Christoph Hübner
- Dr. Bernhard Förster