LWF aktuell 136
Metabarcoding: Ein modernes Verfahren zur Biodiversitätsforschung im Wald
von Stephan Kühbandner, Markus Blaschke
Zoombild vorhanden
Abb. 1: Fallenkombination aus Malaisefalle (links) und Flugfensterfalle (rechts) (© S. Kühbandner, LWF)
Aktuelle Themen wie Klimawandel, Insektensterben und die Sorgen um den Zustand des Waldes erhöhen den Bedarf an rasch verfügbaren, aussagekräftigen Daten zur Biodiversität. Dies geht mit einem hohen Aufkommen von Proben einher und lässt die klassische Taxonomie an ihre Grenzen stoßen. Aktuelle Methoden wie das DNA-Metabarcoding bieten jedoch neue Chancen. Wir stellen ein Monitoringkonzept für Arthropoden vor, welches mit begrenztem finanziellem und personellem Aufwand einen guten Kompromiss zwischen vereinzelten Fallen und einer Totalerhebung bietet.
Spätestens seit der Entomologische Verein Krefeld 2017 (Hallmann et al. 2017) festgestellt hat, dass die Biomasse von Fluginsekten in Naturschutzgebieten um 75 % innerhalb von 27 Jahren zurückgegangen ist, wird das Insektensterben in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen und teilweise heftig diskutiert. In der Folge kam es unter anderem zum Volksbegehren »Rettet die Bienen« und zu entsprechenden Gesetzesänderungen.
In Fachkreisen mehrten sich die Hinweise auf einen schon länger stattfindenen dramatischen Einbruch der Populationen, entsprechende Langzeituntersuchungen allerdings fehlen. Bis diese in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen, wird wohl noch einige Zeit vergehen – Zeit, die wir aufgrund der rasch fortschreitenden Umweltveränderungen eigentlich nicht haben. Insgesamt ist der Bedarf an kurzfristigen Informationen zur Biodiversität in den letzten Jahren enorm gestiegen. Dies betrifft in einem waldreichen Land wie Deutschland natürlich auch den Lebensraum Wald.
Grenzen der klassischen Taxonomie
Die klassische Taxonomie alleine kann diese Herausforderungen nicht mehr bewältigen. Dies liegt zum einen an dem gestiegenen Umfang an Proben, zum anderen an der zeitaufwendigen Artbestimmung. Hinzu kommt, dass erfahrene Taxonomen zur Bestimmung vieler Artengruppen wie zum Beispiel den Gliederfüßlern (Arthropoden), die zahlreiche Insektenarten umfassen, heute selbst schon fast einer »aussterbenden Spezies« angehören. Die wenigen verbliebenen Taxonomen sind teilweise über Jahre ausgelastet.
Um diese Lücke zu füllen, bieten sich heute neue Verfahren wie z. B. das DNA-Metabarcoding an. Mit dieser Methode lassen sich einzelne Arten aus einer Mischprobe identifizieren, die mehrere tausend Individuen enthalten kann. Der Vorteil gegenüber dem klassischen Verfahren ist, dass mit überschaubarem Kostenaufwand schnell ein Ergebnis erzielt wird. Allerdings bringt das DNA-Metabarcoding auch einige Nachteile mit sich. So kann dieses Verfahren zwar sehr sensitiv feststellen, welche genetische Erbinformation in der Probe enthalten war, es liefert derzeit aber noch keine Abundanzen bzw. Häufigkeiten. Außerdem muss die gesamte Mischprobe zunächst homogenisiert werden, so dass die Individuen anschließend nicht mehr für weitere Untersuchungen zur Verfügung stehen. Die klassische Taxonomie lässt sich damit also nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen.
Wie funktioniert DNA-Metabarcoding?
Die gefangenen Arthropoden, z. B. aus einer Flugfensterfalle, werden zunächst getrocknet und anschließend gewogen. Diese Arbeitsschritte sind für spätere ökologische Analysen wichtig (Trockenbiomasse). Anschließend findet optional eine Größenfraktionierung der Arthropoden statt. Dies ist immer dann sinnvoll, wenn unterschiedlich große Spezies (sehr kleine und sehr große Individuen) in einer Probe vorliegen. Hier besteht die Gefahr, dass große Exemplare wie etwa Hummeln oder große Käfer mit viel DNA die kleineren Individuen (die weniger DNA haben) »verdecken«, so dass diese dann unterrepräsentiert sind. Erst danach wird die Probe homogenisiert und die DNA extrahiert.
Der für die Analyse verwendete genetische Marker ist die Untereinheit I der Cytochrom C Oxidase (COI). Dieses Enzym ist Teil der Atmungskette und spielt im Energiestoffwechsel vieler Lebewesen eine zentrale Rolle. Unser genetischer Marker COI befindet sich nicht wie die meisten Gene im Zellkern, sondern in den sogenannten Mitochondrien. Diese werden oft auch als Kraftwerke der Zellen bezeichnet und verfügen über ein eigenes Erbgut, welches in der Regel nur von den Weibchen vererbt wird. Dies und der Umstand, dass die DNA-Sequenz der COI mehr Unterschiede zwischen verschiedenen Arten aufweist als andere mitochondriale Gene, macht sie für taxonomische Zwecke besonders interessant.
Für die weitere Analyse werden die COI gezielt vervielfältigt, anschließend lassen sich die jeweiligen individuellen Abfolgen von DNA-Bausteinen (Basen) der Tiere mit einem Next Generation Sequencing-Verfahren ermitteln. Je nach Spezies unterscheiden sich die ausgelesenen DNA-Sequenzen der COI mehr oder weniger und können dann mit Vergleichssequenzen in Datenbanken abgeglichen werden. Sofern eine Art bereits aus früheren Studien des Meta-Barcodings bekannt ist, kann diese der entsprechenden Sequenz zugeordnet werden. Ist dies nicht der Fall, kann eine Zuordnung auch Jahre später noch erfolgen, wenn die betroffene Art dann in den Vergleichsdatenbanken zur Verfügung steht.
DNA-Metabarcoding – Symbolhafte Beschreibung der Methode (© LWF)
Grundsätzlich liefern aber auch allein schon die ermittelten DNA-Sequenzen ohne Vergleichssequenzen Hinweise auf die Artenvielfalt und ein Maß der Biodiversität, da Proben, deren Sequenzen einen Unterschied von mehr als 3 % aufweisen, üblicherweise als unterschiedliche Arten gewertet werden. Für ökologische Fragestellungen zur Biodiversität, bei denen es nicht primär darauf ankommt, die einzelnen Arten namentlich zu kennen, sind diese Daten somit sehr wertvoll.
Anwendung im Waldklimafonds-Projekt »natWald100«
Im Rahmen des vom Waldklimafonds geförderten Projekts »natWald100« untersuchen die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) und die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA) deutschlandweit die Auswirkung natürlicher Waldentwicklung auf Kohlenstoffspeicherung und Biodiversität in hundert Naturwaldreservaten. Die LWF bearbeitet dabei das Thema Biodiversität, unter anderem die von Arthropoden. In jedem Naturwaldreservat wurde dazu eine Kombination aus Malaise-, Boden- und Flugfensterfallen installiert, da alle drei Fallentypen ein sehr unterschiedliches Artenspektrum erfassen. Während Malaisefallen vor allem positiv phototaktische, phytophage, d. h. von Licht angezogene, pflanzenfressende Insekten wie z. B. Zweiflügler (Diptera) und Hautflügler (Hymenoptera) fangen, sind es bei Flugfensterfallen eher negativ phototaktische Insekten wie z. B. Totholzkäfer. Bodenfallen decken die Bodenfauna ab, zu der unter anderem Laufkäfer (Carabidae), Spinnen und Asseln gehören.
Alle Fallen arbeiten mit Ethanol (80 %) als Konservierungsmittel, um den Fang für die spätere DNA-Analyse zu sichern. Die Leerung erfolgt vierzehntägig von Anfang Mai bis Ende Juli. Insgesamt werden 1.800 Einzelproben gesammelt, die jeweils mehrere hundert bis tausend Individuen enthalten können. Aufgrund der Fülle des anfallenden Probenmaterials wäre das laufende Projekt ohne den Einsatz des DNA-Metabarcodings nicht in einem angemessenen zeitlichen und finanziellen Rahmen umsetzbar.
Zusammenfassung
Das DNA-Metabarcoding bietet für viele wissenschaftliche Untersuchungen und Monitoringansätze im Bereich Biodiversität eine Möglichkeit, zeitnah und in einem überschaubaren Kostenrahmen solide Daten zur Diversität und zum Vorkommen einzelner Arten zu erhalten. Als Nachteil muss in Kauf genommen werden, dass sich mit dieser Methode noch keine Aussagen zu Abundanzen ableiten lassen und die Probe bei der Analyse verloren geht. Die Vorteile dieser Methode überwiegen jedoch meist die Nachteile. Oft ermöglicht das DNA-Metabarcoding Forschungsvorhaben, die aufgrund der Kurzfristigkeit des Datenbedarfs nicht realisierbar wären.
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